Mysteriöse Lichter, Biertische im Schulgarten, Teppich im Stadion

Schade dass wir es uns selbst auferlegt haben, den Blick nur auf Markranstädt zu richten. Allein durch die gestrige Bundestagsdebatte zum Thema Landwirtschaft hätten wir bis zum Jahresende ausgesorgt. Ein SPD-Vertreter plädierte gar erst für weniger Massentierhaltung, dann für größere Ställe. In einem Satz! Das kriegt nicht mal Spitzen-Kabarettist Donald Trump hin. Bedauerlich, dass mangels Anwesenheit nur eine handvoll Volksvertreter darüber hätte lachen können. Aber nicht mal die haben die Pointe mitbekommen. Richten wir unsere Scheitel also mutig gen Lallendorf.

Die Entwicklung hat sich lange schon abgezeichnet. Deutschlands Leichtathleten sind nur noch in den Sportarten gut, in denen Speer, Kugel, Diskus oder Hammer vorkommen.

Oder anders gesagt: Nur wenn es darum geht, das Werkzeug möglichst weit weg zu schmeißen, können die deutschen Tugenden noch ihre erfolgreichste Wirkung entfalten. In allen anderen Disziplinen, vor allem beim Laufen, hat es sich bitter gerächt, dass wir in den vergangenen Jahrhunderten unsere Kolonien so sträflich vernachlässigt haben.

Aber es gibt Hoffnung! In Markranstädt wird derzeit der Grundstein für eine Trendwende gelegt. Im Stadion am Bad ist man dabei, die Tartanbahn zu erneuern. Damit soll die natürliche Veranlagung, so schnell wie möglich vor der Arbeit wegzurennen, künftig optimal gefördert werden.

Schon im April hatte der Stadtrat den Weg dafür geebnet und die Differenz zwischen Fördermitteln (86.600 Euro) und tatsächlichen Kosten (aktuell 153.000 Euro) aufgefüllt. Im Wissen, dass das Vorhaben noch in diesem Jahr abgeschlossen werden muss.

Und so ging es in der vergangenen Woche los mit der Entfernung des alten Laufteppichs rund um die Arena. Im Zusammenhang mit den nebenan gleichzeitig laufenden Abrissarbeiten des Stadtbades war das Motiv natürlich eine Steilvorlage für die Riege der Verschwörungstheoretiker.

Der alte Belag ist schon runter. Derzeit wird die neue Tartan-Bahn verlegt. danach kann man den Kids hier wieder ordentlich Beine machen.

Die sahen hier die Anfänge einer kompletten Baufeld-Freimachung, wahlweise zugunsten eines gigantischen Corona-Testcenters (mit Tiefgarage und Isolationstrakt) für ganz Sachsen oder wenigstens eine luxuriöse Wohnanlage für neureiche Flüchtlinge.

Aber spätestens seit am Dienstag der frische Untergrund für die neue Tartanbahn zu sehen ist, sind diese Gerüchte verstummt. Das bereits vor 93 Jahren errichtete und 2001 komplett sanierte Stadion, das 2003 ein schickes Tribünengebäude erhielt, bleibt tatsächlich stehen und wird für Laufkundschaft ertüchtigt.

Weil damit auch die Mär von einer Wohnbebauung auf dem Gelände des Stadtbades erste Risse bekommen hat, richten sich die Theorien der Präastronauten nun auf andere Gebiete der kommunalpolitischen Gesellschaftsphysik.

Freitag: Markranstädt leuchtet

Zum Beispiel auf die Frage, welche Ursachen das geheimnisvolle Leuchten haben könnte, das die Stadt Markranstädt in der Nacht von Freitag zu Samstag erhellen soll. Aber auch dafür hat die Schulmedizin eine plausible Erklärung.

Dem Phänomen liegen Erfahrungen aus der „Night of Light“ Ende Juni zugrunde. Die Event-Branche hatte damit auf ihre prekäre Situation infolge der Corona-Maßnahmen hingewiesen, indem markante Gebäude mit der Alarm-Farbe Rot angestrahlt wurden.

Ganz ohne Musikbeschallung, Bratwurststände und das Krähen von Zapfhähnen entwickelte sich die Protestaktion damals zu einem entschleunigten Event der Begegnung kontakthungriger Quarantäne- und Homeoffice-Opfer. Halb Markranstädt war zu nächtlicher Stunde auf den Beinen.

Für Heike Helbig, Chefin fürs Stadtmarketing im Rathaus, war das Ergebnis eine Musterschablone dafür, wie man trotz Corona-Beschränkungen etwas Normalität ins gesellschaftliche Leben bringen und gleichzeitig die besonders ächzenden Wirtschaftszweige ein wenig unterstützen kann.

Mit nur Rot erinnerte die Leipziger Straße im Juni eher an die E 55 an der tschechischen Grenze. Aber die Idee war gut und wird jetzt mit Gold weiter ausgebaut.

Kurzerhand gebar sie mit ihrem Fachbereich das Projekt „Markranstädt leuchtet“, mit dem am Freitag von 20 bis 24 Uhr an die Wiedervereinigung  vor 30 Jahren erinnert wird. Die Kirche, die Stadthalle und weitere Gebäude im Zentrum werden in schwarzer Nacht rot und goldgelb angestrahlt und stehen damit für die Flaggenfarben der Bundesrepublik Deutschland. Händler, unter anderem das Dekostübchen, öffnen ihre Geschäfte und halten die eine oder andere Überraschung bereit.

Doch nicht nur Lichtinstallationen und Händler laden zum Flanieren ein, sondern auch Straßenmusiker. Gegen 20 und 22 Uhr spielen am Markt beispielsweise „The Rollin Bros“ auf und um 21 Uhr erfreuen die „Goldgählschen“ am Mehrgenerationenhaus (MGH) die Ohren der Passanten.

Dort werden auf einer Leinwand auch historische Ansichten von Markranstädt gezeigt. Zum Abschluss des Abends findet um 23.30 Uhr eine Andacht in der St. Laurentiuskirche statt. Kulinarische Vielfalt findet sich bei den unterschiedlichen Angeboten der gastronomischen Einrichtungen im Zentrum. An der Stadthalle werden zudem regionale Produkte angeboten.

Um regionale Produkte im erweiterten Sinne ging es bereits am Montag in der Gartenanlage am Ast. Dort befindet sich der Schulgarten der Markranstädter Grundschule, wo die Kids das nötige Rüstzeug erhalten, damit sie als Selbsterzeuger die nächste Pandemie überleben können.

„Stößchen“ in Mutter Natur

Um die künftigen Bewahrer der Ideen Moritz Schrebers zu motivieren, hat der Kreisverband Leipzig der Kleingärtner Westsachsen e. V. beim Landesverband Fördermittel für den Schulgarten der Grundschule Markranstädt beantragt.

Die daraufhin bewilligten 1.500 Euro hat der Kreisverband um weitere 500 Euro aufgestockt und damit Farbe für die Schulgartenlaube und neue Zaunsfelder zum Nachbargarten gekauft, letzteren auch gesetzt sowie gestrichen und zudem gut verstaubare Biertischgarnituren sowie zwei neue Bänke angeschafft.

Insektenstudium am Biertisch – sozusagen lebende Pokemons unter der Lupe. Die Kleingärtner haben bei der Motivation junger Nachwuchskräfte voll ins Schwarze getroffen. (Foto: Stadt Markranstädt)

Die Kinder der 2. Klasse, die mit Schulleiterin Simone Müller bei der Übergabe anwesend waren, hatten bei der Verheißung von Biertischgarnituren zunächst möglicherweise ganz andere Erwartungen. Aber letztendlich waren auch sie begeistert von der neuen Möblierung ihres Schulgartens.

Denn Vorsitzender Ralf-Dieter Eckardt und sein Stellvertreter Dieter Haberkorn hatten noch etwas mitgebracht, wofür es sich auch ohne Brauereierzeugnisse lohnt, am Biertisch Platz zu nehmen. Insgesamt 14 Lupen hatten die Gärtner für die Kinder im Gepäck. Analoge Regenwürmer und Blattläuse live und im HD-Format, sowas zieht immer.

Zur Übergabe war neben Bürgermeister Jens Spiske auch die gute Seele des Schulgartens vor Ort. Harry Schleinitz, ehemaliger Hausmeister der Grundschule, kümmert sich mit finanzieller Unterstützung der Stadt immer noch liebevoll um dieses Stück Markranstädter Mutterboden. Als Dankeschön gabs für Eckardt, Haberkorn und Schleinitz selbstgemachte Kräuterbutter von den Kids.


Das wars erst mal zum aktuellen Stand am Mittwoch, damit Sie mit der kommenden Wochenschau literarisch nicht überfrachtet werden. Also Kopf hoch: Wenn der heutige Tag rum ist, ist übermorgen schon wieder Samstag! 

 

5 Kommentare

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    • Bekannt auf 3. Oktober 2020 bei 12:00
    • Antworten

    Ich habe leider die wunderschöne Illumination nur per Bild verfolgen können, bin aber davon richtig angetan. Prima, dass es so viele gute Geister gibt, die das überhaupt ermöglicht haben.
    Und egal, wie wir das benennen, was wir heute feiern dürfen. Letztlich hat die Wende mit samt ihren mutigen Bürgern erst möglich gemacht, dass wir nächste Woche in direkter Wahl ein(e)n Bürgermeister wählen können. Und eins steht fest … es wird kein SED-Kandidat sein ☺️
    Darauf schon mal ein Stößchen

  1. Na-Nu,…“Licht“ erhellt uns im Dunklen der Stadt… Das erhellt uns bei all den Lallendorfer Alltagssorgen, ist eminent wichtig und ist was gebraucht wird? Doch 30 Jahre sind ein würdiger Anlass und es ist gut das sichtbar an vor 30 Jahre zurück erinnert wird. Eben Schwarz-Rot-Gold. Doch allein ein(e) Licht (-Farbe) Allein? Das ist wie Kevin allein zu Hause… Es soll auch in Markranstädt 29-jährige (und z.B. jüngere und Ältere Bankverückte) geben die wissen nicht so richtig was am 3.10.1990 so wirklich passiert ist… Da soll es ja auch noch demokratisch gewählte Einzelpersonen und sogar Parteien geben deren Aktivitäten an diesem Tag hör- und sichtbar statt verborgen sein sollten. Doch vieleicht ist…“Dies mir leider nicht erinnerlich“… Am 11. wissen wir mehr.

    • Marc Ranstetter auf 1. Oktober 2020 bei 10:59
    • Antworten

    Da fiel mir zunächst der Begriff „Wiedervereinigung“ auf. Den finde ich historisch falsch, weil nur wiedervereinigt werden kann, was vorher schon einmal bestanden hat. Laut Wetterkarte von ARD und ZDF der sechziger und siebziger Jahre bestand Deutschland da noch in den Grenzen von 1937. 1990 fehlten da einige Landstriche. Also feiern wir nicht eine Wiedervereinigung sondern den Beitritt der DDR zum Grundgesetz der BRD.
    Dann lobe ich mir, dass Markranstädt in der Nacht vor dem 3. Oktober in Rot und Gold erstahlen soll. Rot ist ja immer gut und warum soll man mit etwas mehr Rot in der Politik nicht auch wieder goldene Zeiten erleben können?

    1. Diesen Beitritt kann es nicht gegeben haben. Die DDR hat am 2. 10. 1990 um 23:59 Uhr und 59 Sekunden ausgehaucht, also konnte sie eine Sekunde später gar nicht beitreten, weil es sie zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr gab. Beim Begriff „Wende“ wendet sich einem ebenfalls der Magen. Wiedervereinigung – okay – ist historisch gesehen auch falsch, es sei denn, die verlorenen Reichsgebiete würden rückwirkend der DDR beitreten, was zumindest den Einwohnern von Elsass-Lothringen schwer zu vermitteln wäre… Die einzig richtige Formulierung wäre somit: „Feierlichkeiten zum Tag des Inkrafttretens der teilweisen Rückabwicklung des Postdamer Abkommens im Bereich der Aufteilung der Zonengebiete und deren Neuverschmelzung zu einem föderalen Rechtsgebiet unter Berücksichhtigung der Festlegungen im Einigungsvertrag und der Ergebnisse der 2 + 4-Verhandlungen“. Damit wäre aber schon jeder Artikel zum Thema bereits mit der Titulierung voll. Einigen wir uns also auf die Feierlichkeiten zum Tag der Einheit? Zwischen wem auch immer.

        • Samoht auf 1. Oktober 2020 bei 20:06
        • Antworten

        Ja, das mit den Ostgebieten ist so eine Sache. Kann man nicht mehr ändern. Wie würde ER beim Anblick der Mitarbeiter beim Straßenbau heute sagen? „Höttö öch gewosst, wö billig därrr Pole zu haben ist, höttö öch das Land einfach öbörsprrrungen!“

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