Als Gandalf noch der Schwarze war

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Wie soll man da einen ordentlichen Wochenrückblick entbinden? Kaum ist es in der Stadt mal etwas ruhiger geworden, kommt der Druck von draußen. Bei Harry Potter half da ein Tarnumhang, im Rathaus greift man lieber auf einen alten Deckmantel zurück. Und dann ist da noch ein Sohn der Stadt, der gerade den Olymp von Youtube erklimmt. Das Video mit ihm als werbenden Freier ist der Burner im Netz und hat Follower ohne Ende! Man könnte ja mal das Bad nach ihm benennen. Aber erst dann, wenn das Schachspiel beendet ist, bei dem unter dem Deckmantel der „Aktion Minsk“ gerade der Kampf um den Endsieg tobt. All das heute in der Markranstädter Wochenschau.

Eine Frage des Namens

Die nichtöffentliche Sitzung des Stadtrats zum Thema Stadtbad schlägt weiter Wellen. Vorrangig zwar nur in den sozialen Netzwerken, aber wenigstens hält das die Sache am Laufen.

Hauptpunkt der Kritik ist, dass die Veranstaltung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Einerseits ist die öffentliche Teilhabe ein hohes Gut, andererseits fördert Nichtöffentlichkeit den Verdacht der Mauschelei hinter den Kulissen.

Seltsam ist es schon. Als es darum ging, dem Planungsbüro eine Bühne zur Selbstdarstellung seiner Kompetenzen zu bieten, wurde das gern und öffentlich genutzt. Jetzt aber, wo es Probleme gibt, wird der homo marcransis seit Monaten mit schwammigen Floskeln wie „aus verschiedensten Gründen“ eingelullt.

Ein Deckmantel als Tarnumhang

In Markkleeberg gab es eine ähnliche Situation. Dort musste jetzt einer Bürgerinitiative Recht gegeben und die Nichtöffentlichkeit der Sitzung rückwirkend aufgehoben werden. Warum? Weil es eine Stadtratssitzung war. Hätte man es als Stammtisch deklariert, wäre die Zusammenkunft in Ordnung gewesen.

In Markranstädt hat man das schlauer angestellt. So viel mal zur ewigen Meckerei, dass es hier bei uns angeblich drunter und drüber ginge. Das Gegenteil ist der Fall! Hier wurde der Zusammenkunft von vornherein ein Deckmantel übergeworfen und damit war alles rechtens. Die Bürgermeisterin hatte sogar den Mut, das mit dem Deckmantel genauso zu bezeichnen.

Das nennt man eine kreative Lösung. Weils keine Stadtratssitzung mehr ist, kann man das auch nichtöffentlich abhalten.

Das nennt man eine kreative Lösung. Weils keine Stadtratssitzung mehr ist, kann man das auch nichtöffentlich abhalten.

Wie wir danach feststellen durften, haben sich die Abgeordneten offenbar gern in diesen Mantel helfen lassen. Dann also: Das nächste Mal lassen sie sich zeigen, wie man die Schuhe zubindet, dann noch etwas Spucke aufs Taschentuch und die Mundwinkel abgewischt und jetzt husch, husch, raus mit euch an die frische Luft.

 

Auf Freiers Füßen

Auch in kultureller Hinsicht ist Markranstädt in der zurückliegenden Woche ganz groß rausgekommen. Dafür sorgte ein Video auf Youtube, das bundesweit Aufsehen erregt.

Über 10.000 Klicks und bundesweit 55 Kommentare in nur sechs Tagen, das ist doch mal ’ne echte Hausnummer! Natürlich geht der Dank dafür auch an Oliver Kalkofe, der das Video wo auch immer ausgegraben und sogar moderiert hat.

Das Original der MDR-Kuppelshow „Je t’aime – Wer mit wem?“ wurde samt Moderator Frank Liehr aus allen Kanälen gelöscht und schien auf ewig verschwunden. Jetzt ist es wieder da und ähnlich wie die Neuauflage von „Mein Kampf“ mit erklärenden Kommentaren hinterlegt, damit man auch bestimmt nichts falsch verstehen kann.

Alte Markranstädter werden sich bestimmt noch an die Erstfassung erinnern. Der Streifen entstand Mitte der 90-er Jahre in einer Seebenischer Gaststätte. Nachdem die Sendung ausgestrahlt wurde, war das ganze Dorf tagelang wie bekifft. Die Telenovela hatte alles, was ihr Protagonist forderte: Kult, Katastrophe, Kwote – alles mit K.

Das Original war besser

Was Kalkofes Remake nicht zeigt: Der legendäre Auftritt des Brautwerbers war wesentlich länger und bot ihm sogar noch Gelegenheit, der weiblichen Zielgruppe seine Anforderungen an deren Kochkünste mitzuteilen. Wie bei Muttern, oder so ähnlich.

Na ja, wir wissen ja wie sowas läuft. Jede Menge Versprechungen (erst Kinder, dann vögeln), und wenn nach elf Minuten die große Radtour mit dem Bonsai-Bike in die Bärenklau-Plantage ansteht, hat die Angebetete plötzlich Rücken. Es ist immer das gleiche Lied mit den Weibern. Freuen wir uns also lieber, dass wir nun um eine Berühmtheit in unseren Reihen wissen, nach der wir das Stadtbad benennen können.

 

Der Kampf tobt noch!

Lassen Sie uns abschließend noch zum Schachspiel der Nachtschichten gegen Markranstädt kommen. Ja es lebt noch! Zwar sind die Verluste groß, aber wer A sagt, muss auch Bäh sagen.

Es herrschte Gleichstand zwischen dem Zug des Turmes auf b8 und dem Zug des Bauern auf d5. Da es beiden Vorschlägen an einer sinnstiftenden Begründung mangelte, musste unser Experte entscheiden.

Und der hat in der Gedankenwelt des auf Seiten des Bürgertums kämpfenden SNU nicht nur einen lichten, sondern einen regelrecht glanzvollen Moment entdeckt. Zum Sieger des Tages gekürt, darf SNU seinen Bauern deshalb von d7 nach d5 entsenden.

Die Aktion „Minsk“

Auf diese Weise wird d5 für Weiß zum Feindgebiet und die weiße Dame auf ihrem Flug quer über das Brett genau dort zur Zwischenlandung gezwungen. Wie sowas ausgeht, wissen wir spätestens seit dieser Woche: Die Milf wird auf die Folterbank gebettet und so lange überzeugt, bis sie schwarz wird.

Nein, nicht mit uns! Wir haben uns entschlossen, diesem völkerrechtswidrigen Ansinnen mit einem Embargo zu begegnen. Die schwarze Front wird ausgehungert, indem wir alle verfügbaren Ressourcen in den eigenen Nachschub stecken. Unser Turm zieht von f1 auf c1. Die Aktion „Minsk“ hat begonnen, seit 5:45 Uhr wird jetzt … äh … ja … ziehen Sie erst mal, danach sehen wir weiter.

Hier also für den besseren Überblick der aktuelle Stand nach dem 21. Zug der ganz in unschuldigem Weiß spielenden Markranstädter Nachtschichten. Wir warten auf Ihre Vorschläge.

 

 

Ein besonders schwerer Fall des Diebstahls (3)

Was bisher geschah: Dem Vorsitzenden der Markranstädter Nachtschichten wird das Fahrrad gestohlen. Als er es wiederfindet, ist es brutal vergewaltigt worden. Er trifft die folgenschwere Entscheidung, das geschändete Teil trotzdem wieder bei sich aufzunehmen. Zuvor aber wird er durch die bürokratischen Mühlen gedreht, damit die Organe ihre Rolle der Bedeutung rechtfertigen können.

Ich schaue vom Balkon auf die beiden Uniformierten hinunter und gebe mich zu erkennen, indem ich ihnen die Parole „Fahrrad?“ zurufe. Sie bestätigen die Losung mit der Aufforderung: „Dann kommse bitte mal runter!“

So schnell hatte ich wirklich nicht mit dem Auftauchen der Polizei gerechnet. Ich ziehe mich an und gehe runter. Dort angekommen, fühle ich mich gemustert wie ein Täter, der grade erwischt wurde. Wir schauen uns an, eine gefühlte Ewigkeit.

Dann endlich fragt der Jüngere, wo denn nun das Fahrrad sei. Ich sage ihm, wo ich es gefunden habe, worauf er fragt, wie weit das entfernt sei. Nach Aufklärung der geografischen Situation werde ich gefragt, wie ich dahin zu gelangen gedenke.

Ich dachte, sie können mich gleich mitnehmen und wir fahren zusammen hin?

Schlecht! Wenn wir danach wieder zu einem Einsatz müssen, können wir sie nicht wieder zurück bringen.

Na ja, ich könnte mein Auto holen. Aber abgesehen vom ökologischen Faktor hat mir ihr Kollege gesagt, dass ich das Fahrrad zurücknehmen muss. Ich kanns ja nicht aufs Dach schnallen. Zeigen sie mich an, wenn ich es durchs Seitenfenster neben dem Auto mitführe … so am Lenker?

Die Beiden schauen sich an und der Jüngere stimmt meinem Argument zu.

Also nehmen sie mich mit?

Da müssen sie ihn fragen. (Zeigt auf den Älteren, der bereits zum Auto läuft.)

Ich soll wohl auf die Knie fallen und ihm hinterher flehen „Lasst mich nicht zurück!“ oder sowas. Fällt aus! Ich gehe einfach mit.

Nachdem die Rückbank leergeräumt wurde, darf ich einsteigen. Im Krimi halten sie dabei immer eine Hand schützend über den Kopf des Passagiers. Bei mir machen sie das nicht. Ich denke so: ‚Klar, bist ja nur Opfer und kein Täter.‘ Opfer können selber auf sich aufpassen. Täter haben gewöhnlich ’nen Anwalt oder kriegen einen gestellt. Einer, der sein Schrott-Fahrrad wiederhaben will, kann sich garantiert keinen Advokaten leisten und darf sich demnach ruhig auch mal an den Kopf rammeln.

Die Fahrt verläuft absolut still. Keine Fragen, absolutes Schweigen. Am Hotel angekommen, gibt’s dann die erste Frage. Wo denn das Fahrrad stehe. Ich antworte wahrheitsgemäß: „Auf der anderen Seite. Der Motor wird erneut gestartet, wobei sich der Fahrer den Hinweis nicht verkneifen kann, dass ich das gleich hätte sagen können.

Wir steigen aus. Auf dem Weg zu den Fahrradständern fragt mich der Jüngere: Wie sinnse denn darauf gekommen, ausgerechnet hier nach ihrem Fahrrad zu suchen?

Mein Hirn schüttet sofort Botenstoffe aus, die mich eine Falle wittern lassen. Solche Finten kenne ich aus Talkshows, wo man die Darsteller von der AfD mit sowas aufs Glatteis führen will. Er möchte jetzt wahrscheinlich hören, wer hier so wohnt und mich dann als Nazi in Beugehaft nehmen. Nicht mit mir! Ich glaube sowieso nicht dran, dass der Dieb aus diesem Hause kommt.

Guckense mal. Hier stehen so viele Fahrräder rum, da dachte ich, schaust immer mal vorbei. Mach ich übrigens auch am Bahnhof und an der Schule und so. Überall, wo Fahrräder rumstehen.

Ich glaube nicht, dass das jemand von da drin (zeige aufs Hotel) war. So doof, ein Fahrrad zu klauen und es bei sich vor der Haustür hinzustellen, ist kein Mensch.

Das ist übrigens der Punkt, der mich am meisten ärgert. Die Lallendorfer Junkees sind so degeneriert, dass sie die gleichen intellektuellen Merkmale auch bei ihren Mitmenschen voraussetzen. Ich schließe meine Indizienkette mit der Aussage:

Ich denke, dass das Markranster waren, die angesichts der technischen Parameter des Fahrrads überfordert waren und es nun einfach wieder loswerden wollten. Macht sich doch gut, es hier hinzustellen? Auch wegen sowas sollten die Kackbratzen endlich mal was auf ihre Langfinger kriegen. Drum will ich, dass das aufgeklärt wird.

Das scheint ihn zu überzeugen. Es beginnt wieder zu regnen. Der Kraftfahrer geht zum Auto zurück, der Jüngere taut langsam auf und wird freundlicher. Ich taufe ihn deshalb Freund und seinen Chauffeur Helfer. Freund und Helfer – passt!

Mein Fahrrad wird identifiziert. Jede Menge fehlende Teile sind nicht das Problem, dafür aber die zwei nicht zum Original zählenden Räder. Die gehören, obwohl sie kaputt sind, sozusagen nicht mir, was die Rückführung meines Eigentums in mein Eigentum erschwert. Das muss auf höherer Ebene geklärt werden, weshalb mein Freund jetzt auch zum Auto geht und mich allein im Regen stehen lässt.

Zum Glück bekomme ich bald Besuch. Ein Mann in uniformähnlicher Kleidung kommt aus dem Hotel. Figur und Erscheinungsbild lassen mich ahnen, dass er das Jüngelchen bewachen muss, das hier in der Nacht als Lagerkommandant Dienst schiebt.

Es entspinnt sich eine lockere Unterhaltung, bei der wir feststellen, dass wir das gleiche Interesse an Horror-Krimis hegen. Als ich beiläufig erwähne, welchem Beruf ich nachgehe, muss ich ihm in die Hand versprechen, nichts davon jemals zu erzählen. In seinem Alter würde er schlecht einen neuen Job finden. Ich halte mich dran. Es würde mir eh niemand glauben.

Der Freund kommt zurück. Es sei so weit alles geklärt, ich könne mein Rad nach Erledigung einiger Formalitäten wieder mitnehmen. Ich frage ihn, was mit Spuren sei, Fingerabdrücke und so. Das mache an einem Fahrrad keinen Sinn, meint er. Ich gebe mich geschlagen, wahrscheinlich gucke ich wirklich zu viele Krimis.

Da entdeckt er das Schild, das auf Videoüberwachung hinweist. Er fragt den Jüngelchen-Bewacher, ob dieser Bereich auch überwacht wird und wie lange die Aufzeichnungen zurückverfolgbar seien. Der sagt was von 48 Stunden, was drüber hinaus gehe, werde archiviert und da was zu suchen, wäre unheimlich aufwändig.

Der Bewacher bietet an, mal rückwärts zu spulen und fragt den Freund, ob er mitkommen und es sich ansehen möchte. Der jedoch gibt vor, mit mir inzwischen die Formalitäten erledigen zu müssen. Ich habe den Eindruck, dass er nicht sonderlich traurig darüber ist, das angrenzende Naturschutzgebiet nicht betreten zu müssen.

Ich gehe mit dem Freund zum Auto. Wir erledigen die Formalitäten. Während dieses Vorgangs erfahre ich, dass ich nicht Täter oder Opfer bin, sondern Zeuge. Entsprechend werde ich belehrt. Der Helfer daddelt inzwischen teilnahmslos auf seinem Handy rum. Als ich meinen Beruf angeben muss, kommt plötzlich Leben in seinen Körper. Er dehnt seinen Leib, dreht sich um und fragt mich, für welches Organ ich tätig sei.

Mich irritiert sein plötzliches Interesse an meiner beruflichen Situation. Solcherart Aufmerksamkeit hätte ich mir von ihm auch für mein Fahrrad gewünscht und vor allem für die Frage, wer der Dieb sein könnte. In diesem Moment klopfts von draußen ans Auto. Der Bewacher ist zurück und meldet, dass er sich die letzten 72 Stunden (???) angeschaut hätte und das Fahrrad immer da gestanden habe.

Ich rechne kurz zurück. Am Sonntag stand es noch nicht da. Das war vor ungefähr 69 bis 70 Stunden. Ich tippe dem Freund von hinten auf die Schulter und setze ihn vom Ergebnis meines Rechenvorgangs und der entstandenen Differenz in Kenntnis. Der dreht sich um und meint ratlos:

Er sagt so, sie sagen so. Was soll ich da machen?

Da er sich offenbar schon entschieden hat, wem er zu glauben bereit ist, will ich ihn nicht noch weiter verunsichern. Die Formalitäten sind jetzt eh erledigt. Mein Fahrrad gehört wieder mir. Bevor ich aussteigen kann, muss der Freund raus in den Regen. Meine Tür lässt sich nur von außen öffnen. Am Ende also doch wenigstens ein Hauch von Krimi.

Während ich mein Fahrrad-Wrack durch den strömenden Regen schiebe, ordne ich die Erlebnisse der vergangenen Stunden. Mein Sicherheitsgefühl hat sich entgegen der Prognosen der jüngsten Kriminalitätsstatistik nicht wirklich signifikant verbessert.

Ich bin mir sicher, sehr sicher sogar, dass der Dieb nicht im Hotel residiert. Mir wurden schon Fahrräder gestohlen, als dort noch das gesamte Spektrum vom Handelsvertreter bis zum heimlichen Liebespaar abgestiegen ist. Auch sehe ich täglich, was am Alten Friedhof, in der Parkstraße und vor den Einkaufsmärkten abgeht. Außerdem will ich nicht glauben, dass jemand ein Fahrrad stiehlt und es dann nur ein paar Meter weiter ganz offen vor seiner eigenen Haustür parkt.

Natürlich bin ich mir andererseits auch sicher, dass hinter den gelben Mauern nicht alles koscher zugeht. Aber wenn, dann geht es da um ganz andere Kaliber als darum, gebrauchte Fahrräder aus purer Langeweile so lange umzuschrauben, bis man nicht mehr damit fahren kann. Sowas scheint mir eher Sache von durch Drogen verändertem Gen-Material aus Markranstädter DNA. Ist aber auch nur ’ne Vermutung.

Schade, dass meine Freunde und Helfer die Sache mit dem Überwachungsvideo nicht einmal ordentlich ignoriert haben. Mit diesem Beweis auf dem Silbertablett hätte man vielleicht nicht nur eine ganze Diebesbande endlich mal auffliegen lassen können, sondern zugleich auch den durch den Fundort möglicherweise auf das Naturschutzgebiet abgelenkten Generalverdacht entkräften können.

Ist aber nicht. Und so warte ich nun wieder mal auf Post vom Staatsanwalt, der mir in Bezug auf den Tatvorwurf „Besonders schwerer Fall des Diebstahls“ mitteilt, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt wurde, weil der Täter bisher nicht ermittelt werden konnte.

Das Schreiben werde ich dann zu all den anderen Einstellungsmitteilungen heften, die bereits in meinem Extra-Ordner „Staatsanwalt – Ermittlung eingestellt“ ruhen. Und dann werde ich geduldig warten, bis mir endlich auch mein ersteigertes 21-Euro-Rad geklaut wird. Das senkt die Kriminalitätsstatistik! Je billiger der Drahtesel, umso geringer der Schaden, desto besser die Statistik und umso größer das Sicherheitsgefühl. Ich habe meinen Beitrag dazu geleistet, dass der Landrat auch morgen noch zufrieden lächelnd aus dem Rathaus schreiten kann.

 

Ein besonders schwerer Fall des Diebstahls (2)

Was bisher geschah: Dem MN-Vorsitzenden wird das Fahrrad gemaust. Ein paar Wochen später findet er es unweit des Tatortes wieder. Sein rechtsstaatlich verformter Geist frohlockt schon bei der Vorstellung, dem in Handschellen abgeführten Dieb bald Aug‘ in Aug‘ gegenüberzustehen. Ganz nebenbei könnte damit auch die Sicherheitslage in Markranstädt erhöht werden. Dazu muss er jetzt aber erstmal beim Polizeirevier anrufen.

Da unserem Mann während des Telefonats vor Lachen mehrmals der Hörer runtergefallen ist, kann das folgende Gespräch nur als eine Art Erinnerungsprotokoll wiedergegeben werden. Zum Glück war eine weitere Person zugegen, die etwaige Gedächtnislücken schließen konnte. Die Konversation hörte sich ungefähr wie folgt an:

Polizeirevier Südwest, guten Tag.

(Ich will erstmal testen, wie der Typ drauf ist und ob er Spaß versteht.) Ja, tach. Ich habe soeben einen besonders schweren Fall des Diebstahls aufgeklärt. Bin ich da bei ihnen richtig?

Jahaha, sinse! (lacht laut) Na dann erzählnse mal. (Es knarzt im Hörer. Klingt, als würde er es sich in seinem Sessel bequem machen)

(voller Stolz) Hab sogar ne Tagebuchnummer! Wollnse die erstmal?

(stutzt kurz) Jo, dann …ä…dann schießense mal los.

Ich diktiere ihm die Nummer.

So – und um was geht’s da nun?

Ja, das ist mein Fahrrad. Und ich habs grad wiedergefunden.

Ganz kurz gehe ich mit der Hoffnung schwanger, dass ihn diese kriminalistische Höchstleistung dazu motivieren könnte, mir spontan das Kommando über ein SEK anzubieten. Aber die Blase platzt nur Millisekunden später.

Na das ist doch schön.

Ja, nicht?

Pause

Sinse noch dran? Was machmern jetzt?

Wo stehts denn?

Markranstädt, Hotel Gutenb… (als hätte ich bei Google die Option „autovervollständigen“ aktiviert, spricht der Beamte weiter)

… ah ja, GU Krakauer Straße.

Wow!

Wieder Pause.

Un nu?

Jaaaä … es regnet grade und unsere Teams sind alle im Einsatz. Sobald eins frei wird, schicke ich es zu ihnen raus. Die gucken sich das vor Ort an und wenns ihr Fahrrad ist, löschen wir es aus der Fahndungsliste und sie können es wieder mitnehmen.

Wie jetzt? Das Teil ist Schrott! Ich will diesen Metallhaufen nicht wieder mitnehmen!

Müssense aber. Is ja ihrer. (hat sich von meiner Heiterkeit offenbar endgültig anstecken lassen)

Jetzt entwickelt sich das Gespräch zum telefonischen Kabarett.

Äh … pfff … urg … das ist ja nicht mal mehr fahrbereit. Ich meine: Wie soll ich’n das nach Hause kriegen?

(packt in Sachen Humor noch einen drauf) Ja also – ich kanns ja mal versuchen, aber ich glaube nicht, dass ihnen die Polizei extra für ihre Fahrradreste einen Transporter nach Markranstädt schickt.

Jetzt bekommen wir beide einen Lachanfall. Ich bedaure, dass es das Schicksal offenbar vorgesehen hat, so einen lustigen Typen bei den Kalkmützen vertrocknen zu lassen. Als Erfolgsautor bei einem deutschlandweit beachteten Satire-Organ hätte er deutlich bessere Perspektiven. Als ich mich frage, ob ich ihn darauf nicht mal ansprechen soll, setzt er die Konversation in ungebrochener Heiterkeit fort.

Wollnses nun wiederhaben oder nicht? Ich meine, wenns eh nur noch Schrott ist …

Nur mal für mich, so zum Verständnis: Jemand klaut mein Fahrrad, kloppts kaputt und ich muss es dann so wieder zurücknehmen?

Jepp!

Hm … und dass ich es nicht wieder zurücknehmen und selbst entsorgen muss, das geht nur dann, wenn ich … sagen wir mal …

… wenn sie sich geirrt haben und es nicht ihrs ist. Sagen wirs mal so: Wenn der Schrotthaufen ihr Fahrrad war und sie von der Versicherung dafür Geld bekommen haben, müssten sie es dann sogar zurückzahlen. Vielleicht gehen sie ja nochmal in sich? Schauen sie ruhig noch mal nach, ob es wirklich ihr Fahrrad ist. Man kann sich da ganz schnell mal irren.

Das hab ich verstanden. Aber ich finde den Typen so sympathisch, dass es mir ein aufrichtiges Bedürfnis ist, ihn vor weiterem unnützen Aufwand zu bewahren. Also gebe ich zu bedenken:

Wenns jetzt – sagen wir mal – nicht mein Fahrrad wäre, dann können sie es aber auch nicht aus ihrer Fahndungsliste streichen und müssten weiter danach suchen, obwohl sie jetzt wissen, wo’s steht …

Schweigen!

Oder war da doch ein Geräusch? So eine Art unterdrücktes Prusten?

In diesem Moment wird mir die Ungeheuerlichkeit meiner Aussage bewusst. Ich hatte mit meinem völlig weltfremden Argument unterstellt, dass nach meinem Fahrrad tatsächlich gefahndet wird. Oh Gott, wie peinlich!

Beschämt versuche ich, aus der Nummer irgendwie rauszukommen und sage dem Beamten, dass ich die Fragmente meines Fahrrads noch einmal genau inspizieren und mich danach melden werde.

Bis dahin solle er Einsatzkommando, KTU, Kriminalpathologie sowie Fährtenhunde zurückhalten und auch das BKA noch nicht informieren.

In den folgenden Minuten gehe ich wirklich in mich. Ich sehe im Geiste den geilen Rahmen (eine Sonderanfertigung!), den Sattel und den Lenkervorbau, die alle noch dran sind. Allein der Sattel ist mehr wert als das ganze Fahrrad.

Die Schutzbleche haben die Idioten abmontiert, damit sie die abgefuckten 28-Zoll-Räder aus einem anderen geklauten Fahrrad einbauen konnten.

Dass die Felgenbremse jetzt nicht mehr auf die Felge, sondern in die Speichen greift, konnten die Trottel leider nicht mehr erleben, weil sie ein kaputtes Hinterrad eingebaut hatten und deshalb wahrscheinlich nie auch nur einen Meter mit ihrer neuen Beute gefahren sind. Bremsweg drei Millimeter … ich hätt’s so gern gesehen. Kackbratzen, die.

Bevor die alte Wut wieder Besitz von mir ergreift, rufe ich meinen neuen Freund im Kabarett am Ratzelbogen zurück.

Hallo, hier ist wieder der Fahrrad-Mann.

(lacht und in seiner Stimme schwingt aufrichtige Freude)  Ich hörs! Und … überlegt?

Ja! (jetzt senke ich die Stimme und sage in John-Wayne-Slang) ICH ZIEHE DAS DURCH!!!

Am anderen Ende höre ich ein Geräusch, das mich an die Landung einer herabfallenden Kinnlade auf dem Schreibtisch erinnert.

Wie jetzt? Echt?

Ja! Wissen sie, ich bin Journalist und ich kenne Kollegen, die würden für so eine Story ’ne Menge geben. Mir fällt sie sozusagen gratis in den Schoß und da will ich jetzt natürlich auch wissen, wie sie ausgeht.

Das Kapitel mit dem Humor ist damit augenblicklich beendet. Die Stimme am anderen Ende wird wieder ernst, wobei ich auch einen Hauch Mitleid herauszuhören glaube.

Ja okay, dann … Ihre Nummer hab ich ja. Ich schicke ihnen dann zwei Kollegen vorbei, die melden sich bei ihnen.

Schön. Danke.

… derhörn. (Klack)

Als eine halbe Stunde später zwei Uniformierte scheinbar teilnahmslos durch den Hof spazieren und sich die Hausfassaden betrachten, beginnt der dritte Teil der Dramödie.

Nie hätte ich gedacht, dass die bisherigen zwei Akte noch zu toppen wären und ich mich irgendwann allein aus Gründen guter Unterhaltung sogar danach sehnen könnte, dass mir wieder mal ein Fahrrad geklaut wird.

(Fortsetzung folgt)

 

Ein besonders schwerer Fall des Diebstahls (1)

Mehr als die Hälfte aller im Freistaat Sachsen entwendeten Fahrräder werden im Bereich der Polizeidirektion Leipzig gestohlen. Gefühlte 156 Prozent davon in Markranstädt. Dem Nachtschichten-Team ist es kürzlich gelungen, einen „StGB § 243 besonders schweren Fall des Diebstahls“ aufzuklären. Ein nicht nur wichtiger Beitrag zur Steigerung des Sicherheitsgefühls in unserer Stadt, sondern zugleich ein neuer Höhepunkt satirischer Lebensqualität. Unglaublich, was’n Spaß kriminalpolizeiliche Ermittlungsarbeit mit sich bringt!

Es ist kaum eine Woche her, dass Landrat Henry „Smileface“ Graichen zufriedenen Schritts das Rathaus verließ. Kurz zuvor gabs ein Treffen mit Bürgerpolizist und -meister, dessen Extrakt den König des Landkreises offenbar noch zufriedener lächeln ließ. Heißt: Alles in Ordnung in Markranstädt, keine Probleme. Aber nur wenige Tage später neigte sich eine Geschichte ihrem Ende entgegen, die es angesichts des Trialogs im Rathaus nie gegeben haben dürfte.

Sonntag, 22. April, 14 Uhr:
Vier MN’ler starten zur Reportage-Umrundung des Kulki. Ich bin dabei! Allerdings sollte es für mich die letzte Fahrt auf meinem Drahtesel werden.

Sonntag, 22. April, 21 Uhr:
Tour beendet. Wir wollen uns im Bunker nochmal kurz zusammensetzen und unsere auf dem Trip gesammelten Erfahrungen zu Papier bringen. Ich stelle das Fahrrad in den Ständer vor der Haustür und schließe es an. Danach gehe ich zu Fuß in die Nachtschichten-Höhle.

Montag, 23. April, 17 Uhr:
Ganzen Tag unterwegs gewesen. Ich komme nach Hause und stelle fest, dass das Fahrrad weg ist. Leider ist mein ABV nicht mehr im Büro und im übergeordneten Revier in der Ratzelstraße geht niemand mehr ans Telefon. So beschließe ich, mit der Anzeige bis zum nächsten Tag zu warten und bis dahin meinen Zorn auf die gesellschaftlichen Bestandteile Dreckspack und Gesindel zu kultivieren. Vor allem die Ethnien der Pfoten-abhacken-müsste-man-denen kriegen zusammen mit den Ins-Lager-sperren reichlich zu hören.

Dienstag, 24. April, 15 Uhr:
Ich klingle am Bürgerbüro. Mein ABV öffnet die Tür, schaut mich entgeistert an und fragt:
’sn nu schon wieder los?
Wie immer: Fahrrad.

Schlagartig entweicht Luft aus seinen Lungen und seine Schultern geben im 45-Grad-Winkel der Erdanziehungskraft nach. „Hmm, gut … mmse rein.“ Seine Handgriffe sind routiniert, mit schlafwandlerischer Sicherheit findet er alle Formulare. Die Hefter, in denen sie ruhen, sind abgegriffen. Die Aufnahme von Diebstahlsanzeigen sind in diesem Raum quasi Lebensinhalt und Karriereende zugleich.

Am Schreibtisch wird mir klar, dass so ein Fahrrad fast sowas wie eine Frau ist. Man reitet ständig drauf rum, aber so richtig kennen tut man sie nicht. Wissen Sie, ob Ihr Fahrrad Bärentatzen hat oder ob es ein Touren,- Trekking- Cross- oder Reiserad ist? Oder gar ein MTB? Meins war von allem etwas und vor allem bin ich damit Fahrrad gefahren. Aber eine intersexuelle Auswahlmöglichkeit gibts auf dem Formular (noch) nicht.

Ist eh sinnlos, sich darüber Gedanken zu machen. Das Teil ist weg und niemand – auch nicht mein ABV – wird ernsthaft danach suchen. Es geht nur um die Tagebuchnummer für die Versicherung. Also kreuze ich die Felder auf dem Zettel nach bestem Wissen und Gewissen an und reiche meinem Bürgerpolizisten das Dokument zurück.

Eine halbe Stunde später stehe ich, meine Anzeige in der Hand, wieder auf der Straße. Jetzt habe ich eine Tagebuchnummer! Die gebe ich wenige Minuten später meiner Versicherung durch. Der Geschlipste offeriert mir, dass ich für meinen Oldtimer maximal 120 Euro bekommen würde und das zudem letztmalig.

Mit dem dritten Diebstahl binnen zwei Jahren wäre ich ein Serienopfer und somit nicht mehr versicherungswürdig. Ich sollte mir deshalb sehr gut überlegen, ob ich die Lappalie wirklich zum Versicherungsfall machen wolle.

Der Schlipsträger unterstützt meine Entscheidung mit der Bemerkung, dass ich in Markranstädt wohne und es deshalb nicht lange dauern kann, bis mir wieder mal der komplette Keller ausgeräumt wird. Es würde doch mehr Sinn machen, die letzte der drei Haselnüsse für diesen Fall aufzuheben. Ich gebe mich geschlagen. Noch am Abend räume ich alles, was Wert hat und nicht mehr gebraucht wird, von der Wohnung in den Keller.

Samstag, 5. Mai, 10 Uhr:
Bei einer Fundsachenversteigerung erhalte ich den Zuschlag für ein nahezu neuwertiges Fahrrad, das zudem technisch top in Schuss ist. Es kostet mich ganze 21 Euro. Nun bin ich wieder mobil und kann damit nach meinem gestohlenen Rad suchen.

Es geht mir inzwischen längst nicht mehr um den materiellen Verlust, sondern um die Wiederherstellung meines verletzten Stolzes. Irgendwer muss solchen Typen doch mal mit einer Lenkstange die Pfoten brechen, damit endlich wieder Zucht und Ordnung einkehren!

Sonntag, 13. Mai, 19 Uhr:
Jemand hat mir mitgeteilt, dass er ein Fahrrad gesehen hat, das meinem sehr ähnlich sieht. Ich schwinge mich auf meinen ersteigerten Drahtesel und schaue vor Ort nach. Aber da ist nix (mehr). Einer inneren Eingebung folgend, fahre ich auf dem Rückweg am Hotel „Damaskus“ vorbei. Hab ich in den letzten Tagen schon immer mal wieder gemacht. Weiß auch nicht warum.

Gewisse Informationen aus Bevölkerungskreisen haben in mir den Verdacht geweckt, dass die Integration von fremdem Eigentum dort besser klappt als die der Hotelgäste. Aber als ich um 20 Uhr (bitte merken, diese Zeitangabe wird später noch mal wichtig!) dort ankomme, ist mein Fahrrad nicht im dort abgestellten Fuhrpark integriert.

Mittwoch, 16. Mai, 15 Uhr:
Sie haben eine E-Mail!“ Mein Paket ist da. Seit ich schmerzlich erfahren habe, dass beim Dienstleister dpd die Begriffe ‚Logistik‘ und ‚Logik‘ wirklich nichts weiter verbindet als eine Ähnlichkeit im Wortklang, lasse ich meine Pakete lieber im Pick-up-Shop abgeben. Da wissen die Zusteller wenigstens, wo das ist und ich weiß, dass es dort ankommt. Fortschritt und Wachstum entwickeln sich immer schneller. Ich hole mir meine Pakete jetzt selbst ab.

Auf dem Weg dorthin fahre ich rein prophylaktisch am Hotel vorbei. Beim schweifenden Blick über die Fahrradständer entdecke ich … Wahnsinn! … mein gestohlenes Fahrrad. Das heißt, eher seine Reste. Es ist wie ein Stich in die Seele. So muss das liebend Herz einer Trümmerfrau gefühlt haben, als ein menschenähnliches Wrack nach Jahren der Gefangenschaft in ihrer Tür stand und sich als ihr Mann ausgab.

Ich fotografiere den Schrotthaufen, streichle zärtlich über den Rahmen und flüstere ihm zu „Bleib hier und rühr dich nicht von der Stelle. Ich hole dich hier raus!“ Dann will ich ins gelbe Haus einrücken und das Gespräch mit der Lagerkommandantur suchen. Muss ja möglich sein, sowas per Dialog zu lösen.

Die Tür ist verschlossen, aber kaum habe ich den Klingelknopf losgelassen, surrt der Türöffner. In der Lobby kommt mir ein Jüngelchen entgegen, dem ich selbst bei optimistischster Sozialauswahl nur eine Perspektive als Steuermann in einem Ruderachter gegeben hätte.

Wissen sie, wer hier’n Hut auf hat? Hätte gern mal einen Verantwortlichen gesprochen.

Heimleitung erst morgen wieder.

Hier muss doch jemand da sein, der …

…bin ich. Eigentlich der Hausmeister hier, aber jetzt grade, abends …

In mir wächst der Respekt. Der Steuermann eines Ruderachters als nächtlicher Lagerkommandant in einem internationalen Schmelztiegel der Religionen. Kein Wunder, dass dieses Gemäuer weithin als Hort der Zucht und Ordnung gilt.

Ja dann – geben sie mir doch mal bitte die Rufnummer dieser … Heimleitung?!

Nee, erst morgen wieder.

Äh … ja … wie jetzt? Ist das eine Hotline, die nur zeitweise geschaltet ist oder kriegen sie die Nummer jeden Tag neu? Die müssen doch erreichbar sein.

Ja, morgen wieder. Um was geht’s denn?

Mir hamse’s Fahrrad geklaut und jetzt stehts bei ihnen da draußen.

Ja dann gehnse am besten gleich zur Polizei.

Okay, mach ich. Tschüß und viel Glück für heut‘ Nacht.

Ja danke, tschüß. (Geht in eine Art fest installierten Fahrstuhl und schließt sich dort ein.)

Ich radle zum Pick-up-Shop, hole mein Paket ab und fahre volley zum Büro des ABV. Natürlich nicht ahnend, dass Mittwoch ist und die Uhr außerdem schon 17 Uhr zeigt.

Die Tür ist verschlossen, aber weit und breit auch kein Schild mit den Öffnungszeiten zu sehen. Also klingle ich. Sekunden später knarzt es im Lautsprecher der Wechselsprechanlage.

Krrrtzkrrr …evier…ch-ch-cht… üdwest, ja bitte?

Ähm, ich bin hier wegen meines Fahrrades. Können sie mich bitte reinlassen?

Es ist niemand da!

Aha! Ich muss mich sammeln, blicke mich um nach einer Drohne oder wenigstens einer versteckten Kamera. Und mit wem spreche ich jetzt, wenn keiner da ist?

Hier ist das … In diesem Moment donnert ein LKW hinter mir durch die Zwenkauer Straße und übertönt die Stimme aus der Parallelwelt. Als sich der Lärm legt, höre ich gerade noch die Wortfetzen …hier in Leipzig.

Alle Wetter, so weit sind die schon! Können sich von Leipzig aus in Markranstädter Wechselsprechanlagen hacken und so ein tiefes Gefühl von innerer Sicherheit vor Ort bis in den letzten ländlichen Winkel transportieren. Das nenn ich mal innovativ. Als ich dem Lautsprecher antworten will, schaltet die Ampel hinter mir auf Grün und macht sämtliche Versuche interaktiver Kommunikation zunichte. Ich brülle in die Anlage: „Ich geh nach Hause und ruf sie von dort aus an!“

Durch ein mir physikalisch nicht erklärbares Wunder muss er diese Worte verstanden haben, obwohl hinter mir gerade ein ganzer Konvoi tonnenschwerer Mautflüchtlinge mit Vmax über die Bodenwellen vor der Ampel donnert.

Was wollnse denn? (der gehackte Lautspecher bleibt hartnäckig)

Macht so keinen Sinn. Ich ruf sie an!

Nach diesem abrupten Ende der Konversation fahre nach Hause.

Was mich in den folgenden drei Stunden erwartet, ahne ich in diesem Moment nicht einmal ansatzweise. Selbst unter Drogen kann sich der menschliche Geist nicht so weit öffnen, um die kommenden Geschehnisse wenigstens als Trugbild zuzulassen.

(Fortsetzung folgt)

 

Die Darmspiegel-Saga (4): Ein Finale Furioso!

Was bisher geschah: Für eine Reportage über Gesundheitsvorsorge haben wir einen verdeckten Patienten in eine Praxis eingeschleust. Leider sind die Dinge dort außer Kontrolle geraten und so muss unser Mann, um die Vorgänge für die Nachwelt zu dokumentieren, schließlich im wahrsten Sinne des Wortes seinen Arsch hinhalten. Nun liegt er auf einem Pflaumenbaum, hat die Beine wie eine NASA-Richtantenne ausgefahren und träumt narkotisiert vor sich hin, während der Arzt den Anus unseres Mannes ans lokale Netzwerk anschließt.

Ich bin auf Hawaii. Sonne, Palmen, heiße Girls. Ich sitze an der Strandbar und sehe eine Frau, die mit einer Fußpumpe ihre Luftmatratze aufbläst. Sie stößt gellende Schmerzensschreie aus. Also nicht die Frau, sondern die Matratze. Beim näheren Hinschauen entpuppt sich das Teil als ihr Mann.

Er liegt auf dem Bauch und der Schlauch der Pumpe verschwindet irgendwo zwischen seinen Oberschenkeln. Aus den Lautsprechern am Strand ertönt „99 Luftballons“ von Nena. Die Dame tritt im Takt der Musik auf den Blasebalg unter ihren Füßen und bläht ihren Mann rhythmisch auf. Statt eines Bikinis trägt sie einen weißen Kittel. Der Kerl ist mir ja egal, aber die völlig overdresste Alte muss ich mir nicht antun.

Ich wende mich ab, blicke hinaus auf die Wogen des Meeres, die untergehende Sonne und trinke meinen Caipirinha. Er ist fast alle. Genüsslich schlürfe ich mit dem Trinkhalm das Glas leer. Dieses Geräusch … kennen Sie das auch? Schlüüürp, schlüüürp, sssssch-schlüüürp.

Einmal Hawaii und zurück

Es wird hell um mich. Ich schlage mein Augenwerk auf. Statt Palmen sehe ich zwei Oberschenkel mit Knien, die sich nach einigen Sekunden als mir gehörend erweisen. Das Schlüüürp-Geräusch ist aber immer noch da. Lauter als vorher.

Ich hebe den Kopf und blicke durch das Spalier meiner Beine. Da tauchen von unten – also von da, wo auf Hawaii gerade die Sonne untergegangen ist – nacheinander erst der Scheitel und dann der Bart von Fräulein Hitler auf. „Na, wieder da? Es ist schon alles vorbei. Bleiben sie bitte noch einen Moment liegen, ich sauge nur noch etwas Luft ab, damit es nachher nicht so unangenehm wird.“ Sagts und geht wieder unter.

Phantomsignale von hinten

Während das Schlüüürp erneut lauter wird, melden die Nerven meines Schließmuskels, dass da unten Hochbetrieb herrscht. Rein, raus, rein, raus, schlüüürp, schlüüürp. Obwohl mein irritiertes Hirn weiß, dass Magen und Darm seit über 24 Stunden völlig leer sind, melden die Nerven plötzlich im Sekundentakt, dass ich im Dauerfeuer kacke. Ein ekelhaftes Gefühl der Unsicherheit, vor allem, wenn da unten noch jemand direkt vor der Düse sitzt.

Endlich ist sie fertig. Der Schlauch kommt wieder zurück in den Sud-Eimer. Ich frage mich, woher das Wasser stammt, in dem er untergeht. Lange kann ich zum Glück nicht darüber nachdenken, denn kurz darauf werde ich von der Schwester gezwungen, langsam aufzustehen.

Das funktioniert so halbwegs. Weil ich aber noch ziemlich benommen bin, stützt sie mich auf dem Weg zu meinen Klamotten. Ich komme mir vor wie Jack Nicholson, als er in „Einer flog über das Kuckucksnest“ von der Elektroschock-Behandlung zurückgebracht wurde.

Auf dem Weg zu meinen Beinkleidern lässt die Betäubung weiter nach und so langsam spüre ich den Druck in mir. Ich bin ein Fesselballon. Panisch schaue ich nach unten und suche meinen Bauch nach Schwangerschaftsstreifen ab. Wenn ich da auch nur einen entdecke, wird die Anstalt hier nach Strich und Faden verklagt, nehme ich mir fest vor. In diesem Moment muss ich niesen.

Kernschmelze im Enddarm

Haben Sie schon mal geniest, während die Druckverhältnisse in Ihrem Enddarm mit der Kernschmelze im Reaktor von Tschernobyl vergleichbar sind? Gut, dann wissen Sie bestimmt nicht nur, was da alles gleichzeitig passiert, sondern auch, wie weh das tut. Nicht in der Nase, nein!

Ich nehme mich gewöhnlich nicht zurück, wenn ich niesen muss. Ich bin ein Laut-Nieser. Aber diesmal habe ich von meinem Niesen nichts gehört, obwohl es sehr laut gewesen sein muss. Während ein gewaltiges, multi-oktaves Echo den Raum erfüllt, breiten sich hochfrequente Schockwellen vom analen Epizentrum über meinen ganzen Körper aus.

Vibration und Ton auf „on“

Als meine schmerzbetäubten Sinne zurückkehren und ich wieder hören kann, nehme ich gerade noch das Verklingen eines eindrucksvollen Bass-Akkords in Moll wahr. Aber nur am Rande, denn sämtliche Nerven meines geschundenen Leibes sind einzig darauf gerichtet, die furchtbaren Schmerzen meines gelähmten Schießmuskels zu verarbeiten.

„Ja, das wird noch eine Weile so weitergehen“ , meint Schwester Hitler. Kaum bücke ich mich, um die Unterhose hochzuziehen, folgt schon die nächste pneumatische Auslassung. Erschrocken richte ich mich auf, was eine dritte Flatulenz zur Folge hat.

Ich bin ein Bewegungsmelder

Ich stelle fest, dass jede noch so geringe Veränderung meiner Körperhaltung sofort mit einem unmissverständlichen Signalton quittiert wird. Sogar wenn ich nur mit den Zehen wackle. Ich funktioniere wie die Tastatur eines Smartphones, nur lauter. Beim Zubinden der Schuhe habe ich wahrscheinlich sogar ein paar eingeschlummerte Patienten draußen im Wartezimmer geweckt. Und das soll erst der Anfang sein.

Ich will es mal so sagen: Wenn dir die Schwester nach so einer Koloskopie eine Trillerpfeife in den Hintern steckt, kannst du anschließend den ganzen Tag lang auf dem Hauptbahnhof sämtliche Züge auf einmal abfahren lassen. Zurücktreten und Türen schließen!

Weil man nach so einer Narkose nicht mehr Auto fahren darf, lasse ich mich von meiner Frau abholen. Gern würde ich jetzt sagen, dass ich auf dem Beifahrersitz sitze. Aber sitzen geht nicht, wenn man eine Gasflasche im Darm hat.

Schweben auf dem Beifahrersitz

Man kann ja auch eine Presswurst nicht knicken. Ich lehne drin wie ein Besenstiel. Kontakt zum Auto habe ich lediglich mit den Füßen und an der Kopfstütze, der Rest schwebt dazwischen in der Luft und fängt die Unebenheiten der Straße ab.

Wissen Sie, wie viele Schlaglöcher sich zwischen Leipzig und Markranstädt befinden? Meine Frau hat sie nicht nur alle mitgenommen (wie immer), sondern auch mitzählen können. Sie wurden einzeln, wirklich Stück für Stück, mit erschütternden Registriertönen aus den dunkelsten Tiefen meines Körpers quittiert. Alle 167.

Beifall in der Karlstraße

Weil die Fahrt bei geschlossenen Fenstern nicht mehr fortsetzbar war, ließ meine Frau irgendwann die Scheiben runter. So haben uns dann auf dem Sturzacker in der Karlstraße sogar völlig fremde Menschen gegrüßt, weil sie dachten, dass Katrin pausenlos hupt. Was hab ich mich geschämt. Als ob heute noch jemand mit einer altmodischen Dreiklang-Fanfare rumfahren würde.

Ja, schlussendlich ging das noch den ganzen Rest des Tages so. Katrin musste zum Telefonieren sogar ins Kinderzimmer gehen. Aber am nächsten Tag wurde es schon besser und nur eine Woche später eröffnet mir der Arzt, dass mein Darm jungfräulich in Ordnung sei und zeigt mir die Aufnahmen.

Einfach ein schönes Gefühl

Das Video erinnert mich irgendwie an die „Reise zum Mittelpunkt der Erde“. Es ist aber eher eine Reise ins Ich. Leider hat es der Arzt nicht rausgerückt, obwohl ich schließlich der Hauptdarsteller bin und auch rein juristisch das Recht am eigenen Bild habe.

Andererseits: Was soll ich mit dem Video auch anfangen? Einen Filmabend im Freundeskreis? „Guck mal, das bin ich … und das da auch.“ Heute hatte ich übrigens zum ersten Mal wieder festen Stuhlgang. Es wird wieder. Obwohl ich gesund bin, befinde ich mich auf dem Weg der Genesung. Ein wirklich schönes Gefühl. Koloskopie … können Sie ruhig auch mal machen lassen.

 

Die Darmspiegelung (3): „Schwester, Luft!“

Was bisher geschah: Unser verdeckter Patient steht unmittelbar vor der ersten Koloskopie seines Lebens. Seit der Räumungsaktion des Bauches weiß er jetzt auch, warum das Spiegelung heißt: Das Innere seines Darms, so glaubt er zumindest, glänzt wie ein Spiegelkabinett auf der Kleinmesse. Hoffentlich verblitzt sich der Betreiber des Koloskops nicht die Augen?

Im nächsten Moment stehe ich im Behandlungsraum. Eigentlich ist es eher eine Art Werkstatt. Von Gemütlichkeit keine Spur.

Dafür jede Menge Computer, Monitore sowie Diagnosegeräte für TÜV und Abgas-Sonderuntersuchung. Sieht eher nach einem Labor von Darth Vader in Star Wars aus, wo androide Klon-Mutanten programmiert werden.

Die Schwester verhält sich passend zu diesem Szenario und deutet in Manier einer Domina auf zwei Schemel an der Wand. Auf den rechten Stuhl soll ich alles legen, was ich unterhalb des Nabels an Textilien trage. Die linke Sitzgelegenheit ist für mich, wenn ich mich danach wieder anziehen darf.

Noch während ich mich frage, ob ich die Socken auch ausziehen muss, drückt mir Fräulein Hitler zwei blaue Tüten in die Hand, die ich über die Füße ziehen soll. „Und dann springen sie mal da drauf!“, schließt sie ihre Befehlskette.

Die Folgen des Klimawandels

Da drauf? Das muss ein Irrtum sein! Nicht dass die Hebebühne für einen Oldtimer wie mich zu hoch wäre. Ich könnte da vielleicht sogar noch ohne Anlauf draufklettern. Aber die beiden Accessoires an den Flanken dieser Liege lassen mich kurz zweifeln, ob ich in der richtigen Praxis bin.

Das sind eindeutig die Astgabeln eines Pflaumenbaums und ein solches Gewächs gehört selbst im Zeitalter des Klimawandels nicht in diese Region!

Ich kenne solche Gebilde aus den Kurzfilmen, die immer dann ablaufen, wenn ich das Fenster fürs Internet-Banking schließen will und zufällig mal den falschen Button erwische. Obwohl ich diese Sauereien schon nach wenigen Minuten immer sofort wegdrücke, habe ich selbst da noch nie einen Mann drauf sitzen sehen.

Leider kann ich das offensichtliche Missverständnis nicht ausdiskutieren, weil Schwester Hitler inzwischen das Zimmer verlassen hat und ich alleine bin. Also schaue ich mich erst mal um, welche Alternativen für die Niederkunft eines Mannes dieser Raum noch so zu bieten hat.

Auf der Hebebühne

Bis auf eine Art Anrichte, von der man vorher noch diverses Verbandsmaterial, seltsam designte Besteck- und Geschirrteile sowie den Computer abräumen müsste, entdecke ich aber nichts.

Da öffnet sich die Tür und die Schwester kommt in Begleitung einer zweiten Weißgekittelten zurück. ‚Aha, Hitlers Helfer‘, fährt es mir durch den Kopf. Im nächsten Moment kriege ich an selbigen geknallt: „Na was ist? Rauf da. Hopp, hopp!“

Die Helferin rollt über der Liege eine geradezu gigantische Küchenrolle ab, als wollte sie das Teil verpacken wie Christo einst den Reichstag. Dann klopft sie mit der Hand auf die Sitzfläche und weist mir wortlos meinen Platz zu. Ich folge artig. „Beine hier drauf“, befiehlt sie in ihrem keinen Widerspruch duldenden Ton.

Ich bin wirklich bemüht, allen Anweisungen korrekt zu folgen, weil ich das Personal nicht verärgern will. Sie sollen keinen Grund haben, mir aus Gnatz mehr Schmerzen zuzufügen als nötig.

Trotzdem reicht denen mein Entgegenkommen nicht. Insgesamt 4 (in Worten: vier!) mal werde ich aufgefordert, noch ein Stück vor zu rutschen. Am Schluss reißt ihr der Geduldsfaden und sie zieht mich an meiner Hüfte über die Kante der Liege. Hang over!

Jetzt kann ich mir wenigstens mit den Knien die Ohren zuhalten. Mein Hintern ragt dabei aber so weit über die Hebebühne hinaus, dass er sich wie die Nase eines Kindes fast schon an der davor befindlichen Fensterscheibe platt drückt. Hoffentlich geht jetzt da draußen niemand vorbei, der meinen Arsch erkennt.

Seid ihr alle da?

Während eine der Schwestern an meinem Finger eine Elektrode befestigt, zieht sich Fräulein Hitler mit diabolischem Blick einen Handschuh über, taucht die Hand danach in Vaseline und geht daran, meine Anschlussmanschette für den Zugang der nachfolgenden Untersuchung geschmeidig zu machen. Nicht nur äußerlich.

Und wenn ich sage, nicht nur äußerlich, dann meine ich das auch so! Als ich tief in meinem Inneren das Gefühl habe, ihren Ellenbogen zu spüren, befallen mich Erinnerungen an das Kasperle-Theater aus meiner Kindheit.

Ich komme mir vor wie eine Handpuppe. Jetzt fehlt nur noch, dass sie mich mit ihrem Unterarm aufstehen lässt, ihre Hand an meinem Zäpfchen auf und zu macht und meine Stimme imitiert. „Tri-tra-trallala, gleich ist der Herr Doktor da.“

Kurvenreiches Gebiet

In diesem Moment kommt er wirklich! Aus dem Sud-Eimer holt er den Untersuchungsschlauch raus und erklärt mir, was er damit anzufangen gedenke. Ich kann vor lauter Angst kaum richtig zuhören und frage mich nur, ob das Ding noch von meiner Vorgängerin warm ist. Ob sie überhaupt noch lebt? Sie sah ja gar nicht gut aus, als sie draußen so teilnahmslos an die Theke gelehnt wurde.

Er werde die „Sonde“ also in mich einführen, erklärt der Doc. Da es sich bei einem Darm naturgemäß um kurvenreiches Gebiet handelt und das Gerät keine 90-Grad-Krümmungen bewältigen kann, würde er die entsprechenden Streckenabschnitte durch Zufuhr von Druckluft begradigen. Das könne etwas schmerzhaft werden und damit ich ihm nicht vom Stuhl springe, würde ich jetzt in einen leichten Dämmerschlaf versetzt.

Dafür bin ich ihm dankbar. Nichts wäre peinlicher, als vor den Augen entsetzter Mithäftlinge mit einem Schlauch im Hintern durchs Wartezimmer zu flüchten und im Patientenklo Asyl zu suchen.

Aber ich durchschaue diese Foltermethode. Böse Schwester – guter Arzt. Der will nur, dass ich Vertrauen zu ihm aufbaue. In der Fachsprache nennt sich das Stockholm-Syndrom. Ja ja … und dann soll ich unter Narkose alles gestehen.

Zum Beispiel, dass ich im Fragebogen vor der Untersuchung gelogen habe und ich nicht nur zehn, sondern zwanzig Zigaretten am Tag rauche.

Mit Zuckerbrot und Peitsche

Oder die Sache mit dem Wasserlassen. Mensch – ich bin nun mal über 50 und da muss nicht mehr alles so schnell wie früher gehen. In meinem Alter pullert man entschleunigt. Man macht doch da freiwillig kein Kreuz bei „ja“, wenn damit möglicherweise gleich noch ein zweiter Schlauch droht?

So nach dem Motto: „Oh, was lese ich denn hier? Na dann … wo sie doch schon mal da sind …“ Dann werden Darm und Blase gleichzeitig mit Luft befüllt und du schwebst im Behandlungszimmer wie ein Luftballon. Nö, muss ich nicht haben. Jedenfalls jetzt noch nicht.

Weiter kann ich aber nicht denken. Im nächsten Moment setzt mir Schwester Hitler die Giftspritze an die Vene. Zehn, neun, acht … wirkt! Ich sinke in Morpheus‘ Arme und höre gerade noch die Stimme des Arztes: „Schwester, Luft!“.

Im Traum liege ich mitten im Wartezimmer, die Schwester dreht den Kompressor auf und aus der Bettdecke erschwillt eine Puppe aus dem Orion-Shop. Das Publikum im Wartezimmer krümmt sich vor Heiterkeit.

Ich aber erstarre vor Schreck. Der Seemannsballon hat mein Gesicht! Und er wird größer und größer. Die Schwester grinst und denkt gar nicht dran, den Hahn zuzudrehen. Dann folgt ein gewaltiger Knall. Ich bin geplatzt!

Kacke am Dampfen

Der Knall entpuppt sich als äußerst schmerzhafte Pressewehe, die mir in der Realität wahrscheinlich per Turbolader in den Darm geblasen wurde. „Bleiben sie liegen!“, herrscht mich die Praxis-Führerin an. Offenbar hat der Doc gerade eine Haarnadelkurve strecken müssen.

Die weiße Matrone legt nach: „Hinlegen, es ist gleich vorbei!“ Wie immer sie das gemeint hat, ich zweifle dran. Wenn der Schmerz so groß ist, dass nicht mal ihr Zyklon B in meinen Adern hilft, dann ist sprichwörtlich die Kacke am Dampfen.

Ich flehe benommen um Erhöhung der Dosis, weil mein Bauch von der Natur nicht dafür geschaffen wurde, binnen einer Minute Vierlinge aufzunehmen und sie im nächsten Moment gleich wieder zu entbinden. Die Schwester schraubt am Computer rum und kurz darauf falle ich wieder in den Schlaf. Ein neuer Traum beginnt.

Was ich da träume und was sonst noch so passiert, erfahren Sie im vierten und letzten Teil.