Warum der Weihnachtsdiverse in Markranstädt Verspätung hat

Allen Lesern der Markranstädter Nachtschichten wünschen wir ein frohes, gesegnetes Fest im Kreise lieber Menschen.

Und damit auch wirklich kein Schatten auf die Festtagsfreude fällt, halten wir uns bei unserer traditionellen Weihnachtsbotschaft „urbi et marcransis“ diesmal auch ganz eng an die Vorgaben unseres Karikaturisten, der sich im Angesicht des Festes kurz vor Jahresende noch einmal richtig ins Zeug gelegt hat.

Er wird in diesem Jahr sowieso nicht ganz pünktlich sein, der vermummte Alte mit der roten Burka. Die vier Schachthäuser schafft er vielleicht noch, aber ab da geht’s im Schleichtempo 30 weiter. Allerdings ist das nicht die einzige Hürde, die Knecht Ruprecht zu überwinden hat.

Die Parkstraße wird er diesmal wohl auslassen. Hierhin, in die tiefen, dunklen Wälder der Stadt, haben sich in den letzten Monaten die Jakeduma-Milizen zurückgezogen. Eine No-Go-Area nicht nur für Bürger, sondern auch für den bärtigen Alten und seinen Schlitten voller begehrter Konsumgüter.

Schlittenfahrt durchs Krisengebiet

Da droht nicht nur der Verlust von Handys, Spielekonsolen und anderen kreativ-pädagogischen Geschenkideen mit Batteriefach. Auf der Suche nach geschmuggelten Betäubungsmitteln werden sie sogar die Nähte seines Sacks auftrennen und selbst das Futter seines Mantels fleddern.

Wenn Ruprecht danach in die zivilisierten Regionen der Stadt einfährt, werden die erwartungsschwangeren Kinder hinter den Fenstern ihren Augen nicht trauen, weil da auf zwei Kufen augenscheinlich die Reste eines aufgeplatzten Polsterstuhls um die Ecke kommen.

Christmas for future

Zudem scheint das wracke Gefährt wie von Geisterhand getrieben. Die E-Mobilität hat nämlich auch am Polarkreis Einzug gehalten. Weil die Rentiere mit ihrem Gefurze das ganze Klima kollabieren lassen, muss der Weihnachtsmann jetzt alle 50 Kilometer Strom aus dem Kohlekraftwerk tanken.

Und dann ist da noch die Unsicherheit in der Bevölkerung. Weil schließlich jeder behaupten kann, dass er der Weihnachtsmann ist, trifft der Alte zunehmend nicht nur auf vorfreudig beisammensitzende Familienbestände oder Bedarfsgemeinschaften.

Eine Armlänge Abstand

Gar zu oft blickt er nach dem Öffnen der Haustür in die Läufe auf ihn gerichteter Baseballschläger. Es folgen intensive Leibesvisitationen nach unter dem Mantel verborgenen Bombengürteln, Weihnachtskarten werden nach Milzbrand-Erregern gefilzt und seine Arbeitserlaubnis wird ebenfalls kritisch unter die Lupe genommen. Sowas zieht sich hin.

Auch sein Zögern hinsichtlich einer ehrlichen Antwort auf die Frage nach seiner Staatsbürgerschaft beschleunigt den Vorgang der Geschenkeverteilung nicht gerade. Stur bleibt er bei der Behauptung, nach dem Überfall im Park habe man ihm auf dem Alten Fiedhof sämtliche Papiere abgenommen.

Halbwegs wieder hergerichtet, gerät er unmittelbar danach an den Haushalt, wo laut Salzgebäck-Schild an der Wohnungstür „die Freya, der Malte, die Nele und der Torben streiten, lieben und leben“. Im Wohnzimmer hinter dieser Tür lauert die ultimative weihnachtliche Apokalypse.

Nicht die Nele oder der Torben müssen etwas aufsagen, sondern Ruprecht hat sich noch vor Betreten der Wohnung gegenüber Hausherrin Freya erstmal zu rechtfertigen, warum Jahr für Jahr ein Weihnachtsmann käme. Dieser unerträgliche Sexismus sei längst überholt.

Der Aschenbrödlerich

Mit wütendem Blick entreißt ihm die Freya das Behältnis mit den Gaben und bringt es zur Nele und zum Torben. Zurück bleibt ein verstörter Weihnachtsmann ohne Sack, der nun als Diverser zumindest Zutrittsrecht zum Wohnzimmer hat.

Aus dem Augenwinkel entdeckt er im Vorbeigehen Familienvater Malte, der im Kerzenschein barfuß in der Küche hockt und völlig freiwillig weihnachtliche Dinkelkekse nach Glutengehalt sortieren muss. Die Guten ins fair getradete Tontöpfchen aus Indien, die Schlechten für den Streetworker-Basar in die Tupperware mit dem Weichmacher.

Roter Mantel – schwarze Pädagogik

Um lebend aus diesem Fegefeuer zu entkommen, stellt Ruprecht nun instinktiv seine in Jahrhunderten gereifte Rhetorik um. Nein, diese Kinder darf man nicht auffordern, ein Gedicht vorzutragen, um sich als Lohn ein Geschenk zu verdienen!

Jegliche Zwangsmaßnahmen sind ein Relikt aus pädagogisch dunkelsten Zeiten und wo das hinführen kann, wurde erst kürzlich anhand des Beispiels eines bayrischen Schneiders in der ZDF-Doku „Hitlers Unterhosen“ aufgedeckt.

Schon aus Gründen des Datenschutzes darf der Weihnachtsmann nicht einmal die Namen der Kinder wissen. Aber der Teufel lauert im Detail. Als er den Torben geradezu flehend bittet, ihm ein Geschenk an seinen Jute-Sitzsack bringen zu dürfen, schreitet Mutter Freya energisch ein.

Diverse Zwischenfälle

Wie er auf das schmale Brett käme, dass Torben ein Junge sei, will sie kreischend und mit Funken sprühenden Augen wissen. Das Kind sei erst 22 und habe sich noch nicht entschieden, welches der 61 Geschlechter es später einmal annehmen wolle.

Überhaupt finde sie das autoritäre Erscheinen des Weihnachtsdiversen unpassend, vor allem die konfrontierende Frontalsituation mit ihm vor den Kindern. Einen Stuhlkreis finde sie passender und der würde das familienpädagogische Konzept auch viel nachhaltiger reflektieren.

Der, die oder das Torben rollt dem Weihnachtsdiversen daraufhin wortlos einen Sitzball zu und fordert ihn mit einem kurzen Nicken zum Hinsetzen auf. Die Freya schlägt vor, nun auf Augenhöhe auszudiskutieren, wer zuerst sein Geschenk erhalten solle.

Aus der Küche erklingt das Scheppern eines indischen Tontopfes. Doch dieses Signal kommunikativer Teilhabe wird vom Rest der Peergroup im Wohnzimmer nicht einmal ignoriert. Wer lärmt, hat keine Argumente. Lediglich die Freya erwähnt beiläufig, dass ihr Malte heute wohl unter maskulinem PMS leide und leider noch nicht wisse, wie es damit umgehen könne. Sie habe ihm deshalb ein Jahresabo der „Emma“ geschenkt.

Stuhlkreis auf Sitzbällen

Die Auseinandersetzung um das erste Geschenk gewinnt erwartungsgemäß die Nele. In Anbetracht der Mehrheitsverhältnisse hat sie sich spontan entschieden, sich heute mal als Frau zu fühlen und so ihre Mutter bei der Abstimmung unter Fraktionszwang zu setzen. Um wenigstens moralisch auf der Siegerseite zu sein, stimmt auch das Torben für Nele.

So bekommt das Mädchen sein Geschenk zuerst. Gierig reißt sie es auf, entnimmt ihm die Stiefel aus veganem Rindsleder und gibt dem Alten vorwurfsvoll die klimaschädliche Umverpackung zurück.

Die Überführung des Sex-Monsters

Dass ihr der Weihnachtsdiverse für den kurzen Vierzeiler über ein Öko-Handy aus nachwachsenden seltenen Erden anerkennend seine Hand auf den Scheitel legen wollte, war allerdings ein Fehler. Ein entscheidender Fehler. Der Letzte in seiner Funktion als Ruprecht*in.

Eine halbe Stunde später wird er auf dem Polizeirevier Südwest zu Protokoll geben, dass er wegen dieses unerträglichen sexuellen Übergriffes als Weihnachtsmann zurücktreten werde.

Last Christmas

Auch für den im Moment des Vorbeugens zur Nele unter ihm hervorgeschnippsten Griff des Sitzballs entschuldigt er sich aufrichtig. Es habe nicht in seiner Absicht gelegen, die junge Frau mit einem phallischen Symbol zu schockieren und gleich gar nicht habe er ihr mit dieser Geste Paarungsbereitschaft signalisieren wollen.

Auf dem Weg in den Maßregelvollzug mit anschließender Sicherheitsverwahrung (dieses sadistische Monster trug zu allem Übel auch noch eine Rute bei sich), hört er im Autoradio des Gefangenentransporters ein Lied. Ein Weihnachtslied, das er schon tausendmal gehört hat, aber dessen wahre Bedeutung sich ihm erst in diesem Moment in seiner gesamten Aussagekraft erschließt: Last Christmas!

 

1 Kommentar

    • jabadu auf 27. Dezember 2019 bei 22:57
    • Antworten

    Na nächstes Jahr wird der Weihnachtsmann schneller voran kommen. Die Scheinheiligen im Himmel (auch Politiker genannt) haben sich ja stark dafür gemacht, dass nun nach fünfjähriger(!) Geschwindigkeitsabstinenz auf den Bundesstraßen in Markranstädt endlich wieder 50 gefahren werden darf. Ist ja auch notwendig. Da hat der Bevölkerung auch das LaberAktionsPapier (LAP) nicht geholfen.
    Und ob ein Weihnachtsmann kommt ist ja, wie ihr köstlich darstellt, wirklich fraglich. Ich stelle mir jetzt schon eine Weihnachtsfrau vor, die die Geschenke aus einer alten Knautschlacktasche hervorholt. Na mal sehen.
    Auf jeden Fall werde ich auch im kommenden Jahr eure Nachrichten verfolgen. Egal ob Weihnachten ein Mann mit Sack und Rute oder eine Frau mit Knautschlacktasche und Schnalle oder etwas Weihnachtsdiverses kommt.
    Ich wünsche euch viel Spaß im Neuen Jahr.

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