Social Distancing im Aufsichtsrat: Wenn der Bus zu klein ist

Zur originellen Vergabepraxis bei der Besetzung des Aufsichtsrates der MBWV hat SPD-Chef Frank Meißner im Nachgang zur Stadtratssitzung Rederecht bei den Markranstädter Nachtschichten beantragt. Laut Geschäftsordnung steht ihm das zu und es wurde ihm sogar gern gewährt. Denn was da im KuK geschehen war, sollte in der Tat schon noch einmal vertieft werden. Aber erst mal die Interpretationsform der vom Humor getriebenen Satiriker: Kommunalpolitik verständlich erklärt.

Was bisher geschah: Die Stadtverwaltung hatte einen Vorschlag zur Besetzung des Gremiums unterbreitet. Damit der Geltung erlangen konnte, bedurfte es der Zustimmung ausnahmslos aller Stadträte.

Vorgeschlagen waren demnach drei Sitze für die CDU (Kirschner, Unverricht, Prautzsch), einer für die Freien Wähler (Donat) und ein Sitz für einen Vertreter der Stadtverwaltung (Lehmann).

An letzterem lässt sich nicht rütteln, die anderen vier Plätze werden von Vertretern der Parteien besetzt. Allerdings bietet der Kleinbus für den Aufsichtsrat nur ein recht begrenztes Platzangebot. Den sieben im Stadtrat vertretenen Parteien respektive Gruppierungen stehen lediglich vier Sitze zur Verfügung.

Mein rechter, rechter Platz ist leer

Da der Bürger für Markranstädt (BfM) in der CDU aufgegangen ist und die SPD mit den Grünen eine Fraktion bildet, bleiben mithin fünf Gruppen übrig, die sich um diese vier Plätze streiten. Also müsste schon mal mindestens eine Fraktion an der Haltestelle zurückbleiben, wenn der Bus abfährt.

Dass die CDU als deutlich stärkste Fraktion die Mehrheit der Sitze beansprucht, ist verständlich und normal. Die absolute Mehrheit bedeutet in diesem Fall mindestens drei Plätze. Damit wäre im Kleinbus allerdings nur noch ein Platz für eine andere Reisegruppe frei.

Auf großer Fahrt

Nun ist es aber auf einer Busreise so, dass alleine fahren keinen Spaß macht. Man braucht schließlich auch wen, mit dem man über die Sehenswürdigkeiten unterwegs angeregt plaudern kann. Am besten mit jemanden, der nur zuhören darf und nicht gleich das Ziel der Reise in Frage stellt.

Damit zur Gewährleistung dieses Unterhaltungswertes auch ein paar Kids aus der kleinen Gruppe mitfahren können, hatte man in der zurückliegenden Legislatur einen Deal geschlossen. Die Stadtverwaltung verzichtete auf einen der zwei ihr zustehenden Plätze zugunsten eines Kindersitzes für eine kleinere Partei. Alle waren glücklich, es gab ausreichend Unterhaltung unterwegs und der Busfahrer wurde in Ruhe gelassen.

 

Jetzt, zu Beginn der nächsten Fahrt, sollten also die Plätze neu vergeben werden. An der Bushaltestelle drängen sich genug Passagiere, um wieder eine bunte, illustre Truppe auf die Reise schicken zu können.

Blöd ist halt nur, und das hat den Sozialdemokraten Meißner irgendwie zu Recht geärgert, dass der von der Stadtverwaltung einst für einen Kleinen freigemachte Kindersitz jetzt von einem Großen aus der CDU-Reisegruppe besetzt wird. Das war damals eigentlich nicht das Ansinnen dieses Platzverzichts.

Da war doch noch was?

Im Gegensatz zu den Reiseführern anderer Touristikbüros erinnerte sich Meißner bei der Abstimmung am vergangenen Donnerstag an den Grund dieses Deals.

Seinem besten Wissen und Gewissen verpflichtet, blieb ihm gar nichts anderes übrig, als gegen den eingebrachten Vorschlag zu stimmen. Kann ja nicht sein, dass die Reiseleitung erst einen Platz für einen Kindersitz frei räumen lässt und dieser dann von einem besetzt wird, der unten schon Haare hat.

Das Platzangebot ist begrenzt.

Was dann kam, ging so schnell, dass es für Markranstädter Verkehrsverhältnisse bereits an Geschwindigkeitsübertretung grenzte.

Kaum hatte die große Gruppe den Antrag eingebracht, die Sitzverteilung entsprechend des Berechnungsverfahrens nach d’Hondt zu vergeben, zog der Reiseveranstalter einen Zettel hervor und meinte: „Wir haben das schon mal ausgerechnet.“ Wer auch immer dieses „wir“ ist, das da bereits im Vorfeld die Orakel aus dem Kaffeesatz gelesen hat: Meißners Fraktion zählt offenbar nicht dazu.

Und so kam es denn, dass auf der kommenden Butterfahrt gar keine Kleinkinder mehr mitfahren, obwohl die Stadtverwaltung nach wie vor einen Platz für sie freigehalten hat.

Frank Meißner sind solche Gleichnisse zu Busfahrten und Reiseveranstaltern naturgemäß fremd. Er formuliert die Hintergründe seriöser, was nicht unbedingt heißen muss, dass sie dadurch für den gemeinen homo marcransis verständlicher werden.

Nein, es habe keine Absprache gegeben, dass bei der Besetzung des Aufsichtsrates der MBWV die gleichen Kriterien gelten sollten wie in der letzten Legislatur, stellt Frank Meißner klar. Er habe den Äußerungen des CDU-Fraktionschefs aber entnommen, dass dies dennoch so gewollt sei. „Nur deshalb habe ich mein Veto einlegen können. Eben weil ich keinen Antrag befürchten musste.“

Die halbe Kuh auf dem Eis

In der Beschlussvorlage stehe, sollte es weder zu einer Einigung (wurde durch das Veto verhindert) noch zu einem Benennungsverfahren kommen (wozu es durch den CDU-Antrag gekommen ist) sind von den Parteien bis zum 17.6.20 Wahlvorschläge einzureichen… „Dann wäre die Kuh vom Eis gewesen“, ärgert sich Meißner. Durch das von der CDU beantragte und nun praktizierte Benennungsverfahren ist eine Wahl jedoch ausgeschlossen. Insofern ist es eigentlich wirklich nur die halbe Wahrheit, wenn es heißt, SPD und Linke hätten mit ihren Vetos den Weg für einen Sitz der AfD im Aufsichtsrat geebnet.

Aber im Grunde genommen ist es ja nur eine Frage der Sprachregelung. Egal ob man es satirisch oder seriös formuliert, weder ändert das was an den Mehrheitsverhältnissen im Bus noch am Ziel der Reise. Es ist und bleibt eine Butterfahrt mit Abstecher in den Tutti Free-Shop.

 

3 Kommentare

    • Interessierte Ahnungslose auf 11. Juni 2020 bei 10:55
    • Antworten

    Wenn MBWV heißt „Markranstädter Bau- u. Wohnungsverwaltung“, dann ergibt sich die dringende Frage nach aktuellen Projekten des sozialen Wohnungsneubaues in Markranstädt. Auf Herberts Pferdeweide in der Ranstädter Mark gibt es keine Pferde mehr und es wurde gebohrt. Sucht man dort nach Bodenschätzen oder ist da vielleicht was in Vorbereitung worauf sich Bedürftige freuen können?

    • Bernd Hollwitz auf 10. Juni 2020 bei 12:32
    • Antworten

    Das habt ihr schön erklärt mit dem Bus usw.

    Zum Schluss bleibt aber letztlich Resignation und ??? hinsichtlich einer Lösung … und freut sich, dass man mit mit so einem Affentheater nichts zu tun hat.

  1. Danke für die Schmuntzler.
    Beim Wort „Vergabepraxis“ stehen mir als Bürger dieser Stadt seit Jahren die Nackenhaare hoch.
    Der Sumpf ist ebenso alt wie schmutzig.
    Da ist noch einiges an Berichten möglich.

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