Tempo 30 in Markranstädt: Das war dann mal weg

Was’n Start ins neue Jahr! Fast könnte man lyrisch werden. Die Tempo 30-Begrenzung auf den Bundesstraßen durch die Kernstadt ist gefallen, die Schilder inzwischen sogar schon abgeschraubt. Ganz ohne Presserummel, Erklärungen, Stellungnahmen oder andere Formen von Transparenz. Elf Jahre Kampf der AG Verkehrslärm wurden per Handstreich wortlos gelöscht, knapp 1300 Unterschriften nicht mal anständig ignoriert. Und es ist noch mehr Spiel im Gaspedal.

Erstaunte Gesichter seit gestern Vormittag bei den Rittern der Landstraße hoch droben in ihren Fahrerhäusern.

Grad eben noch den Fuß auf der Bremse, um die Geschwindigkeit für den Landeanflug auf Markranstädt zu drosseln, gleiten die Blicke auf der Suche nach dem 30er Schild plötzlich ins Leere.

Dem ungläubigen Schulterzucken folgt eine spastische Lähmung im rechten Fußgelenk und schon geht’s mit Vmax durch Lallendorf. Freie Fahrt für freie Fahrer!

Minister hatte keine Wahl

Die im November 2018 wahlwerbend getroffene Bauchentscheidung des Verkehrsministers Martin Dulig (SPD) zur Geschwindigkeitsbegrenzung (er hat die Anordnung tatsächlich persönlich getroffen!!!) ist am 31. Dezember 2019 fristgerecht ausgelaufen. Und weil grade keine Wahl ansteht, wurde die Frist jetzt auch nicht erneuert oder verlängert.

Wozu auch? Bei den Wahlergebnissen der AfD braucht die CDU jeden noch so kleinen Partner, also reichen für die SPD notfalls auch die 6 Prozent, die sich die Genossen selber geben, um im Kaleidoskop-Kabinett ein paar Ministerposten abzufassen.

Dafür muss man sich vor ein paar Emmissionsrebellen am Rande des Landes nicht verbiegen. Auch dann nicht, wenn die eine Petition mit 1300 Unterschriften eingereicht haben.

Jo, das wars dann mit beruhigtem Transit am internationalen Verkehrsdrehkreuz Markranstädt, das die osteuropäischen Wachstumsmärkte mit den Metropolregionen westlich der Elbe verbindet. Ab jetzt geht’s wieder schnell zu zwischen Moskau und Paris oder Mailand und Stockholm.

Apropos schnell: Keine sieben Tage nach Ablauf der befristeten Regelung waren die Schilder verschwunden und der Blitzer umprogrammiert.

Das ging so schnell, dass (mit Ausnahme plötzlich aufkommenden Fahrtwindes) nicht mal das Rathaus davon Wind bekam und unter den Ureinwohnern sogar bezweifelt wurde, dass dabei alles mit rechten Dingen zugegangen ist.

Die können auch schnell

Ein Passant meinte am Dienstag jedenfalls: „Nie im Leben wurden die Schilder offiziell abgebaut. Die sind geklaut worden! Würde der Landkreis was damit zu tun haben, würden die Beamten noch bis Mitte Februar an der Planung für eine ‚Konzeption zum Rückbau temporärer Verkehrsanlagen im öffentlichen Begleitraum transkommunaler Bundesstraßen‘ sitzen.“

Was der Meckerer nicht beachtet hat: Öffentlich Bedienstete wie unser Herr Minister können auch schnell sein. Es soll sogar welche geben, die so schnell sind, dass sie schon 14 Uhr mit ihren Wählern am Küchentisch sitzen, obwohl sie erst 16:30 Uhr Feierabend haben.

Schwieriger dürfte die Situation jetzt allerdings für den Autofahrer werden. Kein Schild weist mehr auf die erlaubte Höchstgeschwindigkeit hin. Auf der Suche nach einer Zahl könnte sein Auge auf dem B 87 hängen bleiben. Begrenzung 87 km/h, da ist noch Spiel im Gaspedal.

Das könnte auch erklären, warum die Polizei bei einer Kontrolle gestern zwei leichenblasse Damen auf dem Rücksitz eines Fiat Panda vorfand. Der greise Fahrer behauptete ohne jegliches Unrechtsbewusstsein, dass er gerade von der B 186 käme…

Schneller als das Internet

Genug gespaßt. Während es im Landkreis beispielsweise in Sachen Internet wunderbar klappt mit der Geschwindigkeitsbegrenzung, hat man im Straßenverkehr noch keine Lösung gefunden.

Statt dessen donnern sogar LKW, die wegen der Umweltzone nicht einmal durch Rehbach fahren dürfen, jetzt mit 35 Prozent höherer Geschwindigkeit durch die Schluchten der Zwenkauer Straße. Die wahre Freiheit wird in km/h gemessen.

Da nützt es auch wenig, wenn die Tempo 30-Begrenzung im Lärmaktionsplan der Stadt Markranstädt verankert und damit eigentlich Europäisches Recht ist. Um das Papier in Dresden hörbar zu machen (von Brüssel ganz zu schweigen), müsste man so laut sein, dass man gegen seine eigenen Vorschriften verstößt. Also Ruhe, ab jetzt wird’s wieder laut!

 

6 Kommentare

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    • der kleine Beobachter auf 8. Februar 2020 bei 21:12
    • Antworten

    Und zu allem Überfluss ist Fakt, dass 85% der durchfahrenden LKW`s nur Mautflüchtlinge sind. Da hilft es auch nichts wenn man nun seid ca. 2 Jahren eine Mautsäule an der B 186 installiert. Auch der Text mit der versuchten Erklärung warum und wieso und vieleicht aus der LVZ vom 22.02.2018 ist hier irrelevant, da eben wie auch schon vor der Installation der Säule die LKW-Fahrer wegen der kürzeren Strecke und den vermeindlichen Zeitgewinn diese Strecke benutzen.
    Hinweise und Gespräche mit der Polizei im Bezug eben auf Mautflüchtlinge gingen dahingehend ins Leere, da man nur zumindest in meinen Augen Ausreden bekam wie Z.B. Die fahren in das Industriegebiet, oder aber auch wer soll denn das alles kontrollieren soviel Personal haben wir nicht.
    Bleibt mir als Frustgeplagter eigentlich nur: Der Autofahrer ist und bleibt die Melkkuh der Nation, siehe momentane Entwicklung denn es trifft nur den Normalo und die großen lachen sich eines.

    • Bernd Hollwitz auf 10. Januar 2020 bei 14:00
    • Antworten

    Endlich ist der Blitzer weg!
    Ich hatte dort auch schon 15 € gelöhnt wegen 37 Km/h.

    1. Ach Sie waren das???

    • Der Seebenischer auf 9. Januar 2020 bei 12:50
    • Antworten

    Also ehrlich, ich Depp bin da schon gefühlte 15x geblitzt worden
    und freue mich über den Abbau. 30Kmh ist aber auch eine zu doofe Geschwindigkeit. 40kmh wären für mich okay.

    Alles Gute im neuen Jahr Euch allen, bevor Ihr Euch aufregt 🙂

  1. Wer denkt, hier geht es um Verkehrssicherheit, der irrt gewaltig. Hier geht es um Standpunkte und Rechthaberei. Schon vor vielen Jahren hat das Landesamt für Straßenbau und Verkehr (LASuV) selbstbestimmt für sich entschieden. Mit Tempo 30 in Markranstädt bricht der internationale Fernverkehr durch Markranstädt, dem nicht zuzumuten ist die Autobahn zu benutzen, zusammen. Also, „30“ geht gar nicht. Diese Lesart haben dann in den letzten fast 10 Jahren alle angesprochenen Kreisräte, Landräte, Staatsminister, Ministerpräsidenten und Bundesminister übernommen. Eigene Gedanken dazu hatte keiner von ihnen. Sie irren jahrelang weltfremd durch die Lande und entwickeln keine eigenen Lösungen derartiger Probleme. Sie merken nicht, dass seit 5(!) Jahren der Verkehr sicher und zügig durch Markranstädt fließt (geflossen ist). Für die Verkehrssicherheit auf der Bundesstraße 186 war Tempo 30 ein großer Schritt.
    Und. Wie steht es im Koalitionsvertrag der Schwarz-Grün-Roten Regierung:

    „Wir schreiben das Verkehrssicherheitsprogramm für Sachsen fort. Unser Ziel bleibt „Vision Zero“ d.h. null Verkehrstote. Wo es erforderlich ist setzen wir uns für Geschwindigkeitsbegrenzungen und andere Maßnahmen ein“.

    Da wurde wohl der Koalitionsvertrag ohne das LASuV geschrieben!

    Für Markranstädt heißt das … Schwarz, Grün, Rot, Zero – Geschwindigkeitsbegrenzung aufgehoben – gegen die Verkehrssicherheit!
    Aber was wollen wir erwarten. Seit über 40 Jahren arbeiten Politiker nach der Maxime „Vorwärts immer, Rückwärts nimmer“. Mal sehen was noch kommt.
    In Dölzig ist übrigens die gesamte Durchfahrt der B181 Tempo 30. Da sind ja auch keine Schulkinder oder ältere Bürger unterwegs und an der Straße wohnt auch niemand. Kein Fußgänger muss die Straße überqueren. Da muss sich das LASuV schon für Tempo 30 auf der B181 einsetzen.
    In Markranstädt baut die Stadt nun auch noch Wohnhäuser an der Zwenkauer Straße. Welch ein Irrsinn. Da kommen wir niemals zu Tempo 30.

    • Klaus Drummer auf 8. Januar 2020 bei 7:15
    • Antworten

    Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich. 1300 Unterschriften konnte die AG Verkehrslärm einsammeln, bei wieviel Einwohnern der Kernstadt? Der Kampf von drei Karnickeln um mehr Platz in ihren Buchten hätte vermutlich mehr gebracht. Was in Markranst nicht von selbst verschwindet, bleibt eben. Was geht mich fremdes Elend an. Da hatten es die lärmgeplagten Bürger der Weststraße gut. Still und heimlich, ganz ohne Petition, war das alljährliche Getöse des Rummels auf der Festwiese verschwunden. Es geht doch…

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