Zusammenrücken ohne zusammenzurücken

„Markranstädt rückt zusammen!“ – könnte die Schlagzeile des heutigen Tages lauten. Aber darf man sowas noch sagen, wenn Auseinanderrücken angesagt ist? Schauen wir also erstmal auf die lustigen Folgen menschlichen Abstands, bevor wir auf die zwar ernste, aber Mut machende Situation in Markranstädt kommen. Getreu dem Motto: Storys teilen, nicht Corona.

Es gibt Bevölkerungsteilnehmer in Markranstädt, die noch nicht wissen, was sie tun. Mangels für sie verständlicher Informationen begeben sie sich abends auf den Alten Friedhof oder den Spielplatz im Weißbachweg in Massenquarantäne.

Endlich ist man den Ursachen dieses Verhaltens auf die Spur gekommen. Es gab bislang noch keinen Influenzer, der seine Follower in der für sie verständlichen Sprache aufgeklärt hat. Aber das ist nun vorbei. Eigens für diese Ethnie haben gesellschaftliche Lingual-Pornografen jetzt den Begriff „Social Distancing“ entbunden.

Volltreffer! Nur mit solchen Sprüchen kann man die Jakedumas disziplinieren. Einfach einen (gerne auch sinnfreien) Denglish-Begriff streuen, ihn von einem intelligenzneutralen Influenz-Idol auf Instagram als neuen Hype ausrufen lassen und schon machen alle mit.

Falsch getranslated?

Dumm nur, dass die Markranstädter Jakedumas nicht mal das richtig übersetzen können. Social distancing wird hier ganz offenkundig als „Distanzieren von Sozialem“ getranslated und deshalb macht man jetzt erst recht so weiter wie bisher. Wegen Minusgraden an der frischen Luft dann auch gern bei einem „Kumpel“, dessen Einraumwohnung noch nicht bis auf die Grundmauern entlebt oder polizeilich abgemietet wurde.

Schon mehren sich in der Stadt Forderungen nach einer Umnutzung des Strandbades zu einem Corona-Partyzentrum. Es würde schon aus architektonischer Sicht den idealen Rahmen für eine dauerhafte Quarantäne solcher uninfizierbaren Sozialfälle bilden, heißt es. Eintritt frei, Austritt verboten.

Unterstützernetzwerk legt los

Nach diesem kleinen Exkurs in Brehms Tierleben nun aber zurück in die angespannte, aber total aufregende und mutmachende Realität des städtischen Alltags. Die „Lieferanten-Clique“ um Henning Hesselbarth wächst! Inzwischen haben sich sogar Interessenten gemeldet, die in den Markranstädter Pflegeeinrichtungen mithelfen wollen. Wer auch noch mitmachen will, kann sich beim „Unterstützernetzwerk“ unter 44 99 42 melden.

Mehrere Bürgerinnen haben sich unabhängig voneinander an ihre Nähmaschinen gesetzt und begonnen, Atemschutzmasken herzustellen.

Eine von ihnen meldete den Markranstädter Nachtschichten vor wenigen Minuten: „Hab noch weitere Kontakte zu diesem Thema und da kam gerade eine ganz tolle Idee, wie man die Masken noch fetzig aufhübschen kann, damit sie hoffentlich mehr Akzeptanz finden und Interessenten Spaß machen. Melde mich wieder, wenn das Foto da ist.“

Wer da mitmachen will oder eine funktionsfähige Nähmaschine zur Verfügung stellen kann (eine hat nämlich schon ihren Geist aufgegeben), kann sich ebenfalls ans „Unterstützernetzwerk“ unter 44 99 42 wenden.

Auch in den ländlichen Regionen tut sich was. Anet Brandes vom Seebenischer Bio-Lädchen hat sich in die Unterstützer eingereiht und will zur Versorgung jener Menschen beitragen, die zu Hause bleiben sollen. Allerdings fehlt es ihr an der Logistik, um die Waren ausliefern zu können. Wer hier helfen kann, soll das bitte ebenfalls dem „Unterstützernetzwerk“ unter 44 99 42 mitteilen.

Private und andere Initiativen

Am Schluss noch der Hinweis auf zwei andere Initiativen, die zunächst abseits des Unterstützernetzwerkes initiiert wurden. Eine davon hat Stadtsprecherin Heike Helbig in Seebenisch angestoßen. „Ich hatte einfach bei meinem Restaurant um die Ecke nachgefragt und für den Abend Burger mit Beilage zur Abholung und zum Zuhause genießen bestellt“, sagt sie.

Das habe wunderbar geklappt. Deshalb hat sie diese Möglichkeit publik gemacht und tatsächlich gingen bei Restaurant-Chef Matthias Göpfert kurz danach schon weitere Bestellungen ein. „Das hat auch noch den Vorteil, dass man auf Hamsterkäufe im Supermarkt verzichten kann, es erspart gestressten Eltern wegen der häuslichen Kinderbetreuung auch das aufwendige Kochen und man kann damit auch die Gastronomen vor Ort unterstützen“, empfiehlt Heike Helbig.

Diese Initiative scheint inzwischen Schule zu machen. Auch die „Alte Schmiede“ in Quesitz stellt sich als „Heim-Restaurant“ auf bietet die telefonische Bestellung bei Selbstabholung an. Jede Krise birgt auch Chancen…

Eine Markranstädter Initiative hat es inzwischen sogar ins Radio geschafft. Gemeinsam mit dem MCC hat Tina Kassubek unter dem Hashtag #dancecoronaaway für die Kids und Teens eine Aktion gegen Langeweile zu Hause und zugleich für mehr Bewegung aufgegriffen.

„Wir wollen damit etwas ganz besonderes gestalten. Ein Musikvideo der besonderen Art – jeder für sich und doch gemeinsam!“, macht Tina Kassubeck neugierig und ruft auf: „Ladet euch die Musik runter und legt einfach los!“

Tanzen, Turnen, Spaß haben ist angesagt. „Danach postet das Video in eurem Profil oder euer Instagram Story und verlinkt uns. Außerdem bräuchten wir das Video per PN für das finale Musikvideo, das aus der ganzen Zeit entsteht!“ Den Link zur Musik gibt’s hier.  Auf der Facebook-Seite des MCC sind die Videos des ersten Teils der Challenge bereits zu sehen.

Dickes Lob für MN-Leser!

Bliebe zum Schluss noch eine Info in eigener Sache. Besser gesagt, ein dickes Dankeschön. Allein in den ersten 30 Stunden nach Veröffentlichung des Helfer-Artikels hat unser Tachometer 4898 Klicks von 4203 Lesern (!!!) gezählt. Auf Facebook wurde der Beitrag über 140 mal geteilt und die Feedbacks waren überwältigend.

So teilte uns eine Leserin mit: „Das sage ich doch immer wieder…Hut ab vor den intelligenten jungen Leuten! Man hört in den Medien immer nur von Chaoten oder Hirnlosen, denen alles außer ihrem eigenen Befinden sch**egal ist. In dieser Zeit machen 99% der Meldungen in den Medien depressiv. Junge Leute, die schon gelernt haben über ihren Tellerrand hinaus zu sehen, können uns allen Mut machen!“ Sie wolle in ihrer Ortschaft den älteren Leuten Zettel in die Briefkasten werfen und so auf die Hilfsaktion aufmerksam machen.

Wort zum Sonntag

Im Wissen um solche Entwicklungen kann und sollte man sich jetzt auch einmal zurücklehnen und den Rest des Sonntags genießen. Die daraus generierte Kraft werden wir in den kommenden Wochen noch brauchen. In diesem Sinne – bleiben Sie behütet und gesund.

 


Zum aktuellen Stand (22. März, 12 Uhr):

Derzeit sind in Sachsen laut MDR 731 Infektionsfälle gemeldet, 144 davon in Leipzig. Stand gestern waren im Landkreis 39 Fälle bekannt. Gestern Abend meldete die LVZ via Twitter, dass sich zwei der neun in Leipziger Kliniken behandelten Menschen inzwischen in einem kritischen Zustand befinden.

 

4 Kommentare

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    • Nachbar auf 23. März 2020 bei 12:32
    • Antworten

    Es sind nicht nur die Jakedumas, die der Sprache nicht mächtig sind.

      • Echter Markranster auf 24. März 2020 bei 11:38
      • Antworten

      Das war ein Test! Bestanden!

    • Volker Schack auf 23. März 2020 bei 11:09
    • Antworten

    Arbeiter, es ist ernst, zieht in Eure Villen und beantragt Ausfallgeld!

    • Echter Markranster auf 23. März 2020 bei 10:39
    • Antworten

    Noch vor ein paar Tagen las man in einem LVZ- Interview die Worte unseres BM:
    „Bisher gibt es für mich keinen Grund, über eine Ausgangsbeschränkung nachzudenken.“ Und das, obwohl einige Abende vorher auf dem Hot- Spot Coronapartys stiegen. Dafür schützte er seine Elite mit einem Eingangsverbot für das nicht positiv getestete Fußvolk. Bloß gut, dass ihm die Wirklichkeit am Wochenende überholt hat. Nur schade, dass dadurch die Jakedumas die Ausstellung im Rathaus nicht sehen können. Sie hätten erfahren , wie das Damoklesschwert über den Köpfen von Assozialen schwebte, die in Torgau auch „behandelt“ wurden.

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