Fast zeitgleich mit dem Gedanken zur Wiederaufforstung des Bismarck-Denkmals im Stadtpark, haben visionäre Geister auch in Kulkwitz eine mutige Idee entbunden. Das Kriegerdenkmal auf dem Friedhof, das hoch droben auf den Klippen über dem Gebeine-See thront, soll restauriert werden.
Und in der Tat wird das höchste Zeit! In den 95 Jahren seiner Existenz ist das 1922 eingeweihte Denkmal den witterungsbedingten Rotteprozessen so stark anheim gefallen, dass es inzwischen eher an die Kapitulation in Versailles erinnert als an die gefallenen Soldaten des vorausgegangenen Weltkrieges.
Das Denkmal wurde 1922 eingeweiht. Damals wurden sogar noch Kränze niedergelegt.
Wer da genau gewürdigt wird, ist kaum noch zu erkennen. Lediglich die Ortsnamen Kulkwitz, Gärnitz und Seebenisch sind noch schemenhaft auszumachen. Die Fugen sind ausgewaschen, die Außenteile neigen sich in alle Himmelsrichtungen und durch die Haube des Ehrenmals samt Lorbeerkranz zieht sich ein tiefer Riss.
Ganz unfreiwillig ist der Erinnerungsort für die Gefallenen zwischen 1914 und 1918 im Laufe von über neun Jahrzehnten damit auch optisch zu dem geworden, was er eigentlich darstellt: Ein wahrer Ort der Trauer. Den Betrachter erinnert das sieche Bauwerk an einen überforderten Popcorn-Kessel, der sich kurz vorm Bersten befindet. Eine Hommage an die Apokalypse der Schlacht vor Verdun.
Apocalypse now
Die Soldaten, deren Andenken dieses Denkmal gewidmet ist, hatten aber auch wirklich Pech. In vielerlei Hinsicht. Schon dass sie gefallen sind, ist traurig genug. Und dann noch einen Krieg zu früh und als ob das nicht reicht, auch noch als falsche Ethnie.
Man stelle sich vor, es würde sich nicht um kaiserliche Rekruten aus dem 1. Weltkrieg handeln, sondern um Verfolgte des Naziregimes oder sowjetische Befreier (die uns, um das mal historisch klarzustellen, erst befreit hatten, als uns die Amerikaner befreit hatten). Kaum vorstellbar, dass sich das Denkmal dann heute in einem solch jämmerlichen Zustand zeigen würde.
Im Gegensatz zu den Opfern des 1. Weltkrieges werden die Gräber der Gefallenen des Zweiten Weltkrieges regelmäßig und wie von Geisterhand gepflegt.
Ein sowjetisches Ehrenmal im hinteren Teil des Friedhofes und zwei sogar nach 72 Jahren geradezu liebevoll gepflegte Gräber gefallener Wehrmachtsoldaten am Eingang (Foto) erhärten die Grundfesten dieser Theorie nachhaltig. Sogar die Hecke, die diese Ruhestätte umgibt, wird regelmäßig zurecht geschnippelt.
Ganz anders das Monument für die Gefallenen aus dem 1. Weltkrieg. Eine von Moos bewachsene Ruine, in deren leeren Fugen das Laub der umstehenden Bäume seine letzte Ruhestätte fand.
Jeder Versuch, sie auch nur zu reinigen, könnte in einem Desaster enden. In der Tat hat man den Eindruck, dass einzelne Stelen und Tafeln nur noch durch das dichte Netz von Spinnweben am Einsturz gehindert werden.
Der Kitt, der das Bauwerk noch zusammen hält, besteht aus Spinnweben und Laub.
Klare Sache: Das Kulkwitzer Kriegerdenkmal ist ein Sozialfall mit Pflegestufe 3. Das ist schon länger bekannt. Genauso lange weiß man aber auch, dass es für Immobilien keine Pfegeversicherung gibt.
Und … mal ehrlich … das Teil ist schon 95 und steht nicht ohne Grund bereits auf dem Friedhof. In dem Alter schiebt man einen Greis nicht mehr zum Friseur. Man streichelt im mitleidig übers Haupt und gut.
Ein überforderter Popkorn-Kessel, der zu platzen droht.
So einfach wollen es sich einige Ortschaftsräte und Bürger aus dem kleinen Fischerdorf hinter der Kippe aber nicht machen. Allen voran Carmen Osang. Sie hat einen Draht zur Kulkwitzer Geschichte.
Schon beim Umgang mit dem Ein-Mann-Bunker hat sie Fingerspitzengefühl bewiesen und überhaupt hat sich die nach dem Rückzug von Dieter Trotz einst noch als Notnagel gehandelte Ortsvorsteherin inzwischen jede Menge Respekt erworben, der bis hinein ins Rathaus reicht.
Die Macher
Gemeinsam mit anderen Ortschaftsräten und interessierten Bürgern hat sie sich nun die Rettung des Denkmals auf die Fahne geschrieben. Schon ist aus der tollkühnen Idee ein handfestes Konzept geworden.
Flyer sind gedruckt, Aushänge gefertigt, Sponsorenbriefe geschrieben und eine Kalkulation erarbeitet worden. Insgesamt soll allein die Restaurierung des Denkmals rund 10.000 Euro kosten. Hinzu kommen noch Demontage und Wiederaufbau.
Was viel klingt, ist unterm Strich nicht mal das Monatsgehalt inklusive Aufwandsentschädigung einer Kanzlerin. Und so mancher Banker würde angesichts dieses Betrages als Bonus sogar den Aufwand vermeiden, wenigstens mal seine Nase zu rümpfen. Aber für ein kleines Dorf ist das eine Menge Geld..
Diese Summe zu besorgen, ist jetzt die nächste große Aufgabe für die Kulkwitzer Denkmal-Retter. Dazu gibt es demnächst einen öffentlichen Spendenaufruf in der Presse, im Amtsblatt und anderen Medien. Sogar im Amtsblatt der Stadt Leipzig soll um Unterstützung geworben werden.
Ärmel sind hochgekrempelt
In Kulkwitz hat man derweil die Ärmel hochgekrempelt und plant schon die nächsten Schritte. Das Ziel ist ebenso ambitioniert wie maßvoll: Pünktlich zum 100. Geburtstag des Denkmals anno 2022 soll dieses wieder in einstigem Glanz erstrahlen und ein würdiger Ort des Gedenkens an die Gefallenen der Ortschaft sein.
Symbolträchtige Verfallserscheinung. So wie oftmals behauptet durch die Gesellschaft, zieht sich ein imposanter Riss auch durch die Haube des Kulkwitzer Denkmals. Samt Lorbeerkranz.
Bis dahin heißt es, so viele Unterstützer wie nur möglich hinter sich zu bringen. Nicht nur an Unternehmen, sondern auch an Bürgerinnen und Bürger ist daher die Bitte gerichtet, sich für dieses Vorhaben zu engagieren und es mit einer Spende zu unterstützen.
Sehen wir es mal so, sehr geehrte Leserinnen und Leser: Wir können freilich weiterhin brav unsere Steuern zahlen und zugucken, wie das Geld in irgendwelchen Flughäfen oder unterirdischen Bahnhöfen verschwindet.
Oder wir spenden einen kleinen Teil dieser Mittel und können den nicht nur absetzen, sondern auch sehen, was damit geschieht.
Noch maximal zwei Winter und das Obergesims liegt als Fundament-Verstärkung am Boden. Jetzt naht zum Glück die Rettung.
Man kann es Patriotismus nennen, Heimatliebe oder Brauchtumspflege, Geschichtsinteresse oder ehrendes Gedenken an Menschen, die sinnlos geopfert wurden: Wert ist es das in jedem Fall. Mehr noch: Es ist ein wichtiges Zeichen in einer Zeit, da schier endlos über den angeblichen Verfall unserer Werte und Kultur diskutiert wird.
Helfen Sie mit!
Hier sind Leute, die nicht kaputtreden, sondern erhalten und aufbauen wollen. Unterstützen wir sie! Denn wie heißt es gleich auf der einzig noch lesbaren Tafel am Kulkwitzer Denkmal: Nichts ist zu kostbar für das Vaterland.
SPENDENKONTO
Sparkasse Leipzig
IBAN: DE 37 86 05 55 92 11 68 50 25 74
BIC: WELADE8LXXX
Verwendungszweck: „Denkmal Friedhof Kulkwitz“
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