Das Tauziehen um die Besetzung der Stelle eines Beigeordneten im Markranstädter Rathaus hat am Samstag eine überraschende Wendung genommen. Elf Minuten nach 11 Uhr hatten Einsatzkräfte der Partei MCC die bisherige Bürgermeisterin Nadine Stitterich im Handstreich abgesetzt und eine Übergangsregierung ausgerufen. Ein Reporter der Markranstädter Nachtschichten war dabei und wurde auch Augenzeuge, als ein neuer Beigeordneter inthronisiert wurde.
Trubel auf dem Marktplatz. Mitten in einer skandierenden Menschenmenge versucht Markranstädts regierende Bürgermeisterin verzweifelt, im Kampf um den Rathausschlüssel die Oberhand zu behalten.
Mit poetisch gereimten Appellen glaubt sie, die Herzen der aufziehenden Karnevals-Junta erweichen zu können, doch die kennen kein Pardon.
Es kommt zu einem kurzen Handgemenge, ein Tusch durchschneidet die feuchte Novemberluft und kurz nach 11 Uhr streckt der MCC-Parteivorsitzende Michael Unverricht der jubelnden Menge den soeben eroberten Schlüssel zum Allerheiligsten der Stadt entgegen.
Was jedoch in den darauf folgenden Minuten passiert, wird nicht nur deshalb in die Annalen der Stadt eingehen, weil Stadtchronistin Hanna Kämmer unter den Augenzeugen weilte.
In einer eilig anberaumten Pressekonferenz diktiert der neue Markranstädter Bürgermeister den Medienvertretern kurz darauf eine flammende Antrittsrede in die Notizblöcke.
Rede an die Lallendorfer Nation
Die endet mit einem Paukenschlag! „Wir wollen unsere Amtsgeschäfte natürlich ordentlich führen und haben deshalb einen Beigeordneten mitgebracht“, lässt er die aufgeputschte Menge wissen.
Damit hat Markranstädt fast anderthalb Jahre nach dem Hinwurf Beate Lehmanns wieder einen Stellvertreter. Es ist Tobias Hein, der bisher als Programmchef seiner Partei MCC in Erscheinung getreten war. Viel Zeit hat er allerdings nicht, um im kommunalpolitischen Markranstädt bleibende Spuren zu hinterlassen. Heins Anstellungsverhältnis als Beigeordneter sei bis zum Aschermittwoch befristet, heißt es aus parteiinternen Kreisen.
Aus eben jenen internen Quellen war am Nachmittag auch zu erfahren, warum die MCC-Junta den neuen zweiten Mann ganz im Sinne einer Diktatur per Dekret eingesetzt hat.
Lupenreine Demokratur
„Was bei einem demokratischen Wahlverfahren herauskommt, haben wir doch erlebt“, begründet ein als verdeckter Ermittler eingeschleuster Informant. Wenn es als demokratisch gilt, dass ein Kandidat auf Wunsch einer einzelnen Person abgelehnt wird, könne es nicht undemokratisch sein, wenn eine einzelne Person einen Kandidaten einsetzt.
Noch am Abend einigten sich die neuen Herrscher im Rathaus auf die Fortsetzung der bisherigen Regierungsform in Markranstädt, die jetzt allerdings eine authentischere Bezeichnung tragen soll. „Der Ehrlichkeit halber sprechen wir künftig von einer Demokratur“, hieß es.
17 Kommentare
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Zu Bild 2: Markranst „Demokratie“ ist am Ars…,, es lebe die Demokratur!
Ob bis Aschermittwoch genug sichtbare und bleibende Fakten geschaffen werden können da es nun einen 1. Beigeordneten gibt? Noch in Amt und Würden konnte die amtlich eingesetzte 1. Beigeordnete richtig und sehr sehr viel davon… Aber da gab es ja noch die heilige Kuh mit Namen „Echte Demokratie“… In Würde, Achtung und Anstand auf Augenhöhe- Damals war’s! Nostalgiker denken da an die „bürgermeisterlose Zeit“ so nach „R.(in)“ und vor „S.(er)“, falls sich jemand daran erinnert…
Jetzt haben wir die Zeit der Jecken …
Ich stimme „Pieps“ vollumfänglich zu!
Zustimmen reicht nicht! Wenn Ihnen Markranstädt wirklich am Herzen liegt, sollten Sie sich bei der MCC-Regierung bewerben. Es fehlt an allen Ecken und Enden: Bauamtsleiter, Mitarbeiter im Ordnungsamt, Sekretärin, Personalrat … Sie haben freie Wahl.
Wenn das, was Sie da schreiben stimmt, dann ist die Chefin ja tatsächlich eine richtige „Alleinherrscherin“.
Wie das in anderen Kommunen ist, können wir nicht beurteilen, aber auf Markranstädt trifft das jedenfalls nicht zu. Hier passiert nichts ohne Zutun durch den Stadtrat. Das ist wirklich so.
Das beim Ordnungsamt Mitarbeiter fehlen, hat keine Auswirkungen. Das Verteilen von Knöllchen funktioniert trotzdem zuverlässig weiter und weniger Mitarbeiter kosten weniger Geld. Also alles im grünen Bereich.
Ist doch effizient. Der Gewinn aus dieser Optimierung wird in Sondervermögen angelegt. Der MDR hat das Wort übrigens heute schon wieder benutzt – besser gesagt: nachgeplappert.
Das Sondervermögen unserer Gsellshft besteht in den Vielen, die sich ehrenamtlich fürs Gemeinwohl einsetzen! Schön zu erfahren, dass deren Engagement mit einem Fest anerkannt wurde.
Genauer gesagt, mit einem Fest, einem (weiteren) Abzeichen und einem Denkzettel, auf dem „Urkunde“ steht. Und übrigens auch mit sehr gut getroffenen Worten der Bürgermeisterin. Ihre Dankesrede war echt authentisch. Aber all das ist trotzdem bestenfalls das Mindeste, wenn man betrachtet, was sich andere Menschen für weitaus weniger Leistung gegenseitig selber in die Taschen stecken.Also: Augen auf bei der Wahl des Hobbys.
Eine sichere Quelle bestätige mir den Aufenthalt unserer Bürgermeisterin an der Adria, im 5 Sterne „Rimini Suite Hotel.“
Dort traf sie Giorgia Meloni, Führerin der postfaschistisch Partei Fratelli d’Italia, an der Bar. Beide Frauen, obwohl sie englisch miteinander sprachen, waren ganz schnell auf gleicher Wellelänge. Bereits am Anfang stellten sie erfreut Gemeinsamkeiten ihrer Großeltern fest, die fasziniert von Diktatoren waren. Auch über zu viel Ausländer waren sie sich rasch einig und den Sinn von Parlamenten zweifelten beide Frauen gemeinsam an. Vom Stadtrat sprach die Bürgermeisterin nur von der Quasselbude. Schließlich beruhigte Giorgia ihr Gegenüber wegen der Sorgen nach der Schlüsselübergabe an die Rathaus Besetzer und meinte: „Deren Herrschaft ist zeitlich begrenzt, liebe Nadine, weil so was wie demokratische Grundwerte sowieso bei Narren am besten aufgehoben ist. Ich sage dir, dein autoritäre Führung mach dir das Regieren immer leichter.“
Deshalb fragte meine Quelle besorgt: Wie weit hat die säkularen Stadtgesellschaft von Markranstädt überhaupt schon mitbekommen, dass für sie jeder Tag Aschermittwoch ist und das seit Jahren?“
Mit Pessimismus kommen Sie nicht weit. Nehmen Sie sich ein Beispiel an uns, die wir das Glas nicht halb leer, sondern halb voll sehen. Für uns ist in Markranstädt nicht jeder Tag Aschermittwoch, sondern jeder Tag der 11.11.!
Das Leben ist an manchen Tagen nur im Vollrausch zu ertragen.
Chapeau Herrn Naser für die treffenden Worte.
Das Wort „Demokratur“ ermöglicht dem parteipolitischen Spektrum gänzlich neue Möglichkeiten!
Der Wortstamm des Begriffes gibt die Antwort: Ein Spektrum ergründet man am besten mit einem Spekulum.
Lallendorf OHO
Bei so einem tollen karnevalistischen Verein mit zahlreichen Aktiven lässt sich doch sicher ein für die Stadt Markranstädt passender Beigeordneter oder Beigeordnete finden über den Aschermittwoch hinaus, das wäre wünschenswert und sinnvoll!
Ja, aber Karnevalisten wählt doch heute keiner mehr. Die haben sich in der Bundesrepublik jetzt schon 33 Jahre an der Macht versucht – mal in schwarzen, dann in roten oder grünen und auch in gelben Kostümen. Zuletzt sogar mit einem einäugigen Piraten, der alles vergisst. Selbst wem er sein Sondervermögen anvertraut hat, hat er vergessen.