Wie Corona die Markranstädter Toilettenkultur verändert

So allmählich wird die ganze Tragweite dessen offenbar, wie die Pandemie uns Menschen und die gesamte Gesellschaft Schritt um Schritt verändert hat. Eine von den Markranstädter Nachtschichten in Auftrag gegebene Studie belegt jetzt sogar, wie sich Corona – oft ohne dass wir es überhaupt bemerkt haben – auf unser allerheiligstes Ritual ausgewirkt hat. Der Stuhlgang ist nicht mehr das, was er einmal war. Mehr noch: Wir können eindeutig beweisen, dass die Viren extra deshalb erfunden wurden, um unser Verhalten beim Stoffwechseln zu konditionieren. Ein Blick in die Markranstädter Toilettenlandschaft belegt diese These nachhaltig.

Corona hat die Welt verändert, auch die in den Toiletten. Wo früher noch Handynummern von Popsbohrern das Auge des Sitzenden erfreuten oder manch lustiger Spruch via Edding verewigt wurde, sind die Wände heute mit Verhaltensvorschriften für den Akt der Eiablage und die Zeit danach tapeziert.

Zumindest das haben sie erkannt, die Gesundheitspolizisten um Lauterbach, Wieler & Co. Nirgendwo sonst lassen sich Werbebotschaften oder politische Parolen so nachhaltig ins Hirn des Lesers pflanzen wie auf dem Keramik-Thron. Beim Warten auf die finale Erlösung, während der Lehmtorpedo im Transit durch das Gedärm von der Peristaltik gen Ausgang getrieben wird, hat man Zeit. Manchmal viel Zeit.

Weil es je nach Alter des Ausscheidenden auch beim sogenannten kleinen Geschäft hier und da etwas länger dauert, hat die Gesundheitspolitik jetzt auch die Urinale für die Standing Ovations der Herren als perfekte Werbefläche für Hygienemaßnahmen erkannt.

Digital-Offensive an Deutschlands Autobahhnen mit Bedienungsanleitung für den Blasen-Upload.

Digital-Offensive an Deutschlands Autobahhnen mit Bedienungsanleitung für den Blasen-Upload.

Auf den Displays integrierter Tablets wird der internetaffine Urinator von einer digitalen Benutzeranleitung Schritt für Schritt durch den Akt der Blasenentleerung geführt. Der bis ins Detail ausgereifte Touchscreen reagiert sogar auf feinste Berührungen. Landet beim Abschütteln beispielsweise ein Tröpfchen statt in der Unterhose auf dem Display, erscheint sofort eine FAQ-Liste, die den User auf den Anwendungsfehler hinweist.

Allerdings ist dieses digitale Angebot in vielen Toiletten noch nicht in deutscher Sprache vorhanden. Deshalb fiel das System beim MN-Test durch.

Den Befehl „Signage offline“ übersetzte unser Proband mangels ausreichender Englischkenntnisse mit der Anweisung, seinen Adapter in der Hose zu lassen. Im Urvertrauen auf die Leistungsfähigkeit digitaler Zukunftstechnologie glaubte er noch genau drei Sekunden lang, dass ein Upload der Blase schon heute quasi wireless möglich ist.

Ein fataler Irrtum. Nicht mal der Händetrockner, unter dem sich unser Proband daraufhin im Kopfstand den Schritt trocknen ließ, kommt ohne konventionelle Anbindung an die Steckdose aus.

Markranstädt drückt analog

In Markranstädt ist man da traditionell bodenständiger aufgestellt. Hier darf noch ganz analog gestoffwechselt werden und entsprechend ist auch die Beschilderung konzipiert. Anweisungen in leichter Sprache, die dem User den Umgang mit seinen Ausscheidungsorganen unter Corona-Bedingungen leichter machen sollen.

Die Ergebnisse des MN-Tests sind deshalb trotzdem nicht überzeugender. So wird der Nutzer der Herrentoilette in der Schkeitbarer Gastwirtschaft „Zum Grünen Baum“ gebeten, während des Urinierens auf die Einhaltung eines Abstandes von mindestens 1,5 Metern zu achten.

Statt "Danke fürs Mitmachen" gilt dem Gastwirt ein Danke fürs Wegmachen.

Statt „Danke fürs Mitmachen“ gilt dem Gastwirt ein Danke fürs Wegmachen.

Ein Ding der Unmöglichkeit. Nicht mal bei ganz zurückgezogener Manschette und entsprechendem Druck auf die Auslassdüse (ähnlich wie bei der Gartenbewässerung mit dem Schlauch) sind unsere Probanden auch nur annähernd bis zum Becken gekommen. Nach zehn Anläufen (die letzten zwei sogar nur mit 50 Zentimetern Abstand), musste die Versuchsreihe wegen Überschwemmung des Lokus abgebrochen werden.

Ebenso untauglich sind die Handlungsanweisungen, die wir auf der Toilette in der Grundschule Großlehna vorgefunden haben. Dennoch musste zumindest ein Stern für den pädagogischen Wert des Papiers verleihen werden.

Man hat einen Weg gefunden, den kleinen Rackern, gedemütigt vom täglichen Anblick des väterlichen Unterleibes im heimischen Bad, das für ihre weitere Entwicklung wichtige Selbstvertrauen zurückzugeben.

Sind so kleine Hände. Das Sparsamkeitsgebot bezieht sich, laud Tuten, auf den Umgang mit dem weichen d. Mit den Händen hingegen gibt es keine Grenzen.

Das Sparsamkeitsgebot bezieht sich, laud Tuten, auf den Umgang mit dem weichen d. Mit den Händen hingegen gibt es keine Grenzen.

Einzeln rausziehen (nicht alle gleichzeitig!) und am besten mit zwei Händen. Dieser Hinweis ist wichtig, neigen die Kids in diesem Alter doch oft an Selbstüberschätzung und versuchen es häufig mit nur einer Hand. Das Ergebnis sieht dann so aus wie in Schkeitbar.

Seit bereid!

Quasi durch die Hintertür wird mit dieser Anweisung auch eine zweite Botschaft transportiert. An dieser Schule gibt es keine alten Parteikader mehr. Zumindest denen wäre durch die früher täglich gebetete Formel aufgefallen, dass mit dem Gruß „Seit bereid!“ irgendwas nicht stimmt.

Aber solche Kleinigkeiten sind, insbesondere in der grundschulischen Erziehung, heute zum Glück nicht mehr wichtig, seit oder seid es laud Tuten nur noch darauf ankommt, dass es nicht nur Pioniere, sondern auch Pionierinnen waren, die „immer bereid“ zu sein hatten.

Die Entweihung der Tempel

Sie sehen: Corona hat für allerlei Wirbel auf den deutschen Toiletten gesorgt. Immerhin ist das der Ausgangspunkt der Pandemie, wie die Lieferengpässe im Marktsegment Klopapier von Anfang an gezeigt haben.

Laut Spiegel ist Karl Lauterbach jetzt sogar in ein untapeziertes Ein-Mann-Souterrain mit Außenklo umgezogen, um sich ständig die Freudlosigkeit des Lebens bewusst zu machen.

Dabei war der Lokus jahrhundertelang der einzige Ort zum Ausleben weltlicher Freuden. Jetzt hat der Ernst des Lebens auch vom letzten Rückzugsort seelischer Erleichterung Besitz ergriffen. Wohl dem, der wenigstens noch die Markranstädter Nachtschichten auf dem Klo lesen kann. Bald auch auf Ihrem Display am Urinal.

4 Kommentare

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    • Pia Kühn auf 3. Oktober 2021 bei 8:01
    • Antworten

    Sonntags-Lektüre vom Feinsten. Klasse

    1. Wenn Sie das am nächsten Tag nochmal lesen, haben Sie auch eine Montagslektüre vom Feinsten. Im Grunde genommen kommt man mit den Markranstädter Nachtschichten durch die ganze Woche … und immer mit einem Lächeln im Gesicht.

    • markranster auf 29. September 2021 bei 8:31
    • Antworten

    Ich schmeiss mich weg! Das Zwerchfell war beim Lesen im Dauerstress! Mal wieder ein absolutes Highlight der MN!

    • Tilo Lehmann auf 29. September 2021 bei 8:06
    • Antworten

    „Köstliche“ Botschaft zum frühen Morgen…

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