Zwischen Parkspaziergang und Straßenbahnfahren

Zugegeben: Da kann nicht jeder mithalten. Die geradezu vorbildliche Aufmerksamkeit, mit der MN-Leserin Elly den gedruckten Blätterwald beäugt, ist bemerkenswert. Dass ihr dabei allerdings auch so viele Kostbarkeiten auffallen, ist eine Gabe. Eine Gabe, über die nicht jeder verfügt und die selbst gestandene MN-Satiriker vor Neid erblassen lassen. Ellys Einsendungen der letzten Tage ist deshalb heute eine ganze Nachtschicht gewidmet – verbunden mit einem großen Dank dafür, dass sie uns mit der Nase draufgestoßen hat.

Beginnen wollen wir mit einem Fundstück aus dem aktuellen Werbeprospekt von Aldi, in dem es wohl um Schuhe geht.

„Eigentlich soll ja Werbung die Kunden zum Kauf animieren“, kritisiert Elly das kapitalistische Gewinnstreben, das hinter solchen bunten Blättern steckt. Deshalb habe sich Elly, die auf dem Weg zum Supermarkt durch die Neue Straße laufen und den Park am Alten Friedhof durchqueren muss, sehr darüber gefreut, dass sie jetzt mit einem Fotomotiv aus ihrem Alltag überrascht wurde.

Dass sich ene Frau beim Anblick einer solchen Szene verunsichert fühlt, ist völlig natürlich. Schließlich könnte man ohne Schuhe von Aldi auf dem nassen Herbstlaub schnell ausrutschen.

Dass sich eine Frau beim Anblick einer solchen Szene verunsichert fühlt, ist völlig natürlich. Schließlich könnte man ohne Schuhe von Aldi auf dem nassen Herbstlaub schnell ausrutschen. 

Das Unbehagen, das ihr die Szene anfangs bereitet habe, kam vom Boden. Jetzt weiß sie: „Das Bild vermittelt mir das gute Gefühl, dass man mit dem richtigen Schuhen auch in dieser Jahreszeit sicher durch das nasse Laub in den Parks laufen kann“, und dankt Aldi für das kostenlose Sicherheitsupdate.

Weil sie sicherheitshalber trotzdem lieber mit dem Auto zu Rewe einkaufen fährt, hat Elly auch ausreichend Zeit für die Lektüre der lokalen Tagesgazette.

In ihr erfuhr sie am vergangenen Wochenende unter anderem vom Zusammenstoß zweier Straßenbahnen in Leipzig mit 25 Verletzten, einem Großeinsatz der Rettungskräfte und 150.000 Euro Schaden.

Alles über den Unfallhergang und dessen Folgen konnter der LVZ-Leser am Wochenende auf Seite 19 erfahren. Ursache und Schuldfrage musste er sich indes auf Seite 21 selbst zusammenreimen.

Alles über den Unfallhergang und dessen Folgen konnter der LVZ-Leser am Wochenende auf Seite 19 erfahren. Ursache und Schuldfrage musste er sich indes auf Seite 21 selbst zusammenreimen.

Während der Leser der Leipziger Volkszeitung auf Seite 19 haarklein über den Hergang des Unfalls informiert wird, herrscht noch immer Rätselraten um dessen Ursache. Möglicherweise hätten die Notbremssysteme versagt, doch genaueres könne erst nach Auswertung des Fahrtenschreibers gesagt werden, war zu lesen.

Da haben die Journalisten allerdings ihre Rechnung ohne ihre Leser gemacht. Jahrzehntelang darin geschult, die Wahrheit zwischen den Zeilen oder notfalls auch auf einer anderen Seite zu finden, hat Elly einfach mal umgeblättert – und siehe da: Hier steht alles über die Ursache und der Schuldige wurde auch bereits überführt.

Es ist fast wie ein Gleichnis zu dem armen Waisenjungen auf dem Bauernhof, dessen Eltern vom Trecker überfahren wurden und der auf die Frage nach seiner Lieblingsbeschäftigung antwortete: „Trecker fahren.“ Nur dass es sich in vorliegendem Falle um einen Politiker handelt, der sich ohne Führerschein ins Cockpit einer Straßenbahn setzt und sich dabei auch noch fotografieren lässt.

Da haben wir den Übeltäter! Nur weil er Oberbürgermeister ist oder Theologie studiert hat, glaubte er, sich auch auf den Führerstand einer Straßenbahn setzen zu dürfen. Mit dramatischen Folgen.

Da haben wir den Übeltäter! Nur weil er Oberbürgermeister ist oder Theologie studiert hat, glaubte er, sich auch auf den Führerstand einer Straßenbahn setzen zu dürfen. Mit dramatischen Folgen.

Dass er ein Fahrrad lenken kann, scheint dem kleinen Burkhard als Qualifikation zu genügen. um eine Straßenbahn fahren zu dürfen. Schließlich hat ihm ja auch ein branchenfremdes Theologiestudium schon gereicht, um Oberbürgermeister in einem Kaff an der Pleiße zu werden.

Was bei solcher Anmaßung herauskommt, hat die Tageszeitung in akribischer Recherchearbeit zusammengetragen. Bei den 150.000 Euro Schaden wird es demnach nicht bleiben. Die Verkehrswende werde mehrere Millionen Euro zusätzlich kosten, heißt es da über dem Bild mit dem roten Schwarzfahrer und „Ohne Hilfe werden wir es nicht schaffen“.  Wie diese Hilfe aussehen kann? Vielliecht sollte man ihm mal einen Trecker schenken?

11 Kommentare

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    • Markranster auf 1. November 2023 bei 14:06
    • Antworten

    Ich finde es immer bemerkenswert, daß Aldi und Co. Dinge anbieten, die (mangels Masse und Platz im Laden) spätestens Montag nachmittag ausverkauft sind und die arbeitende Bevölkerung im wahrsten Sinne des Wortes in die Röhre guckt. Da hilft auch kein noch so bunter Prospekt. Und was den Leipziger OBM betrifft: er weiß wohl nicht einmal wie sich das Fahrzeug mit welchem Knopf in Bewegung setzen läßt.

    1. Die sind nicht ausverkauft. Die Mitarbeiter vor Ort nehmen sie sozusagen schon vor dem Start der Aktion in Kommission und Sie können diese dann bei ihnen zu Hause, freilich gegen einen geringen Aufschlag, erwerben.Outsourcing nennt sich das. Dieses Geschäftsmodell klappt zumindest an einigen Norma-Standorten seit Jahren hervorragend. Heute im Werbeprospekt, morgen nicht im Regal, weil gestern schon umgelagert…

  1. Mist, die Schuhe bei Aldi waren in meiner Größe schon ausverkauft. Doch wieder keine Runde durch den Park. Grins.

    1. Der Schuster hat die schlechtesten Leisten. Versuchen Sie es doch mal mit Birkenstock. Die sind jetzt an die Börse gegangen – da kosten die Sandalen jetzt sicher genauso viel wie eine Familienpackung Outdoor-Wanderschuhe bei Aldi.

    • Xt'Tapalatakettle auf 31. Oktober 2023 bei 12:15
    • Antworten

    Das Bild aus dem Aldi Prospekt ist in der Tat…wie sagt man so schön neudeutsch…cringe…
    Gut gedacht, schlecht gemacht.

    1. Aldi ging es hier wohl nur darum, auch irgendwie auf der aktuellen Schuh-Welle mitzuschwimmen. Während einheimische Wanderer immer wieder dazu angehalten werden, sensibel mit fremden Wandersleuten umzugehen (weil die es nicht anders kennen oder aus anderen Kulturkreisen kommen), lässt Aldi genau diese Sensibilität gegenüber seinen Stammkunden vermissen. Das kommt dabei raus, wenn man nicht hinter einem Produkt steht, sondern mit undurchdachtem Aktionismus einfach auch mal was in Sachen Schuhe machen will. Bloße Symbolik – wie vieles andere auch. Leider.

      1. Aber selbst diese Symbolik kommt ur halbherzig rüber. Wo sind die bunten Regenbogenbinden an den Armen der Schuhmodels?

    • Samoht auf 31. Oktober 2023 bei 10:59
    • Antworten

    Genial, vor allem das Sicherheitsupdate. Was und wieviel davon muss man sich einwerfen, um auf die Idee zu kommen, das Problem auf so unverfängliche Weise „vom Boden aus“ anzugehen?

    1. Wieso was einwerfen? Da reicht ein ganz nüchterner Blick. Also wir jedenfalls haben sofort erkannt, dass das Problem nur in den Sohlen liegen kann.

    • George Daimler auf 31. Oktober 2023 bei 6:35
    • Antworten

    Oh, bloß nicht. Dann braucht Leipzig noch breitere grüne Fahrspuren. Nämlich für Trecker.

    1. Hätte aber auch Vorteile, so als Räumfahrzeug für festgeklebte Hindernisse…

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