Fragezeichen hinter der Blitzersäule

Was die historische Tragweite ihrer Geschichte angeht, so scheint die Causa „Blitzer“ in der Zwenkauer Straße der Frankenheimer Schranke den Rang ablaufen zu wollen. Gestern wurde der verbliebene Fotoapparat stadtauswärts auch für Aufnahmen in stadteinwärtiger Richtung ertüchtigt. Irgendwie scheint aber auch das nicht der Weisheit letzter Schluss zu sein. Folgt da bald noch ein Kapitel?

Was bisher geschah: In der Zwenkauer Straße wurde für jede Fahrtrichtung je eine Blitzersäule errichtet. Weil es der Deutsche aus Gründen des Rechts am eigenen Bild nicht mehr gewohnt ist, ungefragt fotografiert zu werden, setzt er sich zunehmend gegen solche Praktiken zur Wehr.

Findigen Rechtsanwälten ist bei der Aufarbeitung eines solchen Delikts aufgegangen, dass die Fotostele sowieso zu nah an der Ursache ihrer Existenzberechtigung stand. Also wurde sie entweiht und zurückgebaut.

Auf die Veröffentlichung belastbarer Zahlen wurde bei diesem Vorgang weitgehend verzichtet. Im Bemühen, ihn als juristischen Präzedenzfall unbrauchbar zu machen, erschöpften sich die Begründungen in schwammigen Floskeln. Trotzdem ist bei einigen Quellen durchgesickert, dass der Abstand zwischen 30er Schild und Blitzer wohl 150 Meter betragen müsse, sich im konkreten Fall aber auf nur 70 Meter belief.

Trotz fehlender Drohkulisse

Seither gab es nur noch den stadtauswärts positionierten Blitzer. Machte aber nichts. Sei es aus gewachsenem Bewusstsein oder inzwischen entwickelter Macht der Gewohnheit, auch stadteinwärts gingen die Bremslichter weiterhin an. Trotz fehlender Drohkulisse.

Man hätte die Situation also auch durchaus so belassen können. Hätte. Wenn da nicht die drängenden Fragen nach innerer Sicherheit wären, die gerade vor Bundestagswahlen immer lauter werden. Wenn er schon für wichtige Sicherheitsfragen in Sachen Unterbringung und Betreuung von Zuwanderern oft genug nicht zuständig ist oder gar nicht mehr wahrgenommen wird, muss der Landkreis wenigstens im Straßenverkehr zeigen, dass er noch zu etwas nutze ist.

Als weithin sichtbares Manifest dieser Existenzberechtigung wurde nun der bestehende Blitzer mit einem Objektiv auf der Rückseite ertüchtigt, um auch dem stadteinwärts rollenden Verkehr das unmissverständliche Zeichen zu geben, dass in dieser Stadt Zucht und Ordnung herrschen. Zumindest auf den Straßen.

Der Blitzer wurde gestern zweidimensoinal ertüchtigt.

Dieses wohltuende Gefühl, dass sich da jemand für unsere Sicherheit und endlich auch mal unser Bedürfnis nach Ruhe berufen fühlt, hat aber schon Risse bekommen. Denn wie war das gleich noch mal mit den Abständen? Hundertfünfzig Meter, siebzig Meter … Ja, jetzt kommt die Sache mit den 14 Metern.

Wenn jemand aus der Lausener Straße kommt und in die Zwenkauer Straße einbiegen will, verlässt er die Tempo 30-Zone. Das heißt, ab dem Punkt darf er 50 km/h fahren. Stadtauswärts wird dies erst an der Gartenstraße wieder eingeschränkt. Dort steht das Schild mit der Geschwindigkeitsbegrenzung 30. Dumm nur, dass sich der Blitzer nur rund 14 Meter dahinter befindet.

Im Rechtsverständnis des Durchschnittsbürgers bedeutet dies, dass man stadtauswärts erst bei einem Tempo über 50 km/h geblitzt werden darf. Alles andere wäre dann wieder eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild.

Nun ja, wenn man sich diesen Aktionismus so vor Augen hält, könnten einen tatsächlich Zweifel darüber kommen, dass es sich um eine Maßnahme für die Durchsetzung von Sicherheit und Lärmschutz handelt.

Viel eher hat es den Anschein, als sollten die Kosten von Auf- und Rückbau des Blitzers auf der gegenüberliegenden Seite wieder reingeholt werden. Ein mittlerer fünfstelliger Betrag war das immerhin.

30 oder 50, das ist hier die Frage. Wie hoch ist die zulässige Geschwindigkeit?

Aber ob es korrekt ist, das Teil bereits ab Tempo 30 blitzen zu lassen, ist zweifelhaft. Zumindest wenn man glaubhaft darstellen kann, dass man aus der Lausener Straße kam und wegen nahenden Verkehrs in erlaubtem Maße bis 50 beschleunigen musste.

Ende der 30er Zone in der Lausener Straße. Ab hier darf man bis zur Gartenstraße 50 fahren, doch nur 14 Meter dahinter lauert schon der Blitzer. Korrekt?

Tempo 30 dient in Markranstädt ausdrücklich dem Lärmschutz. Wo Ruhestörung aufhört und Lärm anfängt, darüber streitet man sich gegenwärtig auch auf einem ganz anderen Betätigungsfeld.

Es wäre dem Sicherheits- wie auch dem Ruhebedürfnis der Bevölkerung sicher dienlicher, wenn der Landkreis auch in diesem Bereich bei der Kontrolle und Ahndung  den gleichen Eifer an den Tag legen würde.

 

Digital-Offensive: Wenn Visionen real werden

Weine ruhig, wenn der Regen fällt – tam – tam…

Die Stadt Markranstädt trägt bekanntlich so einige hochkarätige Prädikate auf der Fahne vor sich her. Beinamen wie Sportstadt am See oder Energiesparstadt verleihen dem tristen Ortsnamen die begehrte Würde. Neuerlich sind sogar Bemühungen zu erkennen, einen weiteren Titel zu erkämpfen. Regensickerwassersparstadt steht jetzt scheinbar im Focus der Bemühungen. Da treiben nicht nur die Gerüchte, sondern auch die Straßeneinläufe mitunter seltsame Blüten.

Hintergrund der Zielstellung ist es offensichtlich, Kosten für die Regenwassereinleitung ins öffentliche Abwassersystem zu sparen und so das Haushaltbudget etwas aufzubessern. Ein Teil des eingesparten Kapitals wird heute schon für das aufwändige Begrünen der Straßeneinläufe verwendet.

Wie gar zu oft, ist aber auch diese Idee wieder mal viel zu kurz gedacht. In einer weiteren Etappe könnte man beispielsweise dazu übergehen, Jahrgangs-Begrünungen für Straßeneinläufe einzuführen. Die ohnehin knapp bemessenen Flächen für urbane Aufforstung könnten damit deutlich entlastet werden. Eine Win-Win-Situation für Volk und Raum sozusagen.

Liebevoll bepflanzter Straßeneinlauf in der grünen Umweltstadt am See.

Geht man nach einem Regenguss mit unverwässertem Blick durch die Straßen Markranstädts, kann man hier und da allerdings schon heute einige interessante Pilotprojekte für die Umnutzung von Regenwasser finden. Pfützen stehen aller Orten dort, wo eigentlich keine sein sollten. Und der an Markranstädt nicht vorübergehende Klimawandel bringt auch immer mehr nassen Nachschub auf die Straßen.

Ein ambitionierter MN-Reporter hat in den letzten Tagen mal eine kleine Auswahl an innovativen Lösungen zusammengestellt, mit der sich die Stadt am See diese Folgen des Klimawandels nutzbar macht. Entstanden ist eine wahrhaftige Hommage an Erfindergeist, Ingenieurskunst und planerische Weitsicht, die unsere Brüste aus Stolz über unsere Stadt auf mindestens Doppel-D anschwellen lässt. Hier also das Exposé.

Neue Straße / Lausener Straße

Ohne großen baulichen Aufwand wurde mit Hilfe der früher am Hotel vorfahrenden Reisebusse eine Senke in das neben der Straße liegende Grundstück gefahren. So entstand ein natürliches Rückhaltebecken, welches nicht nur das Regenwasser aufnimmt, sondern gleichzeitig dessen Ableitung in die Straßenentwässerung verhindert.

Rückhaltebecken Neue Straße

Dabei wurden auch interessante Synergie-Effekte erzielt. So ist ein Versanden des Vorfluters nicht zu erwarten, weil die nun an der Gemeinschaftsunterkunft haltenden Busse dafür sorgen, dass die naturnahe Senke regelmäßig tief genug eingefahren wird.

Und wenn sich die ersten Ringelnattern am entstandenen Biotop angesiedelt haben, wird diese Form der Regenwasserrückhaltung wohl auch dauerhaft Bestand haben. Ein wahrhaft epochales Beispiel für Nachhaltigkeit. Schon werden in enger Kooperation mit der Technischen Universität Bergakademie Freiberg Sicherungsmaßnahmen zur Standfestigkeit des bald entstehenden Steilufers erörtert, um Uferabbrüche wie am Concordiasee bei Nachterstedt zu vermeiden.

Feldstraße / Zwenkauer Straße

Ingenieurtechnisch ausgeklügelt: Rückhaltebecken Feldstraße.

Ein weiteres Regenrückhaltebecken wurde an der Einmündung der Feldstraße in die Zwenkauer Straße angelegt. Auch hier ist der Fortbestand gesichert. Bereits beim Neubau der Verkehrsachse haben die verantwortlichen Planer die Straßeneinmündung so effizient angelegt, dass rechts abbiegende Fahrzeuge auf jeden Fall über die Bordkante fahren müssen.

Sportcenter / Leipziger Straße

Beim Ausbau der Leipziger Straße ist sorgsam darauf geachtet worden, dass das Regenwasser nicht abfließen kann. Mit der zuständigen Straßenunterhaltungsbehörde wurde vereinbart, die Einläufe für das Regenwasser auf keinem Fall zu reinigen, so dass sich große, stauseeähnliche Pfützen bilden können. In der Gesamtheit aller Wasserflächen trägt das Ensemble schlussendlich den Charakter eines straßenverkehrlichen Naherholungsgebietes. Einmalig in Deutschland!

Standort Sportcenter: Wenn das Dach so dicht wäre wie der Abfluss, hätte man in der Sportstadt am See eine Sorge weniger.

Mehr noch. In Zusammenarbeit mit den Leipziger Verkehrsbetrieben wird dafür gesorgt, dass der angrenzende Garten mit dem zurückgehaltenen Regenwasser im Zehn-Minuten-Takt über den Gehweg hinweg bewässert wird. Aktuell prüft man in den handaufhaltenden Behörden, ob der Eigentümer des Gartens im Rahmen des Sächsischen Kommunalabgabegesetzes zur Zahlung von Gebühren für das Bereitstellen des Gießwassers durch die Stadt herangezogen werden kann.

Soziales Engagement: LVB hilft beim Bewässern privater Gärten.

Zwenkauer Straße / Teichweg

Vor knapp zwei Jahren wurde die Zwenkauer Straße im Zusammenhang mit der Sanierung des Abwassersystems aufwändig erneuert. Natürlich haben visionär denkende Ingenieure auch hier von Beginn der Arbeiten an sichergestellt, dass das Regenwasser nicht in eben dieses Abwassersystem gelangen kann.

So wurde das Pflaster am Fahrbahnrand gleich mal fünf Zentimeter tiefer gelegt als die vorherige Fahrbahn. Bionik nennt man diese wissenschaftliche Disziplin, in der man sich an den Beispielen aus der Natur bedient. Ähnlich der Kulkwitzer Vernässungsflächen, kann sich hier das Regenwasser nun am Fahrbahnrand sammeln.

Zwenkauer Straße tiefer gelegt und Fahrbahnrand damit dauerhaft ausgetrocknet. So einfach geht das!

Selbstredend wurde das Pflaster so lose verlegt, dass hier eine astreine Versickerungsfläche entstand. Die losen Fugen sind bis zu zwei Zentimeter breit und schon kann kein Regenwasser in den Straßeneinlauf gelangen. Demzufolge entstehen für dessen Ableitung auch keine Gebühren.

Zwischenzeitlich hatte sich die Initiative „Abwasser gehört in die Gosse“ gegründet und mit geradezu brachialen Mitteln versucht, das durchlässige Pflaster in der Senke mit einem Beton-Überzug zu versiegeln. Die Aktion war jedoch nicht von Erfolg gekrönt. Betonkrebs, saurer Regen, Kies aus Sachsen-Anhalt – warum auch immer: Alle Fugen sind wieder durchlässig und das Regenwasser kann zukunftsweisend versickern.

Gescheiterter Versuch, das durchlässige Pflaster zu versiegeln.

Nun sind die Fugen wieder zwei Zentimeter breit und das Wasser kann ungehindert in den Erdboden eindringen.

Ganzheitliches Gesamtkonzept

Im Ansinnen, ein nachhaltiges Verkehrskonzept mit dem Ziel der Verbannung des Schwerlastverkehrs aus der Stadt auszusitzen, tun sich wegen des Einsparens von Kosten für die Regenwassereinleitung allerdings riesige Konflikte auf. Gerade jener Schwerlastverkehr sorgt für solche eindrucksvolle Spurrinnen auf den Durchgangsstraßen, dass man bei deren Betrachtung fast schon an Tiefbaumaßnahmen denken möchte.

Das darin gespeicherte Regenwasser hat keine Chance, in die Einläufe zu gelangen. Und dann kommen eben diese LKW und spritzen die mühsam gesammelten Naturressourcen einfach an die Häuserfassaden. Dort werden sie vom Mauerwerk aufgesogen oder versickern langsam in den auf dem Gehweg entstandenen Pfützen.

Tiefbaumaßnahmen durch Schwerlastverkehr. Die sich durch Markranstädt ziehenden Gräben sollten bekanntlich schon längst zugeschüttet werden. Jetzt lässt man sie mit Wasser volllaufen. Im Neuseenland hat’s schließlich auch geklappt.

Nicht zu vernachlässigen ist auch das Regenwasser, welches von der Bekleidung einiger Fußgänger aufgesogen wird. Besorgte Mütter sollen schon darüber nachgedacht haben, ihre Kinderwagen mit Schwimmwesten auszustatten und bei Rossmann will man den Hype ausnutzen, indem saugfähige Inkontinenzprodukte für den ganzen Körper, wie der Full-Body von Tena, Pampers Overall-Adult für Erwachsene oder die Always-Burkas Lady complete ins Sortiment aufgenommen werden.

Ganz neu ist die Idee des Aufhaltens von Regenwasser allerdings nicht. Schon vor fast 20 Jahren wurde der Gehweg in der Zwenkauer Straße runde 15 Zentimeter tiefer als die Regenentwässerung gelegt. Und es funktioniert! Nach einem Regenschauer haben die Anrainer einen eigenen Pool vorm Haus. Kostenlos. Da sage noch jemand, das Merkmal Wohnen mit Seeblick wäre bei uns ein Verkaufstrick findiger Immobilien-Haie.

Wohnen mit Seeblick. Der Pool vor der Tür ist kostenlos. Mal sehen, wie lange noch. Demnächst gibt’s hier bestimmt einen Bescheid über die Erhebung von Kurtaxe.

Optimistisches Fazit

Natürlich ist es schwer zu bemessen, wie hoch der Einsparungseffekt aller Maßnahmen ist. Es kann aber schon als Erfolg betrachtet werden, dass für die Unterhaltung und Reinigung der Straßeneinläufe kein Geld ausgegeben wird. Bleibt nur zu hoffen, dass die Stadtverwaltung die eingesparten Mittel nützlich einsetzt. Vorschläge dazu gibt’s zwar grade mal keine, aber vielleicht fällt Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, was ein?

Die schlechteste Idee wäre allerdings, mit dem eingesparten Geld die Reinigung der Straßeneinläufe zu bezahlen. Da würde sich die Katze irgendwie in den Schwanz beißen. Aber möglicherweise könnte man das nicht in den Schleusen landende Regenwasser mittels einer Umpumpstation nach Seebenisch befördern? Platz steht ja dort gerade ausreichend zur Verfügung.

 

Eindrucksvolles Votum für nichts

Die MN-Umfrage zur Namensfindung für die neue Kita ist abgeschlossen. Sie endete mit einem geradezu überwältigenden Ergebnis. Eine eindrucksvolle Mehrheit hat bekundet, dass es ihr scheißegal ist, wie die in Bau befindliche Kinderaufbewahrungsanstalt später mal genannt wird. Also wird’s dann wohl doch auf die originelle Variante „Kita am Stadtbad“ hinauslaufen.

Im Gegensatz zu den politischen Wahlverfahren fußte die Umfrage der Markranstädter Nachtschichten von Beginn an auf demokratischen Grundfesten.

Wenn beispielsweise zur kommenden Bundestagswahl niemand hingeht, würde Angie ihre eigene Stimme reichen, um wieder Kanzlerin zu werden.

Bei den Markranstädter Nachtschichten sind solche Auswüchse diktatorischer Mehrheitsbeschaffung streng verpönt. Hier wählen auch die Nichtwähler mit, ob sie nun wollen oder nicht.

Und wenn es bei unserer Umfrage abzüglich der Stimmen der eigenen MN-Sklaven grade mal 81 Bürgerinnen und Bürger geschafft haben, den Mauszeiger dahin zu bewegen, wo man klicken kann, dann ist das eine völlig unbedeutende Minderheit, die zu Recht nichts zu melden hat.

Lassen wir kurz die Mathematik sprechen. Immerhin 63 Prozent der abgegebenen Stimmen entfielen auf den Kita-Namen „Fix & Foxi“.

Damit wäre das der Sieger gewesen, wenn sich dahinter nicht die lächerliche Zahl von 56 Stimmen verbergen würde, was knapp 4 Prozent der MN-Leser entspricht und – noch schlimmer – lausige 0,4 Prozent des gesamten Markranstädter Bürgertums widerspiegelt.

Kläglich gescheitert…

Mit einem solch erbärmlichen Votum im Rücken kann man unmöglich beim Bürgermeister auflaufen und ihm einen Antrag zur Namensgebung der Kita unterjubeln. Satire darf zwar lustig sein, aber lächerlich machen sollte man sich damit möglichst nicht. Also wars das dann mit dem Versuch, sich einzubringen.

Die MN-Mitstreiter mit Markranstädter Wurzeln hatten es eh schon prophezeit, dass das eine Luftnummer wird. Man kann den Markranstädter fragen, wogegen er ist – das würde funktionieren, sagen sie. Da kann man meckern und mal richtig Luft ablassen. Frage ihn aber nie, wofür er ist und gleich gar nicht, wenn er so neumodische Dinge tun muss wie mit der Maus zu klicken.

Was bleibt? Vielen Dank all den Leserinnen und Lesern, die den Spaß mitgemacht haben. Aber auch den anderen Teilen des Publikums sind wir keineswegs böse. Bleiben Sie schön ernst und lesen Sie die Ihnen dargebotene Satire ruhig weiterhin im Verborgenen. Das Leben ist auch ohne Spaß bitter genug.

 

Der letzte Sonnenstrahl

Sonntagabend kurz nach 18 Uhr. In London geht der Siebenkampf bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften gerade in die entscheidende Phase, da ertönt die englische Nationalhymne. Siegerehrung im Siebenkampf. Auf dem Treppchen stehen nur zwei Frauen, dazu noch in „Zivil“. Eine von beiden ist sogar schwanger. Und weil die andere Frau in Markranstädt wohnt, haben wir mal genauer auf die ungewöhnliche Szene geschaut.

Sportinteressierte Leserinnen und Leser wissen natürlich um die besonderen Umstände dieser besonderen Siegerehrung. Die vor wenigen Wochen zurückgetretene Siebenkämpferin Jennifer Oeser ist seit gestern offiziell zweifache Vizeweltmeisterin.

Ihren einstigen dritten Platz von den Titelkämpfen 2011 in Daegu hat sie an die Polin Tyminska abgetreten. Die war zu dieser Sondersiegerehrung allerdings gar nicht erst gekommen.

Weltmeisterin ist jetzt die inzwischen ebenfalls zurückgetretene Britin Jessica Ennis-Hill und ihr zu Ehren erklang auch das „God save the Queen“ im Stadion. Alle Teilnehmerinnen des Siebenkampfes von 2011 sind quasi einen Platz nach vorne gerutscht.

Jennifer Oeser mit ihrer Bronzemedaille von Daegu. Am Sonntag ist daraus eine Silberne geworden.

Der Grund: Die Russin Tatjana Chernova, die den Titelkampf damals gewann, hatte sowas wie einen deutschen Dieselmotor im Leib, inklusive Schummelsoftware in der Harnröhre. Erst Jahre später, im Oktober 2016, wurde festgestellt, dass ihre Abgaswerte eindeutig zu hoch waren.

Sperre statt Rückruf in Werkstatt

In der Wirtschaft regelt man sowas mit einem Krisengipfel und dem Rückruf in die Werkstatt, begleitet von einer durch die Autoindustrie verfassten Regierungserklärung.

Erklärungen gibt es im Sport hinsichtlich Dopings auch. Aber eine Sportlerin kann man nicht eben mal in die Werkstatt zurückrufen und dort die Prostata gegen eine neue Sonde tauschen, die niedrigere Testosteronwerte meldet. Da gibt’s nur Sperren und rückwirkende Aberkennung von Plätzen oder Titeln.

Mehr allerdings nicht. Die Siegprämien können die überführten Athleten behalten und während ihrer Sperren dürfen sie sogar unkontrolliert weiter dopen. Frisch gestärkt geht’s dann nach Ablauf der Sperre wieder in die Wettkämpfe.

So geschehen etwa 18 Stunden vor Oesers nachträglicher Siegerehrung in London. Kurz vor Mitternacht beginnt am Samstag der große Showdown im 100-Meter-Sprint der Herren. Das letzte Rennen von Superstar Usain Bolt. Qualifiziert hat sich für dieses Finale allerdings auch Justin Gatlin.

Epo-Justin, wie er hinter vorgehaltener Hand schon mal genannt wird, wurde in der Vergangenheit bereits zweimal des Dopings überführt. Nach dem ersten positiven Test erhielt er eine zeitweilige Sperre, nach dem zweiten wurde er den Regeln entsprechend auf Lebenszeit aus dem Verkehr gezogen. Findige Anwälte hauten ihn da aber raus und so darf er nun wieder starten.

Katastrophe kam in unter 10 Sekunden

„Ich find’s schade, dass der hier im Finale ist“, tönte denn auch ein Reporter des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Aber Gatlin war da und in den nur knapp zehn Sekunden nach dem Knall der Startpistole nahm die Katastrophe ihren Lauf.

Dass Usain Bolt nicht immer gewinnen kann, war klar. Aber dass mit Gatlin ausgerechnet ein Mann mit der Vergangenheit eines Chemie-Baukastens Weltmeister 2017 wird, hat den Titelkämpfen in London nachhaltig einen schwarzen Stempel aufgedrückt.

Da half es auch wenig, dass IAAF-Präsident Sebastian Coe die neuen Medaillen für Jennifer Oeser und Jessica Ennis-Hill persönlich überreichte. Neben den alten Wunden, die er mit dieser Salbe zukleistern wollte, waren Stunden zuvor neue geschnitten worden. Klaffende, tiefe und sicher lange blutende Verletzungen des Sports.

Mit dem Brexit hat scheinbar auch die IAAF ihre Probleme und so findet die Satire auch nach der gestrigen Korrektur-Siegerehrung kein Ende. Ob Jenny nach Bronze und Silber demnächst eine weitere Medaille bekommt? Auf dem ihr gestern verliehenen Exemplar ist sie jedenfalls Britin (GBR) und nicht Deutsche (GER).     (Foto: J. Oeser)

Die aus diesen Wunden eiternden Schmerzen verdeutlicht ein Vergleich der Siegerehrungen. Beim 100-Meter-Sprint wurde der Drittplatzierte Bolt wie ein Sieger gefeiert und Gatlin nach allen Regeln der Musiklehre derart ausgebuht, dass sogar die amerikanische Nationalhymne wie eine Sakraloperette in Moll klang.

Nationalhymnen in Moll und Dur

Anders die Stimmung, als Jessi und Jenny aufs Treppchen stiegen. Das war trotz der inzwischen vergangenen sechs Jahre noch mal Emotion pur. Sogar das eine oder andere Tränchen kullerte da die Wangen runter. Ein letzter Sonnenstrahl, der durch die aufziehenden Wolken am Leichtathletik-Himmel dringen konnte.

Die nachgeholte Siegerehrung am Samstag in London (einfach aufs Bild klicken und genießen).

Jennifer Oeser hat vor ein paar Monaten auch gegenüber den Markranstädter Nachtschichten wiederholt, dass es nichts bringt, die Ergebnislisten alle paar Jahre neu zu schreiben, wenn wieder mal eine geöffnete B-Probe nach verfaulter Jagdwurst stinkt. Da muss mehr passieren!

Genau da liegt der Hund begraben. Unter der Unsicherheit über die Ehrlichkeit einzelner Athleten leiden ausschließlich die Ehrlichen. Schon gibt es Stimmen, die (freilich eher noch aus Spaß) den warnenden Finger heben und meinen, irgendwann werde dann sicher auch mal festgestellt, dass Usain Bolt in einem russischen Gen-Labor hergestellt wurde und eigentlich eine chinesische Schwimmerin werden sollte.

Der Sport wird zum Treppenwitz

Solche Witze und manchmal eine nachträgliche Ersatz-Siegerehrung ist alles, was vom Unterhaltungswert des internationalen Leistungssports geblieben ist. Schalten wir also unsere Fernseher in der beruhigenden Gewissheit aus, dass beim Abgesang der ehrlichen Leichtathletik eine Markranstädterin dabei war.

Herzlichen Glückwunsch zu Silber, Jenny!

 

Einschulung (noch) ohne Christbaum

Wer selber keine Kinder hat und auch nicht in der Verwandtschaft, der hat spätestens am Samstagabend mitbekommen, dass da was abgeht. Unter lautem Geknalle stiegen Feuerwerksraketen in den Markranstädter Nachthimmel. Nein, es war nicht Silvester und keine Reminiszenz an den Klimawandel oder die Verschiebung der Jahreszeiten. Nur Einschulung. Die feiert man heute so.

Allein die Natur weiß das nicht und so begab sich die wechselwarme Tierwelt nach der samstäglichen Knallerei vorsichtshalber in den Winterschlaf.

Früher gabs eine Zuckertüte und den gebrauchten Ranzen vom großen Bruder und fertig war der Lack in Sachen Einschulung.

Im Laufe der Zeit wurden aus den Zuckertüten dann allmählich Transportboxen für Heimelektronik, unter deren Last der kleine ABC-Schütze zusammenzubrechen drohte. Deshalb fuhren die Eltern schon mal mit dem Auto vor oder brachten wenigstens eine Sackkarre mit.

Heute reicht nicht mal mehr das. Entsprechend der übers Jahr verteilten soziokulturellen Steigerungsformen muss Ostern das Weihnachtsfest toppen, die Geburtstagsfeier Ostern, der Kindertag die Geburtstagsfeier, diese dann das Fest zur Einschulung und schlussendlich muss dann Weihnachten noch geiler werden als der Schulanfang und letztes Weihnachten sowieso.

Die Industrie stellt sich derweil auf die im nächsten Jahr aktuelle Steigerung ein. Dann wird zum Schulanfang der Christbaum geschmückt, an Halloween gibt’s Zuckertüten und zu Weihnachten werden hässliche Masken von Horror-Clowns an die Obstbäume gehängt.

Das Leben ist Veränderung und welcher Tag ist dafür bezeichnender als so ein Schulanfang? Wie auch immer: Das Team der Markranstädter Nachtschichten wünscht allen ABC-Schützen ganz konservativ und in schwarz-weiß alles Gute für den Start in den neuen Lebensabschnitt.

Und vielleicht habt Ihr, liebe Kinder, an diesem Tag schon die ersten Lehren fürs Leben gezogen? Es waren zwar Eure Feiern, aber was da am Samstag in der Nacht zum Sonntag stockbesoffen und gröhlend durch Markranstädt zog, hat vielleicht mit Euch gefeiert, aber es sind nicht die Vorbilder, die zu erreichen Ihr ab jetzt die Schulbänke drücken müsst.