Markranstädt – ein gefährliches Pflaster wo man steht und geht

Obwohl der Marktplatz in den Nachtstunden noch immer von der kommunalen Christbaumbeleuchtung erhellt wird, ist es spätestens seit der zurückliegenden Woche vorbei mit der weihnachtlichen Besinnlichkeit in Markranstädt. Die Brutalität des harten Alltags hat uns wieder und wie erbarmungslos der zuschlagen kann, musste schon so mancher homo marcransis am eigenen Leibe erfahren.

Gilt das Namensschild über dem Eingang eines Gebäudes als ausreichender Warnhinweis oder kann man im Falle eines Missgeschicks gegen den Eigentümer vorgehen?

Jedenfalls steht über der Tür des Albersdorfer Unglücksgebäudes in dicken Lettern „Zur schnellen Spritze“ geschrieben. Von daher ist klar: Es kann also mal ganz fix gehen mit dem Verlassen des Ortsbegegnungszentrums in Göhrenz.

Im Geschwindigkeitsrausch

Das soll vor einigen Tagen  jemand sogar mit Vmax bei einer rekordverdächtigen Beschleunigung von satten 9,81 Metern pro Quadratsekunde geschafft haben. Allerdings vertikal – und deshalb auch von dieser Stelle zunächst der aufrichtige Wunsch an Opfer, Knochen und Bänder: Gute Besserung!

Von außen ist die Warnung "Zur schnellen Spritze" gut erkennbar, aber wenn man von innen kommt, kann einen die physikalische Dimension der Fallbeschleunigung schon ziemlich überraschen.

Von außen ist die Warnung „Zur schnellen Spritze“ gut erkennbar, aber wenn man von innen kommt, kann einen die physikalische Dimension der Fallbeschleunigung schon ziemlich überraschen.

Gefahr kommt von Gefährten

Die Lehre aus diesem Vorfall könnte allerdings in Zukunft hilfreich sein: Es genügt nicht, ständig nur den ordnungsgemäßen Zustand der vier Beine des Amtssessels im Auge zu haben und auf herumliegende Sägespäne zu achten. Auch die Absätze der Heels und witterungsbedingte Einflüsse auf das Gefüge von Bodenluken können im Klassenkampf empfindliche Bedrohungen entwickeln.

„Gefahr in Verzug“ oder: Führen ohne Führerschein

Jedenfalls soll ein Grund wie dieser auch Anlass gewesen sein, warum am Donnerstag im Markranstädter Stadtrat aus dem Status „Gefahr im Verzug“ die Tatsache „Gefahr eingetreten“ wurde. Die Bürgermeisterin musste die Versammlungsleitung aus Gründen der Rekonvaleszenz einem Stellvertreter überlassen. Den sie eigentlich gar nicht hat. Führen ohne Führerschein sozusagen.

Apropos Gefahr im Verzug: Was alles zu den Gefahren zählt, vor denen die deutsche Politik ihre Bürger schützen zu müssen glaubt, erklärt die Stadt Leipzig auf ihrer Homepage.

Gefahr in homöopatischen Dosen

Dort sind Gegenmaßnahmen zu all dem aufgelistet, was unsere Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttern könnte. So unter anderem Waffen, Sprengstoff, Kampfmittel, ausländische Vereine, Kampfhunde, Giftschlangen und ähnlich gefährliches Gedöns. Alles längst bekannte Gefahren, aber der letzte Punkt in der Liste lässt trotzdem aufhorchen. Denn auch die „Beantragung einer Heilpraktikererlaubnis“ zählt in Leipzig zu den Maßnahmen der Gefahrenabwehr.

Was unterscheidet einen Heilpraktiker vom Sprengstoff-Attentäter? Genau: Der Terrorist muss sich in Deutschland nicht anmelden und in Leipzig auch keine Erlaubnis beantragen. Die Einschränkung der Berufsfreiheit gilt nur für Giftschlangen, Heilpraktiker oder ähnliche Gefährder.

Was unterscheidet einen Heilpraktiker vom Sprengstoff-Attentäter? Genau: Der Terrorist muss sich in Deutschland nicht anmelden und in Leipzig auch keine Erlaubnis beantragen. Die Einschränkung der Berufsfreiheit gilt nur für Giftschlangen, Heilpraktiker oder ähnliche Gefährder.

Da ist man in Markranstädt schon längst einen Schritt weiter. Die beiden im Stadtrat verbliebenen Heil-Praktiker waren eh nicht da und bevor hier versehentlich ein mit Bachblüten experimentierender Scharlatan stellvertretend eine Stadtratssitzung leitet, hat man diese Aufgabe lieber gleich einem approbierten Mediziner übertragen.

Zulassung durch Ärztekammer

Vielleicht sollte man dieses Pilotprojekt für alle Posten in der Politik anwenden? Nur wer die Zustimmung der Ärztekammer vorweisen kann, darf ein politisches Amt übernehmen: Da würde sich so manches Problem nicht nur ganz wie von selbst lösen, sondern andere vielleicht auch gar nicht erst entstehen?

Der politicus interruptus

Jedenfalls wurde die Stadtratssitzung am Donnerstag zu einer der kürzesten in der jüngeren Historie Markranstädts. Nur 15 Minuten nach dem Gong war die Duma schon bei Tagesordnungspunkt 10 angelangt und nach 61 Minuten hatte der Arzt die Sprechstunde beendet – politicus interruptus.

Die Eile war auch geboten, denn nach der Verabschiedung von Saskia Kunth ist im Bauamt kaum noch jemand übrig geblieben, der sich um das Loch im Dach über dem Ratssaal kümmern könnte. Und so muss es in den nächsten Jahren wohl erstmal dieser rumänische Dachziegel richten.

Passt zum Thema der Kulkwitzer Karnevalisten, die auf die "Filmstadt Markranstädt" blickten: Demnach wird hier wegen des personell entkernten Bauamts nicht mehr mit Ziegeln und Beton gebaut, sondern mit Tesa-Film.

Passt zum Thema der Kulkwitzer Karnevalisten, die auf die „Filmstadt Markranstädt“ blickten: Demnach wird hier wegen des personell entkernten Bauamts nicht mehr mit Ziegeln und Beton gebaut, sondern mit Tesa-Film.

Was war sonst noch so los in der zurückliegenden Woche? Ach ja, ein Aufruf hat die Runde gemacht. Wer den Mut hat, sein Gesicht zu zeigen, kann das offenbar am Sonntag auf dem Marktplatz tun. Allein der, die oder das Initiatoren ließen selbigen vermissen und riefen aus der Anonymität dazu auf.

Rrrrechts, zwo, drrrei!

Während Demonstranten im gesamten Osten immer wieder gebetsmühlenartig aufgefordert werden, genau hinzuschauen, wem sie bei Protesten hinterher laufen, scheint das in diesem Fall nicht nötig zu sein. Eigentlich ein gefundenes Fressen für die Medien, die doch schon im Vorfeld von Demos so gern die Gefahr von deren Okkupation durch rechte Trittbrettfahrer herbeischreiben. Wo also bleiben Schlagzeilen wie: „Werden auch Demos gegen Rechts jetzt von den Rechten vereinnahmt?“

Wenn uns die zurückliegende Woche eines gelehrt hat, dann die Tatsache, dass Gefahren überall lauern. Es ist sogar statistisch erwiesen, dass über 40 Prozent aller tödlichen Unfälle im Haushalt passieren – bundesweit mehr als 8.000 pro Jahr! Insgesamt verunglücken in Deutschland jährlich rund 2,8 Millionen Menschen in den eigenen vier Wänden und damit mehr als doppelt so viele wie im Straßenverkehr.

In diesem Sinne: Gehen Sie am Wochenende ruhig mal an die frische Luft. Trotz aller dort lauernden Gefahren ist das nur halb so gefährlich, als wenn Sie zu Hause bleiben.

Eine Markranstädter Legende nimmt ihren Hut

Weil das Gebäude der Markranstädter Grundschule einem Schiff nachempfunden wurde, sollte man annehmen, dass die gesamte Einrichtung dem Seefahrtsrecht unterworfen ist. Demnach müsste hier auch die Maxime gelten: Frauen und Kinder zuerst, der Kapitän verlässt als Letzter das Schiff! Am Mittwoch war allerdings genau das Gegenteil der Fall. Alle anderen blieben zurück, nur die Kapitänin ging von Bord. Jedoch nicht fluchtartig wie einst Francesco Schettino von der Costa Concordia, sondern mit allen Ehren, die man sich nach einem erfüllten Berufsleben nur wünschen kann. Sogar Tränen sind geflossen.

Ziehen wir als Gleichnis also nicht die Seefahrt heran, sondern eine bekannte Bildungseinrichtung.

Hogwarts zum Beispiel, die Ausbildungsstätte von Harry Potter. Dessen Schulleiterin im Hause Gryffindor war Professorin Minerva McGonagall.

Die Muggel-Pädagogin

An der Markranstädter Grundschule wurde diese Funktion seit 2013 von Simone Müller wahrgenommen. Mindestens ebenso beliebt wie ihr literarisches Gleichnis McGonagall, hatte die gebürtige Lützenerin allerdings eine ungleich schwerere Aufgabe. Denn Simone Müller ist nicht nur selbst bekennender Muggel, sondern musste sich Zeit ihres beruflichen Lebens auch ausnahmslos mit Muggel-Kindern beschäftigen.

Lehrerin ohne Zauberstab

Und obwohl sie also nicht zaubern kann, hat sie dabei so viele Kunststücke vollbracht, dass sich am Mittwoch sogar hochdekorierte Würdenträger der Schulbehörden in der Stadthalle einfanden, um die Legende unter den Markranstädter Schulleitern in den Ruhestand zu verabschieden.

Überraschung mit Gänsehaut und Tränen

Weil Simone Müller davon nichts ahnte, war die Überraschung so groß, dass sie sich vor dem anschließenden Interview mit den Markranstädter Nachtschichten erst einmal die Augen trocknen und den Lidstrich nachziehen musste.

Das Bild sagt alles: Dagegen ist jeder Zapfenstreich bei der Verabschiedung eines Bundeskanzlers ein Trauerspiel.

Das Bild sagt alles: Dagegen ist jeder Zapfenstreich bei der Verabschiedung eines Bundeskanzlers ein Trauerspiel.

Viele Kulkwitzer werden Simone Müller noch unter ihrem Mädchennamen Pleschka kennen. Mit dem unterschrieb sie 1982 ihren ersten Arbeitsvertrag, der sie als Unterstufenlehrerin in die dortige POS Käthe Kollwitz führte. „Ein Hingucker, wenn sie über den Schulhof lief, aber eben auch eine der Lehrerinnen, die sogar bei Oberschülern Respekt genoss“, erinnert sich ein ehemaliger Bankdrücker.

Nachdem Simone Müller an den Ufern der Gärnitzer Vernässungsfläche neun Jahrgängen den Weg in die höheren Weihen der Oberstufe geebnet hatte, folgte die nächste Etappe im Nachbarort. Zwar als Schulleiterin der Grundschule Räpitz ins Rennen geschickt, war ihre Aufgabe mit der Abwicklung der Einrichtung und Betreuung der letzten zwei Klassen allerdings schon opulent beschrieben.

Der Aprilscherz

Trotzdem erinnert sie sich noch gern an diese Zeit und vor allem an jenen Aprilscherz, als sie unter dem Vorwand eines dringenden Telefonats aus dem Klassenzimmer gelockt wurde.

Freude und Wehmut im Einklang: Ein letztes Mal schloss Simone Müller am Mittwoch ihr Büro ab.

Freude und Wehmut im Einklang: Ein letztes Mal schloss Simone Müller am Mittwoch ihr Büro ab.

„Dass gar niemand am anderen Ende der Leitung war, hatte mich zwar gewundert, aber ich habe nicht weiter drüber nachgedacht“, erzählt sie. Doch als sie nach wenigen Minuten ins Klassenzimmer zurückkehrte und alle Kinder verschwunden waren, sei ihr ein gewaltiger Schreck in die Glieder gefahren.

Verbannung nach Askaban wegen Verletzung der Aufsichtspflicht oder, schlimmer noch, Beförderung zur Bildungsministerin – was einem in solchen Momenten eben an schrecklichen Konsequenzen so durch den Kopf schießt. Zum Glück hatten sich die Schüler nur versteckt. Ein Aprilscherz, an dem alle Lehrer und Kinder beteiligt sind, funktioniert eben nur an einer Schule, an der es lediglich noch drei Pädagogen und eine handvoll Pauker gibt.

Reise durch die Schullandschaft

Von Räpitz aus ging es für Simone Müller als stellvertretende Leiterin an die Grundschule Miltitz. Eine nützliche Erfahrung, denn weil es dort keine Sporthalle gab und die Kids jedesmal zur Turnstunde zu Fuß in eine Grünauer Halle laufen mussten, konnte Simone Müller schon mal an den Herausforderungen der nächsten Etappe schnuppern. Denn die führte sie an die 86. Grundschule in Grünau.

Inzwischen hatte auch dort schon das neue Jahrtausend begonnen und entsprechend breit gefächert war nicht nur das Bildungsangebot, sondern auch der Grad dessen Nutzung durch die Schüler. Dass sie sich auch hier behaupten konnte, habe sie auch einem „unglaublich motivierten Lehrer-Team zu verdanken, das die Herausforderungen mit neuen, innovativen Ideen angegangen ist“, erinnert sich die Pädagogin.

Stillleben mit Abschiedsstimmung im Schulleiterzimmer. Was ihre Schüler beigesteuert haben, hängt an der Wand und wird nie verwelken.

Stillleben mit Abschiedsstimmung im Schulleiterzimmer. Was ihre Schüler beigesteuert haben, hängt an der Wand und wird nie verwelken.

Nach weiteren Zwischenstationen als Referentin im Schulamt, Schulleiterin in Pegau und als Ausbilderin junger Lehrkräfte an der Uni kehrte Simone Müller 2013 in Markranstädter Gefilde zurück. Elf Jahre stand sie dann auf dem Schulschiff in der Neuen Straße als Kapitän auf der Brücke. Die emotionale Verabschiedung am Mittwoch wird sie in ihrem Ruhestand sicher noch lange begleiten. So wie die herzergreifende Anekdote, die ihr das Leben zwei Tage vor ihrem Abschied fest in die Erinnerungen schrieb.

Kindermund zum Abschied

Da saß Simone Müller während der Pause auf einer Bank im Schulhof, als sich ein Schüler neben sie setzte. „Frau Müller, ich bin traurig, dass du gehst“, hat er sie wissen lassen, worauf die Schulleiterin schweren Herzens zugab: „Ja, ich auch.“ Daraufhin habe der kleine Junge seine Hand tröstend auf ihre gelegt und melancholisch gesagt: „Aber wir hatten auch gute Zeiten.“

Ja, tschüss denn und alles, wirklich alles Gute!

Ja, tschüss denn Frau Kapitän. Und alles, wirklich alles Gute!

 

Die KI will es so: Warum Markranstädt „Heute geschlossen!“ hat

Es gibt Leute, die zwar um nichts in der Welt an Gott oder was anderes jenseits ihres Verstandes glauben wollen, statt dessen aber bereit sind, ihr Leben künstlicher Intelligenz anzuvertrauen. Ein nur scheinbarer Widerspruch, der allerdings dann einen Sinn ergibt, wenn man beim Nachdenken der eigenen Intelligenz vertraut. Sofern vorhanden. Und genau da löst sich der Widerspruch in Logik auf. Wie sich Markranstädt im Zeitalter der Unterwerfung unter fremden Intellekt verändert, hat das Team der Nachtschichten in der zurückliegenden Woche untersucht und ist dabei auf überraschende Entwicklungen gestoßen.

Ein Blick in die schönen Ecken Markranstädts genügt, um die positiven Folgen des Einsatzes künstlicher Intelligenz (KI) wie ChatGPT zu erkennen.

Hinter dem REWE-Markt, auf dem Alten Friedhof und in anderen soziokulturellen Erlebnisbereichen der Stadt sammeln die leeren Flaschen jetzt ihre Konsumenten und nicht, wie bisher, umgekehrt. Es ist wie schon immer seit der Antike: Die intellektuell höher entwickelten Lebensformen setzen sich am Ende durch. Oder, um bei den Eigentümern der Flaschen zu bleiben: Man kann für den Faktor KI noch so hohe Werte einsetzen, die Multiplikation mit Null ergibt immer Null.

Wozu die KI so taugt: Ohne ChatGPT keine Annalena

Die KI ist der moderne Heiland. Ihr haben wir solche Glücksfälle wie die Berufung von Annalena Baerbock zur Außenministerin zu verdanken, die dem Sozialstaat ansonsten wohl heute noch auf der Tasche liegen würde. „Wir haben uns auch alle gewundert, aber sie wurde uns von der KI vorgeschlagen“, wird Kinderbuchautor Robert Habeck im Protokoll eines privaten Geheimtreffens mit seinem Koalitionspartner Patrick Lindner (FDP) zitiert. Als Alternativen hatte ChatGPT lediglich einen alten Schiffsdiesel und einen Pfau angeboten.

Interessante Visionen

Da könnte man fast schon auf die Idee kommen, bei der nächsten Bürgermeisterwahl auch gleich die KI an die Urne zu schicken. Einfach die Maße eingeben und die Haarfarbe – fertig  ist der Lack inklusive Stadtbad samt Fahrstuhl im Bahnhof.

Noch ist nicht einmal eine Schuh-Zubinde-App entwickelt worden, da dürfen sich die Kids in der Schule schon von KI vertreten lassen.

Noch ist nicht einmal eine Schuh-Zubinde-App entwickelt worden, da dürfen sich die Kids in der Schule schon von KI vertreten lassen.

Schon kündigt sich jedoch die nächste Entwicklungsetappe an, die in Markranstädt vor allem im Pfarrviertel an der Schulstraße mit wachsender Sorge beobachtet werden dürfte. Kommt nach der KI jetzt der KG? Noch wird dem künstlichen Glauben im christlichen Abendland mit Skepsis begegnet, dabei ist er schon längst da.

Im Islam ist dieses religiöse Erfolgsmodell jedenfalls schon seit Jahrhunderten als Taqiya bekannt und die katholische Inquisition war auch nur nichts anderes als eine analoge Form mit flammendem Nachdruck angebotener Konvertierung.

Der künstliche Glaube (KG): "Zur Bestätigung Ihrer Konfession drücken Sie bitte die Raute-Taste".

Die KG kommt: „Zur Bestätigung Ihres Glaubens drücken Sie bitte die Raute-Taste“.

…und gib uns unser täglich Wissen

Was kommt als nächstes? Nachdem jetzt sogar in Sachsens Schulen künstliche Intelligenz im Unterricht genutzt werden darf, wird es wohl künftig nur noch an KH und KP, also künstlichen Handwerkern und künstlichen Pflegekräften fehlen.

Die in Brasilien nach Ersatz suchen

Es ist sowieso humaner, wenn man das Ansaugen des Stuhlgangs im Seniorenheim einer Lebensform überlässt, die dabei möglichst wenig Empathie entwickelt. Petra Köpping (die mit dem Duplo-Lächeln auf den Wahlplakaten, mit dem sie jeden Schokoriegel quer essen kann), war deshalb unter der Woche extra in Brasilien, um Pflegekräfte anzuwerben.

So geht sächsisch: Ginsdich statt günsdlich

Leider hat ihr Reiseplaner dabei was durcheinander gebracht und das Adjektiv künstlich mit günstig verwechselt. Also kommen auch wieder nur humanoide Aufstocker ins Land, die hier auf dem zweiten Bildungsweg das Abbürgern erlernen. Wir hingegen lernen: Auch in der Landesregierung sollte man sich der KI nicht länger verschließen.

Matt in zwei Zügen

Bauer von A 9 auf A 38: Schach!

Bauer von A 9 auf A 38: Schach!

Wie die Sache mit der künstlichen Intelligenz auch nach hinten losgehen kann, hat die erst jüngst auch über Markranstädt geschwappte Protestwelle gezeigt. Der Information „Bauer von A 9 auf A 38“ würde laut KI normalerweise die Ansage „Schach“ folgen.

Statt dessen hat man die Interpretation dieses genialen Zuges analog abschreibenden Journalisten überlassen, die darin lediglich eine „von rechts vereinnahmte Demo“ erkennen wollten. Wem soll man nun glauben?

Besonders eitlen Menschen wird bekanntlich nachgesagt, dass sie sich selbst googeln. Wir bei den Markranstädter Nachtschichten sind nicht nur eitel, sondern regelrecht arrogant. So überheblich sogar, dass wir uns jetzt selber mal in den flammenden Lobeshymnen sonnen wollten, die ChatGPT über uns ausgießt.

Also haben wir die KI gefragt: Was sind die Markranstädter Nachtschichten?

Nachtschichten bei ChatGPT

Was das künstliche Hirn als Antwort erzeugte, war eine kryptisch verbrämte Ode, an deren Entschlüsselung wir uns noch heute die Zähne ausbeißen.

Die KI meint: „Die Markranstädter Nachtschichten sind eine Veranstaltungsreihe, die in der Stadt Markranstädt in Deutschland stattfindet. Es handelt sich um eine Reihe von kulturellen Veranstaltungen, die in den Abend- und Nachtstunden stattfinden. Dabei gibt es verschiedene Programmpunkte wie Konzerte, Theateraufführungen, Lesungen und vieles mehr. Die Markranstädter Nachtschichten bieten den Besuchern die Möglichkeit, die Stadt und ihre kulturelle Vielfalt auch außerhalb der üblichen Öffnungszeiten zu erleben.“

„Übliche Öffnungszeiten“

Was in den Nachtstunden kulturell so bei uns los ist, hatten wir schon vorher gewusst. Aber zumindest ist es doch ganz nett formuliert, oder? Und dann noch die Information, dass die Stadt „übliche Öffnungszeiten“ hat … ohne künstliche Intelligenz würde das keiner glauben!

Samstags und sonntags heißt also es in Markranstädt ab sofort ganz offiziell: „Heute geschlossen“. In diesem Sinne: Ihnen allen zwei entspannte Ruhetage und tun sie lediglich mal nur das, was die Erfinder der KI eigentlich bezwecken: Denken Sie nicht nach, sondern glauben Sie einfach.

Jetzt wird’s in Markranstädt völlig närrisch!

Nur noch 49 Wochen, dann ist schon wieder Silvester. Ein nüchterner Blick auf die geopolitische Lage lässt allerdings ahnen, dass bis zum nächsten Weihnachtsfest trotzdem noch 50 Wochen ins Land gehen werden. Auch in den von Putin annektierten Sowjetrepubliken kommt Väterchen Frost bekanntlich erst am 7. Januar. Angesichts solcher Aussichten ist es geradezu erwärmend, wenn man seinen Blick nur auf das Areal vor der Haustür richtet. Wir helfen Ihnen dabei. Heute erfahren Sie bei uns beispielsweise, wo noch Karten für eine der Markranstädter Karnevalsveranstaltungen erhältlich sind und welche Alternativen es gibt, wenn man keine Tickets mehr bekommen hat. Noch einmal Can-Can, bevor der Kasatschok zum Pflichttanz wird.

Wenn da nicht wenigstens ab und zu mal ein paar Jakedumas wären, die den Unterstand für Einkaufswagen vor einem Supermarkt in die Luft jagen, würde Markranstädt in der deutschen Medienlandschaft gar nicht mehr vorkommen.

Weil die läppischen 3.000 Euro Sachschaden in keinem Verhältnis zum sündhaft teuren Preis einer Marketingkampagne in der Tageszeitung stehen (die Markranstädt ohnehin schon als abgehaktes Gebiet zu betrachten scheint), sollten wir der mutigen Initiative dieser jungen Pyrotechniker zumindest ein wenig Dankbarkeit erweisen. Man kann schließlich nicht jeden Tag eine Wahlanfechtungsklage anzetteln oder Stadtmöbel hin und her rücken, um endlich mal wieder in die Zeitung zu kommen.

Auf zum letzten Can-Can!

Einziger Lichtblick für die nach Humor dürstende Gemeinde im Zweistromland zwischen Floßgraben und Zschampert ist die anstehende Karnevalszeit. Aber selbst da gibt es schon lange Gesichter, wo sich eigentlich ein zufriedenes Lächeln ausbreiten sollte. Denn auch hier gilt: Wer zu spät kommt, den bestraft das (närrische) Leben und er muss sich den Narrhallamarsch von draußen anhören.

Düstere Zeiten: Sogar Tickets sind schon knapp

„Ausverkauft“ heißt es schon seit langem für die Weiberfastnacht beim Marktführer MCC in der Stadthalle. Seit letzter Woche gilt das nun auch im Filmriss, wo die beim Groitzscher obdachlos gewordenen Karnevalisten aus Kulkwitz eine neue Heimstatt gefunden haben und den Veranstaltungsreigen am 27. Januar eröffnen.

Bleibt als letzter Strohhalm für kartenlose Jecken wohl nur noch das Räpitzer Narrenvölkchen, das sich glücklicherweise und fast noch im letzten Moment zum Abfeiern einer weiteren Session aufraffen konnte.

Allerdings sind inzwischen auch die Tickets für die drei Veranstaltungen in Franks Bierstube schon Mangelware geworden. Lediglich bei der Sause am 23. Februar ist noch ein Tischlein frei. Da könnte sich ein Anruf im Schkeitbarer Event-Center durchaus noch lohnen, zumal man über den Räpitzer Fasching hinter vorgehaltener Hand ohnehin vom besten Karneval Markranstädts spricht.

Ersatz in der vierten Etage

Wer trotzdem leer ausgeht, muss dann eben sein Glück in der vierten Etage versuchen. Dort ist der Eintritt frei, das Platzangebot wird trotz gleichbleibender Zahl der Stühle auf wundersame Weise immer üppiger und wenn es auch immer weniger zu lachen gibt, ist das Programm doch stets für die eine oder andere Überraschung gut. Wenn Sie beispielsweise wissen wollen, wer sich diesmal als Bauamtsleiter verkleiden musste, sollten Sie sich die Prunksitzung des Stadtrates am 1. Februar um 18.30 Uhr unbedingt vormerken.

„Isschtd drt dr Ruffbuss?“

Wer es zu einer der Veranstaltungen schafft, hat jedoch erst die halbe Miete im Keller, denn es droht schließlich noch ein gefährlicher Rückweg. In den frühen Morgenstunden einen Rufbus zu ordern, ist angesichts der Sprachschwierigkeiten bei 3,8 Atü auf dem Kessel meist keine gute Idee. Wer weiß, was der Gerufene versteht?

Am Ende kommt der einzige noch fahrbereite Panzer der Bundeswehr angerollt und man findet sich am nächsten Tag wegen Wehrkraftzersetzung vorm Kadi wieder.

Pegelstände und Tauchtiefen

Damit der Weg nach Hause zu Fuß nicht in einem Fiasko endet, weil man vielleicht beim Überqueren eines der durch Markranstädt führenden Flüsse sein jämmerliches Ende findet, hat man sich beim Portal „Wetter-Online“ einen besonderen Service ausgedacht.

Hier kann man sich jetzt vor jedem Aufbruch ins Ungewisse über die aktuellen Pegelstände in Markranstädt informieren. Damit das Sinn macht, muss man dann zwar einen kleinen Umweg über die Weißenfelser Rischmühle nehmen, aber was tut man nicht alles, um sicher an sein Ziel zu gelangen?

Oho und Helau

Schließen wir also die Markranstädter Wochenschau mit einem dreifach-einfachen „Lallendorf OHO – KFV Helau – Räpitz Helau!“ und dem aufrichtigem Wunsch, dass alle Jecken auch wieder gesund nach Hause kommen mögen. Tripper oder ähnliche kleine Mitbringsel zählen ja beim Fasching zum Glück nicht als Krankheit.

Wegen schlechter Pisa-Ergebnisse: Markranstädt führt den Karzer wieder ein

Gerade noch rechtzeitig vorm Neujahrsempfang hat das Rathaus den Jahresrückblick 2023 in die Briefkästen der Leute stecken lassen. Ein geballtes Leistungsverzeichnis der letzten 12 Monate auf 16 Seiten! Aber zunächst gibt es in diesem Zusammenhang traditionell den besonderen Service der Markranstädter Nachtschichten, damit die Bürger nicht selber zu zählen brauchen: Diesmal waren’s nur 30.

Ein PR-Verlust gegenüber dem Vorjahr in Höhe von sage und schreibe rund 14 Prozent! Aber das ist nicht der einzige Fakt, der Anlass zu Sorge gibt.

Unter den vielen abwechslungsreichen Fotos, auf denen mal die Bürgermeisterin, mal unser Stadtoberhaupt, dann auch mal Nadine Stitterich und am Ende sogar die Chefin des Rathauses höchstselbst aufmunternd in die Linse lächeln, fällt ein Motiv deutlich aus dem Rahmen.

Das Fotoalbum des Jahres 2023 ist da!

Das Fotoalbum des Jahres 2023 ist da!

Auf Seite 12 finden wir in der Mitte der rechten Spalte die Abbildung eines „Multifunktionsraumes für mehr Inklusion“. Damit es nicht zu Irritationen kommt, wird im Bildtext eindeutig darauf hingewiesen, dass der Raum bereits freigegeben ist. Da fehlt also nix!

Damit wieder Zucht und Ordnung herrschen!

Die ältere Generation der MN-Leser hat natürlich sofort erkannt, dass hier das wichtigste Element pädagogischer Wertarbeit eine blühende Renaissance erfährt. Man kann die Gitter an den Fenstern sogar ohne Lesebrille erkennen.

Schlicht gehaltene Aufenthaltskultur gegen Reizüberflutung: Der neue Karzer im Markranstädter Schulcampus.

Schlicht gehaltene Aufenthaltskultur gegen Reizüberflutung: Der neue Karzer im Markranstädter Schulcampus.

Weil Deutschland bei der jüngsten Pisa-Studie sogar hinter europäische Länder wie Ruanda, Lummerland oder Gotham City zurückgefallen ist, geht Markranstädt jetzt einen eigenen Bildungsweg. Voilá – der Karzer ist zurück!

Wer genau hinschaut, erkennt die wesentlichen erzieherischen Elemente dieser als Funktionsraum getarnten bildungspolitischen Arrestzelle auf den ersten Blick.

Schwarze Pädagogik

Der Raum ist vergittert, ein Entkommen damit unmöglich. Eine Pritsche oder zumindest eine Sitzgelegenheit fehlt ganz. Dem Schüler soll eine aufrechte Haltung anerzogen und er so befähigt werden, den Weg vom elterlichen SUV auf dem Schulhof hin zum Klassenzimmer auch mal zu Fuß zurücklegen zu können.

Artgerechte Haltung

Zur Verrichtung der Notdurft befindet sich in der Mitte des Inklusionsraumes ein Gully im Fußboden. Etwaiger Stuhlgang ist aufgrund der Ernährung in der Zelle zwar nicht zu erwarten, aber die dem linkerhand befindlichen Wasserhahn entnommenen Stoffwechselprodukte können nach Verbüßung der Strafe vom Delinquenten per Wasserschlauch selbst in den Abfluss gespült werden. Da lernen die auch gleich noch was für zu Hause.

Aufenthaltskultur: dezent und ohne Feng Shui

Man staunt, wie wenig man braucht, um renitente Schüler auf den richtigen Weg zu bringen. Und wieviel weniger Funktion noch in einen solchen Funktionsraum passt, um der Reizüberflutung unserer Jugend einen Ruhepol entgegenzusetzen. Lediglich der Aspekt der Flächenversiegelung dürfte den ökologischen Fußabdruck dieses pädagogischen Instrumentes etwas zu groß ausfallen lassen.

Kritik: Zu viel Fläche für zu wenig Funktion versiegelt

In der DDR war man da schon weiter. Die Stasi hatte für solche Zwecke platzsparende Stehzellen errichten lassen. Auf dreißig mal dreißig Zentimetern Grundfläche konnte man bei vier Metern Höhe bis zu sechs aufmüpfige Bälger übereinander arrestieren und auf diese Weise gleich ein halbes Dutzend potenzieller Schulverweigerer zu leuchtenden Vorbildern der Gesellschaft umerziehen.

Erste Karzer-Aufenthalte von zwei jungen Grafitti-Künstlern sollen übrigens bereits zu frappierenden Ergebnissen geführt haben. „Der eine wusste nach seinem dreiwöchigen Aufenthalt im Inklusionsfunktionsraum gar nicht mehr, was eine Sprayflasche ist, der andere hat sich nach seiner Entlassung vor Angst die eigenen Hacken besprüht“, frohlockte der zum Pedell umgeschulte Seiteneinsteiger Gerd Haumichblau. Im nächsten Schritt des Bildungskonzeptes will er dennoch einen Tisch im Karzer aufstellen lassen. Den dazugehörenden Rohrstock habe er bereits im Keller des Gymnasiums gefunden und in mühevoller Kleinarbeit sorgsam restauriert.

Fazit: Aus dem Fotoalbum, das uns von der Stadt kostenlos übereignet wurde, kann man jede Menge lernen. Unter anderem auch sein religiöses und Geschichtswissen erweitern. Von wegen, das Papamobil wurde erst in den 1970-er Jahren von einem polnischen Stellvertreter erfunden.

Durch das Markranstädter Fotoalbum als Raubkopie eines Krakauer Priesters entlarvt. Von wegen Papamobil!

Durch das Markranstädter Fotoalbum als Raubkopie eines Krakauer Priesters entlarvt. Von wegen Papamobil!

Wer auf Seite 9 des Jahresrückblicks oben links genau hinschaut, wird die alternativen Fakten erkennen. Entweder geht das Papamobil auf Hugo Ruppe und damit das Jahr 1914 zurück, oder Markranstädt hat eine Päpstin. Der MAF als Mamamobil – Bilder lügen nicht.

Schon 1914 hatte Hugo Ruppe das MAF-Mamamobil gebaut. Habemus mamam: Wir haben eine Päpstin!

Schon 1914 hatte Hugo Ruppe das MAF-Mamamobil gebaut. Habemus mamam: Wir haben eine Päpstin!

Das war der Demontag in Markranstädt

Wollte man den regierungstreuen Medien Glauben schenken, bestand die größte Sorge der Gesellschaft darin, dass sich am Montag ein Landwirt mit rechter Gesinnung unter die Demonstranten mischen könnte. Der eigentliche Grund für die Bauernproteste wurde vor diesem Hintergrund kaum noch anständig ignoriert. Dabei waren es längst nicht nur Landwirte. In Markranstädt beteiligte sich gefühlt alles daran, was man nach gängiger Lehrmeinung noch zum unternehmerischen Mittelstand zählt, obwohl oder gerade weil dieser längst selbst unten angekommen ist.

Schon um 6 Uhr nahmen die Autokorsos in den Gewerbegebieten Großlehna und Ranstädter Mark Aufstellung für den großen Umzug. Die Stimmung vor Ort fühlte sich beinahe so an wie jene damals im Herbst 1989.

Über einhundert Fahrzeuge mögen es zu diesem Zeitpunkt schon gewesen sein, die an den Gestellungsorten bei eisigen Temperaturen unangemeldet und deshalb rein zufällig zusammentrafen. Lkw, Transporter, Pkw und Traktoren; geführt von Handwerkern, Landwirten, Dienstleistern, Unternehmern und ihren Angestellten, deren Systemrelevanz weit hinter denen von Banken, Presse oder Vermögensberatern angesiedelt ist.

Startaufstellung in der Siemensstraße um 6 Uhr morgens. Die Poole-Position wurde alphabetisch zugelost (A wie Abrissfirma), das Pace-Car stellte die Polizei.

Startaufstellung in der Siemensstraße um 6 Uhr morgens. Die Pole-Position wurde alphabetisch zugelost (A wie Abrissfirma), das Pace-Car stellte die Polizei.

Die bisher tadellos funktionierenden Versuche zuverlässiger Linienmedien, solche Proteste in bewährter Manier als antidemokratische Sabotageakte potenzieller Nazis (wohlgemerkt: nicht Nazi*-Innen) im Keime zu ersticken, sind diesmal kläglich gescheitert.

Zufälliges Treffen

Und so schlossen sich am Montag auch in Markranstädt im Verlaufe der Aktion immer mehr Protestierende dem Korso an. Am Ende mögen es ein paar hundert Fahrzeuge gewesen sein, die in beiden Richtungen in Schritttempo, mit eingeschalteter Warnblinkanlage und rot-weißen Bändchen am Rückspiegel hupend durch die Stadt defilierten.

Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich, wieviele Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe es in Markranstädt noch gibt. Damit das so bleibt, drehten sie am Montag acht Stunden lang Runden durch Lallendorf.

Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich, wieviele Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe es in Markranstädt noch gibt. Damit das so bleibt, drehten sie am Montag acht Stunden lang Runden durch Lallendorf.

Zwischenzeitlich konnte sich die Katze dabei sogar in den Schwanz beißen. Gegen 7 Uhr hatte das Führungsfahrzeug auf der Route von der Siemensstraße über die Leipziger und Zwenkauer Straße zurück ins Gewerbegebiet schon Sichtkontakt zum Besenwagen des Pelotons.

Zorn hat viele Väter

Die von den Teilnehmern angeführten Gründe für den angestauten Zorn sind vielfältig. Hauptsächlich richteten sich die Kritiken gegen die Steuerpolitik der Bundesregierung und die Bürokratie. Die vielbesungene Spaltung unserer Gesellschaft werde von denen vorangetrieben, die sie gebetsmühlenartig beklagen, war unter anderem zu hören.

Bestimmte Berufsgruppen auf der einen Seite erhalten vierstellige Corona-Zahlungen und Inflationsausgleiche, während das Geld dafür ohne zu bitten und zu danken einfach denen weggenommen wird, die keinen Anspruch auf solche Unterstützung haben.

Mitgegangen, mitgefangen: Busse im Protestkorso.

Mitgegangen, mitgefangen: Busse im Protestkorso.

„Wir reden nicht von den reichen, global agierenden Großunternehmen, die sowieso keine Abgaben leisten.“  Die Milliardäre bekämen schließlich von Mitarbeitern der Finanzbehörden sogar noch Tipps, wie sie Steuern vermeiden können, klagte einer der Markranstädter Protestanten am Montag.

Von den Franzosen lernen heißt protestieren lernen: Die Gelbwesten sind übergeschwappt.

Von den Franzosen lernen heißt protestieren lernen: Die Gelbwesten sind übergeschwappt.

Sein Unternehmen sei im vergangenen Jahr gleich mehreren Tiefenprüfungen verschiedener Behörden unterzogen worden. Von dem, was sie im undurchdringlichen Dschungel der Paragrafen und Vorschriften fanden, habe er als Handwerker nichts wissen können und selbst sein Steuerberater sei überrascht gewesen. Trotzdem ist Letzterer fein raus, weil der Unternehmer allein für die Ausweisung der Abgaben verantwortlich ist.

Selbstredend sei der Handwerker sofort bereit gewesen, die vierstellige Nachzahlung zu leisten, sagt er. „Aber das reichte denen nicht. Ich wurde ob meiner Unkenntnis der Wege im bürokratischen Irrgarten auch noch kriminalisiert und mit rückwirkenden Strafzinsen belegt, von deren Höhe selbst Banken nur träumen können“, schimpfte er unter dem Einfluss von 280 Blutdruck.

Die Polizei konnte nur noch aufpassen, dass wenigstens Schritttempo gefahren wird.

Die Polizei konnte nur noch aufpassen, dass wenigstens Schritttempo gefahren wird.

Der kleine Steuerzahler als latent-potenzieller Straftäter, der deshalb von den gesellschaftlichen Bewährungshelfern prophylaktisch bis auf den Grund seiner Hosentaschen abgeklopft werden muss – das klingt in der Tat ziemlich bigott. Wieviel ehrlicher wäre es doch, solche Missetäter gleich einzusperren?

Klar, dass es auch eine zweite Seite der Medaille gibt. Unverständnis herrschte am Montag vor allem bei jenen Menschen, denen durch verstopfte Straßen der Weg zur Arbeit verwehrt blieb. „Ist ja nichts anderes als das, was die Klimakleber machen“, schimpfte ein zur Umkehr gezwungener Arbeitnehmer unter Missachtung der physikalischen Eigenschaften des Sekundenklebers. Der pappt bei minus 8 Grad bekanntlich nicht auf dem Asphalt – also freie Fahrt für freie Bürger.

Konflikte gebären die originellsten Ideen: Weil die Autos im Demozug durch Fähnchen aus Absperrband kenntlich gemacht werden mussten, hatte sich dieser Fußgänger das Symbol für seine Solidarität mit den Demonstranten zu eigen gemacht.

Konflikte gebären die originellsten Ideen: Weil die Autos im Demozug durch Fähnchen aus Absperrband kenntlich gemacht werden mussten, hatte sich dieser Fußgänger das Symbol für seine Solidarität mit den Demonstranten zu eigen gemacht.

Aber trotz der Kritik an der Art des Protestes: Ein Grundverständnis für den Unmut der Demonstranten war in der Bevölkerung vorhanden. „Wir sitzen doch mit im Boot“, sagte ein Fußgänger auf der Leipziger Straße beim Anblick des Demo-Korsos. „Die höheren Kosten und Steuern müssen die doch letztendlich auf uns Kunden umlegen und wir wissen schließlich auch nicht mehr, wo wir’s hernehmen sollen“, kritisierte der Senior und zeigte seine vor wenigen Tagen zugegangene Nebenkostenabrechnung vor, die ein Soll von 1.600 Euro auswies. „Das ist wahrscheinlich mehr, als so manches Dax-Unternehmen im letzten Jahr an Steuern gezahlt hat“, schloss er seine Auskunft zynisch lachend.

Überholen ohne einzuholen: Bei dem Tempo des motorisierten Demonstrationszuges konnte sogar der Stadtchronist mühelos mithalten.

Überholen ohne einzuholen: Bei dem Tempo des motorisierten Demonstrationszuges konnte sogar der Stadtchronist mühelos mithalten.

Womit sich auch für die Mittelständler der Kreis zu den eigentlich als Bauernproteste angelegten Demonstrationen schloss. „Während die fetten Rinder sogar noch staatliche Beratung erhalten, um immer mehr Futter horten zu können, werden die kleinen Kühe, die sich noch zur Melkanlage führen lassen, sukzessive geschlachtet“, meinte ein renommierter Lallendorfer Sanitärer.

MN-Tagestipp: Es ist mit Sicherheit nicht leicht, im Dschungel der Berichte belastbare Informationen zu erlangen, die der eigenen Standortorientierung dienlich sind. Deshalb bietet die VHS am Dienstagabend im Mehrgenerationenhaus eine Spannung verheißende Diskussionsrunde mit Experten an (siehe auch Hinweis in der linken Veranstaltungsspalte). Der Eintritt ist frei, aber das Kommen garantiert nicht umsonst.