Appell an Barmherzigkeit zum Fest: Haufen sucht Herrchen

Kennen Sie den? Landet ein Raumschiff mit Aliens in Markranstädt. Als sie aussteigen, sehen sie, wie ein Mann sich bückt und den Haufen seines Hundes in eine Tüte hebt. Was denken die Außerirdischen, wer auf diesem Planeten die herrschende Rasse ist?

Offenbar sind es Szenarien wie dieses, weshalb Markranstädter Herrchen ihre Hunde überall hinkacken lassen. Eine wahrhaft beschissene Gesamtsituation. Jetzt hat ein Bürger aber ein kurioses Mittel der Anklage gefunden.

Okay, es ist nicht alles schlecht. Das Gute: Es befinden sich kaum menschliche Exkremente unter den im öffentlichen Raum abgelegten Haufen. Und entgegen den Gepflogenheiten ihrer Herrchen haben Hunde oft sogar so viel Anstand, dass sie ihre Kotgeburten etwas abseits der Wege entbinden. Sozusagen versteckt.

Das macht die Situation jedoch nicht besser. Gerade dort, wo man Haufen nicht sieht, docken sie gern an ein menschliches Wirtstier an, das sie unter den Schuhsohlen dann in die eigene Wohnung schleppt. Geschieht die Kontaktaufnahme auf einem Spielplatz im Sandkasten, wird die Kacke oft sogar sprichwörtlich auf den Händen nach Hause getragen.

Findige Hundebesitzer lassen ihre vierbeinigen Freunde mitten in die Einfassungen von Straßenbäumen scheißen. Da passt sich das sozusagen harmonisch ins außengestalterische Gesamtgefüge des Stadtbildes ein. Unter den dort liegenden Tuff-Steinen fällt die Kacke eines Hundes, sofern er nicht unter Hepatitis oder Durchfall leidet, kaum auf.

Hocken, drücken, weiterlaufen

Schon gibt es Bäume (beispielsweise in der Marienstraße), unter denen sich das Verhältnis von Tuff zu Hundekacke umgekehrt proportional zu den Spielergehältern zwischen Real Madrid und RB Leipzig verhält.

Während beim Fußball jedoch wenigstens ab und zu mal auf das viel beschworene financial Fairplay hingewiesen wird, ist in den Köpfen der betreffenden Hundehalter noch nicht einmal der Begriff Fairness angekommen. Zum Leidwesen ihrer vierbeinigen Schützlinge, die dafür den ganzen Hass sowohl der anständigen Hundehalter als auch der hundelosen Gesellschaft zu spüren bekommen.

Auch Comic-Zeichner verschließen sich dem Thema nicht. Hier hats allerdings das falsche Wesen erwischt. Einfach mal draufklicken…

Und das zu Recht! Es geht längst nicht mehr nur um die Sauerei unter den Schuhsohlen oder den ekligen Gestank. Rückstände von Medikamenten, Keime und Krankheiten können so leicht auf den Menschen übertragen werden.

 

Okay, so manch Mitbürger wünscht seinem Nachbarn vielleicht tatsächlich die Staupe an den Hals, aber ob es tatsächlich ihn erwischt, lässt sich so nicht steuern. Es ist ein gefährliches Spiel mit der Gesundheit anderer Menschen, das da verantwortungslos zelebriert wird.

Die Spur der Haufen

In Frankenheim hat jemand von diesem Zustand sprichwörtlich die Nase voll und ließ sich ein ebenso kurioses wie hoffentlich wirksames Mittel der Anklage einfallen. Ähnlich wie auf dem kalten Buffet, garniert der aufmerksame Anarchist die herumliegenden Haufen der Hunde mit einem Häppchen-Spieß. Aber nicht nur das.

In Handarbeit liebevoll gefertigte Adventsdekoration für Markranstädter Außenanlagen oder neokulturelle Ausdrucksform der Anklage gegen gewissenlose Hundehalter? Auf alle Fälle öffentlichkeitswirksam.

Im Wissen, dass das Landschaftsbild bei der immensen Zahl an Haufen durch solche Sticker eine nachhaltige Veränderung erfahren wird, hat er (oder sie?) als Reminiszenz an die vorweihnachtliche Adventszeit sogar kreative Elemente einfließen lassen.

Kreativität im Minenfeld

So wird Frankenheim nun seit kurzem mittels sauber ausgeschnittener Tannenbäumchen, Sterne und Engel aufgeforstet. Allesamt versehen mit dem unmissverständlichem Signum „Pfui!“. Eine tolle Idee, aus der sowohl ein hohes als auch zugleich verständliches Maß an Verzweiflung spricht.

Ein Englein ist entsprungen, aus einem Haufen zart.

Besonders eindrucksvoll machen sich die Advent-Häppchen auf der Priesteblicher Straße. Die wird in Fachkreisen schon als Exkrementen-Highway bezeichnet. Verschwörungstheoretiker gehen sogar davon aus, dass es sich bei der Gassi-Anlage um eine Form des Widerstands gegen den Ausbau der Straße handelt.

Frankenheim und Lindennaundorf werden aufgeforstet. Engel, Bäume und Sterne, wohin das Auge reicht. An manchen Stellen entstehen ganze Biotope kackhaufenverzierender Dekorationselemente. Eine wahrhafte Bereicherung des urbanen Ortsbildes.

Seltene Haufenformen wie die vom Aussterben bedrohte Hufeisennase oder die besonders hohe Dichte an Vorkommen fauler, gewissenloser Hundehalter, machen die Priesteblicher Straße längst schon zu einem der letzten Refugien.

Auf diese Weise soll die Straße heimlich zu einem FFH (Flora-Fauna-Hunde)-Habitat umgewidmet werden. Ist das von der UNESCO erst mal anerkannt, ist auch der geplante Ausbau der Straße vom Tisch.

Liebevoll angerichtet: Das Menü „Hirn von Hundebesitzer an Bordsteinkante mit Grünbeilage“ ist allerdings kein landestypisches Gericht in Frankenheim. Es zählt inzwischen in ganz Markranstädt und seinen Ortschaften zum allgemeinen Kulturgut.

Der Widerstand des stickerpflanzenden Bürgers wird indes mit allgemeiner Zustimmung bis hin sogar zu diebischer Freude quittiert. Wenn Frankenheim nicht mitten in Deutschland läge, könnte das Ansinnen sogar einen richtig guten Ausgang nehmen.

Unter den Teppich gekehrt

Wir sind aber in Deutschland und so könnte es durchaus passieren, dass der Urheber wegen Rowdytums, Verunstaltung der Umwelt, Verschandelung des Landschaftsbildes oder illegaler Ablagerung von Adventsdekoration vor den Kadi gezerrt wird. Wie so oft, wenn Bürger was selbst in die Hand nehmen und die staatliche Allmacht Kontrollverlust befürchtet.

Aber wie auch immer es kommen mag, jetzt ist erst mal Winter und am Wochenende soll es schneien. Dann verschwindet das Zeug sowieso erstmal unter dem viel beschworenen weißen Teppich. Nur die Deko wird raus schauen und dann können die Kids mit ihren Schlitten Slalom fahren.

Wie ein Holzkopf die Herzen erweichte

Wenn es um das Markranstädter Ordnungsamt geht, sieht so mancher Bürger vor seinem geistigen Auge erst mal kompromisslose Politessen und Politessriche, die mit Vorliebe irgendwelche Verstöße ahnden. Jetzt haben die Ordnungshüter der Stadt jedoch mal nachhaltig unter Beweis gestellt, dass sie auch anders können. Ausgerechnet ein Holzkopf hat ihre Herzen erweicht. Eine nicht nur wahre, sondern vor allem auch schöne Weihnachtsgeschichte.

Wer seit vergangenem Samstag in Höhe Hordisstraße durch die Leipziger Straße fährt, könnte in der Tat erst mal nicht schlecht staunen. Von weitem kann es tatsächlich so aussehen, als wäre ein Uniformierter drauf und dran, mit seinem Fahrrad die Straße zu überqueren.

Da bremst man automatisch etwas ab und nähert sich der Gestalt vorsichtig. Hat man dann festgestellt, dass es sich um einen Nussknacker aus Holz handelt, der auf einem Drahtesel sitzt, fragt man sich selbstredend nach der tieferen Bedeutung der Installation.

Eines zumindest hat die Statue erreicht: Man hält sich automatisch ans vorgeschriebene Tempolimit. Deshalb läge zunächst eine ebenso kuriose wie wirkungsvolle Maßnahme zur Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung nahe.

Da man aber im Ordnungsamt nach eigenen Aussagen die Markranstädter Nachtschichten nicht liest, will der satirische Geist dort so viel lebensbejahenden Witz zunächst nicht vermuten und sucht nach anderen Ursachen.

Nussknackender Botschafter

Die sind schnell gefunden. Ein Schild am Fahrrad erklärt, dass es sich bei der Figur um einen Werbebotschafter des beliebten Dekostübchens in der Hordisstraße handelt.

Und schon ist das eine Ordnungswidrigkeit, weil der Holzkopf auf dem Fahrrad an einer Bundesstraße steht und für diesen Standort über keine gültige Aufenthaltsgenehmigung verfügt.

Hier steh‘ ich nun und kann nicht anders.

Nun sind jedoch Personen ohne Papiere in Deutschland neuerdings trotzdem willkommen, weshalb man eine gewisse Toleranz auch für das Dasein eines radfahrenden Nussknackers voraussetzen könnte. Zumal Uta Lüngen, die Chefin des Dekostübchens, gar nichts von seiner Ankunft wusste.

Die künstlerisch effektvolle Werbeinstallation war nämlich eine Idee ihres Mannes, der die Kreation heimlich schuf und sie am Vorabend des 1. Advent als Überraschung für die Frau seines Herzens ebenso heimlich aufgestellt hatte.

Noch bevor Uta Lüngen allerdings ihr Geschenk entdeckte, war es am Montag bereits Thema in der Arbeitsbesprechnung des Ordnungsamtes. Kaum eine Stunde später läutete die Bimmel an der Geschäftstür. Kein früher Kunde diesmal, sondern amtlicher Besuch. Sozusagen der öffentlich-rechtliche Nikolaus. Und genau hier beginnt eine Weihnachtsgeschichte, die einem das Herz zu einem saftigen Steak weitet.

Klar, erst mal wurde festgestellt, dass das so nicht geht. Dazu wurden allerlei Paragrafen zitiert und Uta Lüngen sah sich bereits das Weihnachtsfest im Hochsicherheitstrakt der JVA Guantanamo verbringen. In Handschellen sowie Fußketten freilich und inklusive Kontenpfändung mit Verlust des Geschäfts sowie einer Runde Waterboarding gratis als Weihnachtsgeschenk.

Der Nussknacker mit sorgenvollem Blick gen Rathaus, wo gerade über sein Bleiberecht entschieden wird.

Um Zeit für die Regelung ihres Nachlasses zu gewinnen, vereinbarte sie mit dem Beamten, sich am nächsten Tag im Ordnungsamt freiwillig zu stellen. Das tat sie dann auch und begab sich in den Morgenstunden des 5. Dezember zum Inquisitionstribunal am Marktplatz.

Dort allerdings wurden die Pfeiler ihrer weltlichen Erwartungen bis in die Grundfesten erschüttert. Statt der Bekanntgabe eines Termins zur Deportation der Holzfigur sowie ihrer eigenen Verhaftung, wurde ihr eröffnet, dass man gemeinsam einen Weg finden wolle, um „die Kuh vom Eis zu kriegen“.

Da kann man schon mal glauben, seinen Ohren nicht mehr trauen zu können. Ist das die viel beschriebene Barmherzigkeit, die jedes Jahr anlässlich Jesu Geburt über uns Menschen kommt oder funktioniert Charles Dickens‘ erörterte Läuterung des Ebenezer Scrooge noch heute? Ein Markranstädter Weihnachtswunder gar?

Versuchen wir es mit einer optimistischeren Erklärung: Auch im Ordnungsamt arbeiten nur Menschen. Die haben allerdings mitunter das Problem, dass die gesetzlichen Vorschriften oft nichts anderes als Dienst nach Vorschrift zulassen.

Wer falsch parkt, der parkt eben falsch. Da gibt es keine politisch entlastenden Begriffe wie vielleicht „alternatives Abstellen“ oder so.

Das beliebte Deko-Stübchen in der Hordisstraße.

Manchmal bieten sich aber auch in den Prozessen der Durchsetzung von Recht und Ordnung Möglichkeiten, gewisse Situationen nicht mit dem belehrend-drohenden Knöllchenfinger, sondern unter Hinzuziehung des gesunden Menschenverstandes zu regeln. Und genau das ist hier passiert.

Das Ende dieser schönen Weihnachtsgeschichte ist schnell erzählt. Der Standort des Neuankömmlings ist in der Tat unglücklich gewählt und muss daher ein paar Meter in den rückwärtigen Raum hinter die Frontlinie der Leipziger Straße verlegt werden.

Ganz kostenlos und ohne Beistand des Bauamtes ist zwar auch das nicht machbar und gleich gar nicht ohne entsprechendes Antragsformular zur Erteilung einer Bewilligung über die Anerkennung von Rolle und Bedeutung radfahrender Nussknacker im öffentlichen Verkehrsraum, aber wo ein Wille ist, da ist bekanntlich auch ein Weg.

Die Moral der Geschichte: Uta Lüngen muss nicht nach Guantamo, der Nussknacker erhält ein zunächst befristetes Bleiberecht ganz in der Nähe und Markranstädt hat weiterhin einen sympathisch-romantischen Tempel für weihnachtliche Volkskunst sowie Dekorationen fürs ganze Jahr.

Blick ins Deko-Stübchen, wohin der Werbebotschafter an der Kreuzung den Weg weist.

Ja, und die Mitarbeiter des Markranstädter Ordnungsamtes haben sich selbst das schönste Weihnachtsgeschenk gemacht: Einen ganzen Sack voller Sympathiepunkte und Hauptdarsteller in einer richtig tollen Weihnachtsgeschichte. Charles Dickens hätte sie nicht besser schreiben können.

 

Schnee, Besinnlichkeit und scharfe Schüsse

Größer, bunter, höher … die Weihnachtsmärkte überschlagen sich in diesem Jahr mit Superlativen. Dabei zeigen die Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Döhlen/Quesitz schon seit Äonen, dass es auch anders geht. Und anno 2017 sind sie für ihre Hingabe auch richtig belohnt worden: Pünktlich zur Eröffnung des Döhlener Weihnachtmarktes hat Frau Holle die Betten ausgeschüttelt. Ein einfach herrlicher Abend!

Besinnlichkeit am Feuer, sich treffen, unterhalten und genießen, was die weihnachtlichen Gewürze so auf der Zunge explodieren lassen – das ist der Weihnachtsmarkt in Döhlen. Und weil die Atmosphäre auch bei Minusgraden richtig toll ist, hat die Veranstaltung auch ordentlich an Zulauf gewonnen.

Sogar aus Merseburg war eine ganze Clique angereist, trotz Schneefalls und glatter Straßen. „Wior sind vor drei Joohren mal zufällich hier vorbei jejommen und es hat uns so jut jefallen, dass wior seitdem immor wiedor herjommen.“, meint der Mann mit der grünen Pudelmütze, den sie Theo nennen.

Polizeiaufgebote wie auf anderen Weihnachtsmärkten brauchts in Döhlen nicht. Für Sicherheit sorgt hier die Feuerwehr und die hat alles im Griff. Obwohl es auch hier nicht ganz ungefährlich war, was da am Abend des 1. Advent ablief. In Döhlen wurde scharf geschossen.

Den Punsch gab es hier nämlich nicht nur in der normalen Ausführung „Glühwein lativ“, sondern auch als „Superlativ“ mit Schuss und als „Sudden death“ aus dem doppelläufigen Rohr mit Zweifach-Ladung.

Das war auch gut so, denn angesichts des Ansturms wurde der Glühweinstand geradezu überfallartig belagert und die in der Schlange wartenden Gäste schauten schon immer mal sorgenvoll nach vorn, ob da inzwischen nicht die weiße Flagge weht.

Das blieb zum Glück aus, was wohl auch darauf zurückzuführen ist, dass fast jede Tassenfüllung mit mindestens einem Schuss gestreckt wurde.

Der Döhlener Weihnachtsmarkt war rappelvoll. Zugeparkte Dorfstraßen waren der Beleg, dass es viele Leute auch von außerhalb hierher zog.

Der Döhlener Weihnachtsmarkt bot für alle was. Die Kinder hatten Gelegenheit, in der Weihnachtsbäckerei zu schnuppern oder sich an der frischen Luft im Schnee auszutoben, was vor allem hinter dem Feuerwehrhaus manch fürsorgliche Mutter auf den Plan rief („Marcel-Kevin-Dustin-Jason! Den gelben Schnee nicht in den Mund nehmen!!!“).

Die Erwachsenen schlenderten derweil von Bude zu Bude oder standen im Schneetreiben mit Glühwein ums wärmende Feuer und unterhielten sich mit Freunden und Bekannten, die man sonst das ganze Jahr über eher nur aus der Ferne sieht. Einzig der Duft nach Selbst-Weihrauch, der bei solchen Anlässen gern mal von lokalen Heiligen verströmt wird, wurde nicht vermisst.

Das „Vogelhäuschen“ neben dem Markttreiben wurde in den Abendstunden mit einer Glasur aus Schnee überzogen. Winteridyll am ersten Advent in Döhlen.

Es war ein würdiger Auftakt in den Advent, so viel ist sicher. Hier und da wurde sogar mal wieder deutlich, dass auch die Männer eine Obrigkeit haben, die nicht an den Weihnachtsmann glauben. Wenn die Familienoberhäuptin sagt, es ist genug, dann ist es eben genug.

Weitere Termine

Kleiner Trost: Es kommen noch genügend andere Gelegenheiten. Der lebendige Adventskalender in der Stadt hat jeden Tag was Neues hinter dem Türchen und weitere Weihnachtsmärkte gibt es beispielsweise am 9. Dezember auf dem Markranstädter Marktplatz, am 10. Dezember in Seebenisch bei Göpferts, am 15. Dezember in Altranstädt, am 17. Dezember in Räpitz und am gleichen Tag im Generationenhof Lindennaundorf.

 

„Sport frei!“ in Kulkwitz: Jedem Schüler sein Reck

Die Kulkwitzer Grundschüler können sich seit kurzem über einen kompletten Satz neuer Turngeräte freuen. Insgesamt 50 solcher Outdoor-Reckstangen wurden aufgestellt, damit sich die Kids an der frischen Luft betätigen können. Es scheint, als verfüge jeder Schüler über ein Gerät. Damit dürfte die Grundschule Kulkwitz zu den am besten aufgestellten Bildungseinrichtungen der Bundesrepublik zählen. Nur bei den Passanten sorgte der neue Anblick zunächst für Irritationen.

Wer zu nächtlicher Stunde durch Gärnitz fährt, dem kann angesichts dessen, was da im Widerschein des Abblendlichs plötzlich vor der Windschutzscheibe auftaucht, ganz schnell mal der Schreck in die Glieder fahren.

Nein, es ist nicht der Securitybereich eines Fußballstadions und auch nicht die Landebahnbefeuerung eines über Nacht errichteten Airports, auf das man da zusteuert. Und auch wenn es farblich hinkommt, handelt es sich ebenfalls nicht um die Deko eines heimlich geplanten Weihnachtsmarktes vor der Grundschule.

Auf der gedanklichen Suche nach dem Zweck der Installation trifft das Auge des Betrachters irgendwann auf die Jünger unseres Turnvaters Jahn. Die Kids haben die ihnen geweihten Stangen dankbar angenommen und üben sich im Geräteturnen.

Felgauf- und abschwung, Sitzen auf der Stange, Drehungen, Schick-Schnack-Schnuck beim Balancieren – all das haben die ABC-Schützen im Handumdrehen gelernt.

Allein die Hoffnung, dass die Turngeräte zugleich auch eine Sicherheitsmaßnahme darstellen, um die Kids vorm Straßenverkehr zu schützen, wollen die ewigen Meckerer volley widerlegt sehen. Manche der Schützlinge würden sogar drunter durch passen, ohne sich großartig bücken zu müssen. Meinen jedenfalls die Bedenkenträger.

Das ist aber zu kurz gedacht. Die Gefahrenlage hat sich in unserer Zeit drastisch verändert. Der Schutz ist jetzt nicht mehr von innen nach außen erforderlich, sondern umgekehrt.

So taugen die neuen Gestänge durchaus als aktives Bollwerk, falls sich perspektivisch auch in Gärnitz mal ein Transporter von „Islam-Logistics“ in eine Menschenmenge verfahren will. Das nennt man weitsichtige Planung.

Insgesamt wurden auf dem Fitness-Park 50 (in Worten: fünfzig) solcher Geräte gepflanzt. Macht einhundert Löcher respektive Fundamentchen und insgesamt einen finanziell fünfstelligen Großangriff in rot-weiß.

Und das nicht nur zur Straße hin, sondern auch am Rand des Steilufers. Dort gibt es dann den ultimativen Kick: Turnübungen hoch über der Vernässungsfläche! Dagegen ist Bungee-Jumping an den Niagarafällen der reinste Firlefranz.

Und diese gelungene Investition glänzt sogar durch weitere Synergieeffekte. Die Eltern, die im Zweifelsfall nur wenige hundert Meter entfernt wohnen, können jetzt gleich im Auto sitzen bleiben und müssen ihre Prinzen und Prinzessinnen nicht mehr durch den Schlamm bis zum Schultor zerren. Den Schülern kann ja nichts mehr passieren, jetzt, wo alles hermetisch abgeriegelt ist.

Also: Hut ab vor dieser mutigen Investition ohne langes Brimborium, wiederholte Klarstellungsbeschlüsse oder zeitraubende Akteneinsichtmaßnahmen.

Und wenn der Satellit von Google Earth das nächste mal über die Kulkwitzer Grundschule fliegt, werden die ersten Verschwörungstheoretiker das Gerücht über eine Gärnitzer Area 51 in die Welt setzen.

Wir werden berühmt werden … werden wir, jawoll!

 

Die Bonsai-Plantage auf dem Kulturlehrpfad

Jeder Autor, Schriftsteller oder Dichter mit Weltruf hat’s wenigstens einmal getan. Goethe zu Ostern oder im Wald, Heine sogar das ganze Jahr über quer durch Deutschland. Gemeint ist der Spaziergang. Unser Autor Jab Adu wollte den großen Geistern nicht nachstehen und ist ebenfalls losgezogen. Er kam allerdings nur bis zur Kippe, da war sein Poem für die Nachwelt schon fertig.

Neulich kam mir die wunderliche Idee, mal so richtig durchs Herbstlaub zu rascheln. So wie früher, als wir noch im König-Albert-Park das „Rosental“ vom Laub befreien mussten. Dank Google Earth kann man sich heute zum Glück schon im Wohnzimmer die geeignete Route aussuchen und so stand ich nur wenige Minuten nach der Planung fertig gerüstet in der Haustür.

Mein Weg sollte mich diesmal durch die halbe Stadt Richtung „Weißen Schrecken“, also gen Kulkwitz führen. Vorerst war auf dem Weg von der Südstraße kommend kein Laub zu finden. Dafür waren aber die Rasenstreifen zu beiden Seiten des Wegs blitzeblank und stoppelkurz gemäht.

Auch die Hinterlassenschaften der Hunde lagen bis zur letzten Faser säuberlich geschreddert in der Flur. Bei diesem Streubild würde das Herz eines jeden Landwirts höher schlagen.

Unweit des Wegesrands sieht es aber schon anders aus. In Hoffnung auf den Frühjahrsputz haben dort schon einige Emsige ihre Gartenabfälle und sonstigen Ramsch hingeschmissen, obwohl die LAV in diesem Bereich schon rein nasal wahrnehmbar ist. Aber 500 Meter weiter tragen und ein paar Euro zahlen, das passt nicht in ein Zeitalter, in dem Eigennutz vor Gemeinnutz geht.

Da lieber bei Mäc Geiz einen Plastelöffel mit Melodie sowie Beleuchtung kaufen und den dann – wenn die Batterie runter ist – über den Zaun werfen. Es gibt genug Freiwillige (in der Neusprache: Free Willys), die den Dreck wegräumen. Und wenn nicht, da kann man sich ja immer noch beschweren, dass es hier lodderlich aussieht.

Nach einigen weiteren Schritten stehe ich dann plötzlich vor einer wundersamen Installation.

Ist das Kunst? Nun auch noch „Kreativtstadt Markranstädt“? Direkt neben einem Baum – gut, eher in der Intimsphäre eines Bäumchens – hat ein unbekannter Künstler eine Stele aus Eisen in die Erde gegründet und diese mittels eines gordischen Knotens aus blauem Draht mit dem Bäumchen verbunden. Sozusagen eine Einheit zwischen Natur und Moderne.

Kunst oder Können?

Mir gehen sofort tausende Gedanken durch den Kopf. Soll man angeregt werden, den Knoten naturnah zu lösen oder ist es etwa nur ein symbolisches Rätsel? Ja, wer stützt hier wen? Das Stämmchen die eiserne Stele oder die Stele das Stämmchen? Oder handelt es sich gar um eine philosophische Interpretation des ewigen Grundgedankens, dass wir nur gemeinsam stark sind?

Die Sache fesselt mich und so begebe ich mich zurück zum Anfang des Weges, um dahinter zu kommen, was es wohl mit dem Drahtknoten auf sich hat.

Am Startpunkt entdecke ich eine Tafel, die mir verrät, dass hier die Jahrgangsbäume der im Jahre des Herrn 2008 Geborenen stehen. Und es gibt den Hinweis: „Mit den Jahrgangsbäumchen erhalten die Familien ein Symbol des Wachsens und Werdens ihrer Sprösslinge“

Das weckt Neugier! Mal sehen, was aus den Sprösslingen so geworden ist. Erfüllen sie das Gelöbnis des Wachsen und Werdens?

Erstmal kann ich nur sehen, dass jeder Baum eine Nummer hat. Das ist ja fast wie ein Name, so wie Lukas, Klara oder Paul. Sozusagen ein Nummer-Namensschild. Oder gar doch schon ein Teil der Steuer-Identifikationsnummer? Klar, wenn es dumm kommt, werden später mal die Aufwendungen für die Baumpflege gleich von der Rente abgezogen. Man weiß ja nie, was so noch kommt.

Vielleicht brauchen die Sprösslinge später mal auf dem Arbeitsamt keine Nummer mehr ziehen, sondern sind durch die Gnade ihrer Geburt sozusagen schon genetisch Nummer 7008 oder 2417? Im Wartezimmer des Arztes erübrigt sich dann die obligatorische Frage, wer der Letzte war. Einfach auf die Nummern gucken und sich einordnen. Der Nächste bitte!

Die Nummern irritieren mich allerdings auch in anderer Hinsicht. Sie sind nur vierstellig, obwohl doch heute fast jedes Kind eine aus mindestens drei Namen bestehende Typenbezeichnung trägt. Marcel-Dustin-Kevin beispielsweise oder Chantall-Deborah-Cheyenne. Wo sind die Plaketten mit den Nummern 7007-0815-4711?

Zudem werden diese Schildchen deutlich sichtbar und mit einem stabilen Nagel an die Stämmchen der Bäumchen gehämmert. Wahrscheinlich geht man davon aus, dass die Plaketten mitwachsen und irgendwann mal beim Durchmesser von zwei Metern und 17 Kilo Gewicht einen BMI von 35 haben. Das muss der Nagel dann tragen können!

In Mark und Bein

Der Anblick geht mir richtig ins Mark. Ich hoffe, das Mark der Bäumchen hat dabei nichts abbekommen. Hier und da ist der Nagel Gott sei Dank vorsorglich ins Totholz geschlagen. Aber Nummern und Ordnung müssen sein. Man will ja wissen, welcher Baum wo und ob er überhaupt noch steht.

Beim Betrachten der Jahrgangskulturen kommen mir noch weitere Bedenken. Ehrlich gesagt: Kurz vor dem 10. Jahrestag der Baumpflanzung sehen die Bäumchen recht mickrig aus. Wenn man sich die so ansieht, könnte man zu der Schlussfolgerung gelangen, dass es 2008 in Markranstädt einen nuklearen Fallout gab und deshalb nur Kleinwüchsige mit Down-Syndrom geboren wurden.

Einzelne Stauden sind über einen Stammdurchmesser von 3 Zentimetern nicht hinausgekommen. Der Spaziergänger mit kultureller Affinität denkt bei diesem Anblick automatisch an Oskar Matzerath aus der Blechtrommel. Also doch ein Kulturlehrpfad.

Mein Blick verlässt die Niederung in der Hoffnung, doch noch kräftige Kronen des nuklearen Katastrophenjahres 2008 zu erspähen. Schwierig. Dort, wo die Kronen der der Jahrgangsbäume dereinst weit ins Land schauen sollten, erblicke ich ein, … sagen wir mal … „Gefitze“ von Geäst. Bunt sieht es ja aus, schön angemalt. So richtig „patchwork“. Und zum Laub der Jahrgangsbäumchen muss der Herbst hier nicht mal auf die Leiter klettern.

Aber was gehört wozu? Über dem Tunnel der Bäumchen hat sich ein Mantel aus wild wachsenden Bäumen und Büschen ausgebreitet, der ihnen den Raum zum Leben entzieht. Die Bäumchen müssen sich einen Weg zum Sonnenlicht erkämpfen.

Wieder bin ich bei der Kultur gelandet und sehe, wie Jack Nicholson einen Hund in den Müllschlucker wirft und ihm hinterher ruft: „Das ist New York! Wer hier überlebt, schafft es überall!“ Ich ersetze New York durch Markranstädt und beginne zu verstehen.

Das Recht des Stärkeren

Und wie es so im Leben ist, tut den Wilden auch hier niemand was. Wo die sich austoben da wächst kein Kraut mehr. Sie sind inzwischen stärker als die Jahrgangsbäumchen. Denen bleibt nur, diesen Hindernissen aus dem Weg zu wachsen um überhaupt überleben zu können.

Kaum Raumgewinn in der Höhe, dafür taumelnd in alle anderen Richtungen. Der Begriff Ast bekommt hier eher die Dimension des Buckels, der sich unter dem Wams von Quasimodo im „Glöckner von Notre Dame“ bläht. Die nächste kulturelle Station. Und der Himmel ist fern.

Als Symbole für das „Wachsen und Werden“ taugt dieses Unterdrücken der heimischen Flora wirklich nur unter dem Edikt der künstlerischen Interpretation.

Ist das so vielleicht gewollt? Verkenne ich hier die Tatsachen und die Jahrgangsbäumchen sind kleine Bonsai-Experimente? Nein, das kann es auch nicht sein. Zwergbäume sind zwar klein, aber gesund und stattlich im Wuchs. Sie sind verschnitten, geformt und gepflegt. Fast verhätschelt. Und sie wachsen im Licht. Das trifft auf die Jahrgangsbäumchen nicht zu. Also keine Bonsais.

Ich ergebe mich der bitteren Erkenntnis, dass die Jahrgangsbäumchen 2008 in einer sehr schlechten Zeit leben und es richtig schwer haben. Und ich ertappe mich bei der Prognose, dass sie die nächsten paar Jahre nicht überleben werden.

Überlebenskampf auf der Kippe

Ich wünsche mir und den Kindern, für die diese Bäumchen gepflanzt wurden, dass sich diese viel stärker und gesünder entwickeln als ihre „Paten-Bäume“. Und den Eltern wünsche ich, dass sie sich keine Sorgen um deren Wachsen und Werden machen müssen.

Und hier bin ich vielleicht bei der Lösung des Rätsels vom Anfang. Sicher hat ein doch besorgter Vater gesehen, wie schlecht es seinem „Patenbäumchen“ geht. Er hat dem Gewächs in Eigeninitiative etwas Hilfe verschafft.

Mit einem einfachen Stück Eisen, geschickt durch die Wurzel getrieben, hat er den Baum mit einfachsten orthopädischen Mitteln vor dem Umfallen gerettet und den Weg zum Licht gewiesen. Folglich keine Kunst, sondern eine lebenserhaltende Maßnahme für sein Bäumchen.

Einmal nur den Himmel sehen

Mehr konnte er wohl nicht tun. Davon, dass irgendjemand mal die wilden Bäume und Sträucher zurecht schneidet, kann er nur träumen.

Ein Lichtblick bleibt aber trotzdem. Im kommenden Jahr stehen die Jahrgangsbäumchen geschlagene zehn Jahre. Und an diesem Jahrestag einmal den Himmel sehen zu dürfen, das wäre doch mal was.

 

Mutti, Vati, Hund: Gebühren sparen mit Tierheim statt Kita?

Die Erhöhung der Kita-Gebühren in Markranstädt hat nicht überall für Unmut gesorgt. Gewollt kinderlose TeilnehmerInnen unserer Gesellschaft sehen sich endlich im längst fälligen finanziellen Vorteil, ungewollt Kinderlose haben jetzt ein tröstendes Argument mehr und für Kita-Beschäftigte gelten gar gleich beide Argumente. Aber was ist mit den Kindern? Brauchen wir die noch?

Früher hieß es, ein Mann müsse ein Haus bauen, ein Kind zeugen und einen Baum pflanzen. Lange her. Die Kosten machen diesen Luxus kaum noch erschwinglich.

Einsparpotenzial bietet sich kaum. Die Grundstückspreise für Häuser explodieren und Kinder-Light als verbrauchsarme Sparmodelle, die sich zudem mit nur 12 m2 Grundfläche begnügen, befinden sich in den Gen-Labors noch im Teststadium.

Haus und Kind fallen also aus. Statt die ersparten Mittel wenigstens in die Bäume zu stecken, scheint unsere Gesellschaft eher auf den Hund zu kommen. Aber der Reihe nach.

Laut Statistischem Bundesamt kostet ein Kind in der Transit-Phase zwischen Austritt aus dem Uterus und Eintritt in die Volljährigkeit rund 130.000 Euro. Andere Expertisen gehen von bis zu 240.000 Euro und mehr aus. Nehmen wir für unsere Betrachtungen aber ruhig mal die öffentlich-rechtliche Billigvariante mit gebrauchten Windeln aus dem Sozialkaufhaus und Baby-Brei von der Tafel.

Purer Aberglaube

Ein altes Sprichwort sagt, dass Kinder die Altersversorgung der Eltern seien. Dieser Unfug ist einzig der Beweis, dass es schon früher Satiriker gab. Würde ja heißen, je mehr Kinder man in die Welt setzt, desto besser geht es einem später mal. Muhaha …

Die Fleisch gewordene Altersversorgung ist rein mathematisch betrachtet purer Aberglaube. Lediglich im Wettbewerb mit den Nachbarn lohnt sich das. Mannche wollen eben auch irgendwas haben, das sie zur Schule schicken können.

Bei zwei Kindern hat man schon mal mehr als eine Viertelmillion Euro in die Brut gepumpt, bevor die eine Lehre anfangen kann. Wenn sie das überhaupt will. Steckt man diese Scheine statt dessen unters Kopfkissen und geht von durchschnittlich 15 erlebbaren Rentenjahren aus, hat ein kinderloses Paar im Alter rund 1.444,- Euro mehr zur Verfügung. Pro Monat!

Hinzu kommt, dass man auch nicht gezwungen werden kann, das aus dem Rest mühsam ersparte Erbe vorfristig aufzuteilen und sich somit in einem Akt elterlichen Gehorsams selbst in die Altersarmut zu stürzen.

Keine Zeit wegen gesparter Zeit

Und von wegen, die Kinder pflegen einen später mal. Heutzutage, da ständig neue Innovationen erfunden werden, durch die wir schneller leben und immer noch mehr Zeit sparen können, hat gar niemand mehr die Zeit, sich um die Alten zu kümmern. Niemand außer den Pflegerinnen im Seniorenheim.

Da ist es schon verständlich, dass immer mehr Paare den Zeitpunkt der Fortpflanzung chemisch so weit nach hinten schieben, bis das Saatgut sein Verfallsdatum überschritten hat.

Und wenns dann mit Glyphosat-Spritzen und synthetischen Brunft-Hormonen doch noch klappt, den unter jahrzehntelanger Verhütung geschimmelten Leib zu überlisten, avanciert die Entbindungsstation unversehens zum Greis-Saal.

In unserer Gesellschaft werden immer mehr immer weniger Kinder entbunden. Die Geburtenrate hat allerdings auch Auswirkungen auf den Tod. Der heute im fertilen Saft stehenden Generation muss klar sein, dass ihre Kisten dereinst von osteuropäischen Billiglohnkräften oder nordafrikanischen Zuwanderern über die Friedhöfe zu den anonymen Gruben geschleppt werden müssen.

Zwischen Erbe und Gegenwart

Auch vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass man nicht allein altern will. Irgendwann steht selbst die DAX-Managerin in Nadelstreifen hinter dem Küchenfenster ihres weißen Wohnwürfels und schaut sehnsüchtig auf das bunte Glück der vierköpfigen Nachbarfamilie.

Obwohl sie sich mit ihren 52 Jahren noch nicht reif genug glaubt, Verantwortung für ein Kind übernehmen zu können, keimt in ihr plötzlich der tiefe Wunsch, auch irgendwas zur Schule schicken zu können.

Natürlich ohne vorher Kacke abwischen, stundenlang bei Ärzten rumsitzen oder sich anderweitig Sorgen machen zu müssen. Leider kann man das aus betriebswirtschaftlichen Gründen auch nicht auf eine Nanny übertragen. Die kostet mehr als die VW-Aktie derzeit an Dividende abwirft.

Betriebswirtschaftlich unrentabel

Also wird sie ihrem Mann immer dann, wenn der grade mal wieder von einer mehrwöchigen Dienstreise aus Thailand zurück ist, so lange auf die Nerven fallen, bis er sich wenigstens auf einen vierbeinigen Kompromiss einlässt.

Die 17-jährige Jule (rechts) hat Pflegestufe III und wird von Sohn Leonardo aufopferungsvoll mit Franzbranntwein gegen Dekubitus eingerieben.  Ihr Herrchen ist derweil im Pflegeheim.

Was dann folgt, ist von der Entwicklung eines humanoiden Gen-Trägers kaum zu unterscheiden. Es beginnt schon bei der Wahl des Namens, der natürlich den Charakter des Wesens prägen soll.

So hört der Chihuahua nach stundenlanger Diskussion und Androhung verschiedenster Scheidungsszenarien schließlich auf Pluto oder der Bernhardiner wird als Idefix in den Kreis der Familie aufgenommen. Der Schäferhund unserer DAX-Frau heißt übrigens Juno-Malte.

Sofort nach der Taufe geht’s ab in den Zoohandel zur Einkleidung. Da gibts ein Halsband von Lacoste, ein Hundehöschen zur Wahrung seiner sexuellen Würde und das neue Handy „Bello 2.0“ mit GPS, Halsband-Halterung sowie Laptop zur Online-Ortung sowohl des Tieres als auch seiner Haufen. Es folgen Tierarzt, Hundefriseur, Pfotenpediküre und schlussendlich auch die Hundeschule.

Besonders zeitraubend und teuer war die Umstellung seines Stoffwechsels auf vegane Nahrung. Aber das hat wenigstens funktioniert, auch wenn das Tier jetzt blind ist und kein Fell mehr hat. Kläglich gescheitert ist hingegen der Versuch, ihm das Sprechen beizubringen und auch die Sache mit der antiautoritären Erziehung hat nicht wirklich geklappt. Dafür hat der Hund jetzt ADHS. Wenigstens da verhält er sich wie ein normales Kind.

Ach so: Der Tierpsychologe kommt auch noch dazu. Juno-Malte bekam im Winter Depressionen. Nach acht Doppelstunden auf der Animal-Couch und ebenso vielen Schecks über jeweils 800 Euro stellte der Hundeflüsterer dann die Diagnose: Differenzen in der Selbstwahrnehmung der Rasse-Identität.

Ein Kumpel von Juno-Malte, der seine Kindheit überlebt hat. Bis hierher hat er allerdings fast genauso viel gekostet wie seine humanoiden Alternativen.

Einem Schäferhund im Winter ausgerechnet eine Pudelmütze überzuziehen, fühle sich für das Tier so an, als würde die Herrin ihren Mann auf der Leipziger Straße in halterlosen Nylons hinter sich her ziehen. Macht 6.400 Euro! Zumindest geht’s aber seitdem nicht nur dem Hund, sondern auch dem Mann besser.

In der Betriebskostenabrechnung für den Vierbeiner kommt dann am Jahresende das böse Erwachen. Neben all den genannten Leistungen finden sich in der Aufstellung dann plötzlich auch noch Begriffe wie Hundesteuer, Hundehaftpflicht, Lehrgänge zum Erlangen des Sachkundenachweises zur Hundeführung, Urlaubsbetreuung, Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke, Spielzeug und so weiter.

Und ihren Job hat die erfolgreiche Prokuristin überdies verloren. Dreimal in der Woche fehlen und dann noch selbstbewusst einen Krankenschein vom Tierarzt vorzulegen, war dem Herrn Vice-President of Business-Content zu viel und die Delegierung ins Headquarter of Facility-Management mit gleichzeitiger Beförderung zur Assistance of Roomcleaning hatte sie abgelehnt.

Armut mit Spaßfaktor

Was damit zum Ausdruck gebracht werden soll: Nicht nur Kinder sind heute Ursachen für Minuswachstum auf dem Konto. Auch Abwasserverbände, Hinzuziehung bei Straßenbaumaßnahmen, GEZ und sogar das eigene Auto sind wichtige Faktoren beim finanziellen Niedergang. Und ja: Auch der Hund schützt vor der Pleite nicht!

Es macht also keinen Sinn, sich ordentlichen Sex nur aus Angst vor Altersarmut zu verkneifen. Was man da spart, nehmen einem andere sowieso wieder weg. Da lieber ein bisschen Spaß haben beim Armwerden und dafür auch wissen, wer später mal die Kiste trägt.

Und wenn die Erziehung dann noch darin mündet, dass die Leibesfrucht nicht auf den Gedanken kommt, auch den Urhebern ihrer ererbten Armut die letzte Ehre zu erweisen, kann man sogar mit einem zufriedenen Lächeln abtreten.