Und nochmal vierte Etage: Je t`aime – Wer mit wem?

Nach dem kurzen Exkurs in die biblische Geschichte unseres Stadtrats kommen wir heute nun zu den wahrhaft existenziellen Hintergründen. Sieben Parteien, 22 Sitze – die Ausgangsfrage lautet: „Je t`aime – Wer mit wem?“ Auch wenn die Allianzen, die da geschmiedet wurden, nicht unbedingt Liebesbeziehungen sind, haben sich doch interessante Konstellationen entwickelt.

Man muss es so ehrlich sagen: Die Hochzeitstänze auf dem kommunalpolitischen Parkett haben nichts, aber auch rein gar nichts mit den Sakramenten gemein, die man solchen Verbindungen im sonstigen Leben zugrunde legt. Es sind Schein-Ehen, in denen man sich den Partner oft nicht einmal schönsaufen kann. So siehts aus!

Erzwungen werden diese Verbindungen durch die Spielregeln. Und die besagen beispielsweise, dass eine Partei oder Fraktion nur dann ein Mitglied in einen der Ausschüsse entsenden kann, wenn sie aus mindestens drei Abgeordneten besteht.

Demnach hätten in der Markranstädter Duma nur die CDU (10 Volksvertreter) und die AfD (4 Abgeordnete) die Möglichkeit, in den Ausschüssen mitzuwirken. Wobei die AfD wohl im Ältestenrat bereits vorstellig geworden sei und dort mitgeteilt habe, dass man zugunsten „kleinerer Parteien“ hier und da zum Verzicht bereit sei.

Brautschau statt Crystal

In dieser Konstellation wäre es vorprogrammiert, dass dann alles im Stadtrat noch einmal durchgekaut wird, wenn dann die am Vorspiel unbeteiligten Fraktionen ins Geschehen eingreifen dürfen. So viel Crystal gibt’s in ganz Markranstädt nicht, um das bei vollem Bewusstsein zu ertragen.

Nach all den dramatischen Verlusten bei den letzten Wahlen haben die einstigen Volksparteien aber zumindest ein Merkmal in die neue Zeit hinübergerettet. Es sind ihre Erfahrungswerte und hier vor allem die über die Spielregeln. Frank Helge Meißner, die graue Eminenz der SPD, hat hier als erster reagiert. Mit ihren zwei Sitzen wären die Sozialdemokraten nicht weit gekommen und das S im Namen SPD wäre in der Tat zu einem „Sonstige“ verkommen.

Durch seine frühzeitige Brautschau hatte Meißner reichlich Auswahl an Bewerbern, die dezent parfümiert angetreten waren und in frisch gestärkten Hemdchen verlegen um den ersten Flirt zwinkerten. Der SPD-Chef entschied sich für einen blonden Jüngling in grünem Wams. Geimpft, entwurmt, steht gut im Schuh – was will man mehr?

Unter die rote Haube gekommen

Die Verhandlungen zum Ehevertrag, zelebriert in einem einschlägigen Etablissement vor Ort, waren dennoch keine reine Formsache.

Bis es so weit war, wusste sogar die Kellnerin im Rosenkranz schon, welche Biersorte der neue Bräutigam mag und was seine Lieblingsspeisen sind. Aber am Ende steht nun ein Bündnis aus SPD und Grünen, das einen Anspruch auf Teilnahme in den Ausschüssen hat.

Um Plätze in den Ausschüssen ging es der CDU bei ihrer Brautschau ganz sicher nicht. Davon hat sie reichlich. So reichlich gar, dass sie einen davon als Mitgift in die eheähnliche Bedarfsgemeinschaft am Ratstisch einbringen kann.

Die Stunde des grauen Strategen

Mit Jens Schwarzer von den Bürgern für Markranstädt (BfM) haben die Christdemokraten den ganz großen Coup gelandet. Eine strategische Meisterleistung, die eine Handschrift erkennen lässt, die im Alltag traditionell selbst Apotheker mitunter nur schwer entziffern können. Mit einer Klappe wieder mal zwei Fliegen geschlagen.

Wenn die CDU überhaupt einen Partner brauchte, dann nur, um im Stadtrat wenigstens eine Patt-Situation möglich zu machen. Mit 10 gegen 12 wären sie im ernstesten aller Fälle selbst mit Spiske als Zünglein an der Waage nicht mehrheitsfähig.

Durch Schwarzer bei den Schwarzen steht es nun aber nicht nur 11 zu 11, sondern den beiden übrig gebliebenen Duos von den Linken und den Freien Wählern ist zugleich der letzte Single für eine Fraktionsbildung vor der Nase weggeschnappt worden. Speed-Dating in der vierten Etage! Von wegen alle elf Minuten.

Dabei scheint es sogar so, als könnte die CDU ihre Mitgift behalten. Familie, Beruf, Ortsvorsteher und Stadtrat – wenn Schwarzer nun auch noch das Mandat in einem Ausschuss annimmt, könnte eine ganz andere Ehe auf dem Spiel stehen als die mit der CDU. Auch geografisch sinnstiftender wird wohl die Lösung so aussehen, dass Jens Schwarzer als Göhrenzer einen Sitz im Zweckverband Kulkwitzer See einnimmt. Wenn’s läuft, dann läuft’s.

Zwischen Not und Tugend

Für die Freien Wähler und die Linken wird’s dagegen eng. Mit nur je zwei Plätzen an der Tafelrunde von König Jens bleiben für die Ausschüsse lediglich Beobachterposten übrig und selbst die nur im öffentlichen Teil. Es sei denn … na ja … so … allianzmäßig. FWM-L oder so. Zwar sind die Freien Wähler für eine solche Perspektive zumindest auf Landesebene eigentlich schon viel zu weit in konservativ besetztes Land einmarschiert, aber Not kann auch zusammenschweißen.

Irgendwann Ende September wird sich der neue Stadtrat konstituieren müssen und spätestens dann werden auch die restlichen Fragen beantwortet. Und dann beginnt hoffentlich endlich auch das Interesse der Neuen an den kommunalpolitischen Vorgängen in ihrer Stadt. Mal sehen, wie die überhaupt aussehen. Mit Ausnahme von Jens Schwarzer, der seit der Wahl an allen Stadtratssitzungen teilnahm, wars ja bisher ein gesellschaftspolitischer Offenbarungseid, was die Präsenz der AfD und des Grünen angeht.

 

2 Kommentare

    • Beobachter auf 25. September 2019 bei 11:48
    • Antworten

    Also mal ehrlich ich verstehe die ganze Aufregung nicht, denn alle wollten doch ein buntes Deutschland und da gehört eben auch Lallendorf dazu.
    Man muß halt nur ob der Farbenpracht aufpassen dass man nicht ganz blind wird und dadurch den Wähler noch mehr vergisst, denn dies könnte sich bei der nächsten Wahl noch schlimmer auswirken.
    Denn eines ist heute schon ganz klar: „Nach der Wahl ist vor der Wahl“

    • Paule auf 20. September 2019 bei 17:14
    • Antworten

    Die Grafik ist umwerfend!
    Die Union christlicher Demonstranten ganz links, die Linkischen dafür in der Mitte, die Grünlings ganz rechts, noch rechter als die Alten Naiven (grün-blau ist die Haselnuss.
    Der Bund Deutscher Mädchen (oder was immer die BfM darstellt) mit einem Sitz und die Stümper Partei Deutschlands dienen gemeinsam in der Mitte als machtlose politische Dehnungsfuge.
    Vielleicht fanden ja einige der Gewählten bloß ihre Plätze nicht,
    wenn Deine politische Heimat halt links ist und Du in der Mitte platziert wirst ist das verwirrend. Dank MN gibt’s dafür nun eine Landkarte.
    Freue mich auf den Bestuhlungsplan,

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