Pace min markransis

Mit der diesjährigen Weihnachtsbotschaft wenden sich die Markranstädter Nachtschichten an alle Leserinnen und Leser, die sich von den vielfältigen Möglichkeiten, welche die Liberalisierung der religiösen Grundversorgung neuerdings bietet, nicht beirren ließen. Wenn Sie also auf einen Wechsel Ihres Religionsanbieters verzichtet und sich damit auch weiterhin das Recht auf christliche Feste erhalten haben, soll dies mit einem Treue-Bonus belohnt werden. Wir wünschen Ihnen frohe und gesegnete Weihnachten sowie besinnliche Stunden im Kreise Ihrer Familie, Freunde und Bekannten.

Treppenwitz oder doch ganz anders?

Die Mietpreissteigerungen in Markranstädt sind in den letzten drei Jahren in einen zweistelligen Prozentbereich reingeklettert, die Nachfrage fast ebenso. Zumindest für das zahlungskräftigere Wohnpublikum wird aber Entlastung geschaffen. Das Kaiserliche Postamt ist fertig und mit dem Neubau in der Eisenbahnstraße 20 geht’s auch sichtbar voran. Ein Blick ins Konzept und die öffentlich zugänglichen Planungsunterlagen wirft aber Fragen auf.

Einfach zu finden ist das Projekt im Internet nicht. Die Suchmaschinen listen bei Begriffen wie „Markranstädt Neubau Eisenbahnstraße 20“ oder ähnlichen Kombinationen alles mögliche auf, bis hin zu den allabendlichen Bandenkriegen im Brennpunkt in der Eisenbahnstraße in Leipzig.

Man muss die Tastatur schon etwas geduldiger bemühen, um auf die wohntraumsite.wordpress.com zu gelangen. Dafür wird man dann aber mit jeder Menge sympathischer Informationen entschädigt. Im Konzept des Gebäudes, das nach Fertigstellung sechs Wohnungen beherbergen soll, wird geradezu inflationär mit barrierefreien Formulierungen agiert. So heißt es unter anderem:

  • sämtliche Wohnungen sind durch Aufzüge barrierefrei erreichbar
  • alle Wohnungen erhalten einen barrierefreien Zugang zum Treppenhaus und zur Pkw-Garage
  • Müll- und Fahrradabstellplätze ebenerdig im Außenbereich
  • barrierefreie und ebenerdige Duschen
  • schwellenlose Türdurchgänge

So weit, so gut. Zwei Maisonette-Wohnungen sowie vier Lofts sollen entstehen und das treibt die Neugier des Betrachters natürlich zum Klick auf den Button Grundrisse.

Barrierefrei und ebenerdig

Das Erdgeschoss mit Garagen und Abstellräumen kann man dabei wertungsfrei als gegeben hinnehmen. Zumindest befindet sich dort aber auch die Startrampe eines Fahrstuhls, der den barrierefreien Zugang zu den Wohnungen gewährleistet. Top!

Im ersten Obergeschoss angekommen, befinden sich demnach die Türen zu den unteren drei der insgesamt sechs Wohnungen. Es soll sich um zwei Lofts und eine Maisonette handeln.

Beim Betrachten der Zeichnungen ist für den Laien kaum ein Unterschied auszumachen. Es fällt aber auf, dass sich in allen drei Wohnungen Treppen befinden. Was auch dahingehend Sinn macht, da sich sämtliche Wohnungen über zwei Geschosse erstrecken.

Allerdings wären damit der reichlich beworbenen Barrierefreiheit deutliche Grenzen gesetzt. Noch interessanter zeigt sich das Bild, wenn man berücksichtigt, dass sich die als barrierefrei und ebenerdig bejubelten Duschen samt zugehörigen Badezimmern zeichnungsgemäß in der jeweils oberen Etage befinden.

Gehandicapte Bewohner der linken unteren Wohnung (nennen wir sie mal der Einfachheit halber Nummer 1) hätten zumindest noch die Möglichkeit, den unteren Teil ihres Quartiers im Bedarfs- oder Hygienefall zu verlassen (abschließen nicht vergessen!) und über das Treppenhaus mit dem Fahrstuhl ins zweite Obergeschoss zu fahren. Dort befindet sich dann wieder eine Wohnungstür (Schlüssel nicht vergessen!), die den barrierefreien Zugang zu den oberen Räumlichkeiten samt Bad und Dusche – natürlich schwellenfrei – möglich macht.

Stufenweise ins Glück

Für die Mieter der Wohnungen 2 und 3 gilt das jedoch nicht, da im Treppenhaus des zweiten Obergeschosses für sie keine Wohnungstüren vorgesehen sind. Rein satirisch betrachtet, könnte das seine Gründe in der Wahrung einer gewissen Intimsphäre haben. So können die Mieter von Wohnung 1 nicht gesehen werden, wenn sie nach dem Duschen im Bademantel via Treppenhaus wieder abwärts ins Wohnzimmer fahren.

Vor solch existenziellen Fragen stehen die Mieter der Wohnungen 4, 5 und 6 im dritten bis Dachgeschoss allerdings nicht. Die Grundrisse weisen klar aus, dass der Lift ohnehin nur bis zum dritten Stock fährt. Die im Dachgeschoss konzipierten Bäder mit ihren barrierefreien, ebenerdigen Duschen sind hier, glaubt man den Zeichnungen, nur über die Treppen innerhalb der Wohnungen zu erreichen.

Es ist nicht so, dass diese Merkmale im Widerspruch zum dargelegten Konzept stünden. Die Wohnungen sind barrierefrei zugänglich (davon, dass man sich barrierefrei in ihnen bewegen kann, steht nichts geschrieben), die Duschen mögen ebenfalls ebenerdig sein und auch den schwellenlosen Türdurchgängen soll ihre Funktion nicht in Abrede gestellt werden. Also korrekt ist es schon, was da beschrieben wird und entstehen soll.

Bliebe halt nur die Frage, welchen Sinn fünf ebenerdige, barrierefreie Duschen machen, wenn man sie nur über Treppen erreichen kann?

Aber zum Glück steht auf der Wohntraumsite auch geschrieben, dass die Grundrisse noch vereinzelten Änderungen unterliegen könnten. Vielleicht werden die Wohnungstreppen ja noch durch Flaschenzüge ersetzt? Eine kleine, aber wirksame Investition, die man eventuell sogar auf die Miete umlegen kann.

So viel zu den satirisch verwertbaren Hintergründen. Allerdings sind auch allein dem Humor verpflichtete Schmierfinken nicht unfehlbar. Gerade dann nicht, wenn es um die Interpretation wissenschaftlich fundierter Bauzeichnungen geht. Es kann also durchaus sein, dass wir beim Betrachten der Schnittmusterbögen nur gesehen haben, was wir zu sehen hofften oder glauben wollten.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Am Ende ist es ganz anders, der Fahrstuhl hält in jeder Etage und hat an allen vier Seiten Türen? Oder es sind gar keine Treppen, die da innerhalb der Wohnungen aufgemalt wurden, sondern rollstuhlgerechte Rampen?

Vielleicht finden Sie, liebe Leserinnen und Leser, unseren Trugschluss und geben den ebenerdigen, barrierefreien Duschen schlussendlich doch den ihnen angedachten Sinn? Das wäre doch mal eine frohe Botschaft in dieser weihnachtlichen Zeit.

 

Neues aus der vierten Etage (25)

DAS BOOT

Eigentlich hatte bei den MN niemand Lust, sich die 25. Runde in der vierten Etage anzutun. Das Polit-Latein da oben ist eh nicht mehr verständlich. Aber dann kam der Einsatzbefehl des MN-Propagandaministers. „Fliegender Holländer gesichtet – U 2016 treibt führerlos im Ozean!“ Heißt übersetzt: Da muss jemand hin!

Nachdem der Käptitänleutnant seit einer knappen Woche nicht mehr an Bord gesichtet wurde und auch seine Stellvertreterin vom Arzt der Reederei nur eine zeitlich begrenzte Aufenthaltserlaubnis auf der Brücke erhielt, sollte unser „Leutnant Werner“ dokumentieren, wohin es das U 2016 „Lallendorf“ im Blindflug treibt. Das verspricht eine heiße Story.

Sie kennen den Klassiker „Das Boot“? Jürgen Prochnow, Heinz Hoenig, Martin Semmelrogge, Herbert Grönemeyer, Uwe Ochsenknecht und viele andere Darsteller der deutschen Kleinkunst sind damit unsterblich geworden. Das ist jetzt schon 35 Jahre her. Zeit also für ein Remake vor der maritimen Kulisse des Zschampert. Die Markranstädter Nachtschichten treten das Erbe von Lothar-Günther Buchheim an: „Das Boot reloaded: Einsatz in Lallen-Village!“

Der Anblick, der sich beim Betreten des U-Bootes im Stadthafen „4. Etage“ bot, ließ zunächst staunen. Während in jedem anständigen Kriegs- und Piratenfilm eingehend gewarnt wird, dass eine Frau an Bord Unglück bringt, präsentierte sich die komplette Brücke des U 2016 „Markranstädt“ ausnahmslos weiblich. Lallendorf rock(t) – sozusagen.

Strumpfhosen statt Stahlhelme

Von links nach rechts saßen am Kartentisch in der Offiziersmesse: Ursula Wagner (Leutnant Z&O; Zucht und Ordnung), Beate Lehmann (Kaleun; Steuerfrau), Grit Schaper (Zahlmeisterin, Kielholen), Beate Mack (2. Wachoffizierin, Bootszimmermännin) und Heike Helbig (Navigation, Funkerin). Mit Silke Kohles-Kleinschmidt war einer weiteren Dame eine wichtige Nebenrolle an der Seite des Kriegsberichterstatters der LVZ vergeben und zum ebenfalls weiblichen Smutje kommen wir noch.

Punkt 18:30 Uhr erschütterte ein unmissverständlicher Befehl der Kaleunin die Bordwände. „Alle Mann unter Deck! Fertigmachen zum Tauchen!“ Man glaubte förmlich spüren zu können, wie das Schiff nach den geflüsterten Worten: „Vorn sieben, hinten fünf.“ gefühlvoll unter die Wogen des Ozeans glitt. Wenig später machte die Meldung „Sehrohrtiefe erreicht!“ die Runde. Die 25. Feindfahrt des Bootes der Markranstädter Gebirgsmarine hat soeben begonnen.

Blick durch das Periskop

Dass es nicht einfach ist, sich dem Matriarchat bedingungslos zu unterwerfen, bekam ein Bootsmaat von Steuerbord gleich zu Beginn zu spüren. Frank Meißner tummelte sich unmittelbar vor Verlassen des Hafens noch entspannt auf dem Geschützturm, als ihn die verbale Knute der Kaleunin traf, die ihn vorschriftsmäßig aufforderte, sich unverzüglich in seine Koje unter Deck zu begeben.

Kaum zwei Meter unter Wasser, bedienten sich Mike Schärschmidt (Heizung, Dusche, Abtritt) und Mike Hienzsch (Deckaufbauten, Reling, Bordwand) am Obstvorrat der Mannschaft. Etwas früh, um die Hungerattacke auf Vitaminmangel und Angst vor Skorbut begründen zu können. Aber bei weiblich geführter Vorherrschaft am Ruder darf man schon mal auf etwas feminines Mitgefühl hoffen.

Schiffsköchin Birgit Riedel (die sechste Amazone im Bunde) duldete jedenfalls die Plünderung ihrer Tupperdosen, die mit homöopathischen Scheibchen aus Mandarine, Birne und Apfel gefüllt waren. Immerhin stand nicht mehr und nicht weniger als die Moral der Fraktion auf dem Spiel und der tropfende Speichel der gegenüber sitzenden Opposition bestätigte die mütterliche Strategie der Ruderführerin.

Kommen wir nun zum Geschehen unter Deck und widmen uns diesem im Vokabular der uns vertrauten Binnenlandsprache.

Insgesamt standen 23 Punkte auf der Tagesordnung und die wurden in nur knapp etwas mehr als zwei Stunden abgehandelt. Effektiv nennt man das. In der Bürgerfragestunde glimmte dann dennoch wieder etwas U-Boot-Atmosphäre auf, als es um den Raum für Leibesertüchtigung ging, in den früher immer mal wieder Wasser eindrang. Weitere Fragen behandelten das Thema der Barrierefreiheit am Westufer und hier insbesondere die dortige Toilettenlandschaft. Dazu gab es aber einen eigenen Tagesordnungspunkt.

Frank Sparschuh stellte anschließend den Jahresabschluss der MBWV vor. Insgesamt seien 3,7 Millionen Euro Umsatzerlöse realisiert worden und der Wert des Unternehmens betrage rund 50 Millionen. Der wegen seiner Fachkompetenz mit der Beaufsichtigung des städtischen Unternehmens beauftragte Schiffsarzt bestätigte diesen Eindruck vollumfänglich, so dass die Kaleunin ihre MBWV-Admiralität nur noch mit einem dreifachen „Hipp-Hipp-Hurrah“ feiern lassen konnte.

Checkliste wird abgearbeitet

Anschließend ging es um eine Reihe Flächennutzungs- und Bebauungspläne, danach um den Jahresabschluss der Stadt für das Haushaltsjahr 2013. Die Kaleunin informierte, dass Markranstädt zu den ersten Kommunen des Landkreises gehöre, die diesen erstmals nach Doppik-Vorgaben zu erstellenden Abschluss realisiert habe.

Warum die Besucherzahlen an Bord immer weiter zurückgehen und diesmal wirklich sehr überschaubar waren, mag auch an solchen Formulierungen liegen, die unter Punkt 12 zu finden waren. Würden Sie zu einer Veranstaltung gehen, wenn Sie in der Einladung die Aussage „Optionserklärung nach § 27 Abs. 22 Satz 3 UStG“ lesen würden? Oder wie unter Punkt 13 „Mittelumsetzung aus dem Budget 103 in die Budgets 500 und 701“? Vielleicht kann man mit Zirkel und Sextant herausfinden, um welche Koordinaten es sich auf der Seekarte handelt, aber solch Werkzeug zur Herstellung von Transparenz haben die Zuschauer selten in der Tasche. Schade.

Anschließend ging es um die „Schaffung von Voraussetzungen für die Beantragung von Fördermitteln“ für vier Klassenräume und vier Teiche in drei Ortschaften. Auf der Brücke schien man anfangs guter Hoffnung, alle fünf Einsatzbefehle im Paket durchwinken zu können. Doch dann hieß es plötzlich „Schraubengeräusch von Backbord! Kommt schnell näher, Kaleun!“ Der Einspruch erfolgte, weil einerseits die präzise Angabe fehlte, um welche Teiche es sich handelt, andererseits wo genau die Klassenzimmer fürs Gymnasium errichtet werden sollten. Erst als das geklärt war, gabs Zustimmung.

Unter Punkt 20 der Agenda wurde die Mannschaft darüber informiert, dass ein Besatzungsmitglied aus wichtigem Grunde im nächsten Hafen an Land geht und nicht mehr zurückkehrt. Stadtrat Hans-Jürgen Berg scheidet aus und macht seinen Platz frei für Nachrückerin Frau Dr. Schuster. Damit beläuft sich das Genderverhältnis im Gremium nur noch auf 12:10 für das Patriarchat und der Tag scheint nicht mehr fern, da die Stadtratssitzung mit dem gemeinsamen Backen eines Hefezopfs beginnt.

Das große Finale kam dann mit dem vorletzten Tagesordnungspunkt. Es ging um barrierefreies Bauen am Westufer und hierbei insbesondere … na klar … um behindertengerechte Toiletten. Darüber wird ja nun schon seit Jahren diskutiert, ohne nur einen Schritt weitergekommen zu sein. Bei CDU/BfM und SPD war das Maß der Geduld nun überschritten, während die LINKE auch das gesetzlich geforderte Engagement dort ansässiger Gastronomen bemühen wollte und Dr. Eddy Donat (FWM) das Ganze nun doch zu schnell ging.

Bis 23. Dezember seien die Fördermittel zu beantragen und den Unterlagen sowohl eine Planung als auch ein Angebot eines ausführenden Unternehmens beizufügen. Das klingt in der Tat nach einem Schnellschuss. Andererseits kann ein solcher auch dann ganz schnell mal in die Hose gehen, wenn man ihn nicht abfeuert. Dann nämlich, wenn wieder nichts passiert und sich im nächsten Sommer unter Presswehen auf der vergeblichen Suche nach einem stillen Örtchen auf der Promenade ein solcher Schnellschuss im Slip entlädt.

Die Halsschlagadern von Mike Schärschmidt und Jens Schwertfeger dehnten sich im Zuge der Diskussion bereits zu ordentlichen Pipelines. Nacheinander schlugen beide quasi mit der verbalen Faust auf den Tisch und überzeugten mit dem logischen Argument, dass die Zeit des Redens, Abwägens und Planens vorbei sei. Jetzt müsse da eine Möglichkeit in der Nähe der Terrasse geschaffen werden und wer das nicht einsehen wolle, solle sich im Sommer unter den gegebenen Bedingungen mal im Rollstuhl auf der Promenade bewegen, sich dort umziehen, seine Sachen und Wertgegenstände verstauen und auch seine sonstigen Geschäfte verrichten. Da würde hinterher niemand mehr behaupten, dass man noch Zeit habe.

Und in der Tat können dem unvoreingenommenen Prozessbeobachter angesichts des bislang ergebnislos verstrichenen Zeitraums Zweifel kommen. Ein Millionenprojekt wie die Sanierung des Kaiserlichen Postamtes geht sozusagen glatt wie das Messer durch die Butter und bei einem Klo, das nun für nur 25.000 Euro errichtet werden soll, gehen drei Jahre ins Land. Irgendwas stimmt da nicht mit den Prämissen. Es schreit geradezu nach anderen Gründen als denen einer Standortsuche oder ähnlichen Vorwänden.

Letztendlich folgten die Abgeordneten dem Ansinnen mit einer Enthaltung und so werden nun in den nächsten zehn Werktagen eine Planung erstellt, eine Firma gebunden und die Fördermittel beantragt. Ob es die dann auch gibt, entscheidet der Landkreis und insofern ist trotzdem noch nicht klar, ob da anno 2017 auch wirklich eine entsprechende Bedürfnisanstalt am Westufer steht.

 

Es geht auch ohne Gebell von Jingles

Das Foto täuscht: Es war ein entspanntes und wirklich richtig schönes, besinnliches Genusswochenende an den Ufern des Zschampert. Sozusagen ein zweiter Advent wie aus dem Bilderbuch. An jedem Tag war woanders was los und strafte die mediale Wahrnehmung einer toten Stadt Lügen. Dafür sorgte nicht zuletzt auch die sinnstiftende Bezeichnung „lebendiger Adventskalender“.

Der Startschuss fiel bereits am Freitag in der Seebenischer Weinkelterei Schauß. Dort lließ ein Plakat mit der Aufschrift „Besuch Deinen Saftladen!“ das satirische Herz höher schlagen.

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Zur Erinnerung: Das traditionsreiche Unternehmen, das in diesem Jahr sein 90. Firmenjubiläum feiern konnte, ist nicht nur in Sachen Wein weit über die Region hinaus bekannt. Auch Fruchtsäfte zählen zum Portfolio und Mario Kleine ließ es sich nicht nehmen, den Besuchern schon am Eingang einen ganz besonderen Tropfen auf die Zungen zu träufeln.

Seminar im Glühweinlabor

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Vorglühen am Stand bei Mario Kleine. Ehefrau Heike führte die Interessenten drinnen derweil in die Welt der „glühenden Inspirationen“ ein.

Glühwein geht auch ohne Alkohol und im Gegensatz zu manch alkoholfreier Biersorte ist der vor allem für Kraftfahrer kreierte Schauß’sche Apfelglühwein wirklich so schmackhaft, dass sogar per Fuß angereiste Gäste für den Rest der Veranstaltung bei dieser Variation geblieben sind.

Drinnen erwartete die Besucher ein wahrhaftiger Lehrgang. Unter der Überschrift „Glühende Inspirationen“ zeigten Geschäftsführerin Heike Kleine und Senior-Chef Frank Schauß, was man aus Säften, Weinen und sorgfältig aufeinander abgestimmten Gewürzen alles zaubern kann, um romantische bis heiße Winterabende zu zelebrieren.

…und alles „made in markranstädt“

Der Raum glich bisweilen einem Labor, in dem nur Erlmeierkolben und Bunsenbrenner fehlten. Es wurde gemixt, gerührt, gekostet, gewürzt und wieder gekostet… Ein Seminar der Sinne und das kam auf ganzer Linie an. Nicht wenige der Anwesenden verließen die Weinkelterei am Ende mit mindestens drei Flaschen selbst hergestellten Glühweins.

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Hier wurde gewürzt, gemischt, gekostet und am Ende wurde die Begeisterung flaschenweise mit nach Hause genommen.

Und der hatte es in doppeltem Sinne in sich. Nicht nur Geschmack und Oktanzahl waren beeindruckend, sondern auch die Zusammensetzung. „Alles, was in unseren Glühweinen steckt, ist made in Markranstädt“, verriet Heike Kleine.

Also nicht nur das Obst und die Früchte oder der Wein selbst, sondern auch die Gewürze. „Die holen wir in der Gewürze Markranstädt GmbH. Dort gibt es wirklich alles, was man braucht und vor allem in bester Qualität.“

Zwischen Tradition und Moderne

Gemischt wird dann zu Hause in Seebenisch nach alten, überlieferten Rezepturen. „Die müssen aber immer mal wieder verfeinert oder aktualisiert werden. Die Geschmäcker ändern sich im Laufe der Zeit.“, sagt Chef-Mixer Mario Kleine, der tatsächlich mit Notizblock, Rezeptheft, Feinwaage und Spatel agiert, wenn er einen Glühwein würzt.

Der 10. Markranstädter Weihnachtsmarkt in der Kernstadt sprengte dann am Samstag wohl alle bisherigen Rekorde.

Es war sozusagen ein „verlängerter Weihnachtsmarkt“, was sich allerdings nicht auf die Zeit bezog, sondern auf den Raum. Von der Leipziger Straße zog sich die Veranstaltung an der Schulstraße entlang bis auf den Marktplatz.

Spaß ohne Fraktionszwang

Dazwischen Lagerfeuer, Spielmöglichkeiten für Kinder, Versorgungsstände und natürlich Glühweinausschank noch und nöcher.

Angesichts des Ansturms war auch die sonst für Markranstädter Verhältnisse eher typische Grüppchenbildung gar nicht möglich und so konnten sich Unterhaltung, Spaß und Abwechslung völlig ohne Fraktionszwang entfalten.

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Gleich an der Kreuzung Schulstraße/Leipziger Straße begann der Weihnachtsmarkt mit einem zünftigen Lagerfeuer. Kokeln macht um Weihnachten immer noch den meisten Spaß.

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Vereine, Kindergärten und am Schluss sogar ein Gospel-Chor aus Leipzig sorgten auf der Bühne für die kulturelle Umrahmung.

Wie immer, fiel auch diesmal die Stromversorgung am Glühweinstand „Felicitas“ kurzzeitig aus, konnte aber bald darauf wiederhergestellt werden. Schon ganze Generationen von Elektrikern haben sich in den letzten Jahren an diesem physikalischen Phänomen die Zähne ausgebissen. Warum erwischt es immer ausgerechnet den Wagen mit dem beliebtesten Glühwein?

Es war übrigens der „Fruchtglühwein Sauerkirsch“, der da wieder so reißenden Absatz fand. Geliefert von … dreimal dürfen Sie raten … jawollja, von der Weinkelterei Schauß aus Seebenisch.

Weniger ist mehr – grade jetzt

An einem anderen Versorgungsstand fiel ab und zu mal das Licht aus, aber die Anstehenden nahmen es vor allem bei zunehmender Dunkelheit mit Humor und frötzelten: „Ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr, wenn das Licht angeht.“

Keine erzgebirgische Volkskunst aus China, kein Fast-Food aus Omas Küche, kein Trommelfeuer neuzeitlicher „Last Christmas“-Rhythmen und keine nervenden Blinklichter aus tschechischen Straßenpuffs. Statt dessen Kulturprogramm aus der Region, Genuss für alle Sinne und ein wenig vorweihnachtliche Entschleunigung am Fuße der Stadtkirche, so muss das sein.

Künftig vielleicht noch ein kleines Mehr an gebrannten Mandeln und kandierten Äpfeln, aber man ist auf dem richtigen Weg.

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Briefing für die kommende Zeit ohne Weihnachtsmann?

Der am Freitag auf dem Lande begonnene Reigen schloss sich am Sonntag auch genau dort. Noch einmal wurden die Kulkwitzer aus ihren Häusern gerufen. Diesmal zum Seebenischer Weihnachtsmarkt. Und in Göhrenz fand mit dem Adventsgrillen ein aus privater Initiative geborenes Pyramidenfest bereits seine zweite Auflage.

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Klein, aber wie immer sehr fein: Weihnachtsmarkt bei Göpferts in Seebenisch. Entspannte Atmosphäre, Schmankerl für Gaumen und Kehle und … man trifft sich eben mal wieder.

In Seebenisch gab es vor dem Restaurant Göpfert bei minus 4 Grad eine reiche Auswahl an Kulinarischem, von Roster über Pilzpfanne bis hin zu Mutzbraten mit Sauerkraut und natürlich auch einheimischen Glühwein und Hopfenkaltschale. Und auch hier wurden mutige Visionen umgesetzt: Softeis mit Zimt und gebrannten Mandeln, während die Säule im Thermometer kontinuierlich weiter nach unten sank.

Als angenehm empfanden es die Ureinwohner von den Ufern der Kulkwitzer Seenplatte, dass Besucher aus der Kernstadt den Weg nach Seebenisch gefunden hatten. Auch CDU-Fraktionsschef Micha Unverricht, der am Abend zuvor noch das Kulturprogramm auf dem Markranstädter Markt moderierte, hat es sich nicht nehmen lassen, den Seebenischer Glühwein sozusagen an der Quelle zu verkosten.

Genau die richtige Stärkung vor dem drohenden 23-Punkte-Marathon am kommenden Donnerstag in der vierten Etage. Da kann er dann gegen 23 Uhr nur mitleidig lächeln, wenn die anderen, an der Wärme der heimischen Kaffeetafel verweichlichten Abgeordneten schon längst in den Seilen hängen.

Zeitgleich pulsierte in der Göhrenzer Lindenallee das vorweihnachtliche Leben. Am Fuße einer Pyramide entwickelte sich zum zweiten Mal schon ein von Einwohnern selbst organisiertes Adventsfest. Das könnte eine gute Tradition werden und vor allem zeigt es, dass auch in neu errichteten Wohngebieten gute Nachbarschaft und soziales Miteinander möglich sind.

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Adventsgrillen oder Pyramidenfest? Egal: Die Göhrenzer organisieren ihren eigenen Adventsmarkt und werden mit viel Lob belohnt.

Was in anderen Känguruh-Siedlungen des Markranstädter Landes undenkbar erscheint, hat hier einfach begonnen und funktioniert ganz offensichtlich. Einen Bratrost und etwas Glühwein, mehr braucht man eigentlich nicht dazu. In Göhrenz gab es da allerdings diesmal schon weit mehr.

So beispielsweise einen kleinen Stand, an dem Schnitzkunst angeboten wurde. Handwerklich eindrucksvoll gefertigte Figuren und Schwibbögen, in Handarbeit geschnitzt und mit erzgebirgischen Motiven. Sie sind – man höre und staune – allesamt „made in Göhrenz“! Von wegen, in unserer Gegend können sie mit dem Messer bestenfalls Kartoffeln schälen oder sich in die Finger schneiden.

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Ja, dann war er schon wieder Geschichte, der 2. Advent 2016. In 19 Tagen ist Weihnachten. Bis dahin können die Socken auf der Heizung aufgewärmt und der Staubzucker der Kräppelchen aus dem Schal gebürstet werden. Es war einfach angenehm, schön und besinnlich. Und außerdem wirklich unterhaltsam.

 

Großfahndung nach Markranstädter Unwort des Jahres

Es ist wieder so weit. Wie immer im Dezember rufen die Markranstädter Nachtschichten alle Leserinnen und Leser an die virtuelle Urne, um das Markranstädter Unwort des Jahres zu wählen. Eigentlich müsste es richtig „Unbegriff des Jahres“ heißen, denn zumindest ein Kandidat enthält zwei Worte. Aber im Gegensatz zu manch anderen Ereignissen haben Sie wenigstens wirklich eine Wahl.

Bis zum 31. Dezember ist rechts oben das Umfrage-Modul freigeschaltet. Hier können Sie für Ihr Lieblings-Unwort voten. Damit Sie auch wissen, wofür Sie sich da entscheiden, haben wir für jeden der Kandidaten ein kurzes Exposé erstellt.

Kandidat 1:

Der Begriff „Gemeindevollzugsdienstmitarbeiter“ entfleuchte dem Bürgermeister während einer Sitzung der örtlichen Duma in der vierten Etage. Solch verbale Ritterschläge fürs Fußvolk sind nicht neu in einer Zeit, in der sogar unterbezahlte Sekretärinnen durch Adelstitel wie „Assistentin des Geschäftsführers“ unter Gehaltsverzicht zu zusätzlichen Schichten beim Kaffeekochen motiviert werden.

Manchmal sind solche Bezeichnungen allerdings etwas irreführend. So könnte mit „Vice Director of Sky“ nicht nur der Vizemanager eines Fernsehsenders gemeint sein, sondern auch der Papst. Und der Mann, der mit der Schaufel in dem Loch buddelt, das für die Vollsperrung Ihrer Straße verantwortlich zeichnet, ist kein Tiefbauarbeiter oder gar Maulwurf, sondern ein „Soil Movement Engineer“. Das kommt dabei raus, wenn sich statt Ingenieure und Doktoren nun Bachelors und Masters die Köpfe über unsere Gesellschaft zerbrechen.

Auch bei unseren Gemeindevollzugsdienstmitarbeitern ist der Schein des Begriffs größer als das Sein. Im Volksmund schon mal Knöllchendame oder Politesse genannt, sind damit jene Kräfte gemeint, welche mit aufopferungsvoller Hingabe die mit dem Stadtwappen gezeichneten Werbeflyer des Bürgermeisters unter die Leute … oder besser gesagt unter die Scheibenwischer bringen.

Kandidat 2:

Für Markranstädter Ureinwohner ein Begriff, der längst in den heimatlichen Wortschatz Eingang gefunden hat; für Ortsfremde eher ein muttersprachlicher Gag, dessen Herkunft sie nicht klar ableiten können: die „Jahrgangspflanzung“. Erdbeerpflanzen können gepflanzt werden, auch Blumenkohlpflanzen oder Kohlrabipflanzen. Ganz Mutige pflanzen auch schon mal Hanf oder andere exotische Kulturen. Aber einen Jahrgang?

Das würde implizieren, dass so ein Jahrgang wenigstens auch eine Wurzel hat. Fragen Sie mal in einer unserer Baumschulen oder Gärtnereien nach einem Jahrgangs-Steckling. Sie sollten sich allerdings schnell aus dem Staub machen, wenn der Gärtner zum Telefon greift und Sie wenig später auf der Straße ein Martinshorn hören. Das wird das Jahrgangsauto sein mit dem Jahrgangsonkel, der Sie in die Jahrgangsjacke stecken und in die Jahrgangsanstalt bringen will. In der Jahrgangszelle können Sie dann noch einmal in aller Ruhe über die Jahrgangspflanzung nachdenken.

Andererseits könnte es aber auch bedeuten, dass man zur Pflanzung eines Jahrgangs eine Wurzel benötigt.

Ja, so wird es wohl sein. Wenn man(n) morgens die Wurzel aus einer Unbekannten zieht, ist das nicht höhere Mathematik, sondern es handelte sich bei dem vorangegangenen Akt schlicht und einfach um die Pflanzung eines neuen Jahrgangs. Und das wird in Markranstädt gefeiert.

Kandidat 3:

Der Begriff „Havarie“ fällt meist auf Schiffen. Havarie im Maschinenraum, Havarie unter Deck, havarierter Tanker…

Es ist daher wenig verwunderlich, dass die Meldung von einem „havarierten Regal“ in der Stadtbibliothek dem Barte eines Kapitäns mit maritimem Migrationshintergrund entwich.

Der Phantasie des Publikums sind derweil keine Grenzen gesetzt. „Eisberg voraus“ schrie die Bibliothekarin, während die Biografie von Leonardi di Caprio zeitgleich mit der von Kate Winslet mit offenen Seiten vom Bug des Regals in die Tiefen der Bibo sank.

Da die Konzentration der Anwesenden in der Offiziersmesse einem Eisberg galt, der gerade vor dem Schiff der Grundschule umher trieb, fiel diese Wortkreation in der vierten Etage allerdings kaum auf.

Wie gut, dass es Satiriker gibt, die nur deswegen auf die Kommandobrücke klettern, um solche Meldungen an den Maschinenraum mitzuschreiben und ein paar Monate später zum Besten zu geben.

Kandidat 4:

Kein Wort kam in den letzten 12 Monaten in den städtischen Pressemeldungen so oft vor wie „Vollsperrung“.

Da Satire ein Hobby ist und nicht in Arbeit ausarten darf, haben wir bei 30 Sperrungen aufgehört zu zählen. Insofern ist die Vollsperrung eigentlich der heißeste Favorit auf den diesjährigen Titel.

Warum? Nun … Warum wird ein Hit zum Hit? Es ist die stete Wiederholung. Damit bringt man sogar Kinderlieder wie das Schni-schna-schnappi-Krokodil in die Charts.

Ebenfalls nur aus Gründen steter Wiederholung wird seit über 60 Jahren nur jenes Gesicht zum Bundeskanzler gewählt, das man vor der Wahl am häufigsten an den Straßenrändern hängen sieht.

Darum hat die Stadt jetzt auch zur Offensive um den Endsieg bei der Unwortwahl geblasen und fast zeitgleich Vollsperrungen für den Elster-Saale-Radweg, Am Stadtbad, die Möwengasse, die Nordstraße, die Karl-Marx-Straße und den Mühlenweg ausgerufen. Wer könnte da widerstehen?

Kandidat 5:

Anno 2016 hatten wir endlich wieder mal einen und also muss der auch auf die Kandidatenliste: der Akteneinsichtsausschuss. Eigentlich heißt das Gremium ja „Ausschuss auf Akteneinsicht in die Unterlagen des Anbaues der Grundschule Markranstädt“.

Aber das wäre Wettbewerbsverzerrung, sozusagen muttersprachliches Doping. Damit wäre dem Begriff bereits von vornherein der Sieg nicht mehr zu nehmen gewesen.

So ein Ausschuss hat immer eine gewisse Brisanz – egal ob im Bundestag, im Landtag oder einer Stadt. Da prüfen parlamentarische Freizeitkräfte das Werk von Profis und finden da meist auch was. Man könnte auch sagen: Friseure begutachten das Ultraschallbild einer ägyptischen Mumie und erstellen daraus ein belastbares Blutbild von der Pyramide. Diese Disziplin der Ursachenforschung wird auch als Dokumentenarchäologie bezeichnet.

Kandidat 6:

Erinnern Sie sich noch? Stefan Raab hatte einen Top-Hit mit einer Dame gelandet, die den Maschendrahtzaun in Deutschland wieder salonfähig gemacht hat. „Maszschän-Drooht-Zschauun in the morning…“ Der Hit hat die kleine vogtländische Stadt Auerbach im Jahre 2000 praktisch über Nacht bundesweit berühmt gemacht.

Die Steigerung des Bekannheitsgrades einer Stadt ist immer ein gutes Ansinnen, um bei Bürgern, vor allem aber bei Touristen zu punkten. Wenn es an den touristischen Magneten aber keine Toiletten gibt, sollen die Besucher wenigstens wissen, wo sie sich im Notfall erleichtern können.

So ein Maschendrahtzaun ist da zwar nicht ungeeignet (so lange er nicht unter Strom steht), aber zu abgedroschen. Ein Stadtrat hatte da eine zündende Idee und proklamierte in der vierten Etage für das Westufer den „Doppelstabmattenzaun“. Zu spät für den zurückgetretenen Stefan Raab, aber vielleicht kann ja Olaf Schubert was draus machen?

Dazu müsste der Doppelstabmattenzaun aber die Grenzen der Stadt verlassen und das geht nur, wenn er zum Markranstädter Unwort des Jahres gekürt wird. Oder wird es vielleicht doch die Vollsperrung, der Akteneinsichtsausschuss, die Jahrgangspflanzung, der Gemeindevollzugsdienstmitarbeiter oder das havarierte Regal?

Es liegt ganz bei Ihnen, liebe Leserinnen und Leser. Einfach Ihren Favoriten anklicken und schon haben Sie sich aktiv in den gesellschaftlichen Gestaltungsprozess unserer Muttersprache eingebracht. Machen Sie von Ihrem demokratischen Recht Gebrauch und lassen Sie sich nicht von anderen Mitmenschen vorschreiben, welches Unwort Sie nicht gewählt haben.

 

Hinter den sieben Bergen…

Der vorweihnachtlichen Stimmung in der Kernstadt wurde ausreichend gehuldigt. Doch wie sieht es hinter den sieben Bergen in den Wäldern des Landkreises Markranstädt aus? Die Gegenden, in denen im Sommer selbst der Regenbogen mitunter noch schwarz-weiß kommt, bestechen ja traditionell eher durch privates Beleuchtungsengagement. Häuser im Stile Clark W. Chriswolds, deren Gebälk unter der Last tausender blinkender Glühbirnen ächzt.

Also haben wir den Landkreis Markranstädt ganz im Sinne weihnachtlicher Traditionen wie einen Stern sauber in drei Teile zerlegt. Sie merken schon: Nicht nur im Sinne weihnachtlicher Traditionen, sondern auch deutscher Ordnung. Es ist ein Mercedes-Stern. Drei Mann, drei Kameras und ab in die ländliche Nacht!

Schon von weitem grüßt das Lindennaundorfer Wahrzeichen, als wolle dessen festliche Beleuchtung sagen: Gehe direkt zur Windmühle, begib dich nicht über Los.

Den Grund erfährt man beim Blick in die Ereigniskarte: „Die Stadt hat die Schranke abgebaut und statt dessen Kapitulationssteuer erhoben. Zahle für jedes Haus 30 mal die Augen deiner Würfel“.

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Ehemalige Frankenheimer Schranke.

Frankenheim

Die Mühle selbst knüpft rein lichttechnisch an die Maßstäbe ihrer großen Schwester in Paris an. Sie hat was von Moulin Rouge und selbst wenn man sie nur fotografieren will, kann man kaum widerstehen, mal einen Blick hinein werfen zu wollen.

Wer weiß, was da abgeht, bei so viel einladendem Rot? Und reichlich alte Säcke soll es ja in einer Mühle auch ohne rotes Licht geben.

Großlehna

Weiter geht die Reise nach Großlehna. Auch hier lockt aus der Ferne eine gigantisch strahlende Supernova, die sich jedoch beim Näherkommen als Nachtbeleuchtung des Gewerbegebietes herausstellt. Die Suche nach vorweihnachtlicher Stimmung endet an der Kirche vor Schloss Altranstädt.

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Adventsstimmung in Altranstädt

Hier wird auch deutlich, wie viel mehr etwas weniger sein kann. Der Stern über dem Portal reicht, um den Advent ins Dorf zu holen.

Sozusagen als Reminiszenz an den Energieversorger (man soll ja in diesen Tagen gerade auch mal an die Ärmsten denken), wurde noch ein historischer Flak-Scheinwerfer aus Zeiten der Leuna-Verteidigung zur Inszenierung des Kirchturms aufgestellt, damit sich der Stromzähler wenigstens ein paar Millimeter von der Stelle bewegt. Gelebte Nächstenliebe.

Ein paar Kilometer weiter, in Quesitz, steht der öffentlich-rechtliche Baum direkt neben der Döhlener Feuerwehr. Man muss aber schon genau hinschauen, um das Lichtspektakel auf den Ästen des imposanten Nadelgehölzes zu entdecken. Die Lichterketten auf und an den umliegenden Häusern, Höfen und Gärten nehmen seinen Lampen das ganze Licht.

Quesitz

Dafür hat man aber an der Quesitzer Tankstelle Kreativität bewiesen. Dort gibt es festliche Beleuchtung für Rätselfreunde. Advent zum Mit- und Nachdenken sozusagen. In harmonischen, vorweihnachtlichen Farben wird dem vorbeifahrenden Kraftfahrer ein aus hunderten roten Lichtern zusammengesetztes Sudoku präsentiert.

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Vorweihnachtliches bft-Sudoku.

Die bft-Ideenschmiede setzte hier mal nicht auf den üblichen Konsumrausch, sondern auf Besinnung, Entschleunigung und Mitmachen. Können Sie dieses Sudoku lösen?

Thronitz

Ganz anders das in beiden Orten identische Bild in Thronitz und Räpitz. Nicht nur der Mangel an Installationsmöglichkeiten an nicht vorhandenen öffentlichen Gebäuden und Flächen setzt dort dem vorweihnachtlichen Lichterrausch Grenzen, sondern auch die selbst gesetzten ökologischen Maßstäbe der Nachhaltigkeit. Nicht „weniger ist mehr“ heißt es hier, sondern „nichts ist alles“.

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Adventsstimmung in Thronitz

Wozu auch dem Durchgangsverkehr sinnlos Energie hinterher werfen? Und überhaupt: Erst wenn alles dunkel ist, kann man die wahre Bedeutung des Lichts ermessen. So wird den Schäfchen Bescheidenheit gelehrt und nirgendwo im Landkreis Markranstädt wird man beim Entzünden einer Kerze am Adventskranz so viel Dankbarkeit und Demut empfinden wie in Thronitz. Wirklich sympathisch.

Kulkwitz

In Kulkwitz wären Fragen der Weihnachtsbeleuchtung und des damit verbundenen Energiebedarfs eigentlich kein Problem. Leider denkt man dort etwas zu kurz und lässt visionären Gedanken keinen Raum. Ein kleines Wasserkraftwerk in der Gartenanlage zwischen Vernässungsfläche und Sportplatz – und schon könnte man sich dort das ganze Jahr über in elektrischem Kerzenschein bräunen.

So aber repräsentieren nur ein paar Scheinwerfer am Fuße der alten Wehrkirche das nahende Fest. Das Flair auf den beleuchteten Klippen hoch über dem Friedhofsteich und den Kulkwitzer Lachen entschädigt dafür nicht nur Fotografen auf der Suche nach möglichst morbiden Motiven.

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Kulkwitzer Wehrkirche im Advent

Ein Fotografen-Team nach Göhrenz zu schicken, haben sich die Markranstädter Nachtschichten verkniffen. Dort wird noch lange Zeit jeder Versuch, den Garten in vorweihnachtliches Licht zu tauchen, von den Scheinwerfern der Straßenbaumaschinen und Bagger erstickt.

Albersdorf

Also auf zum letzten Ziel. Albersdorf hatten wir lange nicht. Bereits im Sommer wurde am Ortseingang unmittelbar neben dem Dorfanger ein interessantes Lichtspiel installiert.

Nach einer monatelangen Testphase ist die Adventsbeleuchtung nun in den weihnachtlichen Dauerbetrieb übergegangen. In regelmäßigen Abständen wechseln die Lichter von Rot auf Gelb, dann auf Grün, schließlich wieder auf Gelb und dann erneut auf Rot.

Auf den ersten Blick mag es scheinen, dass das Lichtspiel trotz erwarteter Besinnlichkeit etwas zu entschleunigt getaktet wurde, aber das täuscht. Vor allem wenn die Anlage rot leuchtet, beeindruckt das die Passanten so stark, dass sie unvermittelt inne halten und wie paralysiert auf das Licht schauen. Fast könnte man meinen, dass sie gar nicht genug davon bekommen könnten und wirklich – sie fahren erst weiter, wenn das gelbe oder das grüne Licht leuchtet.

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Albersdorfer Ganzjahres-Lichtspiel

Advent im Landkreis Markranstädt

Ja liebe Leserinnen und Leser, das war sie bereits, unsere kleine Rundreise durch den vorweihnachtlichen Landkreis Markranstädt. Es gibt viel zu entdecken, wenn man mit offenen Augen durch die heimatliche Nacht fährt.

Vielleicht finden auch Sie das eine oder andere originelle Licht? Schicken Sie es uns und lassen Sie alle Leserinnen und Leser an seinem Schein teilhaben. Wir binden Ihr Licht sozusagen hoch an, damit es ein Highlight wird.