Mutti, Vati, Hund: Gebühren sparen mit Tierheim statt Kita?

Die Erhöhung der Kita-Gebühren in Markranstädt hat nicht überall für Unmut gesorgt. Gewollt kinderlose TeilnehmerInnen unserer Gesellschaft sehen sich endlich im längst fälligen finanziellen Vorteil, ungewollt Kinderlose haben jetzt ein tröstendes Argument mehr und für Kita-Beschäftigte gelten gar gleich beide Argumente. Aber was ist mit den Kindern? Brauchen wir die noch?

Früher hieß es, ein Mann müsse ein Haus bauen, ein Kind zeugen und einen Baum pflanzen. Lange her. Die Kosten machen diesen Luxus kaum noch erschwinglich.

Einsparpotenzial bietet sich kaum. Die Grundstückspreise für Häuser explodieren und Kinder-Light als verbrauchsarme Sparmodelle, die sich zudem mit nur 12 m2 Grundfläche begnügen, befinden sich in den Gen-Labors noch im Teststadium.

Haus und Kind fallen also aus. Statt die ersparten Mittel wenigstens in die Bäume zu stecken, scheint unsere Gesellschaft eher auf den Hund zu kommen. Aber der Reihe nach.

Laut Statistischem Bundesamt kostet ein Kind in der Transit-Phase zwischen Austritt aus dem Uterus und Eintritt in die Volljährigkeit rund 130.000 Euro. Andere Expertisen gehen von bis zu 240.000 Euro und mehr aus. Nehmen wir für unsere Betrachtungen aber ruhig mal die öffentlich-rechtliche Billigvariante mit gebrauchten Windeln aus dem Sozialkaufhaus und Baby-Brei von der Tafel.

Purer Aberglaube

Ein altes Sprichwort sagt, dass Kinder die Altersversorgung der Eltern seien. Dieser Unfug ist einzig der Beweis, dass es schon früher Satiriker gab. Würde ja heißen, je mehr Kinder man in die Welt setzt, desto besser geht es einem später mal. Muhaha …

Die Fleisch gewordene Altersversorgung ist rein mathematisch betrachtet purer Aberglaube. Lediglich im Wettbewerb mit den Nachbarn lohnt sich das. Mannche wollen eben auch irgendwas haben, das sie zur Schule schicken können.

Bei zwei Kindern hat man schon mal mehr als eine Viertelmillion Euro in die Brut gepumpt, bevor die eine Lehre anfangen kann. Wenn sie das überhaupt will. Steckt man diese Scheine statt dessen unters Kopfkissen und geht von durchschnittlich 15 erlebbaren Rentenjahren aus, hat ein kinderloses Paar im Alter rund 1.444,- Euro mehr zur Verfügung. Pro Monat!

Hinzu kommt, dass man auch nicht gezwungen werden kann, das aus dem Rest mühsam ersparte Erbe vorfristig aufzuteilen und sich somit in einem Akt elterlichen Gehorsams selbst in die Altersarmut zu stürzen.

Keine Zeit wegen gesparter Zeit

Und von wegen, die Kinder pflegen einen später mal. Heutzutage, da ständig neue Innovationen erfunden werden, durch die wir schneller leben und immer noch mehr Zeit sparen können, hat gar niemand mehr die Zeit, sich um die Alten zu kümmern. Niemand außer den Pflegerinnen im Seniorenheim.

Da ist es schon verständlich, dass immer mehr Paare den Zeitpunkt der Fortpflanzung chemisch so weit nach hinten schieben, bis das Saatgut sein Verfallsdatum überschritten hat.

Und wenns dann mit Glyphosat-Spritzen und synthetischen Brunft-Hormonen doch noch klappt, den unter jahrzehntelanger Verhütung geschimmelten Leib zu überlisten, avanciert die Entbindungsstation unversehens zum Greis-Saal.

In unserer Gesellschaft werden immer mehr immer weniger Kinder entbunden. Die Geburtenrate hat allerdings auch Auswirkungen auf den Tod. Der heute im fertilen Saft stehenden Generation muss klar sein, dass ihre Kisten dereinst von osteuropäischen Billiglohnkräften oder nordafrikanischen Zuwanderern über die Friedhöfe zu den anonymen Gruben geschleppt werden müssen.

Zwischen Erbe und Gegenwart

Auch vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass man nicht allein altern will. Irgendwann steht selbst die DAX-Managerin in Nadelstreifen hinter dem Küchenfenster ihres weißen Wohnwürfels und schaut sehnsüchtig auf das bunte Glück der vierköpfigen Nachbarfamilie.

Obwohl sie sich mit ihren 52 Jahren noch nicht reif genug glaubt, Verantwortung für ein Kind übernehmen zu können, keimt in ihr plötzlich der tiefe Wunsch, auch irgendwas zur Schule schicken zu können.

Natürlich ohne vorher Kacke abwischen, stundenlang bei Ärzten rumsitzen oder sich anderweitig Sorgen machen zu müssen. Leider kann man das aus betriebswirtschaftlichen Gründen auch nicht auf eine Nanny übertragen. Die kostet mehr als die VW-Aktie derzeit an Dividende abwirft.

Betriebswirtschaftlich unrentabel

Also wird sie ihrem Mann immer dann, wenn der grade mal wieder von einer mehrwöchigen Dienstreise aus Thailand zurück ist, so lange auf die Nerven fallen, bis er sich wenigstens auf einen vierbeinigen Kompromiss einlässt.

Die 17-jährige Jule (rechts) hat Pflegestufe III und wird von Sohn Leonardo aufopferungsvoll mit Franzbranntwein gegen Dekubitus eingerieben.  Ihr Herrchen ist derweil im Pflegeheim.

Was dann folgt, ist von der Entwicklung eines humanoiden Gen-Trägers kaum zu unterscheiden. Es beginnt schon bei der Wahl des Namens, der natürlich den Charakter des Wesens prägen soll.

So hört der Chihuahua nach stundenlanger Diskussion und Androhung verschiedenster Scheidungsszenarien schließlich auf Pluto oder der Bernhardiner wird als Idefix in den Kreis der Familie aufgenommen. Der Schäferhund unserer DAX-Frau heißt übrigens Juno-Malte.

Sofort nach der Taufe geht’s ab in den Zoohandel zur Einkleidung. Da gibts ein Halsband von Lacoste, ein Hundehöschen zur Wahrung seiner sexuellen Würde und das neue Handy „Bello 2.0“ mit GPS, Halsband-Halterung sowie Laptop zur Online-Ortung sowohl des Tieres als auch seiner Haufen. Es folgen Tierarzt, Hundefriseur, Pfotenpediküre und schlussendlich auch die Hundeschule.

Besonders zeitraubend und teuer war die Umstellung seines Stoffwechsels auf vegane Nahrung. Aber das hat wenigstens funktioniert, auch wenn das Tier jetzt blind ist und kein Fell mehr hat. Kläglich gescheitert ist hingegen der Versuch, ihm das Sprechen beizubringen und auch die Sache mit der antiautoritären Erziehung hat nicht wirklich geklappt. Dafür hat der Hund jetzt ADHS. Wenigstens da verhält er sich wie ein normales Kind.

Ach so: Der Tierpsychologe kommt auch noch dazu. Juno-Malte bekam im Winter Depressionen. Nach acht Doppelstunden auf der Animal-Couch und ebenso vielen Schecks über jeweils 800 Euro stellte der Hundeflüsterer dann die Diagnose: Differenzen in der Selbstwahrnehmung der Rasse-Identität.

Ein Kumpel von Juno-Malte, der seine Kindheit überlebt hat. Bis hierher hat er allerdings fast genauso viel gekostet wie seine humanoiden Alternativen.

Einem Schäferhund im Winter ausgerechnet eine Pudelmütze überzuziehen, fühle sich für das Tier so an, als würde die Herrin ihren Mann auf der Leipziger Straße in halterlosen Nylons hinter sich her ziehen. Macht 6.400 Euro! Zumindest geht’s aber seitdem nicht nur dem Hund, sondern auch dem Mann besser.

In der Betriebskostenabrechnung für den Vierbeiner kommt dann am Jahresende das böse Erwachen. Neben all den genannten Leistungen finden sich in der Aufstellung dann plötzlich auch noch Begriffe wie Hundesteuer, Hundehaftpflicht, Lehrgänge zum Erlangen des Sachkundenachweises zur Hundeführung, Urlaubsbetreuung, Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke, Spielzeug und so weiter.

Und ihren Job hat die erfolgreiche Prokuristin überdies verloren. Dreimal in der Woche fehlen und dann noch selbstbewusst einen Krankenschein vom Tierarzt vorzulegen, war dem Herrn Vice-President of Business-Content zu viel und die Delegierung ins Headquarter of Facility-Management mit gleichzeitiger Beförderung zur Assistance of Roomcleaning hatte sie abgelehnt.

Armut mit Spaßfaktor

Was damit zum Ausdruck gebracht werden soll: Nicht nur Kinder sind heute Ursachen für Minuswachstum auf dem Konto. Auch Abwasserverbände, Hinzuziehung bei Straßenbaumaßnahmen, GEZ und sogar das eigene Auto sind wichtige Faktoren beim finanziellen Niedergang. Und ja: Auch der Hund schützt vor der Pleite nicht!

Es macht also keinen Sinn, sich ordentlichen Sex nur aus Angst vor Altersarmut zu verkneifen. Was man da spart, nehmen einem andere sowieso wieder weg. Da lieber ein bisschen Spaß haben beim Armwerden und dafür auch wissen, wer später mal die Kiste trägt.

Und wenn die Erziehung dann noch darin mündet, dass die Leibesfrucht nicht auf den Gedanken kommt, auch den Urhebern ihrer ererbten Armut die letzte Ehre zu erweisen, kann man sogar mit einem zufriedenen Lächeln abtreten.

 

Jahreshauptversammlung mit Abstieg aus der 4. Etage

Aufgeschreckt durch die Ankündigung, künftig nicht mehr in die vierte Etage aufzufahren, wollte ein außenstehender Beobachter teilhaben am Meinungsbildungsprozess der selbsternannten ErklärbärInnen und nahm am letzten Freitag als Berichterstatter an der Jahreshauptversammlung der MN-Aktionäre teil. Hier sein Report:

Eine übersichtlich und eindeutig formulierte Beschlussvorlage war fristgemäß und ohne Vorberatung in diversen Ausschüssen an alle NachtschichtlerInnen verteilt worden. Auch der Versammlungsort war gut gewählt. Mitten unter den Augen der Öffentlichkeit traf man sich in einer ländlichen Schänke und hatte damit die beste Tarnung überhaupt.

Dass nicht alle selbstgewählten Vertreter des Gremiums anwesend waren, hatte akzeptable Gründe. Ein Hashtag #me too für exponierte Satiriker ist noch nicht erfunden und daher verstecken sich einige der potenziellen Täter noch immer hinter dem Deckmantel der Eigenbrötlerei.

Noch viel wichtiger war jedoch, dass auch für genügend hochgeistige Substanzen gesorgt wurde. Quasi auf Kommission war schon literweise Brotschnaps geordert worden und es zeigte sich, dass das dringend notwendig war.

Ergreifende Szenen

Offenbar von tiefem Mitgefühl ergriffen, hatte es im Vorfeld der Jahrestagung sogar spendenwillige Bürger gegeben, die unbedingt darauf bestanden, dass der Verlauf der Sitzung nicht mehr im nüchternen Zustand erfolgte. Beste Voraussetzungen also für nachhaltige Entscheidungen. Schließlich ist Satire eine ernste Sache.

Noch bevor jedoch mit der kritischen Selbstbefragung begonnen werden konnte, spielten sich wahrhaft ergreifende Szenen unter den Nachtschichtlern ab. Der letzte Besuch in der vierten Etage hatte zwei der Möchtegern-Versteher so erschüttert, dass sie nur mit Mühe ihrem Kummer und ihrem Unverständnis Herr respektive Frau werden konnten.

Entscheidungsfindung

Klar interessiert nicht jeden Bürger, was da in den letzten Winkeln der 17 Ortsteile für Straßenbaumaßnahmen beschlossen werden, nicht jeden Rentner tangiert die Erhöhung der KiTa-Gebühren und wohl kaum ein Laie steigt durch einen in Doppik gefertigten Doppelhaushalt. Soviel Sadismus ist nicht jedem gegeben.

Aber sollte nicht schon der Anstand und vielleicht auch die viel gepriesene political-correctness gebieten, dass wenigstens den interessierten Bürgern, die den Weg in die vierte Etage finden, auch bürgernah erläutert wird, um was es eigentlich geht? Und könnte, nur mal kühn angedacht, eine vorherige Informationsmöglichkeit der Bürger wieder deren Interesse an einer Stadtratssitzung wecken?

So wurden zunächst alle MN-Beiträge zusammengezählt, in denen dieser Zustand angeprangert wurde. Zumindest hat man das versucht.

Die inzwischen eingesetzte Wirkung der bewusstseinserweiternden Stimulanzien sorgte allerdings dafür, dass der Zahlenraum jenseits der 5 nur noch bedingt zugänglich war und der Vorgang somit an dieser Stelle abgebrochen wurde. Fünf reicht ja auch.

Anschließend einigte man sich auf eine gemeinsame Position. Die lautet ungefähr so: Vorwerfen kann man niemandem etwas. Die Verwaltung kommt ihrer Informationspflicht nach. Zu mehr als dem, was sie öffentlich zugänglich macht, ist sie möglicherweise auch nicht verpflichtet. Außerdem ist es eine Stadtratssitzung und keine Verwaltungsversammlung.

Wer duhds’sch das an?

Also sollte es Sache der Abgeordneten sein, ab und zu auch mal an die hinter ihnen sitzenden Bürger zu denken und ihnen zumindest eine geistig aktive Teilhabe an den Entscheidungsprozessen zu ermöglichen. Wenigstens mal ein Impuls in der Richtung…

Da sie jedoch mit den vor ihnen liegenden Papieren so intensiv beschäftigt sind, scheint da kein Freiraum für Gedanken an die Wählerinnen und Wähler übrig zu bleiben. Diese Erkenntnis führte den MN-Versammlungsleiter schließlich dazu, gestreng in die Runde zu blicken und in breitestem Säggs’sch die Frage zu stellen: „Na unnuu? Wer duhds’sch dass nu äs näähchsde Mal an?“

Was dann folgte erinnert den Beobachter an so altertümliche Spiele wie ‚Schraps hat den Hut verloren’ oder ‚1, 2, 3, 4-Eckstein – alles muss versteckt sein’. Keine(r), wirklich keiner wollte sich für diesen Job zukünftig zur Verfügung stellen.

Ein Fall fürs Stadtmuseum: Letzte, historische MN-Aufnahme von der Tafelrunde.

Einer der Witzbolde versuchte gar, sich hinter dem Schnapsglas zu verstecken und meinte nach dem Auffliegen seiner Tarnung, dass es in Markranstädt andere Veranstaltungen gäbe, bei denen besser und schöner vorgelesen werde.

Nein, es gibt keinen Nachtschichtler mehr, der nur der Fortführung einer Serie zuliebe in die vierte Etage aufsteigt und im Ernstfall zwei Stunden oder länger mit anderen Bürgern im Nebel stochert, um dann anschließend bei der im Hinterhof stattfindenden Auswertung ebenfalls nur Halbwissender endlich zu kapieren, worum es da oben gegangen sein könnte.

Von den aufwändigen Wiederbelebungsmaßnahmen mal ganz abgesehen. „Das halten unsere Sponsoren und auch unsere Lebern nicht durch!“, hieß es in einem am Ende verabschiedeten Positionspapier.

Eine wahrscheinlich genetisch mit einem hohen Maß Masochismus gesegnete Mitstreiterin erklärte sich bereit, im Falle des Vorliegens von ausreichend Lust und Zeit wenigstens ab und zu in den Markranstädter Olymp aufzusteigen und sich anzuhören, was da gepriesen wird.

Heißt übersetzt: Sie geht nur dahin, wenn ihr Mann am ersten Donnerstag im Monat seine Regel hat oder mit seinen Kumpels eine Tupper-Party feiern will.

Wir schreiben eben das Lutherjahr. Da nagelt man symbolisch seine These an den Ratssaal und rät:: Schaut doch Eurem Volk mal endlich wieder auf’s Maul! Und lasst es teilhaben, an dem, was Ihr da besprecht und beschließt. Schließlich wird sogar in der katholischen Kirche die Messe mittlerweile nicht mehr auf Latein gelesen.

Kann jedoch auch sein, dass das nicht gewollt ist. Auch kein Problem. Aber dann sagt’s ehrlich und räumt wenigstens die Besucherstühle aus dem Saal. Man kann es ja künftig immer so machen wie zuletzt, dass man erst hinterher per fraktionsübergreifender Pressemeldung informiert. Das Kind aus dem Brunnen zu holen ist freilich öffentlichkeitswirksamer, als es vor dem Hineinfallen zu schützen. Amen

Was sonst noch beschlossen wurde:

  • Beiträge in der Ich-Form scheinen besser anzukommen. Da soll künftig mehr Augenmerk drauf gelegt werden.
  • Die Galerie des Karikaturisten wurde vernachlässigt. Sie wird in den nächsten Tagen aktualisiert und erfährt dabei auch gleich ein Relaunch.
  • Manche Beiträge sind zu lang. Ausgerechnet die weiblichen Mitstreiter erhoben die Forderung, das Vorspiel zu verkürzen und schneller auf den Punkt zu kommen. Wahnsinn, zu welchen Erkenntnissen Satire fähig ist!
  • Der MN-Techniker ließ in Abwesenheit darum bitten, die Suche nach Mitstreitern mit technischer Affinität für die Bearbeitung von Videos zu forcieren. Auch Schriftkundige mit satirischen Kernkompetenzen und Menschen, die sich auf Programmierung bzw. Anwendung von WordPress verstehen, sollen umschmeichelt werden.

Wie immer bei solchen Veranstaltungen, hieß es auch bei der MN-Jahreshauptversammlung: „Es gilt das gesprochene Wort.“ Das konnte man am Ende ohnehin nicht mehr auf die Goldwaage legen. Als der Wirt weit nach Mitternacht die Rechnung brachte, wurde mit Erstaunen festgestellt: „Dsha hammr awwer gntz schön … Ums… hhhh …. satz g’macht!“

 

# you too ?

Der Fall Harvey Weinstein hat eine Lawine ins Rollen gebracht. Unter dem Hashtag #me too gehen immer mehr Frauen mit ähnlichen Erfahrungen an die Öffentlichkeit. Sogar der britische Verteidigungsminister musste zurücktreten, weil er einer Radiomoderatorin ans Knie gefasst hat. Läuft unter „sexuelle Belästigung“. Das Knie als Geschlechtsorgan: Haben wir da in Bio was verpasst? Unser Autor Ronny von de Kippe ist der Sache mal nachgegangen.

Die Fälle, in denen sich Menschen wegen sexueller Belästigung outen, nehmen weltweit zu. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis die Welle auch nach Markranstädt schwappt. Ich könnte damit anfangen, aber als männliches Opfer habe ich da schlechte Karten.

Eher komme ich als potenzieller Täter in Frage und bin deshalb gerade dabei, meine Gewohnheiten umzustellen. Wenn ein Minister zurücktreten muss, weil er vor einem Vierteljahrhundert einer Radiomoderatorin bei einem privaten Essen ans Knie gefasst hat, dann sollte man in der Tat mal anfangen, in der eigenen Vita nach vergleichbaren Fällen zu suchen.

Ja … und schon sind wir in Markranstädt. Ich erinnere mich genau, dass mir meine zuständige schulische Fachkraft für Körperkultur vor 44 Jahren gleich mehrmals an mein bis dahin noch unschuldiges Gesäß gegriffen hat. Sie nannte das Hilfe-„Stellung“ und wollte mich damit angeblich beim Feldaufschwung auf den Stufenbarren unterstützen.

Als Junge begrapscht

Ich wusste damals noch nicht, dass es sich in Wirklichkeit um eine eindeutig sexualisierte Tat handelt. Auch nicht, dass meine Sportlehrerin bisexuell veranlagt war, weil sie das auch mit den Mädchen so gemacht hat. Heute interessiert mich das schon. Und #me too sei Dank weiß ich jetzt, dass auch ich traumatisiert bin.

Gut, dass ein Knie zu den sexuellen Merkmalen eines Menschen zählt, wurde bislang nicht so explizit kommuniziert. Weder im Biologieunterricht noch bei ‚Mann und Frau intim’, bei Dr. Sommer oder Oswalt Kolle. Insofern sollte man Verständnis dafür haben, dass manch Individuum unserer Gesellschaft von dieser Erkenntnis etwas überrascht wurde.

Um sich gegen weitere Überraschungen zu wappnen (Unwissenheit schützt bekanntlich vor Strafe nicht), sind bereits einige Männer dazu übergegangen, Frauen nicht mal mehr die Hand zu geben. Wer weiß, was da droht?

Immerhin gibt es Damen, die ihre Hand ab und zu auch mal als sekundäres Geschlechtsmerkmal nutzen. Selbst wenn der Begriff Handjob eher wie eine öffentliche Stellenausschreibung klingt, es ist schließlich doch ein sehr intimer Vorgang.

Da sollte es sich in einer zivilisierten Gesellschaft ganz von selbst verbieten, einer Frau einfach mal eben so an die nackte Hand zu fassen und diese gar noch zu schütteln.

Manche Männer haben es sogar drauf, dabei Oralverkehr anzudeuten und die völlig entblößte Hand der Dame zu küssen. Eine unerträgliche und frauenfeindliche Unsitte ist das, jawoll!

Mal ganz pauschal betrachtet

Auffällig ist, dass mehrheitlich Frauen Opfer solcher Delikte sind und Männer zwangsläufig die Täter. Das liegt wahrscheinlich an der sozialen Situation. Klar könnte auch ich meine Sportlehrerin anzeigen. Aber das lohnt nicht. Sie ist Rentnerin und da ist bekanntlich nichts zu holen.

Außerdem hat sie mich nur an den Hintern gefasst und nicht ans Knie. Und noch außerdemer bin ich ein Mann und meine Gelenke daher keine Geschlechtsmerkmale, sondern pauschal ein Fall für die Orthopädie.

Zunftzeichen der Knieprothesen-Hersteller?

Nicht mal, wenn sie Kanzlerin wäre, müsste sich meine ehemalige Leibeserzieherin Sorgen machen. Wir erinnern uns: Nach dem Eröffnungsspiel der Fußball-WM 2014 schritt unser aller Angie in die Umkleide der Nationalmannschaft.

Übergriff in elf Fällen

Dort lief sie so heiß, wie man es sich heuer im Wahlkampf und bei den Jamaika-Verhandlungen wünschen würde. Normalerweise also ein sexueller Übergriff in mindestens elf Fällen.

Aber eine Mutti hat eben nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, ihre Jungs zu kontrollieren, dass sie sich auch da unten ordentlich waschen. Also kein Problem. Wenn allerdings Vati Thomas de Maiziere die heiligen Duschen der Volleyball-Nationalmannschaft der Damen betreten würde .. au haua haua ha!

Ich habe wirklich lange darüber nachgedacht, wie ich mich künftig gegenüber Frauen korrekt verhalten muss, um nicht zum Täter zu werden. Es gibt eigentlich keinen Körperteil der Frau, der nicht in irgendeiner Art aufregend wäre und sich nicht zum Gegenstand sexueller Fantasien oder Handlungen eignen würde. Selbst Füße sollen ja manche Zeitgenossen ungeheuer erregen.

Da liegt der Schluss nahe, die Frau vorsichtshalber komplett als wandelndes Sexualorgan zu betrachten und sie aus sittlichen Erwägungen nicht mal mehr anzuschauen. Das wäre auch in finanzieller Hinsicht nicht uninteressant.

Unter den Teppich gekehrt

Keine teuren Kleider mehr, die das Dekolletee zeigen; keine kurzen Röcke, welche Knie präsentieren, die man nicht sehen respektive berühren darf. Dann erübrigen sich auch die mancher Figur wenig zuträglichen Leggins, die im holländischen Slang übrigens ‚Flüsterhosen’ genannt werden. Also dann doch: Burka statt Bikini. Sicher ist sicher.

Auch die Wirtschaft würde davon profitieren. In den Chefetagen könnten Frauen endlich wieder in bequemen Dederon-Schürzen rumlaufen und müssten auch die Lockenwickler nicht entfernen. Guckt ja eh keiner mehr hin.

Lippenstifte, Lidschatten, aphrodisierendes Parfum … alles Geschichte! Sogar Schweißflecke und Wolle in den Achselhöhlen würden nicht mehr auffallen. Die emanzipierte Frau kann sich wieder voll auf ihre Arbeit konzentrieren und wird endlich als Mensch akzeptiert, nicht als Knie. Was für eine schöne Vision!

Ja, ich bin ein Sittenstrolch!

Ich habe meine Frau übrigens wirklich über ihr Knie kennengelernt. Sie hatte einen kurzen Rock an und saß mir gegenüber. Im Grunde genommen hatte sie mir das Gelenk ständig unter die Nase gehalten. Ich hatte das als deutliches Signal missverstanden und dann einfach meine Hand draufgelegt. Ein paar Sekunden später haben wir uns geküsst.

Heute ist sie mit mir verheiratet. Wohlgemerkt: mit einem Sittenstrolch! Unsere Beziehung entsprang einem sexuell orientierten Übergriff und ich fühle mich elend bei dem Gedanken, sie auf diese perfide Weise in eine Ehe gezwungen zu haben.

Und wenn ich jetzt immer mal wieder bei Twitter reinschaue, suche ich ängstlich in ihrem Profil nach dem Hashtag #me too. You too?

 

Neues aus der vierten Etage (34)

Zieht man Familienangehörige, Akteure, Platzwart, zwei MN-Spione, Pressevertreter und Physiotherapeuten ab, saßen kaum zehn Bürger auf den Zuschauerrängen in der vierten Etage. Eine Besorgnis erregende Entwicklung, deren Trend sich schon lange abzeichnet. Allein die Damen und Herren Räte haben sich mit solch wichtigen Entscheidungen zu beschäftigen, dass sie sich über die Bedürfnisse ihrer Bürger nicht auch noch Gedanken machen können. Mehr noch: Sie scheinen diese Belange nicht einmal wahrzunehmen.

Es ist schon ein paar Jahre her, dass sogar Jugendliche den Weg in den Ratssaal fanden. Heute hat man beim Betreten desselben den Eindruck, auf ein durch Glyphosat gelichtetes Baumwollfeld zu blicken.

Weißgraue Blüten neigen sich im lauen Wind säuselnder Gespräche, hier und da unterbrochen von vegetationsfreien Abschnitten, die im Widerschein der Saalbeleuchtung glänzen.

So allmählich fühlt es sich an wie eine allmonatlich wiederkehrende Mobilmachung des kommunalen Volkssturms, dessen Gefallene inzwischen schon für beträchtliche Lücken in der Frontlinie des Bürgertums gesorgt haben. Allein die wohlgenährte Generalität am Kartentisch sonnt sich in ihrer Rolle der Bedeutung, als würde sie in der ausverkauften Red Bull-Arena den Endsieg planen.

Der Volkssturm stirbt aus

Auf der Suche nach Ursachen ist das Team der Markranstädter Nachtschichten am Vortag der 34. Sitzung des Stadtrats irgendwie beim Politbüro gelandet. Da wusste man auch nie, worüber sie reden, obwohl wir per Aktuelle Kamera immer dabei waren. Einziger Unterschied: In der vierten Etage steht statt Hammer und Zirkel eine Glocke als Insignie der Macht auf dem Tisch.

Das Ansinnen, uns auf die Sitzung vorzubereiten, war natürlich (wieder) zum Scheitern verurteilt. Dass die Tagesordnung für den Bürger über keinerlei Informationswert verfügt, ist ja bereits Tradition. So stand dort beispielsweise unter Punkt 10: „Entgeltordnung für die Nutzung der Stadtbibliothek Markranstädt“.

Bevor man wertvolle Lebenszeit opfert, um an einem Event teilzunehmen, möchte man ja ganz gerne wissen, worum es da geht. Ein Rolling-Stones-Fan fährt ja auch nicht mal eben auf gut Glück in die Berliner Waldbühne, um dort möglicherweise zu erfahren, dass an diesem Tag gerade Helene Fischer auftritt.

Atemlos durch die Nacht

Okay, für weiterführende Informationen gibt es ja seit kurzem das Ratsinformationssystem der Stadt. Also Computer angetreten und rein da. Aber was muss man da sehen? Mit mehr als zwei Worten schwer zu beschreiben, was man da an Ratsinformationen bekommt.

Schauen Sie es sich am besten selbst mal an. Einfach hier draufklicken dann auf „Vorlage“ und bitte nicht staunen. Das Formular wird sicher hinterher noch ausgefüllt. Aber was sollte da eigentlich beschlossen werden?

Entgeltordnung für die Stadtbibliothek Markranstädt? Das ist doch keine Beschlussformulierung. Nicht mal ein ordentlicher Satz ist das! Was also möge der Stadtrat ohne Subjekt, Objekt und Prädikat beschließen?

Entgeltordnung! Wird sie aufgehoben, geändert oder gibt’s gar eine neue? Sollen die Gebühren gesenkt, erhöht oder abgeschafft werden? Oder soll gar lediglich die Rechtschreibung auf den Prüfstand kommen? Nichts Genaues weiß man nicht. Zumindest nicht als Bürger.

Worum es geht, das erfährst Du, liebe Bürgerin und lieber Bürger, vielleicht oder vielleicht auch nicht, wenn Du hin gehst. Wenn Du viel Glück hast und die Ohren aufsperrst, kannst Du den Dialogen Deiner Abgeordneten möglicherweise sogar entnehmen, um welche Beträge es da geht.

Beschlüsse in Befehlsform

Da muss aber jemand von denen auch dummerweise mal die Zahl nennen und während sie fällt, sollte in eben diesem Moment auch nicht irgendwo ein Handy klingeln, dass Dich unversehens in besagtes Helene Fischer-Konzert in die Waldbühne versetzt.

Der Beamer an der Wand brennt derweil mit nahezu stoischer Konstanz die Tagesordnung in die unschuldige Leinwand ein, was als Zeugnis transparenter Kommunalpolitik reichen muss. Da ist es kaum verwunderlich, dass niemand mehr daran interessiert ist, sich sowas live anzutun.

Zu Hause läuft derweil die Miete weiter und wer will außerdem schon kostbare Lebenszeit investieren, um sich so demütigen zu lassen oder als Kulisse für die Erfüllung des Sendungsbewusstseins Einzelner herzuhalten? Nö, so wird das nichts mit einbringen und mitgestalten. Nicht mal mit zuhören.

By the way: Am heutigen Freitag steigt die diesjährige Ratsversammlaung der Markranstädter Nachtschichten und weil wir sowohl aus eigenen als auch den Fehlern Anderer lernen möchten, gibt es da eine konkret formulierte Beschlussvorlage.

Erklär-Bär auf Abschieds-Tournee?

„Wollen wir es weiterhin vor unserem Gewissen verantworten, dass wir künftig noch jemanden aus unseren Reihen zwingen, in die vierte Etage aufzufahren, um Zeit zu vergeuden und sich verarschen zu lassen?“ Es kann also sein, dass dies der letzte Beitrag aus dem Ratssaal ist.

Zurück zur Sitzung. Die Darstellung dessen, was so beschlossen wurde, übernimmt wie immer die Qualitätspresse. Aus satirischer Sicht vielleicht noch so viel:

Die Gebühren für die Nutzung der Stadtbibliothek werden steigen. Das mitzukriegen, war zwar anstrengend, aber dennoch so vorhersehbar, dass dieser Textteil von unserem Autoren schon am Tag zuvor selbstbewusst und ganz ohne Glaskugel in die Maschine gehämmert wurde. Ebenso wie die Erhöhung der Kita-Gebühren bis zur erlaubten Höchstgrenze.

Bei der Vielzahl der genannten Zahlen und Gegenvorschläge sowie der Geschwindigkeit, mit der die Betriebskosten für Kinder auf den Ratstisch gespuckt wurden, war es schwer, irgendwie zu folgen. Am Ende ist es aber wohl so, dass Eltern für Krippenkinder nun 12,73 Euro und für den Kita-Platz 16,17 Euro mehr berappen müssen.

Zählt man Betreuungskosten von über 200 Euro, Klamotten, Essen, Schulzeug (auch der Hort wird teurer) und alles andere zusammen, fällt es schwer, da noch von einem Kind zu sprechen.

Skalpell als Geldanlage

Man leistet sich da wohl eher einen gut bezahlten Angestellten. Schon für die Hälfte bekommt man heute eine solide ausgebildete Haushaltshilfe und muss sich nicht mal Sorgen machen, wenn die Fieber kriegt.

Unser Rat: Vergessen Sie die Riester-Rente, Vorsorgepläne oder irgendwelche Fonds. Die beste Geldanlage unserer Zeit ist die Sterilisation. Egal ob Frau oder Mann, die Renditen sind langfristig gesehen unschlagbar und bewegen sich im sechsstelligen Bereich!

Und wer gegen den Nestbau-Trieb partout nicht ankämpfen kann, dem bleiben im Rahmen unserer Willkommenskultur noch ausreichend Alternativen. Die heißen zwar alle umA, sind dem Vernehmen nach aber dankbarer als so manch arischer Kevin mit Spraydose und Bildungsdistanz und außerdem billiger zu betreuen.

Geheimhaltung als PR-Instrument

Die Baustellen und Straßensperrungen haben inzwischen solche Dimensionen erreicht, dass ihnen diesmal sogar ein eigener Punkt in der Tagesordnung gewidmet wurde. Ebenso wie dem Engagement von Renate Röder, der Jens Spiske die „Sächsische Ehrenamtskarte“ verlieh.

Vielleicht wären es ihre Ausführungen zum Thema „die deutsche Sprache ist der Schlüssel zur Integration“ wert gewesen, sie einem etwas breiterem Publikum vorzustellen?

Leider war mehr als „Verleihung der Sächsischen Ehrenamtskarte an Frau Renate Röder“ vorab auch hier weder der Tagesordnung noch dem Ratsinformationssystem zu entnehmen. Und nur auf den Verdacht hin, dass Frau Röder vielleicht kostenlos Weihnachtskalender repariert, wollte wohl kein Markranstädter auf die Tagesschau verzichten. Irgendwo verständlich…

 

Tief Herwart nahm Rache für seinen Namen

Ginge es um Leserzahlen oder Einschaltquoten, würde die Schlagzeile so lauten: „Sturmtief Herwart schlug Schneise der Verwüstung durch Markranstädt“. Ganz so schlimm wars dann aber doch nicht. Im Pazifik hätte ein Orkan bestenfalls zur Kokospalme gesagt: „Halt die Nüsse fest, jetzt wird geblasen!“ Seit Tiefs bei uns Männernamen wie Herwart tragen, ist aber nicht mal mehr das denkbar, auch wenn inzwischen die Ehe für alle proklamiert wurde.

Das Sturmgebraus am Sonntag hatte im ständigen Tatü-Tata der Feuerwehr einen steten Begleiter. Nachdem sich der Wind gelegt hatte, wagten sich Überlebende der Markranstädter Nachtschichten raus an die Luft.

Die Medien hatten mit ihren Informationen zwischenzeitlich dafür gesorgt, dass unsere Reporter befürchten mussten, rauchende Trümmer und traumatisierte Menschen vorzufinden.

Aber dem war nicht so. Die Dächer der Stadt erwiesen sich als so widerstandsfähig, wie es die Dachdecker versprochen hatten und dass die Versorgungslage dennoch katastrophal war, lag einzig daran, dass die Geschäfte sonntags nie geöffnet haben. Lediglich die Natur zeigte sich arg gebeutelt.

Auf dem alten Friedhof wäre es beinahe zu einer Tragödie gekommen. Am Treff der Anti-Alkoholgegner vorm Denkmal landete ein Baumstamm krachend direkt auf einer Parkbank. Aber die Beiden hatten einen Schutzengel.

Die von einem Konsortium stadtbekannter Sterngucker gemietete Bank entging nur knapp einer Katastrophe.

Kurz vor dem Zwischenfall war ihr Bier alle. Weil sie sich aufgrund von „Fäärschdänngsprrrblemen nüschd dsharauf einijenn“ konnten, wer Nachschub holt, gingen beide los. Nur Sekunden später schlug der Ast auf der Parkbank ein. Der Heilige Gambrinus hatte eine schützende Hand über seine Jünger gelegt.

Die am Baum verbliebenen Reste wetteifern nun mit dem gleich nebenan befindlichen urbanen Karzinom um das Prädikat der kreativsten Interpretation einer Naturkatastrophe. Dieses Motiv hat das Zeug, noch in den kommenden Wochen die Feuilletons der deutschen Presselandschaft zu füllen.

Zwei Interpretationsformen einer Naturkatastrophe.

Hier schließt sich der Kreis. Auch ein Baum ist nicht vor einer Darmspiegelung gefeit.

Nur wenige Meter weiter wird dem Spaziergänger gewahr, wie die Symbiose aus Mensch und Natur funktionieren kann. In der Leipziger Straße hat man nicht mit sinnfreien Geräten das Laub hin und her geblasen, sondern einfach auf die Kraft der Natur gewartet.

Sauber abgelegt: Tief Herwart als ökologisches Gebläse für nachwachsende Rohstoffe.

Herwart hat diese Geduld belohnt und die Blätter ordentlich auf Haufen gepackt. Jetzt müssen sie nur noch aufgeladen und abtransportiert werden. So funktioniert ökologisches Handeln in einer grünen Stadt am See!

Glatt in der Mitte durchgebrochen! Orkan Herwart schlug in Markranstädt mit der gesamten brachialen Urgewalt  der Natur zu.

Am schlimmsten gewütet hat Sturmtief Herwart allerdings im Stadtzentrum. Im roten Elefanteneimer an der Kreuzung Leipziger / Hordisstraße knickte der Orkan einen mehrere Millimeter starken Baum samt Takelage unterhalb der Krone ab. Zum Glück stürzte sie nicht auf den Gehweg, sondern schlug noch innerhalb des Behälters auf, der dabei ebenfalls nicht zu Schaden kam.

Ansonsten hat sich Herwart aber ganz ordentlich verhalten. In der Zwenkauer Straße, die meteorologisch wohl wie ein Tal in den Alpen wirkt, ließ er ein paar Dachziegel hernieder gehen.

Hier hat Tief Herwart wahrscheinlich mal kurz ein paar Dachziegel geniest. Immer noch besser, als wenn er gefurzt hätte.

Beim Passieren dieses Ortes schaut man automatisch besorgt nach oben und von daher ist das gelandete Gut durchaus geeignet, das prophylaktische Handeln der Fußgänger zu schulen.

Auch der Schilderwald hat was abgekriegt und wurde am Sonntag gelichtet. Sowohl in der Zwenkauer Straße als auch am Markt und an anderen Orten lag Windbruch rum.

Klimawandel nix schuld!

Umgefallene Schilder und weiterer Holzbruch am Krakauer Teich, in der Neuen Straße oder im Park komplettieren das Schadensbild, das sich dem Betrachter nachmittags in der Kernstadt bot.

Die Geräte auf dem Spielplatz sind ohnehin nur Deko-Artikel. Herwart hat in der Parkstraße Knüppel regnen lassen und damit für altersgerechte Beschäftigung nach der Schule gesorgt.

Es war zwar nicht viel Wind um nichts, aber dennoch nicht genug Schaden, um daraus klug werden zu müssen. Mit dem Klimawandel hat das noch immer nichts zu tun.

 

Von der Suche nach einem kleinen Nichts

In knapp acht Wochen ist Weihnachten. Haben Sie schon alle Geschenke zusammen oder wollen Sie es mal mit Aussteigen probieren? Raus aus dem Hamsterrad der Gabenjagd: Immer mehr Menschen versuchen das, aber es gelingt nicht. Unser Autor Ronny von de Kippe erklärt Ihnen, warum das nicht funktionieren kann.

Die Antwort gleich vorweg: Sowas kann nicht klappen, wenn eine Frau Vertragspartner bei einer solchen Vereinbarung ist. Man darf die femininen Teilnehmer unserer Gesellschaft aber nicht dafür verurteilen. Es ist die Natur. Sie hat es so eingerichtet, dass eine Frau niemals nichts schenken kann.

Deshalb wird die Initiative für sämtliche Versuche, sich mal nichts zu schenken, immer vom Manne ausgehen. Bei uns war das auch so. Jedes Jahr ein paar Socken, einen neuen Schlafanzug oder andere Waren aus der Kategorie „Kreative Geschenkideen für IHN“, das nervt nicht nur, sondern führt den Kleiderschrank im Laufe der Jahre auch an die Grenzen seiner Kapazität.

Und jedes Jahr neu dann auch meine kläglichen Versuche, mich überrascht zu zeigen und zu freuen. Kennen Sie doch auch, oder? „Oh, Socken! Die wollte ich schon immer mal haben!“ Ich falle ihr um den Hals und drücke sie ganz lieb. Nicht aus Dankbarkeit, sondern aus strategischen Gründen. Seit die Kinder aus dem Haus sind, gibt’s an Heilig Abend in der Regel auch mal Sex und den will ich nicht aufs Spiel setzen.

Socken und Seife

Einmal nur war ich in den letzten Jahren ganz nah dran an wahrer Freude. Die Schlagbohrmaschine hätte ich wirklich gern gehabt. Allerdings nicht als Textildruck auf der Krawatte, sondern in echt. Zumindest konnte ich mich wenigstens an ihrem Anblick erfreuen und daran, was ich hätte haben können. Ewige Vorfreude sozusagen. So hat man von Weihnachten das ganze Jahr was.

Auf der anderen Seite stapeln sich in Katrins Kosmetikfach im Bad meine kreativen „Geschenk-Ideen für SIE“ der letzten Jahrzehnte. Das Konvolut hat sich inzwischen zu einer antiken Wertanlage entwickelt. Allein die Patina auf manchen Parfümflaschen zeigt, dass sie wirklich – wie man heute so schön sagt – „aus der Zeit“ stammen.

Okay, manchmal habe ich wohl in der Tat etwas daneben gelegen. Ich erinnere mich noch, als sie das Fläschchen „Tamara“ von Jekatarina Monstranzowa ausgepackt hatte. Frauen drücken sich da ja immer ziemlich diplomatisch aus. Ganz überrascht hat sie mich angeschaut und dann gemeint: „Das ist ja toll, dass es das auch in Flaschen gibt. Ich war bis jetzt immer der Meinung, die Russen verkaufen sowas nur in Kanistern.“

Cup und Unterbrustweite

Der Traumberuf eines jeden Mannes. Voraussetzung: Große Hände!

Ich wollte ihr auch schon mal einen BH kaufen. Sozusagen als Geschenkidee für beide. Leider konnten die Verkäuferinnen anhand meiner Personenbeschreibung nicht verifizieren, welche Größe meine Frau trägt. Die Dimensionen der Körbchen habe ich ja noch beidhändig darstellen können, aber dass es da noch eine Unterbrustweite gibt, kann ein Mann schlechthin nicht wissen.

 

 

Es interessiert mich auch nicht, was unter der Brust ist. Wenn ich eine neue Mischbatterie fürs Waschbecken brauche, schraube ich im Baumarkt doch auch nicht die Griffe ab und schaue nach, was da für Ventile drunter sind. Hauptsache dicht! Auf das, was man sieht, darauf kommt es an.

Kein Wunder also, dass mit der Vernunft des Alters auch die Tradition des Schenkens auf den Prüfstand kommt. So hatten wir letztes Jahr folgerichtig festgelegt, dass wir uns nichts schenken werden.

Konnte ich wissen, dass man bei Vertragsabschluss im Kleingedruckten auch definieren sollte, was unter „nichts“ zu verstehen ist?

Das kleine Nichts

Wir Männer gehen ja immer von uns aus und da ist das Pronomen „nichts“ gleichbedeutend mit wirklich nichts. Null, leer, Vakuum! Das ist eigentlich auch bei Frauen so. Aber nur eigentlich.

Wenn ich eine plötzliche Wesensänderung an Katrin feststelle – meist handelt es sich um diesen ausdruckslosen Blick und außergewöhnlich lange Phasen des Schweigens – frage ich sie natürlich nach dem Grund. Nicht dass ich es nicht genießen würde, wenn sie mal schweigt, aber so nun auch wieder nicht. „Ach, nichts.“, antwortet sie da.

Erst am Abend erfahre ich durch Zufall, was sich hinter diesem Nichts verbirgt. Es sind existenzielle Zweifel an meiner Wahrnehmung. In Katrins Facebook-Profil sehe ich ihr übliches Gesicht und drunter die Gratulationen ihrer 165 Freundinnen zur neuen Frisur. Ich hasse Facebook!

…hab nicht mal den Bär gefunden

Nur wenn es um Sex geht, heißt „nichts da“ mitunter sogar, dass für den Rest des Monats nichts läuft. Da bekommen die alten Weihnachtslieder mitunter eine völlig neue Bedeutung. Es heißt ja nicht umsonst: „Meine Puppe ist verschwunden, hab nicht mal den Bär gefunden.“

Nur und wirklich nur wenn es sich darum dreht, dass man sich nichts schenkt, bedeutet nichts nicht nichts, sondern „was Kleines“.

Das sollte man als Mann unbedingt wissen, bevor man sich an Heilig Abend mit leeren Händen ins Wohnzimmer begibt. Andernfalls erlebst du unterm Christbaum das gesamte Konzentrat Stress, das du in den Wochen zuvor eingespart hast.

„Wem seins is’n das da?“

Ich komme also mit nichts mehr und nichts weniger als nichts in der Hand ins Wohnzimmer. Unterm Christbaum liegt ein kleines Paket, dem ich allerdings keine Beachtung schenke, da ich gemäß der getroffenen Vereinbarung auch nichts erwarte.

Die Antwort auf meine Frage „Wem seins is’n das da?“ nehme ich zunächst nicht ernst. Das Geschenk sei für mich, meint Katrin.

Als ich sie mit dem Inhalt unserer Vereinbarung konfrontiere, kontert sie mit einem Satz, den Sie, lieber Leser, sich unbedingt merken müssen. „Das ist kein Geschenk. Nur was Kleines.“ Ehrlich – nach einer solchen Ansage denkst du gar nicht mehr ans Auspacken. Da ist im Hirn kein Platz mehr für solche Gedanken.

Nackt vorm Weihnachtsmann

Es fühlt sich an, als hätte sie mir vor den Augen des Weihnachtsmannes die Hosen runtergezogen, um dem Bärtigen was Kleines zu zeigen und im nächsten Moment mit ihm lachend durch den Kamin abzufliegen.

Was Kleines! Das Kleine liegt als schon recht mondäner Karton unterm Christbaum und du stehst davor wie ein dummer Junge, der den Geburtstag seiner Mutter vergessen hat. Wenn die Frauen wüssten, was sie mit dieser lieb gemeinten Geste anrichten. Sie setzen ihre Männer quasi unter Schock! Vorbei mit Stille und Harmonie.

Panisch kreisen meine Gedanken allein um die Frage, wo man an Heilig Abend um 16:30 Uhr jetzt noch schnell ein Geschenk bekommt. Was Kleines wenigstens.

Der Weihnachtsmarkt ist längst geschlossen. Was noch geöffnet hat, sind die Kirche und die Tanke. Da man einen Segen nicht einpacken kann, bliebt nur noch der Gutschein für einmal tanken mit Autowäsche. Aber das kann ich Katrin nicht schenken.

Ich bin es schließlich, der ihren Wagen voll tankt und damit auch ab und an zur Wäsche fährt. Und ich mach das gern. Sehr gern. Ich reiße mich sogar drum! Außer montags. Da hat der Holzwurm geschlossen und ich brauche keinen Vorwand, um das Haus mit einem wichtigen Auftrag in Richtung Schachtbahn verlassen zu können.

Verzweifelte Bescherung

Tja, was nun, kleiner Mann? Verzweifelt lasse ich meine Gedanken in der Wohnung umher schweifen in der Hoffnung, etwas zu finden, das Katrin noch nicht gesehen hat. Ein Buch oder ein Stück Seife vielleicht? Irgendwas kleines. Aber da ist nix. Auch den Gedanken, die alten Feinstrümpfe aus der Schmutzwäsche zu holen und ihr als modische Probiersöckchen einzupacken, verwerfe ich.

Hätte ich wenigstens bei Weltbild dieses dämliche Rächerhaus gekauft. Noch nie hat ein billiger Druckfehler die Wahrheit so deutlich wiedergegeben wie bei diesem Produkt. Was hätte ich mich bei Katrin für das „was Kleines“ mit was Kleinem gerächt!

Der Rächer mit dem Rächerhäuschen.

Am Ende mache ich auf dem Klo heimlich ein Selfie von mir, drucke es im Arbeitszimmer aus und überreiche es Katrin mit den salbungsvollen Worten: „Schatz, wir haben doch uns. Das ist das größte Geschenk für mich.“

Hat gewirkt. Sie hatte sogar Tränen in den Augen. Ihrer Körpersprache konnte ich nicht genau entnehmen, ob es sich um Freude, Enttäuschung oder gar Wut gehandelt hat. Weil Weihnachten ist, gehe ich sinnstiftend von Freudentränen aus.

Bei der Kleinigkeit von ihr handelte es sich übrigens um einen Gutschein zum Ausdrucken von Fotos. Tolle Sache. Den werde ich dieses Jahr nutzen, um ihr ein neues Selfie zu schenken.

Das nennt man Kreislaufwirtschaft und es beweist, dass man auch zu Weihnachten durchaus nachhaltig agieren kann. Ressourcenschonend sozusagen. Denn obwohl wir uns wieder ausgemacht haben, dass wir uns nichts schenken, werde ich mich darauf nicht verlassen. Was Kleines sollte man immer in der Hinterhand haben.