Wort für(s) Wort in den Herbst

Der geflügelte Begriff von den „alten Seilschaften“ ist nicht erst seit der deutschen Wiedervereinigung negativ besetzt. Aber warum eigentlich? Gerade in Krisenzeiten beweisen Seilschaften, also die Kontakte von Menschen untereinander, dass man mit ihnen besser über die Runden kommt. Pfarrer Michael Zemmrich hat sich in diesen Tagen mal so seine eigenen Gedanken darüber gemacht, wie Kontakte – und seien sie auch „nur“ spirituell – uns über und durch diese Zeit helfen könnten.

Wir wissen, was alte Seilschaften sind. Das sind Leute, die sich auf geheimnisvolle Weise zu ihrem Vorteil verbinden, weil sie sich gut kennen. Sie haben Erfahrungen von früher, die heute verlässliches, gemeinsames Handeln ermöglichen. Wir spüren heute: Die Herausforderungen nehmen zu: Krankheit gefolgt von gesellschaftlichen Reglements und angekündigter Mangel an Energie – nicht mehr als Ruf ökologisch Bewegter, sondern durch Krieg.

Die mediale Begleitmusik macht unser Glauben und Hoffen labil. Meinungen zu unserer Lage gibt es wie Sand am Meer und die Frage des Beters im Psalm 121 ist mehr als berechtigt: „Von woher kommt mir Hilfe?“ Martin Luther dichtete 1529 das bekannte Lied: „Ein feste Burg ist unser Gott.“ Eine feste Burg im Denken und Handeln zu haben, das war damals bitter nötig.

Im Jahre 1529 stand die osmanische Armee vor Wien – Europa in Gefahr. Gleichzeitig war der innere Friede durch den 2. Reichstag zu Speyer aufs äußerste strapaziert: Evangelische und Katholische Reichsfürsten rangen im Grunde um die Frage: Welcher Glaube ist für Deutschland der richtige Glaube?

Wir sind heute dieser Lage sehr nahe und ringen auch um Krieg und Frieden, um Einflussgebiete, Energieressourcen und die Frage, was es denn heißen kann und soll, nicht mehr über seine Verhältnisse zu leben. 2022 Reformationstag zu feiern, bedeutet Besinnung auf eine Kraft, die weder durch gesperrte Pipelines geschwächt, noch durch Gebietsgewinne erkämpft werden kann: Die Kraft der Gewissheit, dass Gott mit uns eine Seilschaft bilden möchte.

Auf geheimnisvolle Weise der Schwäche von Krippe und Kreuz hat er sich zu unserem Vorteil mit uns verbunden und bietet uns an, unser Vertrauen mit Christus zu verknüpfen – wie Paulus auf dem Marktplatz von Athen seinen griechischen Zuhörern sagte.

Je vielfältiger Überzeugungen sind, umso schwächer sind sie. Gemeinsame Überzeugungen hingegen sind stark. Was hindert uns daran, Erfahrungen mit Gott, von denen die Bibel voll ist, für uns heute zum Grund verlässlichen Denkens und Handelns werden zu lassen?

Der „Gerechte lebt aus Glauben“.Alle, die aus Gottes Perspektive angemessen mit den Ressourcen dieser Welt und den Mitmenschen umgehen, leben aus dem Vertrauen, dass die Seilschaft mit Gott besser hält als alle Stricke, Datenkabel und Gasleitungen dieser Welt. Dann ängstigt uns weder jede Hiobs-push-Nachricht, noch das als Mangel erlebte Ende des Überflusses. Dann wissen wir, mit wem täglich Seilschaft nötig ist: Mit Gott, den Martin Luther eine Burg nennt.

Ja, wir brauchen neue Umkehr zur alten Seilschaft mit Gott. Reformation.

 

1 Kommentar

    • Tilo Lehmann auf 6. September 2022 bei 11:04
    • Antworten

    Oh Jaaa…, welch ein wahres Wort! Und: Was für ein Glücksfall für Markranstädt diese verlässliche und kluge Größe als unseren Pfarrer nennen zu dürfen! Ist ansonsten ein sehr sehr knappes Gut in Markranst… . Doch: Es gibt Sie- schauen wir uns um unter uns Menschen. Wer auch das will- der finde, besser nocht: Selber sein und eine positive Pandemie anzünden. Ist auch eine Reformation.

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