Die Volksparteien verlieren ihr Volk

Die Bundestagswahl 2017 ist Geschichte. Wie fast überall in Deutschland, ist den Volksparteien auch in Markranstädt das Volk davongelaufen. Zu einer satirischen Aufarbeitung war noch keine Zeit, allerdings war das bisher auch nicht nötig. Das haben die Generäle der Volksarmeen bereits mit ihren Erklärungsversuchen übernommen.

Laut Statistischem Landesamt des Freistaates Sachsen lag die Wahlbeteiligung in Markranstädt bei 77,2 Prozent. Das klingt fast schon wieder wie in alten Zeiten.

Nur eben, dass die Kandidaten der Nationalen Front, die sich zeitgemäß GroKo nennt, diesmal ziemlich alt aus der Wäsche gucken.

Einzig der Wahlsieg der CDU lag im Rahmen der Erwartungen, wenngleich dessen Höhe auch bei den Schwarzröcken für betretene Gesichter sorgte.

Die 34,9 Prozent bei den Erststimmen waren ja noch recht deutlich, aber bei den Zweitstimmen lagen die Christdemokraten in Markranstädt nicht einmal fünf Prozent vor der AfD.

Die wurde zweitstärkste Kraft. Aber nicht nur das. Der Vorsprung vor den weiteren Platzierten ist so groß, dass man getrost das Sprichwort anwenden kann „Danach kommt erst mal eine Weile nichts.“

Allein zum Drittplatzierten der Wahl klafft ein Loch von über zehn Prozent! Das ist schon eine ziemlich deutliche Ansage.

Unterm Strich hat ein Viertel der gestern zur Urne geschrittenen Wähler sein Kreuz bei der AfD gemacht. Das ist schon ein recht deutliches Potenzial.

Da darf man gespannt sein, wie die über 2.600 Wählerinnen und Wähler ab dem heutigen Montag beurteilt werden. Politisch-kollektive Sippenhaft wie bisher?

Wer aufgepasst hat in den letzten Wochen und sich Gedanken über die politische Streitkultur gemacht hat, den dürfte das Ergebnis allerdings nicht überraschen. Vielleicht die Höhe, aber nicht der eigentliche Ausgang. Das war ein Resultat mit Ansage.

Die Partei der Satiriker, die sich sinnstiftend einfach nur DIE PARTEI nennt, hat in Lallendorf übrigens 86 Zweitstimmen bekommen.

Das deckt sich in etwa mit der Zahl jener Leser, welche die Markranstädter Nachtschichten nicht nur lesen, sondern sich beispielsweise auch bei Abstimmungen aktiv einbringen. Zumindest wir haben unser Volk nicht verloren.

 

Sexuelle Inhalte aus dem BH

Das war mal eine ganz neue Erfahrung. Die Markranstädter Nachtschichten sind mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Genauer gesagt, mit dem Gesetz des Marc Zuckerberg. Unser jüngster Beitrag auf Facebook wurde gelöscht. Grund sind die gezeigten Brüste. Also nicht die beiden Dinger an sich – das ist ja sogar auf Facebook noch erlaubt. Aber dass da auch Brustwarzen dran sind, das darf niemand wissen. Also weg damit.
Facebook meint: Was sonst noch an Brüsten hängt, nennt man nicht Warzen, sondern Frau!

Ganz nebenbei wurde die Anzeige auch noch aus dem FB-Freundeskreis erstattet. Also kann man das nicht mal den prüden Amis allein in die Schuhe schieben.

Ein Leser nahm denn auch Bezug auf das Sprichwort „Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde.“ Ja, aber das weiß man nicht erst, seit es Facebook gibt.

Natürlich ist eins klar: Es gibt Regeln und an die muss man sich halten. Und bei Facebook heißt es in den Gemeinschaftsstandards:

Nur hinterfragen sollte man das nicht. Da kann man ganz schnell in die falsche Spur geraten. Es sollte also jeder Frau bewusst sein, dass sie in ihrem BH pornografische Inhalte spazieren trägt.

Wir Frauen sind somit eine wandelnde sexuelle Zeitbombe. Das ist diskriminierend. Vor allem im Hinblick auf die Gleichberechtigung. Ein Mann darf seine Brüste samt Brustwarzen zeigen, eine Frau nicht. Und das im Zeitalter der Emanzipation.

Aber es gibt auch Ausnahmen. Dann nämlich, wenn an unseren Brüsten keine Brustwarzen mehr dran sind. Facebook ermuntert zeigefreudige Damen, sich in die Hände der Chirurgen zu begeben, denn:

Ganz schlimm wird’s dann für die Kinder jener Damen, die sich dem gesellschaftlichen Diktat beugen und ihre Brustwarzen als sexuelle Sauerei begreifen.

Schon frohlockt die Trockenmilch-Industrie, wenn die verängstigten Mütter aus Furcht vor Strafverfolgung ihre Drüsen abkleben, um den Kindern das traumatische Erlebnis eines frühkindlichen Sexualschocks zu ersparen.

Die kleinen Bälger werden noch früh genug erfahren, dass Kühe lila sind, Kartoffeln im Supermarkt wachsen und Milch an Tetra-Pack-Bäumen gedeiht.

Und wenn sie einst an ihre ersten Instinkte nach der Geburt zurückdenken, wird sich der Geschmack von Gaffa-Band in ihren Gaumen ausbreiten, mit dem ihre Mütter damals ihre sexuelle Würde gewahrt haben.

Aber so sind halt die Regeln in dieser unserer Welt, in der wir ach so gerne leben. Also auf Facebook keine weiblichen Brüste, an denen Brustwarzen hängen.

Abgeschlagene Köpfe, die über Fußwege rollen und deren Blut Passanten bespritzt, die darf man zeigen. Das ist ja auch nicht annähernd so schlimm wie die Kupfernieten von Herzkranzgefäßen.

Auch Bilder und Beschreibungen von Situationen mit dem Alleinstellungsmerkmal „Brutaler als alles, was Ihr heute sehen werdet“ sind absolut okay. Das bisschen Blut auf dem gequälten Gesicht … ja nun, es ist doch nur ein Gesicht und keine Brustwarze.

Diese Jagdszene hier ist sogar als Video auf Facebook zu finden. Es wirbt um die Teilnahme an einem Spiel, in dem Menschen getötet werden. Wie gesagt: Nur Menschen, keine Brustwarzen. Also halb so schlimm.

Da sieht es fast schon lustig aus, wenn einer wie hier sterbend am Boden liegt und nur von Pfeilen durchbohrt ist. Das Mittelalter ist lange her und der Tod durch den Pfeil nicht halb so tödlich wie durch Landminen oder eine Brustwarze.

Facebook passt schon auf, dass alles im Rahmen bleibt, da können wir uns drauf verlassen. Andere Anbieter sind da längst nicht so sensibel.

Amazon beispielsweise verkauft in Großbritannien die größten Hits der Waffen-SS auf CD. „Alte Kameraden singen“ heißt die Scheibe, die wahrscheinlich nicht mal auf Facebook beworben werden darf. Obwohl da Brustwarzen weder zu sehen noch zu hören sind.

Ja, was ist nun die Lehre aus dieser Geschichte? Wenn Frauen künftig mal Brustwarzen sehen wollen, müssen sie sich heimlich vor den Spiegel stellen. Männern darf man diese Sauereien ja nicht zeigen. Die müssen dann halt den Whatsapp-Gruppen jener internationalen Fotografen beitreten, die im Sommer den gesamten Kulki abfilmen. Privat darf man’s ja. 

 

Hostessen am Wahlstand: Blank ziehen für Zweitstimmen

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Religionsupdate in der Krakauer Straße

Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendwelche Gerüchte in unserer Mailbox landen oder gleich durch den Hörer kolportiert werden. Mal soll ein neuer Swingerclub aufgemacht haben, dann hinter einem Rathausfenster Cannabis-Pflanzen gedeihen oder Räpitz nun doch an Sachsen-Anhalt abgetreten werden. Einzelfälle, die man gleich weglachen kann. Wenn dann aber mal innerhalb weniger Tage gleich zwölf Fragen eingehen, die sich auf das gleiche Gerücht beziehen, sollte man der Sache schon mal nachgehen.

In den Betreffzeilen der E-Mails heißt es unter anderem „heikles Thema“, „brenzlige Frage“ oder „bitte vertraulich: Ist da was dran?“ Einheitlicher ist dann schon der Inhalt der Botschaften. Über den groben Nuckel gezogen lautet er: Stimmt es, dass in der Krakauer Straße eine Moschee gebaut werden soll?

Weil es sonst niemand macht, haben wir uns mal dahinter geklemmt und nachgeschaut, was da dran sein könnte.

Die Entwarnung gleich mal vorweg: Es stimmt nicht! Aber trotzdem passiert da hinter den Kulissen grade was mit der Katholischen Kirche in der Krakauer Straße und wie das so ist, wenn man nicht hinter den Vorhang gucken kann, entstehen dann mannigfaltige Interpretationen.

Sozialverträglicher Rückzug

Es sieht also gegenwärtig so aus, dass sich die Holding der Katholischen Kirche mit dem Gedanken trägt, ihren Betriebsteil Markranstädt zu schließen.

Arbeitsplätze sind nicht in Gefahr, da selbst die Fristen für einen vorzeitigen Renteneintritt des Managements bereits seit gefühlten 30 Jahren verfallen sind. Wenn überhaupt, macht man also eher von einer Art Spätruhestandsregelung Gebrauch.

Die Katholische Kirche „Maria, Hilfe der Christen“ zu Markranstädt.

Ähnlich wie gerade im Fall Air Berlin, dauerte es jedoch auch hier nicht lange, bis die ersten Übernahmeangebote der Wettbewerber auf den Tisch flatterten.

Die Syrisch-Orthopädischen?

Darunter eins, das zunächst als Offerte eines arabischen Pharmakonzerns gedeutet wurde. Laut Gerüchten war da ein Konsortium im Gespräch, das auf dem Markt als „die Syrisch-Orthopädischen“ agiert.

Kein Freud’scher, dafür aber wohl ein sächsischer Versprecher, denn bald stellte sich tatsächlich heraus, dass die Syrisch-Orthodoxe Kirche in Markranstädt Fuß fassen und das vakante Gotteshaus in der Krakauer Straße gern übernehmen möchte.

Das sei, so ist verschiedenen Quellen zu entnehmen, im Augenblick der Stand. Offiziell gibt es dazu allerdings wenig zu erfahren. Lediglich der Bürgermeister hat’s mal beim politischen Gottesdienst in der 4. Etage von der Kanzel gelassen. Mehr muss und kann er da auch nicht tun, aber mehr kam da auch von niemand anderem.

Das Schweigen der Lämmer

Und wie das heute so ist, wenn irgendwo der Begriff „syrisch“ fällt, wird die Skyline der Stadt vorm geistigen Auge gleich von einem Minarett dominiert. Die dahinter stehenden Befürchtungen muss man nicht explizit hinterfragen.

Es ist vor allem die Sorge, dass die Bewohner exponierter Lagen nur wenige Minuten nach Einkehr der Nachtruhe um fünf Uhr morgens durch den Ruf eines Muezzin schon wieder aus dem Schlaf gerissen werden.

Fata Morgana aus der Gerüchteküche: Moschee in Lallendorf.

Aber diese Angst ist unbegründet. Die Syrisch-Othodoxen sind keine Moslems, sondern Christen. Eigentlich ist ihre Kirche sogar die zweitälteste der Welt. Aber was sagt schon das Alter? Ein Blick auf unsere Römisch-Katholische Kirche zeigt, dass sie schon vor 300 und sogar 1000 Jahren ihrer Zeit weit voraus war und eine Kirche durchaus modern sein kann.

Blick in die Historie

Bei uns im Abendland hatten die Katholiken schon im Mittelalter eigene SM-Studios, in denen sie regelrechte Gangbang-Orgien mit nackten Frauen feierten. Und dass die danach angezündet wurden, ist kein grausamer Akt gewesen, sondern eine ganz frühe Form der Energiegewinnung aus nachwachsenden Ressourcen.

Was heute durch Überwachungskameras erreicht werden soll, geschah damals mit einfachsten Mitteln. Mit Hilfe des Beichtstuhls kann man sogar in die Gedankenwelt eindringen. Da muss man nicht mal Angst davor haben, den Datenschutz zu verletzen. Das macht der Befragte von sich aus.

Nicht zuletzt waren auch die Aufstiegschancen außerordentlich gut. So mancher Ministrant erfuhr im Rahmen einer postmodernen Form frühkindlicher Förderung schon in ganz jungen Jahren, dass ein Priester in ihm steckt.

So viel zu den abendländischen Entwicklungen, die uns ein wenig die Angst vor den anstehenden Erfahrungen mit der Religion aus dem Morgenland nehmen sollten. Viel schlimmer kanns ja kaum kommen.

Man muss auch keine Sorge haben, dass man römische Katholiken mit den Orthodoxen verwechselt. Zumindest was die Management-Ebene angeht, unterscheiden sich die Vertreter beider Branchen allein schon durch ihre Dienstkleidung.

Etwa 200 syrisch-orthodoxe Gemeindeglieder, so ist diversen Quellen zu entnehmen, könnten im Fall einer Übernahme der Markranstädter Kirche dann regelmäßig aus den mitteldeutschen Landen zum Gottesdienst in die Krakauer Straße pilgern. Natürlich nicht zu Fuß.

Auch die Syrisch-Orthodoxe Kirche ist modern. Die rollen mit Limousinen durchs Land. Angesichts der Parkplatzsituation kann man sich da im Ordnungsamt schon mal die Lätzchen fürs wöchentliche Festessen umbinden. Selbst nach Abzug der Sonntagszuschläge könnte im kommunalen Haushalt bald schon ein weiterer Neubau drin sein. Die Kita „Knöllchen-Nest“ wirft praktisch schon ihre Schatten voraus.

Oder auch nicht. Vielleicht hat ja die Moderne auch in der Ostkirche schon so weit Einzug gehalten, dass der Segen dort digital per Whatsap oder SMS erteilt wird? „Zur Bestätigung Ihres Glaubens drücken Sie bitte die Raute-Taste“. Wir werden sehen.

Blick in die Zukunft

Die Zukunft wird auch zeigen, inwiefern sich die Koexistenz zwischen den kommenden Nutzern der Kirche in der Krakauer Straße und denen des nur einen Steinwurf entfernt liegenden Hotels entwickelt.

Es heißt zwar, dass Konkurrenz das Geschäft belebt, aber bei ihren bisherigen Kämpfen um die verfügbaren Marktanteile waren laut älterer wie auch jüngerer Geschichtsschreibung selten jene Werte im Spiel, die da in den Leitbildern gepredigt werden.

Aber wer weiß, ob es überhaupt so kommt. Noch hängt im Schaukasten vor dem Katholischen Pfarramt keinerlei Information dazu und laut Gottesdienstplan finden die Heiligen Messen zumindest im September noch wie geplant statt.

Also, dann mal wieder Deckel drauf und raus aus der Gerüchteküche!

 

Heiter-kritische SpätLese in historischem Gemäuer

Über viele Jahrhunderte war der Pfarrer oftmals der einzige Mensch im Ort, der lesen konnte. Heute können das mehr oder weniger alle. Trotzdem oder gerade deshalb ist es nicht alltäglich, wenn ein Pfarrer mal für andere Menschen was vorliest. Und wenn es dann noch heiter-kritische Lektüre ist, spitzen sogar Satiriker ihre Ohren.

Der SpätLeseAbend hat schon sowas wie eine kleine Tradition. Nicht gerade ein Hype und nicht sonderlich bekannt, dafür aber klein und vor allem fein.

Wer einmal dabei war, kommt im nächsten Jahr gern wieder. Sagen wir mal, es ist ein kulturelles Kleinod, das die Markranstädter Kirchgemeinde da auf die Beine gestellt hat.

In entspannter Atmosphäre wird an dunkler werdenden Herbstabenden nicht nur aus der Lieblingsliteratur vorgelesen, sondern auch für musikalische Umrahmung gesorgt. Bei Knabbereien und Wein (nicht nur Spätlese) oder anderen Getränken entwickeln sich dann auch angenehme Unterhaltungen.

Bücher und Herbst – das ist eine ganz besondere Beziehung. Sogar Lehrer nutzen sie gern, um ihren Schülern die großen Klassiker mit einem fiesen Trick näherzubringen. Er nennt sich Herbarium.

Die ABC-Schützen müssen dann Laub sammeln und es in Büchern pressen. Wer da nicht gerade zum Wahlprogramm der GRÜNEN greift, hat hier schon den ersten Schritt in die große Welt der Literatur vollzogen.

Andere Menschen, zunehmend Jugendliche, haben dagegen Probleme, sich mit der Funktionsweise eines Buches auseinanderzusetzen.

Literatur 2.0

Sie scheitern oft schon an der Installation des Betriebssystems und spätestens nachdem die Suche nach dem Batteriefach erfolglos blieb, wird das Werk bei Ebay als „defekt“ wieder verhökert.

Ein Herbstabend in den historischen Mauern der Kulkwitzer Kirche. Das ideale Ambiente für eine unterhaltsame SpätLese der besonderen Art..

So ist der SpätLeseAbend dann doch eher was für die, die mit Literatur oder wenigstens mit Büchern allgemein was anfangen können. Also für all jene Menschen, für die an dunklen, kalten Herbstabenden auf dem gemütlichen Sofa bei einer Tasse Tee oder einem Glas Wein traditionell die Lese-Saison beginnt.

Und es wäre nicht das erste Mal, dass der SpätLeseAbend auch den Tipp für den kommenden Schmöker enthält.

 

In diesem Jahr findet die Veranstaltung in der Kulkwitzer Kirche statt. Am Freitag ab 20 Uhr liest diesmal Pfarrer Michael Zemmrich aus seiner Lieblingsliteratur. Heiter-Kritisches hat er hierzu versprochen.

Was er da genau ausgesucht hat, soll eine Überraschung sein. Aber wer Pfarrer Zemmrich und sein bisweilen verschmitztes Lächeln kennt, mit dem er so manche Alltagssituation quittiert, der weiß, dass da Humor und Unterhaltung Hand in Hand gehen werden und man auf guten Wortwitz mit Stil und Esprit gefasst sein darf.

Worte und Noten

Stimmungsmäßige Auflockerung braucht es da zwar ganz bestimmt nicht, aber es ist auch eine schöne Tradition, dass zwischendurch musiziert wird. Erst dadurch wird der Abend zu einem wirklichen kulturellen Erlebnis. Dafür sorgen diesmal Christina und Stephan Hoffmann. Der Eintritt ist übrigens frei, aufgrund der unterschiedlichen Genussmengen wird für die Getränke ein Obolus erhoben.

 

Denk mal ans Denkmal: Kulkwitz setzt Zeichen

Es hat fast den Anschein, als hätten die Entwicklungen in jüngster Zeit dazu beigetragen, dass sich mehr und mehr Ureinwohner auf die geschichtlichen Wurzeln unserer Nation besinnen. Trotz der aufgesetzten Europäisierung. Die Folge: Längst vergammelte Zeugnisse noch längst vergangenerer Epochen werden plötzlich mühsam ausgegraben und wieder aufgehübscht. Sogar bei uns. Erst im Ortsteil Markranstädt und jetzt auch in der Kernstadt Kulkwitz.

Fast zeitgleich mit dem Gedanken zur Wiederaufforstung des Bismarck-Denkmals im Stadtpark, haben visionäre Geister auch in Kulkwitz eine mutige Idee entbunden. Das Kriegerdenkmal auf dem Friedhof, das hoch droben auf den Klippen über dem Gebeine-See thront, soll restauriert werden.

Und in der Tat wird das höchste Zeit! In den 95 Jahren seiner Existenz ist das 1922 eingeweihte Denkmal den witterungsbedingten Rotteprozessen so stark anheim gefallen, dass es inzwischen eher an die Kapitulation in Versailles erinnert als an die gefallenen Soldaten des vorausgegangenen Weltkrieges.

Das Denkmal wurde 1922 eingeweiht. Damals wurden sogar noch Kränze niedergelegt.

Wer da genau gewürdigt wird, ist kaum noch zu erkennen. Lediglich die Ortsnamen Kulkwitz, Gärnitz und Seebenisch sind noch schemenhaft auszumachen. Die Fugen sind ausgewaschen, die Außenteile neigen sich in alle Himmelsrichtungen und durch die Haube des Ehrenmals samt Lorbeerkranz zieht sich ein tiefer Riss.

Ganz unfreiwillig ist der Erinnerungsort für die Gefallenen zwischen 1914 und 1918 im Laufe von über neun Jahrzehnten damit auch optisch zu dem geworden, was er eigentlich darstellt: Ein wahrer Ort der Trauer. Den Betrachter erinnert das sieche Bauwerk an einen überforderten Popcorn-Kessel, der sich kurz vorm Bersten befindet. Eine Hommage an die Apokalypse der Schlacht vor Verdun.

Apocalypse now

Die Soldaten, deren Andenken dieses Denkmal gewidmet ist, hatten aber auch wirklich Pech. In vielerlei Hinsicht. Schon dass sie gefallen sind, ist traurig genug. Und dann noch einen Krieg zu früh und als ob das nicht reicht, auch noch als falsche Ethnie.

Man stelle sich vor, es würde sich nicht um kaiserliche Rekruten aus dem 1. Weltkrieg handeln, sondern um Verfolgte des Naziregimes oder sowjetische Befreier (die uns, um das mal historisch klarzustellen, erst befreit hatten, als uns die Amerikaner befreit hatten). Kaum vorstellbar, dass sich das Denkmal dann heute in einem solch jämmerlichen Zustand zeigen würde.

Im Gegensatz zu den Opfern des 1. Weltkrieges werden die Gräber der Gefallenen des Zweiten Weltkrieges regelmäßig und wie von Geisterhand gepflegt.

Ein sowjetisches Ehrenmal im hinteren Teil des Friedhofes und zwei sogar nach 72 Jahren geradezu liebevoll gepflegte Gräber gefallener Wehrmachtsoldaten am Eingang (Foto) erhärten die Grundfesten dieser Theorie nachhaltig. Sogar die Hecke, die diese Ruhestätte umgibt, wird regelmäßig zurecht geschnippelt.

Ganz anders das Monument für die Gefallenen aus dem 1. Weltkrieg. Eine von Moos bewachsene Ruine, in deren leeren Fugen das Laub der umstehenden Bäume seine letzte Ruhestätte fand.

Jeder Versuch, sie auch nur zu reinigen, könnte in einem Desaster enden. In der Tat hat man den Eindruck, dass einzelne Stelen und Tafeln nur noch durch das dichte Netz von Spinnweben am Einsturz gehindert werden.

Der Kitt, der das Bauwerk noch zusammen hält, besteht aus Spinnweben und Laub.

Klare Sache: Das Kulkwitzer Kriegerdenkmal ist ein Sozialfall mit Pflegestufe 3. Das ist schon länger bekannt. Genauso lange weiß man aber auch, dass es für Immobilien keine Pfegeversicherung gibt.

Und … mal ehrlich … das Teil ist schon 95 und steht nicht ohne Grund bereits auf dem Friedhof. In dem Alter schiebt man einen Greis nicht mehr zum Friseur. Man streichelt im mitleidig übers Haupt und gut.

Ein überforderter Popkorn-Kessel, der zu platzen droht.

So einfach wollen es sich einige Ortschaftsräte und Bürger aus dem kleinen Fischerdorf hinter der Kippe aber nicht machen. Allen voran Carmen Osang. Sie hat einen Draht zur Kulkwitzer Geschichte.

Schon beim Umgang mit dem Ein-Mann-Bunker hat sie Fingerspitzengefühl bewiesen und überhaupt hat sich die nach dem Rückzug von Dieter Trotz einst noch als Notnagel gehandelte Ortsvorsteherin inzwischen jede Menge Respekt erworben, der bis hinein ins Rathaus reicht.

Die Macher

Gemeinsam mit anderen Ortschaftsräten und interessierten Bürgern hat sie sich nun die Rettung des Denkmals auf die Fahne geschrieben. Schon ist aus der tollkühnen Idee ein handfestes Konzept geworden.

Flyer sind gedruckt, Aushänge gefertigt, Sponsorenbriefe geschrieben und eine Kalkulation erarbeitet worden. Insgesamt soll allein die Restaurierung des Denkmals rund 10.000 Euro kosten. Hinzu kommen noch Demontage und Wiederaufbau.

Was viel klingt, ist unterm Strich nicht mal das Monatsgehalt inklusive Aufwandsentschädigung einer Kanzlerin. Und so mancher Banker würde angesichts dieses Betrages als Bonus sogar den Aufwand vermeiden, wenigstens mal seine Nase zu rümpfen. Aber für ein kleines Dorf ist das eine Menge Geld..

Diese Summe zu besorgen, ist jetzt die nächste große Aufgabe für die Kulkwitzer Denkmal-Retter. Dazu gibt es demnächst einen öffentlichen Spendenaufruf in der Presse, im Amtsblatt und anderen Medien. Sogar im Amtsblatt der Stadt Leipzig soll um Unterstützung geworben werden.

Ärmel sind hochgekrempelt

In Kulkwitz hat man derweil die Ärmel hochgekrempelt und plant schon die nächsten Schritte. Das Ziel ist ebenso ambitioniert wie maßvoll: Pünktlich zum 100. Geburtstag des Denkmals anno 2022 soll dieses wieder in einstigem Glanz erstrahlen und ein würdiger Ort des Gedenkens an die Gefallenen der Ortschaft sein.

Symbolträchtige Verfallserscheinung. So wie oftmals behauptet durch die Gesellschaft, zieht sich ein imposanter Riss auch durch die Haube des Kulkwitzer Denkmals. Samt Lorbeerkranz.

Bis dahin heißt es, so viele Unterstützer wie nur möglich hinter sich zu bringen. Nicht nur an Unternehmen, sondern auch an Bürgerinnen und Bürger ist daher die Bitte gerichtet, sich für dieses Vorhaben zu engagieren und es mit einer Spende zu unterstützen.

Sehen wir es mal so, sehr geehrte Leserinnen und Leser: Wir können freilich weiterhin brav unsere Steuern zahlen und zugucken, wie das Geld in irgendwelchen Flughäfen oder unterirdischen Bahnhöfen verschwindet.

Oder wir spenden einen kleinen Teil dieser Mittel und können den nicht nur absetzen, sondern auch sehen, was damit geschieht.

Noch maximal zwei Winter und das Obergesims liegt als Fundament-Verstärkung am Boden. Jetzt naht zum Glück die Rettung.

Man kann es Patriotismus nennen, Heimatliebe oder Brauchtumspflege, Geschichtsinteresse oder ehrendes Gedenken an Menschen, die sinnlos geopfert wurden: Wert ist es das in jedem Fall. Mehr noch: Es ist ein wichtiges Zeichen in einer Zeit, da schier endlos über den angeblichen Verfall unserer Werte und Kultur diskutiert wird.

Helfen Sie mit!

Hier sind Leute, die nicht kaputtreden, sondern erhalten und aufbauen wollen. Unterstützen wir sie! Denn wie heißt es gleich auf der einzig noch lesbaren Tafel am Kulkwitzer Denkmal: Nichts ist zu kostbar für das Vaterland.

SPENDENKONTO
Sparkasse Leipzig
IBAN: DE 37 86 05 55 92 11 68 50 25 74
BIC: WELADE8LXXX
Verwendungszweck: „Denkmal Friedhof Kulkwitz