Touristenmagnet Zschampert: Brücken ins Nichts

Sodawasser kennen Sie? Na klar doch. Hat allerdings nichts mit dem gleichnamigen Mineral zu tun und gleich gar nichts mit Waschsoda oder Ätzsoda. Eher mit Speise- oder Backsoda, dem Natriumhydrogencarbonat (NaHCO3). Seit der Mensch Bauplanung betreibt, gibt es allerdings auch Soda-Brücken. Die heißen so, weil sie eben mal „so da“ sind. Völlig sinnentleert, funktionslos, aber eben da. So wie die neuen Zschampert-Viadukte in Göhrenz.

Eine der berühmtesten Soda-Brücken Deutschlands steht bei Euskirchen unentschlossen in der Gegend umher. Sie wurde in den 70er Jahren mitten im Feld gebaut und sollte den Verkehr der geplanten A 56 ertragen.

Gegen die unvollendete Planungsgeschichte dieser A 56 lesen sich der Toilettenbau am Kulki, die Kita am Bad und der Anbau an der Grundschule zusammen wie eine langweilige Kurzmeldung vom Häkelzirkel des katholischen Frauenschweigekreises Worpswede.

Die Sodabrücke bei Euskirchen. In Beton gegossenes Monument deutscher Planungsweitsicht.

Da steht sie also nun thronend im Feld, die Euskirchener Autobahnbrücke. Nur einmal in ihrem fast 50-jährigen Leben hatte sie eine Art Zweck. Am 15. Juni 2001 hatte die Kölner Rockgruppe BAP hier ihren Auftritt und ließ das Bauwerk dann sogar auf dem Cover ihrer Platte in die Musikgeschichte eingehen.

Brücken aus NaHCO3

Fast genauso alt ist die Soda-Brücke in Castrop-Rauxel-Frohlinde. Als der Bau der geplanten vierstreifigen Schnellstraße zwischen Bochum und Dortmund schon nach anderthalb Kilometern aufgegeben wurde, hatte man sich nicht einmal mehr die Mühe gemacht, wenigstens noch den zweiten Brückendamm aufzuschütten. So, da steht sie also so da.

Die Sodabrücke bei Castrop-Rauxel könnte als Frühform des sozialen Wohnungsbaus bald unter Denkmalschutz gestellt werden. (Foto: DerHessi – CC BY-SA 3.0)

Inzwischen ist fast ein halbes Jahrhundert ins Land gegangen. Soda-Brücken sind längst keine Schlagzeilen mehr wert. Als Zeichen des Wohlstands einer Gesellschaft werden heute Soda-Flughäfen gebaut oder unterirdische Soda-Bahnhöfe und ähnliche Geldgräber.

Touristische Anziehungspunkte

Ist ja auch einfach. Wenn das Geld alle ist, wird dem Steuerzahler von hinten in die Tasche gegriffen (CDU rechts, SPD links) und weiter geht die unendliche Geschichte. Noch nie ist ein Bauherr, Planer oder Generalunternehmer zur Verantwortung gezogen worden und auch Jahre nach Fertigstellung des Leipziger City-Tunnels konnte noch nicht ermittelt werden, welcher Rechenfehler aus 400 Millionen Euro eine Milliarde gemacht hat.

Soda-Schleuse bei Wüsteneutzsch. Die Planungsfehler, die hier zum Baustopp führten, lagen auf anderen Gebieten.

Eines der wenigen Soda-Bauwerke, das nicht auf Bauplanungsfehler zurückzuführen ist, steht übrigens ganz in der Nähe von Markranstädt. Die unvollendete Schleuse am Ende des ebenfalls unvollendeten Elster-Saale-Kanals bei Wüsteneutzsch ist wohl eher auf militärische Planungsfehler zurückzuführen als auf mangelnde baufachliche Kompetenzen.

Der Einfallsreichtum der Göhrenzer ist legendär. Schon wird die neue Sodabrücke über den Zschampert als Parkplatz genutzt.

Aber selbst Wüsteneutzsch ist zu weit entfernt von Markranstädt, als dass man damit im touristischen Konzept der grünen Energie- und Sportstadt am See nachhaltig punkten könnte. Schließlich kann man nur selbst vermarkten, was einem auch selbst gehört.

Als die lokale Presse im November Stadträtin und Göhrenzer Ortsvorsteherin Dr. Ingrid Barche mit reichhaltigem Lob für die Sanierung der Ortsdurchfahrt zitierte, wurde das eigentliche Kernelement geradezu sträflich verschwiegen. Jawollja, Göhrenz hat jetzt wenigstens zwei Sodabrücken. Und nicht nur das. Sie führen sogar über Sodawasser hin ins Sodanirvana.

Neues Zschampert-Viadukt: Wer hier drüber fährt, der weiß, wie das Sprichwort entstand: „Ich glaub, ich steh‘ im Wald!“

Gut, so ganz funktionslos sind sie nicht. In Göhrenz ist man einfallsreich, wenn es um die Nutzung nutzlosen Verkehrsraums geht. Man kann Autos drauf abstellen, Container oder sogar mal ein Dixi-Klo. Da bekommt der Begriff vom stillen Örtchen ganz schnell mal völlig neue Dimensionen.

Jede Brücke ist quasi eine Übergangslösung. Schön, wenn sie so verkehrsberuhigt liegt, dass man sie als stilles Örtchen nutzen kann.

Auch wenn sich das Investitionsvolumen dieser Brücken nicht annähernd mit ihren großen Vorbildern wie Stuttgart 21, dem Berliner Flughafen oder den Sodabrücken in Euskirchen und Castrop-Rauxel messen kann, sind die Zschampert-Viadukte doch gut zu vermarkten. Und ganz sicher werden sie sich auch hervorragend ins touristische Konzept integrieren lassen.

Sie erinnern sich? Der Neubau eines Hotels ist zumindest offiziell noch nicht vom Tisch. Da ist es doch schön, wenn man Investoren und künftigen Gästen ein paar Attraktionen zu bieten hat.

 

Der lange Schatten des Richters Jörg L.

Wir haben ernste satirische Konkurrenz bekommen! Ein Portal bietet übers Internet Markranstädter Wohnungen nicht nur zu Preisen wie in Hollywood an, sondern liefert dazu auch noch Begründungen, die einem das Zwerchfell platzen lassen … könnten. In einem Inserat werden aber offenbar auch noch sexuelle Dienstleistungen erwartet. Okay, dafür kostet der Quadratmeter in der Hordisstraße neuerdings nur 14 Euro kalt. Warum also nicht? Die Staatsanwaltschaft scheint ja bislang auch nichts dagegen zu haben.

ticari.de heißt der neue, wenn auch unfreiwillige Shooting-Star am Satirehimmel. Und der hängt bei dem offenbar in der Schweiz geborenen eBay-Imitat mit seriösem Anspruch wirklich voller Geigen.

Da wird ein Foto von der Einfahrt im Alten Ratsgut zwischen Edeka und Pflegedienst schon mal mit dem Text garniert: „Durch diese hohle Gasse ist Tell`s Tip nicht nur für Schweizer“.

Auch sonst verlässt man sich nur ungern auf die deutsche Sprache, vermischt sie dagegen gern mal mit dem Englischen unter Verwendung von italienischen Endungen mit spanischen Akzenten und selbst chinesische Schriftzeichen tauchen hier und da auf.

Wenn man beispielsweise lesen muss: „Hallo! 1 cosy condo furnished Appartement ab sofort in Leipzig-Markranstädt zu vermieten.“, könnte man nie und nimmer annehmen, dass Wilhelm Tell tatsächlich den Apfel getroffen hat. Vielmehr muss wohl der vom alten Goethe beschriebene Pfeil sinnstiftend ein paar Zentimeter tiefer stecken geblieben sein.

Aber das ist nur der Anfang des Spaßes. Einer der Inserenten, dessen deutsche Vorwahl 0511 auf Hannover hinweist, bietet doch tatsächlich eine 1-Zimmer-Wohnung mit 25 Quadratmetern in der Hordisstraße (Altes Ratsgut) zum Mietpreis von monatlich 349 Euro (kalt) an. Fast 14 Euro pro Quadratmeter! Das muss man sich nur nicht mal reinziehen, sondern aufmerksam durchlesen.

Gut – einem Wessi, der noch nie weiter als bis Helmstedt kam, sollte man es sicher nachsehen können, wenn er den Flughafen Leipzig in 3 bis 10 Minuten von der Hordisstraße entfernt vermutet.

Spätestens wenn er sich nach der nächsten Wende im Kanton Markranstädt sein Begrüßungsgeld abholen will, wird ihm beim Marsch vom Flughafen durch die Elsteraue jedoch ein Licht aufgehen, wie endlos weit der wilde Osten sein kann.

14 Euro/m2: Fast geschenkt

Eine weitere Wohnung im Alten Ratsgut ist zwar mit 298 Euro günstiger, lässt aber die Größenangaben vermissen. Dafür verfügt sie über eine ganze Reihe extravaganter Alleinstellungsmerkmale.

So sind die Nebenkosten von der Zahl der Personen abhängig, die da wohnen wollen. Eine Person zahlt nur 112 Euro, für zwei Personen will der Vermieter 149 Euro. Aber das ist längst noch nicht die Krönung des Exposés.

Bilder: screenshots ticari.de

Unser Miethai aus Hannover hat offenbar auch ganz konkrete Vorstellungen, wer da künftig in einer von ihm angebotenen Wohnung residieren soll.

Suche gescheiterte Juristin mit viel Titten und wenig Hirn

Die Person soll bevorzugt weiblich, gleichzeitig auch angehende Juristin mit Prüfung sein und als ob das nicht reichen würde, wäre es vorteilhaft, wenn sie diese Prüfung bei Richter Jörg L. abgelegt hat.

Richter Jörg L.? Da war doch was? Na klar doch, war das nicht der … ach, lesen Sie selbst.

Die Botschaft ist kaum misszuverstehen. Gesucht wird wohl eine nymphomanische Jura-Studentin, die ihr komplettes Hirn in gigantischen Herzkranzgefäßen (mindestens ab Cup H) trägt und ihr Staatsexamen ebenso wie die monatliche Miete in möglichst täglichen Raten abbumsen muss.

Da wirds wohl mit der „quiet area“ (ruhigen Lage) bald vorbei sein?

Also liebe Markranstädter Single-Frauen oder Damen mit unerfülltem Sexleben: Einfach die 0511/ 45 9 15 21 oder 0177/ 93 94 524 anrufen und schon werden Sie wahrscheinlich geholfen. Sie kriegen 25 Quadratmeter für monatlich 349 Euro kalt geschenkt (vielleicht sogar mit Besteck) und alle Sorgen sind wie weggeblasen.

Selbst Gedanken an die Mietpreisbremse, das Grundgesetz und das BGB oder unlautere Geschäftsgebaren kommen bei so viel Kaltschnäuzigkeit gar nicht erst auf.

Ja, Sie kommen bei der Abarbeitung Ihrer Pflichten nicht mal auf die Idee, dass man im Darknet für vier Monatsmieten schon eine Mumpelspritze samt nötigem Zubehör bekommt, mit der man solche Inserate quasi per Klick nachhaltig löschen kann.

+ + + t i c a r i . d e  + + +   l e b s t   D u  n o c h ,  o d e r   w o h n s t   D u   s c h o n ? + + +

Zwischen Ehren und Amt

Beim Neujahrsempfang des Bürgermeisters saß Michael Zemmrich im KuK noch artig unter seinesgleichen im Volk und freute sich aufrichtig mit den für ihr Ehrenamt Gewürdigten. Als Pfarrer hat man in der gesellschaftlichen Wahrnehmung offensichtlich schon von Berufs wegen das Recht aufgegeben, selbst für etwas geehrt werden zu dürfen. Schließlich wird man dafür bezahlt. Umso mehr setzte die Verleihung des Ehrenamtspreises 2016 des Landkreises am vergangenen Freitag ein weithin beachtetes Zeichen.

Pfarrer Michael Zemmrich erhielt im Geithainer Rathaus den Ehrenamtspreis 2016. Nicht für sein Wirken als Pfarrer, als Amtsverweser für fünf Sakralbauten oder Verwalter von sieben Friedhöfen.

Auch nicht als zentraler Ansprech-Papa eines Kindergartens, wobei er da mitunter wohl selbst nicht immer gleich unterscheiden kann, ob jetzt der seines Arbeitgebers in der Marienstraße oder der am Markt gegenüber der Kirche gemeint ist.

Nein, Laudatorin Beate Lehmann wies ausdrücklich darauf hin, dass Zemmrich „sehr, sehr viel mehr“ leiste, als man von einem Pfarrer gemeinhin erwarte.

Ihre Laudatio war eine sachlich und von ihr bekannt emotional gelungene Zusammenfassung der Gründe, warum kein Weg an dieser Würdigung vorbei führen konnte. Im Geithainer Ratssaal herrschte während ihrer Worte ohrenbetäubende Stille.

Sicher wäre dieser Akt schnell vergessen, wenn der Vorschlag zu dieser Auszeichnung von der Stadtverwaltung, einer Partei, dem Gemeindekirchenrat oder einem anderen Gremium gekommen wäre. Das hätte dann die Färbung eines Bundespräsidenten gehabt, der – wie der Begriff schon zum Ausdruck bringt – nur von Profiteuren dieser Personalie gewählt wird und nicht vom Volk.

… und plötzlich … zeng!

Bei unserem Pfarrer war das anders. Der wurde aus der Bürgerschaft vorgeschlagen, was möglicherweise auch für den Landrat und seine Jury mal eine ganz neue Erfahrung war.

Man glaubt fast, selbst mitfühlen zu können, wie das ist, ständig am Ackern für Andere zu sein und zusehen zu müssen, wie die Lorbeeren an einem vorbei gleiten und dann plötzlich … zeng!

Ja, diesmal hat’s nicht nur den Richtigen erwischt, sondern endlich auch mal einen, der es nachhaltig verdient hat. Sogar namhafte Ultras unter den Markranstädter Atheisten äußerten sich am Wochenende anerkennend und zündeten beim Abendappell eine Kerze unter der Stalin-Büste an.

Was kann man dazu noch sagen, das Beate Lehmann in ihrer Laudatio nicht schon gesagt hat? Unter Hinweis auf die bei offiziellen Anlässen übliche Formel „Es gilt das gesprochene Wort“ können und sollten Sie hier einfach mal nachlesen, was uns Markranstädter so stolz sein lässt auf unseren Pfarrer. Diese Lektüre lohnt sich.

Der sich den Wolf tanzt

„Der die Gräben zuschüttet“ ist wohl in der Tat nicht so weit entfernt von dem, der mit dem Wolf tanzt. Das ist eben die diplomatische Poesie, die dann auch den Streithähnen bei den letzten Bürgermeisterwahlen unterstellt, dass sie „durch feinfühlige Mediation und konstruktive Gespräche auf die Grundwerte einer demokratischen Streitkultur“ zurückgeführt wurden.

Wie gerne hätte der stille, aber konsequente Verfechter sozialer Gerechtigkeit nicht lieber mal ordentlich mit der Faust auf den Tisch geschlagen? Allein dass er es nicht tat und statt dessen mit eben dieser feinfühligen Mediation dem Ziel näher kam, ist diese Würdigung wert.

Und dann ist da noch die Zeit einer anderen Spaltung, als man Refugees entweder bedingungslos willkommen hieß oder ebenso kompromisslos ablehnte. Wer hatte da noch Gedanken an all die anderen Teilnehmer unserer Gesellschaft, die sich im plötzlichen Dunkel dazwischen befanden und von dieser längst abgehakt wurden? In diesem ganzen Für und Wider war kein Platz mehr für all jene Menschen, die auch litten und noch immer leiden.

Was hätten wir bei den Markranstädter Nachtschichten nicht alles drum gegeben, dass uns der Begriff vom „Aufmerksamkeitsentzug“ eingefallen wäre? Und dann noch der Mut der Gewissheit, angesichts solcher Formulierungen im Friendly Fire durch die eigenen Leute zu fallen. Wir hätten Märtyrer werden können!

Pfarrer Zemmrich machte statt dessen weiter und baute mit seinen Mitstreitern ein Sozialkaufhaus auf. Nicht allein für die Ärmsten unter den armen Deutschen oder nicht allein für Flüchtlinge, sondern für alle. Also für Menschen.

Vielleicht wäre es auch eine schöne Geste gewesen, wenn sich der Kurator mit diesem Wirken für Menschlichkeit ein wenig deutlicher identifiziert und die Urkunde mit ein paar Noten versehen hätte, an deren Musik unser Pfarrer ganz sicher auch die Bedürftigen hätte teilhaben lassen.

Aber dann wär’s wahrscheinlich kein Ehrenamt mehr. Zumindest laut Gesetz, nach dem es auch keine Armut bei uns gibt.

Lob muss man aushalten können

Aber andererseits kann dahinter auch ein tieferer Gedanke stecken. Materielle Anerkennung hätte unser Pfarrer sicher gleich an die Menschen weitergereicht, denen es an solch grundlegenden Dingen fehlt. Eine Urkunde dagegen kann man nicht essen und deshalb muss er sie behalten. Das ist das Los eines gewürdigten Ehrenamtlers. Wie hieß es doch gleich in der Laudatio? „Auch Lob muss man aushalten können.“

Es ist ein schönes Lob und wir dürfen stolz und froh sein, einen solchen Menschen in unserer Stadt zu wissen. Die Urkunde? Na ja – mehr ein Denkzettel sozusagen. Viel wichtiger ist die Person, die ihn bekommen hat.

 

Albersdorf hat jetzt sein „nein-ilewwen“

Das ohnehin recht spärliche Bauensemble der Ortschaft Albersdorf ist seit gestern um ein Gebäude ärmer. Nicht auszuschließen, dass ein Poet dazu beigetragen hat. Dichter Nebel soll es gewesen sein. Kurz nach 9 Uhr kam es im Ortszentrum quasi zu einem Akt bemannter Architekturkritik, als sich ein PKW in einem Gebäude verfuhr.

Was letztendlich die Ursache war, ist noch nicht geklärt. Aber wer die Straße von Lausen nach Albersdorf kennt, der weiß, wie verlockend weit sie sich gradeaus erstreckt. Und wenn dann plötzlich die Kurve kommt und das auch noch im Nebel…

Jedenfalls habe der Kraftfahrer unter Nichtnutzung der Straßenkrümmung bei gleichzeitiger Wahrnehmung der physikalisch wirkenden Vektorkräfte erst einen Telegrafenmast gefällt und dann seinen Wagen da abgestellt, wo früher mal der B 1000 der Feuerwehr stand.

Allerdings war es dem Steuermann wohl nicht möglich, das Gebäude erst einmal zu umrunden, um die eigens für das Abstellen von Fahrzeugen an dessen Stirnseite errichtete Zufahrt zu nutzen.

Kurzerhand wurde also mit Vmax ein Seiteneingang geschaffen, der wiederum das statische Gesamtgefüge des Baukörpers aus dem Gleichgewicht brachte.

Das ehrwürdige Gemäuer ächzte noch einmal kurz auf und ergab sich dann seinem spätestens mit der Zusammenlegung der umliegenden Feuerwehren ohnehin entleerten Dasein. Die Kameraden der Markranstädter Feuerwehr hatten zwar nichts zu löschen, mussten aber trotzdem hart ran.

Nachdem das Gebäude von den Einsatzkräften provisorisch gesichert wurde, zeigte sich, dass Verwaltungsmenschen trotz einschlägig publizierter Vorurteile ebenso schnell handeln können wie Produzierende.

Schnelle Verwaltungsmenschen

Schon kurz darauf kam von ihnen die Zustimmung, den per Kfz begonnenen Rückbau mit schwerer Technik eines Abrissunternehmens zu vollenden.

Aufnahme aus den Abendstunden. Aus den Trümmern steigt kein Rauch, sondern der Nebel.

Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass die zeitnahe Reaktion der Öffentlichen Hand einem gewissen Erfahrungsschatz entsprang.

Zehn Stunden nach dem Rückbau in Albersdorf. Nebelschwaden ziehen über die Reste des Baukörpers.

Zumindest rein optisch unterschied sich die vorgefundene Altbausubstanz in Albersdorf nicht vom Erscheinungsbild jener Ruine, die seinerzeit am Kulki als sanierungsfähige Toilette einen jähen Rückbau erfuhr.

Kein Terror-Akt

Ach so, das Wichtigste noch: Obwohl am Einsatzort Menschen gesehen wurden, die mit Sprechfunkgeräten ausgerüstet waren, ihre Gesichter unter Helmen verbargen und durch einheitliche Kleidung aufgefallen sind, wird ein fremdenfeindlicher Hintergrund ebenso ausgeschlossen wie ein terroristischer Akt.

 

Klein Davos: So schön kann Markranstädt sein

Es ist nicht alles schlecht. Auch nicht in Markranstädt. Nach einigen Aufregern innerhalb der vergangenen Woche fand diese einen doch noch recht erfreulichen Abschluss. Pfarrer Zemmrich wurde am Freitag vom Landkreis für sein ehrenamtliches Engagement ausgezeichnet. Kein Wunder also, dass das Wochenende mit himmlischen Friedenszeichen geradezu gesegnet wurde, wie zumindest die ersten Fotos unserer untenstehenden Bildergalerie zeigen.

Weil auch der Bürgermeister bis kommenden Freitag wieder gesund wird und ab nächste Woche ins Rathaus zurückzukehren droht, kam Väterchen Frost nicht umhin, seinen Teil zur harmoniegeladenen Stimmung beizutragen. Der Sonntag zeigte sich Markranstädt von einer völlig ungewohnten, geradezu idyllischen Seite. Da möchte man den Mächtigen dieser Welt, die sich gerade in Davos am Kalten Buffett kiloweise Kaviar in den Hals stellen, glatt ein schadenfeudiges „Ätsch!“ zurufen.

Allerdings gab es beim Sonntagsspaziergang durch Klein Davos auch ein paar Ausrutscher. Die zeigen, dass zwar wirklich nicht alles schlecht ist, aber auch längst nicht alles gut.

Noch ein Hinweis zum Betrachten der Bilder. Die SlideShow läuft automatisch (neun Sekunden pro Foto), hält aber an, wenn man die Maus auf das Bild führt und geht automatisch weiter, wenn man sie von dort wieder verjagt. Das als Tipp für die, denen die Bildfolge zu schnell geht. Wer es noch schneller haben will oder mal ein Bild zurück blättern möchte, kann die Pfeile links und rechts anklicken.

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Neues aus der vierten Etage: Die Teletubbies im Legoland

Sonderstadtrat in der vierten Etage. Das ist in letzter Zeit fast schon eine normale Erscheinung im Zschampertgau. Aber wenn ein Akteneinsichtsausschuss (AEA) Rede und Antwort steht, sollte man sich sowas durchaus mal reinziehen. Am Ende war der Zuschauer aus dem Bürgertum zwar nicht schlauer als vorher und die Kriegsberichterstatter verließen die Arena mangels Kampfhandlungen auch mit leeren Blöcken, aber wenigstens Satiriker kamen auf ihre Kosten.

Respekt muss schon sein vor so einem Gremium. Dafür sorgte bei minus 5 Grad ein Minifahrrad, das in klirrender Kälte zwischen den Abgeordneten-Limousinen auf dem Parkplatz vorm Senatsgebäude auftauchte.

Alle Achtung! Aber lange konnte man über die Courage des Polarforschers nicht staunen, denn pünktlich um 18:30 Uhr rief die Erste Beigeordnete im Ratssaal zur Eröffnung der Zusammenkunft.

Es lag wohl nicht nur an der ungewöhnlich deutlichen Aussprache, die man sonst über das Mikrophon in der Mitte des Ratstisches so oft vermisst, dass sowohl das Publikum als auch die Senatoren augenblicklich gehorchten. Auch sonst gab es allerhand Merkmale, die Respekt forderten.

Es war auch nicht allein die Ausstrahlung der Ersten Beigeordneten in schwarzem Anzug, weißer Bluse und passendem Halstuch, die der Ouvertüre etwas Besonderes verlieh.

Nein, es war wohl vor allem die Tatsache, dass sie allein auf der Kommandobrücke saß, die Respekt verlangte. Jeder Andere und vor allem der, auf dessen Stuhl die Frau saß, hätte sich dem drohenden Gefecht wahrscheinlich nie und nimmer ohne Sekundanten gestellt.

Helm ab zum Gebet

In der Kirche fällt sowas unter den Sammelbegriff Liturgie, in der Kunstszene sagt man Neorealismus dazu und in der Kommunalpolitik gab es bislang gar keinen Ausdruck dafür. Nennen wir es einfach Offenheit und erkennen an, dass dieser Stil einen tiefen Eindruck hinterlassen hat. Chapeau!

Was bisher geschah: Der neue Anbau der Grundschule war mit 1,36 Millionen Euro ein wenig teurer geworden als geplant.

Und genau bei dieser Aussage schieden sich für den neutralen Beobachter am Ende der Veranstaltung auch die Geister. Denn wenn etwas teurer als geplant sein soll, müsste man zumindest wissen, wie teuer oder billig es ursprünglich eigentlich hätte sein sollen.

Billige Ausreden sind teuer

Allein an dieser Grundlage, so war den abendlichen Diskussionen über den Dächern der Stadt gestern zu entnehmen, schien es aber von Beginn an zu fehlen. Da fragt man sich als Außenstehender im Nachgang schon, wie der Begriff Mehrkosten überhaupt definiert ist.

Zu viel – ja, das kann man sagen. Zu viel ist es aber immer, egal ob man der Frau die Geldkarte fürs Shopping überlässt oder der Mann versehentlich bei Shell getankt hat.

Drehbuch und Dramaturgie

Aber der Reihe nach. Der AEA bemängelte in seinem Abschlussbericht unter anderem, dass ihm keine Entwurfsplanung vorgelegen habe. Gestern wurde nun offenbart, dass es eine solche gibt.

Nun gut, davon war auch auszugehen, weil ohne ein solches Dokument nie und nimmer auch nur ein Euro Fördermittel geflossen wäre. Allerdings sei es eben eine reine Entwurfsplanung, die keine Kostenplanung enthalte. Die Kosten seien seinerzeit geschätzt worden, was für die Beantragung der Fördermittel ausgereicht habe.

Schön und gut, aber beim Spiel „Schätzen Sie mal…“ ist die Stadt Markranstädt traditionell deutlich schlechter aufgestellt als bei der Variante „Wünsch Dir was…

Zuletzt lag man beim Tipp für die Errichtung eines Regenwasser-Rückhaltebeckens und den Neubau eines Mischwasserkanals für die Kita am Bad mit 20.000 Euro trotz Telefonjoker und Publikum um runde 195.000 Euro daneben. Aber wenigstens kam das schon bei der 50-Euro-Frage auf den Tisch.

Zurück zum Schulanbau. Nachdem der Spaten zum ersten Stich in den (was auch erst später festgestellt wurde) kontaminierten Boden gerammt wurde, erfolgte die weitere Planung „baubegleitend“. Das klingt zunächst unheimlich beeindruckend.

Auf der Suche nach der Rolle der Bedeutung dieses Begriffs wird der Satiriker allerdings schlagartig in seine Kindheit zurückversetzt. Die Häuser, die wir damals mit Holzbausteinen oder der DDR-Variante von Lego errichtet hatten, entstanden auch durch baubegleitende Planung.

Baubegleitend oder mit Plan?

Nie wusste man vorher, was es wird. Ein Wohnhaus erst, dann hier noch ein Fenster, da noch ein Türmchen, weshalb dann rote Steine fürs Dach fehlten (Nachtrag!) und plötzlich wars dann eine Kirche oder ein Bahnhof. Unsere ersten Erfahrungen mit baubegleitender Planung.

Wieder angekommen in der Realität der vierten Etage, füllt sich einem dann das Herz mit lauter Dankbarkeit, dass aus der Schule am Ende überhaupt auch eine Schule geworden ist. Warum dieses Glück nicht einfach mal demütig annehmen, sondern hinterher noch über die nachträglich berechneten Kosten für einen Baukran diskutieren, den man bei Planung und Ausführung angeblich nicht auf dem Schirm hatte?

Vielleicht war ja der Anbau ursprünglich nicht als Schiff, sondern als U-Boot gedacht und man hat ganz bewusst auf Equipment für den Hochbau verzichtet? Die Damen und Herren Räte taten grade so, als hätten sie nie mit Bausteinen gespielt und unter Zeitdruck (Mutti ruft gleich zum Mittagessen) Entscheidungen treffen müssen. Solche Spaßbremsen aber auch.

Mike Schärschmidt (CDU) bemängelte dann, dass Dinge wie Brandschutz, Bodenkontaminierung, Handläufe oder Fassade bei Planungen vorher berücksichtigt werden müssen und es nicht sein kann, dass diese nachträglich hinzu kommen. In Bezug auf den Brandschutz ergänzte AEA-Mitglied Jens Schwertfeger (CDU), dass integrierte Bestandsgebäude bei solchen Projekten stets berücksichtigt werden müssten, was ein Architekt ebenfalls wissen müsse.

Anfänglich beschlich den Zuschauer das Gefühl, dass man sich im Senat auf gerade diesen Architekten einzuschießen gedachte. Vor allem Winfried Busch (SPD) hakte hier immer wieder nach.

Ausgerechnet Dr. Volker Kirschner (CDU) stellte seine im SPIEGEL geadelte Wilfried-Kretzschmann-Statur dann aber zwischen Wind und Segel. Er fragte den Ausschuss, dessen Vorsitzender er ist, nach seinen Erkenntnissen zu Zusammenhängen zwischen den Aufträgen und deren Erteilung.

Damit lag der Schwarze Peter wieder bei den Personen, die gar nicht da waren. Die damals verantwortliche Fachbereichsleiterin wurde inzwischen mit goldenem Handschlag verabschiedet und der Bürgermeister kuriert grade wieder mal eine Krankheit aus. Patt-Situation in der vierten Etage.

Ja nun! Wie jetzt?

Auf Schärschmidts Frage an den Ausschuss, ob denn der Bürgermeister auf die Kostensteigerungen mit stärkerer Kontrolltätigkeit oder sogar mal einem persönlichen Besuch auf der Baustelle reagiert habe, fühlte sich Nicht-AEA-Mitglied Kirsten Geppert (FWM) berufen, ihrerseits zwischen Gegenwind und Segel zu treten. Spiske hätte gar nicht früher reagieren können, weil die Rechnungen schließlich erst nach Fertigstellung des Anbaus eintrafen.

Erstaunlich, dass sich die Gegenseite mit diesem Argument zufrieden gab. Da hatten sie nun eine halbe Stunde lang das Eisen geschmiedet, schließlich sogar die Klinge geschliffen … und dann kurz vor der Halsschlagader so eine bedingungslose Kapitulation.

Elfmeter kläglich versemmelt

Niemand kam scheinbar auf die Idee, dass man den Preis nicht erst bei Vorlage der Rechnung vor Augen haben sollte, sondern bereits bei Erteilung des Auftrages. Und das kann ja nun beim besten Willen nicht nach der feierlichen Fertigstellung gewesen sein. Wie auch immer: Dieser Elfmeter ist nicht im Tor gelandet, sondern hat hoch droben die Stadionuhr samt Anzeigetafel zertrümmert. Peinlich für die angetretenen Schützen, ein goldener Moment für die Satire.

Satirische Sternchen flackerten dann noch einmal auf, als Monika Rau (FWM) auf die gleiche Frage Schärschmidts ihrem Bürgermeister zur Seite sprang und davon ausging, dass „er sich bestimmt gekümmert“ habe. Mit Blick auf Mike Schärschmidts unternehmerische Tätigkeit führte sie strafmildernd ins Feld, dass „Produzierende schneller reagieren können als ein Verwaltungsmensch“.

Wenigstens diese Erkenntnis brachte die Akteneinsicht: Es gibt nicht nur Frauen und Männer, sondern auch Produzierende und Verwaltungsmenschen. Mit diesem biologischen Exkurs in die evolutionären Differenzen des homo sapiens wollen wir den Sonderstadtrat in der vierten Etage in Erinnerung behalten.

Trost ist (mehr)kostenlos

Trösten wir uns mit der Gewissheit, dass der Schulanbau auch ohne Kosten oder Mehrkosten 1,36 Millionen Euro gekostet hätte, dass von der Idee bis zur Fertigstellung nur zwei Jahre vergangen sind und die Bauzeit lediglich 9 Monate betragen hat.

Immerhin kann Markranstädt jetzt im Konzert der großen Metropolen mitreden. Es ist vielleicht keine Hamburger Elbphilharmonie geworden und auch gegen den Leipziger City-Tunnel mit Mehrkosten von rund 500 Millionen Euro können wir nicht anstinken. Aber wir sind mit unserem Projekt fertig geworden und die Schüler freuen sich. Das allein stellt uns über Stuttgart 21 oder die Berliner mit ihrem lächerlichen Flugplatz.