Die stille Annexion der Kulki-Halbinsel

Der Kulkwitzer See ist nicht nur für Naherholungssuchende ein beliebtes Domizil. Auch für Fotografen oder Naturbeobachter bieten sich hier interessante Motive. Die konzentrieren sich freilich eher auf die Topografie des menschlichen Körpers. Leipzig will dieser Tristesse nun ein Ende machen und den Hobby-Knipsern wie auch den Voyeuren endlich auch architektonische Ziele bieten. Zäune zum Beispiel, oder Stacheldraht. Vielleicht auch Villen…

Was haben Leipzig und Russland gemeinsam? Genau: Unter anderem eine Halbinsel. Während Wladimir Putin allerdings die Krim mit militärischer Brachialgewalt annektierte, nutzt Junker Burkhard bei der Besetzung der Kulki-Halbinsel den demokratischen Schein seiner Duma und geht so internationalen Verwicklungen aus dem Weg.

Was die Abgeordneten im Leipziger Kreml da in ihren Schubladen gefunden haben, ist nicht mehr und nicht weniger als ein geostrategischer Geniestreich. Dazu muss allerdings der Bebauungsplan geändert werden und genau damit beschäftigten sich die Ratsherrinnen und -herren auf ihrer jüngsten Sitzung.

Ein ganz normaler Vorgang und für den Normalbürger aufgrund seines Umfangs sowieso kaum nachvollziehbar. Dass aber in den Tagen danach in den Medien kaum darüber berichtet wurde, macht stutzig.

Besetzung via B-Plan Nr. 232

Kein Wunder, enthält der B-Plan neben einigen durchaus interessanten Ansätzen doch ein paar heiße Lösungen, an denen man sich die Finger verbrennen könnte. Vor allem die Privatisierung einiger Strandbereiche am Ostufer brennt wie Pfeffer in einer offenen Wunde.

Bevor wir zu den Auswirkungen kommen, klicken Sie bitte mal auf folgendes Bild und schauen sich den kurzen Beitrag (nur wenige Minuten) des MDR an. Der bringt Sie sozusagen auf den aktuellen Stand. Wohlgemerkt: Das ist bitterer Ernst und keine Satire! Und keine Angst: Die Einleitung mit den Boxspringbetten dauert nur ein paar Sekunden, danach gehts zur Sache!

Okay so weit. Zurück zur Satire. In den Augen seiner politischen Kritiker hat Junker Burkhard erneut mit seinen Ländereien gespielt. Macht er ja gerne mal.

Erst jüngst hat er sich wieder als kommunaler Immobilienmakler betätigt und sein Interesse am kostenlosen Aufkauf von Markranstädt und Markkleeberg angemeldet. Zu früh, wie internationale Beobachter behaupten. Noch sind seine Filetstücke nicht sturmreif geschossen.

Eigennutz vor Gemeinnutz?

Aber im Falle des Bebauungsplanes Nr. 232 geht es ausnahmsweise mal nicht um die feindliche Übernahme von Latifundien, sondern um deren Übergabe in Privatbesitz. Damit können auch gleich Zustände geheilt werden, die im Moment noch den Tatbestand der Illegalität erfüllen sollen.

Da ist zum Beispiel der mutmaßlich illegal errichtete Zaun rund um den Campingplatz. Mit dem Leipziger Stadtratsbeschluss könnten hier neben der bereits bestehenden Einhausung mit Stacheldraht demnächst durchaus auch Wachtürme und andere Verteidigungsanlagen entstehen.

Ein touristisches Alleinstellungsmerkmal. Schon sieht man ganze Busse mit Japanern anreisen, die den antiintegrativen Schutzwall fotografieren wollen.

Diese Sichtweise ist allerdings wieder mal typisch deutsch. Immer alles negativ sehen! Dabei liegen die Vorteile klar auf der Hand. Endlich zieht mal wieder Ordnung am Kulki ein, um die sich die Öffentliche Hand bislang und auch künftig nicht kümmern kann.

Zwischenfälle mit Zugereisten, Heerscharen von Hobbyfotografen auf der Fankurve über dem FKK-Bereich oder Grillabende, die zum Massenbarbecue avancierten, sind unter den gegebenen Bedingungen für die Öffentliche Hand nicht mehr zu bewältigen. Zumindest nicht ohne Gefahr zu laufen, am nächsten Tag in den Medien als rechtsradikal gebrandmarkt zu werden.

Die Gefahr der Minigolfschläger

Die Camper dagegen haben gezeigt, welche Möglichkeiten es gibt. Einfach Zaun drum und fertig! Nicht mal die sonst so streitbaren GRÜNEN haben sich bislang darüber mockiert.

Um die Rechte der Eingeborenen kümmern die sich ja ohnehin wenig, aber dass sie sich nicht mal um die Grundrechte der Flüchtlinge kümmern, denen damit der Zutritt zum laut Stadtratsbeschluss öffentlichen Strand verwehrt wird, das stimmt nachdenklich.

Die Slums wurden bereits geräumt um Platz zu schaffen für zahlungskräftige Gäste und Investoren.

Klar: Wo man den Strand nicht mehr betreten kann, da kann auch kein Hund mehr hinscheißen, gibt es keine lärmenden Kinder und auch keine tief fliegenden Frisby-Scheiben.

Vor allem Minigolfer stellen, wie im MDR-Beitrag zur Sprache kommt, eine oft unterschätzte Gefahr dar. Die Golfschläger könnte man letztendlich auch als Knüppel verwenden. Und genau damit will die Stadt Leipzig nichts mehr zu tun haben.

Stacheldraht gegen Kinderlärm

Wenn man den Strand privatisiert, ist es Sache der Eigentümer, dort für Ordnung zu sorgen. Und das werden die sicher auch tun. Mit Zäunen, Security und Überwachungskameras. Also all dem, was öffentliche Hand nicht darf. Und schon ist es vorbei mit Grillpartys und Fotosafaris. So einfach ist das.

Wenn es darum geht, dass Privilegierte ihre Ländereien schützen, kommt nicht einmal das Argument der Intoleranz oder gar Ausgrenzung zum Tragen.

Während es früher hieß „Ausländer raus“ steht da jetzt ein gesellschaftskonformes „Privatgelände! Betreten verboten!“ Gilt für alle und ist daher sowohl faschistisch als auch rassistisch unbedenklich. Genauso wie in den Wohngegenden, in denen die Spitzenpolitiker fernab jeglicher Realität hausen.

Zumindest hat die Messestadt jetzt mal die Hosen runtergelassen und zugegeben, worum es wirklich geht. Von wegen öffentliche Strände und so. Ein Blick auf die dem neuen B-Plan zugrunde liegende Planzeichnung zeigt das deutlich.

Schauen Sie ruhig mal genau hin. Das „P“, das Sie da an einigen Strandbereichen entdecken, bedeutet nicht etwa, dass da Parkplätze mit direktem Zugang zum Wasser entstehen. Nein, das „P“ steht für „Privat“!

Rote Pfeile zeigen auf die geplanten Privatstrände, die blauen Pfeile auf Privatgelände.

Dort können Sie sich künftig die Nase am Stacheldraht platt drücken und zuschauen, wie sich die Ladys der High-Society in Designer-Bikinis vorm Gang ins Wasser den Lidstrich nachziehen. Nur nicht zu lange, weil sonst die Überwachungskameras Alarm auslösen. Von wegen Rumtreiber und so.

Im Umkehrschluss kann man auch erkennen, welche Strandbereiche für den Plebs dann noch übrig bleiben. Nur dass es dann dort eben noch enger zugehen wird. Hat allerdings einen Vorteil: So hat man das grillende und fotografierende Volk samt ihren Bälgern und Hunden viel besser unter Kontrolle. Und auch die ganz Armen, die sich nicht mal Badesachen leisten können. Die Konzentration des Elends.

Zweckmäßiger Verband

Nicht zuletzt wissen wir nun endlich auch, welchen Zweck der Zweckverband verfolgt. Man hat sich ja auf der Suche nach öffentlich einsehbarer Verbandssatzung schon oft gefragt, wozu es diesen Verein überhaupt gibt. Jetzt nimmt der Nebel in Form einer Versammlung öffentlich-rechtlicher Abnicker Gestalt an.

Erst jüngst hat sich ein Markranstädter Stadtrat verwundert gefragt, warum es seit 2015 keine Zusammenkunft des Zweckverbandes mehr gegeben habe. Gerade in der Phase, da Markranstädt aussteigen will und der Verband mithin aufgelöst werden soll, ist ein solch offensives Nichtstun mehr als frag-, ja sogar unglaubwürdig.

Da sollen wohl im Hinterstübchen Tatsachen geschaffen werden, die dann die Markranstädter Seite wieder nur artig abnicken kann? Auch für den Bereich des Westufers wird dieses Treiben im Osten nämlich nicht ohne Konsequenzen bleiben.

Marschlandgewinnung

Schon im letzten Sommer war spürbar, dass die nach Freiheit lechzenden Seelen das Ufer wechselten, nachdem auf der Leipziger Seite aufgrund diverser Vorfälle die Polizeipräsenz erhöht wurde. Und das, obwohl auch auf der Markranstädter Seite die Zugänge zum Wasser langsam knapp werden. Auch hier soll nämlich längst nicht jeder Zaun da stehen, wo er stehen dürfte.

Mangels Ebbe und Flut und damit verbundener Möglichkeiten der Marschlandgewinnung hat man es hier und da nicht wohl so genau genommen mit den Grundstücksgrenzen und die Einfriedungen deshalb großzügig nach außen verpflanzt. Es gibt viel zu tun – auf beiden Seiten des Kulki.

 

Die Darmspiegel-Saga (4): Ein Finale Furioso!

Was bisher geschah: Für eine Reportage über Gesundheitsvorsorge haben wir einen verdeckten Patienten in eine Praxis eingeschleust. Leider sind die Dinge dort außer Kontrolle geraten und so muss unser Mann, um die Vorgänge für die Nachwelt zu dokumentieren, schließlich im wahrsten Sinne des Wortes seinen Arsch hinhalten. Nun liegt er auf einem Pflaumenbaum, hat die Beine wie eine NASA-Richtantenne ausgefahren und träumt narkotisiert vor sich hin, während der Arzt den Anus unseres Mannes ans lokale Netzwerk anschließt.

Ich bin auf Hawaii. Sonne, Palmen, heiße Girls. Ich sitze an der Strandbar und sehe eine Frau, die mit einer Fußpumpe ihre Luftmatratze aufbläst. Sie stößt gellende Schmerzensschreie aus. Also nicht die Frau, sondern die Matratze. Beim näheren Hinschauen entpuppt sich das Teil als ihr Mann.

Er liegt auf dem Bauch und der Schlauch der Pumpe verschwindet irgendwo zwischen seinen Oberschenkeln. Aus den Lautsprechern am Strand ertönt „99 Luftballons“ von Nena. Die Dame tritt im Takt der Musik auf den Blasebalg unter ihren Füßen und bläht ihren Mann rhythmisch auf. Statt eines Bikinis trägt sie einen weißen Kittel. Der Kerl ist mir ja egal, aber die völlig overdresste Alte muss ich mir nicht antun.

Ich wende mich ab, blicke hinaus auf die Wogen des Meeres, die untergehende Sonne und trinke meinen Caipirinha. Er ist fast alle. Genüsslich schlürfe ich mit dem Trinkhalm das Glas leer. Dieses Geräusch … kennen Sie das auch? Schlüüürp, schlüüürp, sssssch-schlüüürp.

Einmal Hawaii und zurück

Es wird hell um mich. Ich schlage mein Augenwerk auf. Statt Palmen sehe ich zwei Oberschenkel mit Knien, die sich nach einigen Sekunden als mir gehörend erweisen. Das Schlüüürp-Geräusch ist aber immer noch da. Lauter als vorher.

Ich hebe den Kopf und blicke durch das Spalier meiner Beine. Da tauchen von unten – also von da, wo auf Hawaii gerade die Sonne untergegangen ist – nacheinander erst der Scheitel und dann der Bart von Fräulein Hitler auf. „Na, wieder da? Es ist schon alles vorbei. Bleiben sie bitte noch einen Moment liegen, ich sauge nur noch etwas Luft ab, damit es nachher nicht so unangenehm wird.“ Sagts und geht wieder unter.

Phantomsignale von hinten

Während das Schlüüürp erneut lauter wird, melden die Nerven meines Schließmuskels, dass da unten Hochbetrieb herrscht. Rein, raus, rein, raus, schlüüürp, schlüüürp. Obwohl mein irritiertes Hirn weiß, dass Magen und Darm seit über 24 Stunden völlig leer sind, melden die Nerven plötzlich im Sekundentakt, dass ich im Dauerfeuer kacke. Ein ekelhaftes Gefühl der Unsicherheit, vor allem, wenn da unten noch jemand direkt vor der Düse sitzt.

Endlich ist sie fertig. Der Schlauch kommt wieder zurück in den Sud-Eimer. Ich frage mich, woher das Wasser stammt, in dem er untergeht. Lange kann ich zum Glück nicht darüber nachdenken, denn kurz darauf werde ich von der Schwester gezwungen, langsam aufzustehen.

Das funktioniert so halbwegs. Weil ich aber noch ziemlich benommen bin, stützt sie mich auf dem Weg zu meinen Klamotten. Ich komme mir vor wie Jack Nicholson, als er in „Einer flog über das Kuckucksnest“ von der Elektroschock-Behandlung zurückgebracht wurde.

Auf dem Weg zu meinen Beinkleidern lässt die Betäubung weiter nach und so langsam spüre ich den Druck in mir. Ich bin ein Fesselballon. Panisch schaue ich nach unten und suche meinen Bauch nach Schwangerschaftsstreifen ab. Wenn ich da auch nur einen entdecke, wird die Anstalt hier nach Strich und Faden verklagt, nehme ich mir fest vor. In diesem Moment muss ich niesen.

Kernschmelze im Enddarm

Haben Sie schon mal geniest, während die Druckverhältnisse in Ihrem Enddarm mit der Kernschmelze im Reaktor von Tschernobyl vergleichbar sind? Gut, dann wissen Sie bestimmt nicht nur, was da alles gleichzeitig passiert, sondern auch, wie weh das tut. Nicht in der Nase, nein!

Ich nehme mich gewöhnlich nicht zurück, wenn ich niesen muss. Ich bin ein Laut-Nieser. Aber diesmal habe ich von meinem Niesen nichts gehört, obwohl es sehr laut gewesen sein muss. Während ein gewaltiges, multi-oktaves Echo den Raum erfüllt, breiten sich hochfrequente Schockwellen vom analen Epizentrum über meinen ganzen Körper aus.

Vibration und Ton auf „on“

Als meine schmerzbetäubten Sinne zurückkehren und ich wieder hören kann, nehme ich gerade noch das Verklingen eines eindrucksvollen Bass-Akkords in Moll wahr. Aber nur am Rande, denn sämtliche Nerven meines geschundenen Leibes sind einzig darauf gerichtet, die furchtbaren Schmerzen meines gelähmten Schießmuskels zu verarbeiten.

„Ja, das wird noch eine Weile so weitergehen“ , meint Schwester Hitler. Kaum bücke ich mich, um die Unterhose hochzuziehen, folgt schon die nächste pneumatische Auslassung. Erschrocken richte ich mich auf, was eine dritte Flatulenz zur Folge hat.

Ich bin ein Bewegungsmelder

Ich stelle fest, dass jede noch so geringe Veränderung meiner Körperhaltung sofort mit einem unmissverständlichen Signalton quittiert wird. Sogar wenn ich nur mit den Zehen wackle. Ich funktioniere wie die Tastatur eines Smartphones, nur lauter. Beim Zubinden der Schuhe habe ich wahrscheinlich sogar ein paar eingeschlummerte Patienten draußen im Wartezimmer geweckt. Und das soll erst der Anfang sein.

Ich will es mal so sagen: Wenn dir die Schwester nach so einer Koloskopie eine Trillerpfeife in den Hintern steckt, kannst du anschließend den ganzen Tag lang auf dem Hauptbahnhof sämtliche Züge auf einmal abfahren lassen. Zurücktreten und Türen schließen!

Weil man nach so einer Narkose nicht mehr Auto fahren darf, lasse ich mich von meiner Frau abholen. Gern würde ich jetzt sagen, dass ich auf dem Beifahrersitz sitze. Aber sitzen geht nicht, wenn man eine Gasflasche im Darm hat.

Schweben auf dem Beifahrersitz

Man kann ja auch eine Presswurst nicht knicken. Ich lehne drin wie ein Besenstiel. Kontakt zum Auto habe ich lediglich mit den Füßen und an der Kopfstütze, der Rest schwebt dazwischen in der Luft und fängt die Unebenheiten der Straße ab.

Wissen Sie, wie viele Schlaglöcher sich zwischen Leipzig und Markranstädt befinden? Meine Frau hat sie nicht nur alle mitgenommen (wie immer), sondern auch mitzählen können. Sie wurden einzeln, wirklich Stück für Stück, mit erschütternden Registriertönen aus den dunkelsten Tiefen meines Körpers quittiert. Alle 167.

Beifall in der Karlstraße

Weil die Fahrt bei geschlossenen Fenstern nicht mehr fortsetzbar war, ließ meine Frau irgendwann die Scheiben runter. So haben uns dann auf dem Sturzacker in der Karlstraße sogar völlig fremde Menschen gegrüßt, weil sie dachten, dass Katrin pausenlos hupt. Was hab ich mich geschämt. Als ob heute noch jemand mit einer altmodischen Dreiklang-Fanfare rumfahren würde.

Ja, schlussendlich ging das noch den ganzen Rest des Tages so. Katrin musste zum Telefonieren sogar ins Kinderzimmer gehen. Aber am nächsten Tag wurde es schon besser und nur eine Woche später eröffnet mir der Arzt, dass mein Darm jungfräulich in Ordnung sei und zeigt mir die Aufnahmen.

Einfach ein schönes Gefühl

Das Video erinnert mich irgendwie an die „Reise zum Mittelpunkt der Erde“. Es ist aber eher eine Reise ins Ich. Leider hat es der Arzt nicht rausgerückt, obwohl ich schließlich der Hauptdarsteller bin und auch rein juristisch das Recht am eigenen Bild habe.

Andererseits: Was soll ich mit dem Video auch anfangen? Einen Filmabend im Freundeskreis? „Guck mal, das bin ich … und das da auch.“ Heute hatte ich übrigens zum ersten Mal wieder festen Stuhlgang. Es wird wieder. Obwohl ich gesund bin, befinde ich mich auf dem Weg der Genesung. Ein wirklich schönes Gefühl. Koloskopie … können Sie ruhig auch mal machen lassen.

 

Die Darmspiegelung (3): „Schwester, Luft!“

Was bisher geschah: Unser verdeckter Patient steht unmittelbar vor der ersten Koloskopie seines Lebens. Seit der Räumungsaktion des Bauches weiß er jetzt auch, warum das Spiegelung heißt: Das Innere seines Darms, so glaubt er zumindest, glänzt wie ein Spiegelkabinett auf der Kleinmesse. Hoffentlich verblitzt sich der Betreiber des Koloskops nicht die Augen?

Im nächsten Moment stehe ich im Behandlungsraum. Eigentlich ist es eher eine Art Werkstatt. Von Gemütlichkeit keine Spur.

Dafür jede Menge Computer, Monitore sowie Diagnosegeräte für TÜV und Abgas-Sonderuntersuchung. Sieht eher nach einem Labor von Darth Vader in Star Wars aus, wo androide Klon-Mutanten programmiert werden.

Die Schwester verhält sich passend zu diesem Szenario und deutet in Manier einer Domina auf zwei Schemel an der Wand. Auf den rechten Stuhl soll ich alles legen, was ich unterhalb des Nabels an Textilien trage. Die linke Sitzgelegenheit ist für mich, wenn ich mich danach wieder anziehen darf.

Noch während ich mich frage, ob ich die Socken auch ausziehen muss, drückt mir Fräulein Hitler zwei blaue Tüten in die Hand, die ich über die Füße ziehen soll. „Und dann springen sie mal da drauf!“, schließt sie ihre Befehlskette.

Die Folgen des Klimawandels

Da drauf? Das muss ein Irrtum sein! Nicht dass die Hebebühne für einen Oldtimer wie mich zu hoch wäre. Ich könnte da vielleicht sogar noch ohne Anlauf draufklettern. Aber die beiden Accessoires an den Flanken dieser Liege lassen mich kurz zweifeln, ob ich in der richtigen Praxis bin.

Das sind eindeutig die Astgabeln eines Pflaumenbaums und ein solches Gewächs gehört selbst im Zeitalter des Klimawandels nicht in diese Region!

Ich kenne solche Gebilde aus den Kurzfilmen, die immer dann ablaufen, wenn ich das Fenster fürs Internet-Banking schließen will und zufällig mal den falschen Button erwische. Obwohl ich diese Sauereien schon nach wenigen Minuten immer sofort wegdrücke, habe ich selbst da noch nie einen Mann drauf sitzen sehen.

Leider kann ich das offensichtliche Missverständnis nicht ausdiskutieren, weil Schwester Hitler inzwischen das Zimmer verlassen hat und ich alleine bin. Also schaue ich mich erst mal um, welche Alternativen für die Niederkunft eines Mannes dieser Raum noch so zu bieten hat.

Auf der Hebebühne

Bis auf eine Art Anrichte, von der man vorher noch diverses Verbandsmaterial, seltsam designte Besteck- und Geschirrteile sowie den Computer abräumen müsste, entdecke ich aber nichts.

Da öffnet sich die Tür und die Schwester kommt in Begleitung einer zweiten Weißgekittelten zurück. ‚Aha, Hitlers Helfer‘, fährt es mir durch den Kopf. Im nächsten Moment kriege ich an selbigen geknallt: „Na was ist? Rauf da. Hopp, hopp!“

Die Helferin rollt über der Liege eine geradezu gigantische Küchenrolle ab, als wollte sie das Teil verpacken wie Christo einst den Reichstag. Dann klopft sie mit der Hand auf die Sitzfläche und weist mir wortlos meinen Platz zu. Ich folge artig. „Beine hier drauf“, befiehlt sie in ihrem keinen Widerspruch duldenden Ton.

Ich bin wirklich bemüht, allen Anweisungen korrekt zu folgen, weil ich das Personal nicht verärgern will. Sie sollen keinen Grund haben, mir aus Gnatz mehr Schmerzen zuzufügen als nötig.

Trotzdem reicht denen mein Entgegenkommen nicht. Insgesamt 4 (in Worten: vier!) mal werde ich aufgefordert, noch ein Stück vor zu rutschen. Am Schluss reißt ihr der Geduldsfaden und sie zieht mich an meiner Hüfte über die Kante der Liege. Hang over!

Jetzt kann ich mir wenigstens mit den Knien die Ohren zuhalten. Mein Hintern ragt dabei aber so weit über die Hebebühne hinaus, dass er sich wie die Nase eines Kindes fast schon an der davor befindlichen Fensterscheibe platt drückt. Hoffentlich geht jetzt da draußen niemand vorbei, der meinen Arsch erkennt.

Seid ihr alle da?

Während eine der Schwestern an meinem Finger eine Elektrode befestigt, zieht sich Fräulein Hitler mit diabolischem Blick einen Handschuh über, taucht die Hand danach in Vaseline und geht daran, meine Anschlussmanschette für den Zugang der nachfolgenden Untersuchung geschmeidig zu machen. Nicht nur äußerlich.

Und wenn ich sage, nicht nur äußerlich, dann meine ich das auch so! Als ich tief in meinem Inneren das Gefühl habe, ihren Ellenbogen zu spüren, befallen mich Erinnerungen an das Kasperle-Theater aus meiner Kindheit.

Ich komme mir vor wie eine Handpuppe. Jetzt fehlt nur noch, dass sie mich mit ihrem Unterarm aufstehen lässt, ihre Hand an meinem Zäpfchen auf und zu macht und meine Stimme imitiert. „Tri-tra-trallala, gleich ist der Herr Doktor da.“

Kurvenreiches Gebiet

In diesem Moment kommt er wirklich! Aus dem Sud-Eimer holt er den Untersuchungsschlauch raus und erklärt mir, was er damit anzufangen gedenke. Ich kann vor lauter Angst kaum richtig zuhören und frage mich nur, ob das Ding noch von meiner Vorgängerin warm ist. Ob sie überhaupt noch lebt? Sie sah ja gar nicht gut aus, als sie draußen so teilnahmslos an die Theke gelehnt wurde.

Er werde die „Sonde“ also in mich einführen, erklärt der Doc. Da es sich bei einem Darm naturgemäß um kurvenreiches Gebiet handelt und das Gerät keine 90-Grad-Krümmungen bewältigen kann, würde er die entsprechenden Streckenabschnitte durch Zufuhr von Druckluft begradigen. Das könne etwas schmerzhaft werden und damit ich ihm nicht vom Stuhl springe, würde ich jetzt in einen leichten Dämmerschlaf versetzt.

Dafür bin ich ihm dankbar. Nichts wäre peinlicher, als vor den Augen entsetzter Mithäftlinge mit einem Schlauch im Hintern durchs Wartezimmer zu flüchten und im Patientenklo Asyl zu suchen.

Aber ich durchschaue diese Foltermethode. Böse Schwester – guter Arzt. Der will nur, dass ich Vertrauen zu ihm aufbaue. In der Fachsprache nennt sich das Stockholm-Syndrom. Ja ja … und dann soll ich unter Narkose alles gestehen.

Zum Beispiel, dass ich im Fragebogen vor der Untersuchung gelogen habe und ich nicht nur zehn, sondern zwanzig Zigaretten am Tag rauche.

Mit Zuckerbrot und Peitsche

Oder die Sache mit dem Wasserlassen. Mensch – ich bin nun mal über 50 und da muss nicht mehr alles so schnell wie früher gehen. In meinem Alter pullert man entschleunigt. Man macht doch da freiwillig kein Kreuz bei „ja“, wenn damit möglicherweise gleich noch ein zweiter Schlauch droht?

So nach dem Motto: „Oh, was lese ich denn hier? Na dann … wo sie doch schon mal da sind …“ Dann werden Darm und Blase gleichzeitig mit Luft befüllt und du schwebst im Behandlungszimmer wie ein Luftballon. Nö, muss ich nicht haben. Jedenfalls jetzt noch nicht.

Weiter kann ich aber nicht denken. Im nächsten Moment setzt mir Schwester Hitler die Giftspritze an die Vene. Zehn, neun, acht … wirkt! Ich sinke in Morpheus‘ Arme und höre gerade noch die Stimme des Arztes: „Schwester, Luft!“.

Im Traum liege ich mitten im Wartezimmer, die Schwester dreht den Kompressor auf und aus der Bettdecke erschwillt eine Puppe aus dem Orion-Shop. Das Publikum im Wartezimmer krümmt sich vor Heiterkeit.

Ich aber erstarre vor Schreck. Der Seemannsballon hat mein Gesicht! Und er wird größer und größer. Die Schwester grinst und denkt gar nicht dran, den Hahn zuzudrehen. Dann folgt ein gewaltiger Knall. Ich bin geplatzt!

Kacke am Dampfen

Der Knall entpuppt sich als äußerst schmerzhafte Pressewehe, die mir in der Realität wahrscheinlich per Turbolader in den Darm geblasen wurde. „Bleiben sie liegen!“, herrscht mich die Praxis-Führerin an. Offenbar hat der Doc gerade eine Haarnadelkurve strecken müssen.

Die weiße Matrone legt nach: „Hinlegen, es ist gleich vorbei!“ Wie immer sie das gemeint hat, ich zweifle dran. Wenn der Schmerz so groß ist, dass nicht mal ihr Zyklon B in meinen Adern hilft, dann ist sprichwörtlich die Kacke am Dampfen.

Ich flehe benommen um Erhöhung der Dosis, weil mein Bauch von der Natur nicht dafür geschaffen wurde, binnen einer Minute Vierlinge aufzunehmen und sie im nächsten Moment gleich wieder zu entbinden. Die Schwester schraubt am Computer rum und kurz darauf falle ich wieder in den Schlaf. Ein neuer Traum beginnt.

Was ich da träume und was sonst noch so passiert, erfahren Sie im vierten und letzten Teil.

 

Die Darmspiegelung (2) oder: Einer für alle!

Was bisher geschah: Im Rahmen ihrer Aufgabe als Gründer von „medi-leaks“ haben die Markranstädter Nachtschichten einen verdeckten Patienten ins Vorsorgesystem unserer Republik eingeschleust. Die avisierte Darmspiegelung erwies sich aber schon bald als eine über mehrere Tage angelegte Reise ins ich. Die einleitende Wasserfolter war dabei nur ein lächerliches Vorspiel. Lesen Sie heute im zweiten Teil, was passiert, wenn der Patient auf dem Schlauch steht.

Noch bis kurz vor meinem Aufbruch in die Praxis ist mein Darm damit beschäftigt, die letzten Restposten des am Vortag begonnenen Räumungsverkaufs zu verschleudern. Alles muss raus!

Zum Glück muss ich die arg malträtierte Manschette am Auslass nicht mehr mit Abwischen quälen. Es reicht inzwischen, wenn ich die Gegend mit einem Zellstoffbausch aus Katrins Kosmetikfach sanft abtupfe. Trotzdem fühlt es sich an, als würde man mit dem Finger in einer offenen Wunde bohren.

Überhaupt bekommen geflügelte Worte eine ganz neue Bedeutung, wenn man 24 Stunden nonstop auf dem Zylinder sitzt und Zeit hat zum Nachdenken. Sie können mir glauben: Wenn Sie unter der Geräuschkulisse einer Stalin-Orgel sämtliche Elemente aus Land, Luft und Wasser gleichzeitig in die Kanalisation schießen, denken Sie bei dem Begriff Shit-Storm nie mehr an soziale Netzwerke!

Shitstorm mit Liquiditätshilfe

Oder ein anderes Beispiel: Während man da einen Strahl nach dem anderen in die Tiefen der Keramik verabschiedet, kann man quasi körperlich empfinden, was die Banker und Wirtschaftsbosse immer mit Liquidität meinen.

Ja, ich bin jetzt liquid. Das spüre ich nicht nur, sondern kann es auch sehen. Übrigens: Falls Sie auch mal zu einer Darmspiegelung müssen, wundern Sie sich nicht, wenn Sie die Zeugnisse Ihrer finalen Verflüssigung nicht nur auf der Oberfläche des Steinguts finden. Physikalisch ist das schwer zu erklären, weil die Schwerkraft bekanntlich dafür sorgt, dass man stets nach unten kackt.

Trotzdem ist es durchaus als Zeichen erfolgreicher Innenreinigung zu verstehen, wenn sich Rückstände auch unterhalb der Klobrille befinden, wenngleich das theoretisch nicht möglich erscheint. Es sind Dinge, die kann man eben nicht erklären und sollte sie einfach als Wunder hinnehmen.

Das Wunder unter der Klobrille

Ich staune am Schluss jedenfalls nicht einmal mehr darüber, in wieviele Richtungen mein Schließmuskel gleichzeitig zielen kann. Das liquide Flächenbombardement zeigt ein Trefferbild, als hätte ich mit dem Mund voller Kakao mitten in eine Musterausstellung von Villeroy & Boch geniest. Und das alles zum Wohle meiner Gesundheit. Ich glaube noch immer fest daran.

Am Ende dieses eintägigen Räumungsprozesses muss ich jedenfalls nicht mal mehr spülen. Wenn das Wasser unten in der gleichen Farbe rauskommt, wie es oben aus dem Wasserhahn reinläuft, ist man innen nicht nur sauber, sondern porentief rein. Und siehe: Jetzt bist du reif für den Koloskopeur deines Vertrauens.

Butterbemme und Hungerödem

Aber zuvor folgt noch eine ganze, lange und von quälendem Hunger gezeichnete Nacht. Niemals hätte ich gedacht, dass ich im Zeitalter des Überflusses noch einmal von so simplen Sachen wie einer ordinären Butterbemme träumen würde. Was heißt, von einer? Ein ganzes Buffet kreist da in meinem Hirn umher und jedesmal, wenn ich schweißgebadet aufwache, schwöre ich, dass ich diesmal zu Silvester an Brot für die Welt spenden werde.

Das Gardena-Set vom Koloskop-Doktor.

Am nächsten Morgen stehe ich pünktlich um 8 Uhr am Tresen in der Praxis und melde mich, völlig übermüdet und ein imaginäres Hungerödem vor mich her tragend, zum Casting meines Gedärms an. Ich würde aufgerufen werden, meint eine gut genährte Regieassistentin, und ich solle mich erst mal hinsetzen.

Setzen. Auf eine offene Wunde! Auf so brachiale Gedanken kann man nur kommen, wenn man gut gefrühstückt hat und wenigstens mal zwei Stunden in Folge nicht aufs Klo musste. Ich nenne das gefühllose Inster im Geiste „Schwester Hitler“ und lasse sie in Nürnberg aufhängen.

Im Wartezimmer beschleicht mich das Gefühl, dass die Praxis gerade Koloskopie-Wochen veranstaltet. Es geht zu wie bei einer Frühjahrsaktion von Autoteile Unger. Abgas-Sonderuntersuchung mit Familienrabatt: rein – rauf – runter – raus. Der Nächste bitte!

Los Wochos beim Arzt

Während ich so sitze und das Treiben im Wartezimmer verfolge, gehen meine Gedanken in die Werkstatt meines Nachbarn zurück. Gerhard hatte mir anhand seines Gardena-Sets zur Gartenbewässerung erklärt, was eine Koloskopie ist. Da ich definitiv keinen Halbzoll-Anschluss habe, äußerte ich leise Zweifel, die Gerhard nur halbherzig auszuräumen vermochte.

Gerade als der inzwischen neunte koloskopierte Patient benommen aus der Folterkammer geführt wird, durchzuckt mich ein Gedanke, der mich die Sorgen um die Kompatibilität meines Körpers mit den technischen Parametern diagnostischer Geräte schlagartig vergessen lässt.

Bei diesem Durchsatz an Opfern müsste die Praxis über solch immense Schlauchmengen verfügen, dass man damit sogar australische Buschbrände bekämpfen kann. Ich entdecke aber kein Lager von der Größe des Möbelhauses Höffner und somit … Beim Weiterdenken gefriert mir das Blut in den Adern. Einer für alle!“ schießt es mir durch den Kopf.

Entsetzt lasse ich meinen Blick im Wartezimmer kreisen. Mich quält die Frage, wer vor mir dran ist. Im Geiste ziehe ich all den Wartenden die Hosen runter und muss feststellen, dass die Reihenfolge völlig egal ist. Es gibt keinen sympathischen Schließmuskel, durch dessen Ausstrahlung man sich irgendwie damit arrangieren könnte, nach ihm dran zu sein.

Auch bei einer Koloskopie ist es also nicht anders als in der Chirurgie: Wer morgens als Erster da ist, bekommt das saubere Besteck. Da ich letzte Nacht vor Hunger sowieso kaum schlafen konnte, ärgere ich mich jetzt umso mehr, dass ich nicht schon gestern Abend vor der Praxis Stellung bezogen habe. Der frühe Vogel fängt bekanntlich den Wurm. Ich Idiot!

Wer war gleich der Letzte?

Statt dessen droht mir nun die Darmbesichtigung mit einem Schlauch, der heute wahrscheinlich schon in den Innereien von halb Leipzig ganze Kilometer unter Tage zurückgelegt hat. Unser Gesundheitswesen ist definitiv im Arsch, denke ich gerade noch, als mein Name aufgerufen wird.

Im gleichen Moment schleppen zwei Schwestern eine noch halb betäubte ältere Dame aus dem Behandlungszimmer. Bei ihrem Anblick überkommt mich das dringende Bedürfnis, die Nachfolgeregelung an der Rezeption kurzfristig neu zu verhandeln.

Aber noch während die Weißgekittelten versuchen, die benommene Seniorin im 15-Grad-Winkel sicher an den Tresen zu lehnen, weil sie für den Schirmständer offenbar zu dick ist, zerreißt eine markerschütternde Flatulenz die Stille im Wartezimmer.

Darm-TV: Ab in die Maske

„Das ist normal, Frau Meyer“, beschwichtigt eine der Schwestern und ergänzt: „Da wird auch heute den ganzen Tag noch was an Luft kommen. Der Doktor hat da ordentlich was reingepumpt, das muss jetzt auch wieder raus!“

Ich habe nur eine Sekunde, mich zwischen dem Ausgang und der Tür zum Behandlungszimmer zu entscheiden. Mein unentschlossenes Zögern währt leider einen Wimpernschlag zu lange. Im nächsten Moment spüre ich schon die Hände einer Schwester auf meinen Schultern, die mich mit konsequentem Nachdruck ins Analfilm-Studio schieben. Ich bin in der Maske. Jetzt gibt es kein Zurück mehr!

 

Neue Staffel startet mit Darmspiegelung

Nach dem Mega-Erfolg der Serie „Die weiße Religion“ haben sich die Macher der Markranstädter Nachtschichten nun an die Produktion der zweiten Staffel gewagt. Dazu wurde ein Schreiberling als Patient getarnt und zur Darmspiegelung geschickt. Sein Bericht ist eine schockierende Dokumentation über Lügen, Intrigen und Demütigungen – kurzum: eine anale Katastrophe. Aber lesen Sie selbst. Hier und heute das Making off und der erste Teil.

Die Lebenserwartung von Frauen liegt in Deutschland im Schnitt bei 83,4 Jahren. Männer dagegen beenden ihren Weg vom Uterus zur Urne bereits nach 78,4 Jahren und damit ein halbes Jahrzehnt früher. Angeblich liegt das daran, dass Frauen öfter zum Arzt gehen. Vorsorge und so.

Andererseits könnte man diese Statistik auch so deuten, dass Frauen ohne ihre Männer bestenfalls fünf Jahre überlebensfähig sind. Aber es kann auch was dran sein mit dem Untersuchungsquatsch.

Ich frage mich nur, warum all diese Vorsorgemaßnahmen immer nur was mit dem Bereich des Körpers zu tun haben, der gewöhnlich unter der Hose verborgen ist. Hat meine Nase keinen Anspruch auf Vorsorge? Oder meine linke Schulter?

Ab 50 potenziell krank

Eigentlich habe ich mich ja nur wegen der Grippeschutzimpfung zu meiner Hausärztin gewagt. Bei Durchsicht meiner Akte stellt sie aber fest, dass ich schon über 50 bin und damit das Recht auf eine Vorsorge hätte. Da ist mir neu. Also nicht dieses Recht, sondern dass Zahlen mit einer 5 davor schon als potenzielles Krankheitsbild gelten.

Mit einer Überweisung in der Hand stehe ich Minuten später wieder auf der Straße. „Koloskopie erbeten“ lese ich. Und die Unterschrift der Ärztin. Logisch. Sie hat drum gebeten, nicht ich, also muss sie das auch unterschreiben.

Ich weiß ja noch nicht mal, was Koloskopie ist. Vielleicht verkabelt Fahrrad fahren und sich einen abschwitzen, während die Schwestern um einen Monitor stehen und besorgt flüstern?

Schlauchschlucken von hinten

Vor meiner Frau kann ich meine Wissenslücken aus Machtgründen nicht offenbaren, also frage ich meinen Nachbarn. Gerhard steht gerade in seiner Werkstatt und mottet die Gartengeräte für die Überwinterung ein. Nach einem Blick auf den Überweisungsschein grinst er mich an und stellt demonstrativ die Rolle mit dem Gartenschlauch auf die Werkbank.

Als er mit seinem Vortrag fertig ist, starre ich wie versteinert auf das aus seiner Hand baumelnde Schlauchende, dessen Kupplung er als Sonde bezeichnet hat. „Gerhard …“, höre ich mich entsetzt sagen. „Ich … das … äh … dreiviertel Zoll. Da kann ich hinterher nie wieder kacken.“

Gerhard beruhigt mich mit der Überzeugung, dass es in einer gut aufgestellten Praxis sicher auch Halb- oder Viertelzoll-Schläuche gibt.

So viel zum Vorspiel. Und im Grunde genommen war meine erste Ahnung gar nicht so verkehrt. Koloskopie ist also sowas wie verkabelt Fahrrad fahren, nur eben liegend und ohne Sattel, dafür über Stock und Stein. Mit diesem Vorgefühl im Magen beginnt die Tortur.

Nee, eigentlich fängt sie schon vorher an – mit der Suche nach einem Arzt, der die Koloskopie in seinem Portfolio hat. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass es rund um Markranstädt und in Leipzig nur so wimmelt von Gynäkologen und es im Gegensatz dazu keine einzige Praxis für Andrologie gibt? Es ist gewollt, dass wir Männer sozialverträglich früh ableben! Kein Wunder also, dass ich im Internet auch keinen einzigen Koloskopeur gefunden habe.

Von wegen eine Sache von Minuten

Es hätte mir jedoch eine Warnung sein sollen, dass es ausgerechnet ein Chirurg ist, der im näheren Umfeld von Markranstädt Koloskopien macht. Aber man glaubt ja bis zuletzt an das Gute im Menschen und so stehe ich kurz darauf am Tresen dieser Praxis, um mir einen Termin zu holen.

Glauben Sie Ihrer Ärztin nicht, wenn die Ihnen sagt, dass eine Koloskopie nur eine Sache von Minuten ist. Das ist ebenso eine Lüge wie alle anderen Informationen, die nur dazu da sind, dass Sie sich im Bewusstsein des Wohls ihrer Gesundheit freiwillig foltern lassen.

Eine Sache von Minuten. Das ich nicht lache. Dieses Martyrium dauert drei Tage! Es beginnt an Tag eins mit einer Art Wasserfolter. Im Prinzip lautet die ärztliche Anweisung, dass man den Wasserhahn leersaufen soll.

Tag 1: Rollmops an Lindt-Pralinen

Dazu gibt’s ein Pulver, für dessen Anwendung man jede Kochsendung im Fernsehen fristlos absetzen würde. So eine Mischung aus Rollmops und Lindt-Pralinen, mit caramelisiertem Esrom-Käse püriert und über Seetang gedämpft.

Die Wirkung ist allerdings frappierend. Das Zeug befreit nicht nur den Darm, sondern gleich auch den Geist. Selbst wenn man davon überzeugt ist, längst leer zu sein, kommt immer noch was. Da kriegt man erst mal mit, was man den ganzen Tag so alles an sinnlosem Ballast mit sich rumschleppt.

Und während ich so auf der Schüssel sitze, aus der mich alle zehn Sekunden ein Echo wie aus dem Leipziger Hauptbahnhof anbrüllt, komme ich den Verschwörungstheorien dieser Welt auf die Spur. Angeblich sollen Häftlinge in Guantanamo jahrelang inhaftiert sein, um von ihnen Geständnisse zu erpressen.

Was’n Blödsinn! Als ob die Amis nicht auch ökonomisch denken würden und Rollmöpse mit Vanille-Pralinen pürieren könnten? Rein damit in die Gefangenen, ab auf die Keramik und nach spätestens zwei Stunden erzählen die sogar Dinge, nach denen sie gar nicht gefragt wurden.

Zurück zur Koloskopie. Ich hätte am Ende dieses ersten Tages meinen Schließmuskel darauf verwettet, dass der Zeiger nach Betreten der Waage fest auf der Null verharrt. Mehr noch: Im Geiste sehe ich, wie sich die Skala sogar leicht in den Minusbereich neigt, nachdem ich kurz gerülpst habe.

Das Entsetzen ist geradezu schier, als sich die Anzeige nach wenigen Sekunden trotz der vorangegangenen Tortur immer noch bei der mir altbekannten Zahl einpendelt. Das können nur 95 Kilo Wasser sein, schießt es mir durch den Kopf, als mich der Druck dieser Masse erneut auf den keramischen Zylinder zwingt.

Danach waren es wohl nur noch 93 Kilo. Zumindest hat mein Körper aber binnen nur eines einzigen Tages gelernt, aus dem Darm zu pullern. Als ich das meiner Frau erzähle, ernte ich statt Mitleid jedoch nur Spott. Da bräuchte ich ja meinen Penis jetzt überhaupt nicht mehr, meint sie.

Wozu dann eigentlich noch eine Darmspiegelung? Es wäre doch jetzt genau der richtige Zeitpunkt zu sterben. Aber das geht aus zwei Gründen nicht. Rein statistisch darf ich erst in 23 Jahren sterben, um die bundesdeutsche Statistik der männlichen Lebenserwartung nicht zu versauen und zweitens sind an mir bis dahin noch ein paar hunderttausend Euro zu verdienen.

Also nichts mit ableben oder so. Statt dessen muss ich am nächsten Tag pünktlich, nüchtern und mit leerem Gedärm zur Spiegelung antreten. Was da passiert ist, lesen Sie in der nächsten Folge. Vorab lediglich so viel: Rein vom Schmerz her besteht der Unterschied zwischen einer Darmspiegelung und einer Wurzelbehandlung nur in dem Stuhl, auf dem man sitzt.

 

Freizeit in Trikots statt Dessous

Auch wir Frauen werden älter, wenngleich man uns das nicht immer gleich ansieht. Bei der SG Räpitz führte der biologische Alterungsprozess vor zwei Jahren dazu, dass nicht mehr genügend Spielermaterial für die Damenmannschaft zur Verfügung stand. Jetzt wollen die verbliebenen Amazonen neu durchstarten und suchen Mitstreiterinnen. Denn auch bei den Frauen gilt: Elf Freundinnen müsst ihr sein…

Im Land des mehrfachen Frauenfußball-Welt- und Europameisters ist diesem Sport längst kein Nischendasein mehr beschieden. Schienbeinschoner statt Strapse heißt es hier. Und ganz sicher werden die Räpitzer Damen im Einzugsgebiet Markranstädt auf der Suche nach Spielerinnen fündig werden.

Es gab aber Zeiten, da war das schwieriger. Noch um 1910 bestand die Disziplin Frauenfußball darin, dass die Damen züchtig gekleidet im Kreis standen und sich den Ball gegenseitig zuspielten. Das galt aber als unsittlich und war verpönt. Zumindest auf dem Festland.

Als aller Anfang noch schwer war

Auf der britischen Insel gab es bereits am 23. März 1895 das erste offizielle Spiel, das die Damen aus England-Nord gegen die Frauen aus England-Süd vor 10.000 Zuschauern mit 7:1 gewannen.

In Deutschland war das selbst 60 Jahre später noch völlig undenkbar. Erst regten sich die Sportgewaltigen darüber auf, dass die Mädchen dabei in kurzen Hosen aufliefen. Ein Unding. Als nach dem 2. Weltkrieg Hosen tragende Frauen zum allgemein akzeptierten Landschaftsbild zählten, mussten sich die Patriarchen was Neues einfallen lassen, um die Unsitte zu unterbinden.

Auf seinem Verbandstag 1955 beschloss der DFB, seinen Vereinen die Gründung von Frauenabteilungen zu verbieten. „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.“, hieß es zur Begründung.

Fußball: Gynäkologisch bedenklich

Um dem noch mehr Gewicht zu verleihen, ließ man sogar medizinische Expertisen sprechen, in denen Gynäkologen vor den unabsehbaren Folgen fußballerischer Betätigung für den weiblichen Organismus warnten.

Dieses Verbot seitens des DFB wurde erst 1970 teilweise aufgehoben. Da war man in der DDR längst weiter. Schon 1960 fand eine offizielle Begegnung zwischen Städteteams aus Leipzig und Dresden statt. Im Jahre 1968 wurde dann in der BSG Empor Dresden-Mitte das erste offizielle Frauen-Team Deutschlands aus der Taufe gehoben.

Mann, Frau oder Tisch decken?

Natürlich wurde da mitunter auch gewitzelt und gefrötzelt. Wenn der Trainer seinen Spielerinnen zurief „Decken!“, soll es schon mal vorgekommen sein, dass die Mannschaft auf der Suche nach Geschirr und einem Tisch geschlossen das Spielfeld verlassen hat.

Auch mit dem obligatorischen Tausch der Trikots nach Spielende waren vielerlei Fantasien verbunden, die sich allerdings nie erfüllten.

Wenngleich so manche Aktion damals rein motorisch etwas unbeholfen wirkte, hat keiner der Männer auf den Zuschauerrängen gelacht. Zumindest nicht laut.

Auch dann nicht, wenn eine Frau den Ball versehentlich mal in die Hand nahm und ins Tor warf. Immerhin war es die gleiche Hand, die nur Stunden später sein Essen umrühren würde und allein dieser Respekt gebot den nötigen Ernst.

In den 1980er Jahren kam der Frauenfußball auch in der Region zwischen Floßgraben und Zschampert an. Das erste Spiel fand, was Wunder, ganz in der Nähe von Räpitz statt. In Meuchen bildete ein Spiel zweier Damen-Teams den Höhepunkt eines Ortsfestes. Das lief damals eher noch unter dem Menüpunkt „Gaudi“.

Einerseits mussten die grazilen Amazonen mangels femininer Alternativen noch in Herren-Trikots auflaufen. Da lag sogar den überzeugtesten Legasthenikern mitunter deutlich vor Augen, dass Anette, Lisette oder Jeanette eigentlich mit Doppel-D geschrieben werden. Andererseits spielte man entgegen der damals üblichen Gepflogenheiten auf Großfeld.

Als Bremsen noch mechanisch war

Wenn da die linke Läuferin an der Mittellinie startete und kurz vor der gegnerischen Grundlinie Vmax erreicht hatte, bot allein der mechanische Vorgang des Bremsens alle Merkmale praktischen Anschauungsunterrichts in den Disziplinen der Biologie und Physik.

Wer allerdings glaubte, dass sich das Publikum vor Heiterkeit über die Traversen bog, sah sich getäuscht. Der Respekt für den Mut der Damen stellte das kabarettistische Potenzial klar in den Schatten.

Hier in der Neuzeit sieht der Damenfußball längst nicht mehr so altbacken aus wie zu Zeiten Beckenbauers. Aber es kommt ohnehin weniger auf Athletik an als auf den Spaß und etwas Sinn für Fitness.

Wenig später fand in Kulkwitz ein weiterer Höhepunkt statt. Vor rund 1.000 Zuschauern stieg hier in den 80ern das Leipziger Pokalfinale im Frauenfußball. Entsprechend der damals geltenden Regeln wurde es auf dem Kleinfeld zelebriert, was die Zahl der um die Parzelle versammelten Zuschauer fast doppelt so groß erscheinen ließ.

Damit war der Weg für die Entwicklung des Frauenfußballs in den Markranstädter Latifundien endgültig geebnet. Nach der Wiedervereinigung nahm sie richtig Fahrt auf. Was in der Herren-Bundesliga der FC Bayern ist, stellte in unserer Region die SG Räpitz dar: Seriensieger in der Leipziger Stadtmeisterschaft!

Dreimal in Folge Stadtmeister

Zwischen 2007 und 2010 ging in der Messestadt und ihrem Umland kein Weg an den Räpitzern vorbei. Dreimal in Folge wurden die Landfrauen Meister in Leipzig: Ein Triple! Der Olymp war erklommen. Wenns am schönsten ist und/oder die ersten Zipperlein kommen, sollte man allerdings aufhören und so gab es ab 2011 die ersten Lücken im Kader.

…und dann sagt der Kapitän der Herrenmannschaft nach dem Spiel: „Wow, das habt ihr gut gemacht, Mädels!“

Die konnten zunächst durch ein engeres Zusammenrücken mit dem Knautkleeberger Sportclub aufgefüllt werden. Prompt holten sich die Damen auch gleich den Leipziger Stadtpokal.

Aber trotz Bündelung der Kräfte zu einer Fußball-LPG wurden im Jahre 2015 auch bei der Räpitz-Knautkleeberger Genossenschaft die Fachkräftinnen knapp. Und so sucht man nun nach zweijähriger Pause händeringend nach frischen, ambitionierten Humanressourcen, um dem Frauenfußball in der Sportstadt am See neues Leben einzuhauchen.

Dabei geht es längst nicht um Leistungssport, Ehrgeiz oder Höhenflüge zu weiteren Meisterschaften, sondern eher um sportliche Freizeitgestaltung in einem Super-Team.

Was stellen Frauen nicht alles an, um ein paar überschüssige Gramm loszuwerden? Da wird Essen beim Umrechnen in Punkte zum mathematischen Prozess, Hunger avanciert zum Lebensinhalt und manche Frau macht gleich vier Diäten gleichzeitig, weil sie von einer nicht satt wird.

Neben dem Sport kommt auch der Spaß nicht zu kurz. In Räpitz versteht man, auch verwonnene Spiele zünftig zu feiern.

Ganz anders ist das, wenn man sich sportlich betätigt und das auch noch in einem Team, in dem alle das gleiche Ziel verfolgen und einfach nur Spaß haben wollen. Der beschränkt sich in Räpitz übrigens nicht nur auf Training und Spiel. Ganz nach Lust und Laune wird da auch schon mal eine Feier zelebriert, ein gemeinsamer Wochenend-Ausflug oder ein Kegelabend veranstaltet oder das Faschingsprogramm des Ortes bereichert.

Fußballerinnen beim Räpitzer Fasching: Seit Jahren eine feste Instanz.

Der Clou dabei: Man muss nicht mal wissen, was Abseits ist. Es reicht, wenn das erst mal nur die Schiedsrichterin weiß. Da wir Frauen mitunter die Eigenschaft haben, alles wörtlich zu nehmen, soll an dieser Stelle auch gleich mal mit weiteren Vorurteilen aufgeräumt werden.

Wenn also im Herren-Fußball der Verteidiger mal „ein Bein stehen lässt“, muss er deshalb nicht gleich in den Rollstuhl umsteigen. Ebenso gibt es einen „kurzen Pfosten“ nicht wirklich, wenngleich mancher Sportreporter ebenso oft davon spricht, wie von der „langen Ecke“, die in Wahrheit genauso kurz ist wie die kurze Ecke oder der lange Pfosten. Die Männer haben’s bekanntlich nicht so mit der realistischen Einschätzung von Längenmaßen und wir sollten nicht immer auf diesem wunden Rücken rumreiten.

Wenn’s in einer Frauen-Clique so richtig gut passt wie bei der SG Räpitz, kann man auch mal miteinander Schlitten fahren.

Das gilt übrigens auch für Begriffe wie „Blutgrätsche“ oder die eklige Vorstellung, dass eine Spielerin der anderen mal reinrutscht. Glauben Sie bitte nicht alles, was die Männer so über den Fußball erzählen, um diese Frauensportart für sich einzunehmen!

Also dann, liebe Markranstädterinnen: Sie können sich in einem nach Deo und Achselschweiß riechenden Fitnesstempel alleine auf dem Laufband quälen oder den gleichen Effekt mit Spaß und guter Laune in einem tollen Team finden. Melden Sie sich einfach ganz unverbindlich für die am Dienstag, dem 7. November ab 19 Uhr auf dem Räpitzer Sportplatz stattfindende Kennenlern-Trainingsrunde bei Laura Bryks unter (0177) 670 09 20 oder per Mail unter laura.bryks@yahoo.de an.

Ihr Regencape oder den Skianzug können Sie übrigens getrost zu Hause lassen, denn bei schlechtem Wetter und in den kalten Wintermonaten steht direkt am Sportplatz eine Halle zur Verfügung.