And the winner is …

Am Sonntag fand in Hollywood die 87. Auflage der Oscar-Verleihung statt. In Deutschland gibt es eine Trophäe, die lange Zeit ähnlich hieß und sich heute Großer Preis des Mittelstands nennen muss. Zu nah war der Name von Oskar Patzelt am Academy Award of Merit dran. Dafür wird der Mittelstands-Oskar nicht nur verliehen, sondern man darf ihn sogar behalten. Die Stadt Markranstädt hat schon einen, Frank Fahrzeugbau und die LAV auch. Jetzt soll mindestens noch einer dazu kommen.

So ein Schauspieler hat es aber wesentlich einfacher, zu so einem goldenen Eumel zu kommen, als ein Unternehmen. Der muss sich halt ein bissl Text merken, Muckis spielen lassen und stets dafür sorgen, dass er eine Blondine mit tiefem Ausschnitt an seiner Seite hat.

Die weiblichen Mimen, so der Volksmund, brauchen oft nicht mal Text. Da soll mitunter schon anzügliches Gestöhne und ein vorgetäuschter Orgasmus unterm Regisseur genügen. Dafür gibt’s dann jedoch oft genug auch nur eine Goldene Palme oder einen Berlinale-Bären. Die ganz harten Fälle müssen schließlich in den Dschungel.

Ein Osc(k)ar fürs Leben

Aber wer einmal so einen Oscar gewonnen hat, der hat ausgesorgt für den Rest seines Daseins. Manchmal gibt es solche Situationen auch im wahren Leben. Sparwassers 1:0 damals in Hamburg war sowas wie ein Oscar-Gewinn. Der hätte an diesem Tag seine Treter im Volksparkstadion an den Nagel hängen können. Mit so einem Highlight in den eigenen Annalen kann fast nichts mehr schief gehen im Leben. Aber er hat weitergespielt. Mario Götze übrigens auch und es ist zu befürchten, dass auch einige der frischgebackenen Oscar-Preisträger weiter über die Leinwand flimmern.

In der Wirtschaft ist das anders. Der Große Preis des Mittelstandes der Oskar-Patzelt-Stiftung ist der begehrteste Wirtschaftspreis Deutschlands. Aber den muss man sich im wahrsten Sinne des Wortes sauer verdienen. Da ist nix mit Text lernen und so. Eher Text schreiben. Ganze Ordner voll.

Und dann noch sowohl in- als auch externe Prüfungen und Kontrollen., alle möglichen DIN- und EU-Normen sind zu zertifizieren und weiß der Geier was noch alles. Dieser Aufwand ist nicht von jedem Unternehmen zu stemmen.

oscar3Sogar Azubis haben da in der Regel mehr Text zu lernen als so mancher Schauspieler: „Guten Tag, hier ist die Agrar-genossenschaft Pink Gülle Light e.G., sie sprechen mit der Auszubildenden Deborah-Chantal Freudenhaus-Bumsberger im Vorzimmer des Geschäftsführers Herrn Dr. Manfred Grünewald-Edelgeier, was kann ich für sie tun?“ Und wehe, die vergisst ein Wort, da ist nichts mit „Klappe, das machen wir nochmal.“ oder „Das schneiden wir schon.“

Der Aufwand ist groß, wenn man sich um einen solchen Mittelstands-Oskar bewirbt. Oft genug beschwören vergilbte Urkunden auf den Fluren und in den Vorzimmern ehrbarer Unternehmen, die daran erinnern, dass man es einst bis in die Endrunde schaffte, bei den Chefs nachhaltig Magengeschwüre herauf. Außer Spesen nichts gewesen.

Ohne Fleiß kein Preis

Insofern ist das Credo der Oskar-Patzelt-Stiftung, dass man sich in den Wettbewerb weder einkaufen noch an ihm bereichern kann, sicher richtig, aber es kann sich am Ende doch nicht jedes Unternehmen eine Teilnahme leisten.

Es sei denn, man verfügt über einen PR-Stab und hat auch sonst noch immer mal ein paar Angestellte übrig, die sich um die Teilnahme kümmern können. Dafür, dass der Preis nicht dotiert ist, muss da schon viel Idealismus aufgebracht werden.

Sechs Markranstädter nominiert

Trotzdem stehen in diesem Jahr sechs Markranstädter Unternehmen auf der Nominierungsliste und auch die Stadt selbst macht sich Hoffnung auf den Sonderpreis „Premier-Kommune des Jahres“. Dafür gäbe es dann eine Porzellan-Skulptur statt des gemeinen Bronze-Eumels. Erfolg ist zerbrechlich.

Die Stadt am See könnte so bald zur Oskar-Stadt werden. Man kann es fast schon wie feierliche Orgelklänge aus dem Stadion hören, wenn der Sprecher beim Zieleinlauf wie dazumal Heinz-Florian Oertel stolz wie Oskar verkündet: „Haben sie Mut! Nennen sie ihre Neuankömmlinge des heutigen Tages Oskar!“

 

„50 shades of grey“ unterm Wasserturm

Man kennt das noch aus dem Kindergarten: Wenn man nichts begriffen hat, gings ab in die Ecke zum Schämen. Die MN haben sich diese Strafe selbst auferlegt und seit Rücknahme des Kita-Beschlusses und schließlich des Ausgangs des 2. Sonderstadtrats am vergangenen Samstag mit knallroter Birne und Blick auf die Fußspitzen am Wasserturm gestanden. Das Eingeständnis eigener Fehlbarkeit zwingt uns zu einer Erkenntnis: Wir verstehen gar nichts mehr.

Zum Glück hat der Papst in Markranstädt nichts zu melden, sonst hätten wir gar ein paar würdevolle Ohrfeigen gefangen. Wegen Dummheit oder Naivität oder gleich beidem. Im Kaiserreich hätten wir vielleicht gar mit runtergelassenen Hosen in der Ecke stehen und damit wenigstens ein annähernd sexuelles Erlebnis haben dürfen. Ganz sicher sogar wäre uns ein solches Erlebnis während der mittelalterlichen Inquisition widerfahren, die durch „50 Shades of grey“ gerade eine gesellschaftlich tolerierte Renaissance erfährt.

Okay, der Papst hat also nichts zu melden bei uns. Aber wer dann? Das Tauziehen um den Kita-Standort scheint sich im wahrsten Sinne des Wortes zu einem parlamentarisch inszenierten Kindergarten zu entwickeln. Der Aschermittwoch ist noch nicht vorbei, da planen ansässige Karnevalsvereine mit dem Thema schon fürs Jahr 2016, weil alle Zeichen dafür sprechen, dass es dann immer noch aktuell ist.

Machen wir es mal wie früher die Fernseh-Ansagerin bei DALLAS und beginnen mit „Was bisher geschah“. Und nutzen wir dabei der Fairness halber nur die Informationen, die dem gemeinen Bürger auch zur Verfügung stehen. Das ist die einzige Möglichkeit darzustellen, warum man nichts verstehen kann.

Entscheidung am Sterbebett

Weils wegen der Fördermittel schnell gehen musste, tagte der alte Stadtrat kurz vor seinem Hinscheiden im Frühsommer letzten Jahres noch einmal und beschloss das Terrain am Bad als Standort. Bald schon kamen da erste Fragezeichen auf. Die wurden zwar artikuliert, waren aber für den homo markransis nicht zu verstehen.

Da ging es um Kosten, um eine Abwasserleitung, einen halben Volleyballplatz, zu viel Bäume, falschen Sand und und und. Am Ende war kaum noch feststellbar, welches Gegenargument aus welcher Ecke des Rings kam. Doch nicht das war nicht zu verstehen, sondern die Informationen, die die Grundlage für solche Behauptungen bieten sollten. Da war beispielsweise von explodierenden Kosten die Rede, doch wurden die dem Volke weder der Höhe noch ihrer Grundlage nach benannt.

Klar wie ein weißes Blatt Papier

Rund ein halbes Jahr später wurde in der vierten Etage eine Maßnahme protegiert, für die es weder in gängigen Lexika noch im Duden eine Erläuterung gibt. Es sollte ein „Klarstellungsbeschluss“ gefasst werden. Bei so viel linguistischer Kreativität mochte man fast wieder Vertrauen in die Führung unserer Stadt gewinnen.

Am Ende entpuppte sich dieses Wortungetüm als elegante Variante, den Standortbeschluss kippen zu können, ohne dass jemand dabei sein Gesicht verliert. Nicht mal das Bauamt, obwohl die Frage eines Abgeordneten, wie weit denn die Planungen nach einem halben Jahr gediehen seien, unbeantwortet blieb, was eher auf ein weißes Blatt Papier schließen ließ. Wie der Klarstellungsbeschluss allerdings zustande kam, das war mehr als merkwürdig.

Auf Antrag der rechten (also linken) Seite am Ratstisch wurde mit Stimmen (oder Enthaltungen) der linken (also rechten) Seite in geheimer Abstimmung votiert und mit den gleichen mathematischen Unbekannten kam es schließlich dazu, das der Standortbeschluss wieder in die Tonne getreten wurde. X + Y – Z = nein. Dagegen ist der Satz des Pythagoras ein Abzählreim aus dem Sandkasten.

Im Januar wurden dann im Stadtrat wieder Matrizen gewälzt und Argumente ausgetauscht. Am Ende war ein Standort in der Ziegelstraße gefunden, der … nun ja … auch von dessen späteren Gegnern zumindest nicht gleich rundweg abgelehnt wurde. In den Resten nicht niedergerungener Beiträge in den sozialen Netzwerken findet man hier und da sogar noch Fragmente positiver Statements zu den Standortvorteilen.

Da der Vorgang auch nach einem halben Jahr scheinbar nichts an fördermittelbedingter Dringlichkeit verloren hatte, wurde er erneut auf den Ratstisch gepackt – und zwar in einer Sondersitzung am 14. Februar. Es dauerte einen Moment, bis sich über die Eile Unmut regte. Der kam vor allem aus jenen Lagern, die den Standort an der ehemaligen MAF-Schmiede ursprünglich nicht auf dem Schirm hatten. Jetzt glühten mangels zwischenzeitlich anberaumter Sitzungen wieder die sozialen Netzwerke und um die Meinung der Bürger so einfach und verständlich wie möglich für sich zu gewinnen, wurden auch allerlei Vermutungen kolportiert und – da es auch an einem Schuldigen nicht fehlen darf – natürlich ein Bauernopfer gefunden: Die Erste Beigeordnete. ImgPPT

Mit diesem sympathischen Plakat warb die Verwaltung am Eingang zur vierten Etage um Fairness, Herzlichkeit und Toleranz. Leider war der Lokführer nicht da.

Sie allein war demnach schuld daran, dass der Termin für die Sondersitzung des Stadtrates so früh stattfand und die linke Seite des Ratstischs (die in Lallendorf bekanntlich rechts sitzt) damit überrumpelt werden sollte. Kein Wort davon, dass der Ältestenrat des Stadtparlaments, in dem neben dem Bürgermeister je ein Vertreter von CDU, FW, SPD und LINKE sitzt, dieser Terminierung letztendlich zugestimmt haben muss. Statt dessen Vermutungen, dass die CDU Tipps von der Verwaltung bekommen habe, was sich im Kontext so liest, als würde die Beigeordnete als Maulwuf agieren. Dabei pfeifen es in Markranstädt die Spatzen seit Monaten von den Dächern, dass die CDU einen Günter Guillaume im Rathaus zuletzt nötig hätte. Das geht in kollegialem Dialog interdisziplinär viel geschmeidiger.

Tja, und so kam es, dass die Sondersitzung des Stadtrates am vergangenen Samstag wahrscheinlich auch mit den Stimmen einiger der Abgeordneten abgebrochen wurde, die im Ältestenrat zuvor noch für deren Durchführung gestimmt hatten.

Das kann man verstehen, muss man aber nicht. Weil man es eben nur verstehen kann, wenn man weiß, was hinter den Kulissen gespielt wird. Und das kann der normale Plebs nicht. Nicht mit den Informationen, die an die Öffentlichkeit gespült werden.

sandkasten

Sand ist nicht gleich Sand. Der von einem Volleyballplatz ist beispielsweise für eine Kita ungeeignet. Wissenschaftler untersuchen derweil fieberhaft, wie DDR-Kinder überleben konnten, die sogar in Schlamm spielten.

Man kann auch nur ahnen, was einen Bürgermeister dazu bewegt, während seines Urlaubs am Vortag für eine prestigeträchtige Schulschifftaufe ohne Helm aufs Gerüst zu klettern (Berufsgenossenschaft und Gewerbeaufsicht lassen grüßen) und am nächsten Tag beim Sonderstadtrat nicht mal auf der Ersatzbank zu sitzen. Das kann natürlich wichtige Gründe haben, aber da diese nicht bekannt sind, bleibt dem homo markransis nur die Möglichkeit der individuellen Interpretation. Es fällt nicht schwer zu erraten, welche Varianten da gerade auf der Markranstädter Hitliste ganz oben stehen. Flugzeuge oder gar bissige Fische im Bauch sind da noch nicht einmal unter den top ten.

Nun ja, das seltsame Treiben in der vierten Etage hat aber auch seine Vorteile. Man verliert so langsam das Interesse an dem, was die da so spielen. Wenn man dem monatlich wiederkehrenden Minnesang beiwohnt und sich vergegenwärtigt, dass derweil zu Hause die Miete weiterläuft oder Bauer Horst im Fernsehen gerade eine Frau findet, dann kann es einem leid tun um die Zeit. Ganz schlimm wird’s dann, wenn man der Werbung glaubt. Nicht der im Fernsehen, sondern der im Markranstädter Luftraum. Was wurde da nicht alles angedroht und prophezeit wegen des Haushalts? Und dann ging der seidenweich durch wie ein warmes Messer in dänische Butter. Statt dessen diskutiert man über ein Klo, während in der Nachbarschaft ein Dorf absäuft.

Nö, soviel Masochismus war in unseren schreibwütigen Herzen angesichts massiver Grippe-Ausfälle und karnevalistischer Verpflichtungen in Leipzig, Kulkwitz, Altenburg und Jena dann doch nicht vorhanden. Die vierte Etage, das „50 shades of grey“ der Stadt Lallendorf, steht erstmal auf dem Index. Nicht wegen jugendgefährdender Szenen, sondern wegen altersweisheitsvernichtender Passagen.

 

Digitale Gefühle aus der 11-Minuten-Terrine

Aller Orten, auch in Markranstädt, beschäftigen sich die Mächtigen mit den Zahlen und Planungen für das aktuelle Kalenderjahr. In Sachsens Rathäusern werden zur Kalkulation des Kita-Bedarfs sogar Geburten geplant. Ohne freilich im Zweifelsfall selbst aktiv zu werden.

Auch wir haben uns einmal ein paar Zahlen näher betrachtet. Zahlen, die unsere ohnehin tiefdunklen Seelen zutiefst erschüttern und vor Kummer noch dunkler erscheinen lassen.

In Markranstädt leben von den rund 14.700 Einwohnern nur wenig mehr als 50 Prozent in trauter Zweisamkeit mitsamt des im Abendland dazugehörigen Trauscheins. Gut 5.350 Einwohner im heiratsfähigen Alter sind ledig, geschieden oder verwitwet, erfüllen also rein statistisch gesehen den Status eines Singles.

Traditionsgemäß gibt es nur jetzt in der 5. Jahreszeit die Chance, mit Hilfe der Kuss- und Narrenfreiheit auf diesen körperlichen Notstand dezent hinzuweisen und der Biene auf die Blüte zu helfen.

Was aber macht der gewöhnliche Markranstädter Single außerhalb der närrischen Zeit? Die Älteren erinnern sich vielleicht noch an den guten alten Sonntags-Nachmittags-Tanztee in Lützen, wo schon mal ganze Familienclans versucht haben, ihre ledigen Töchter an den Mann zu bringen. Auch der Pferdemarkt in Havelberg brachte, wenngleich nur einmal im Jahr, nicht nur neue Gäule in den Stall, sondern oft auch frisches Blut ins Haus. Aber all das gibt es nicht mehr und eine adäquate Veranstaltung zu finden, ist uns nicht gelungen. Dafür flimmern aber unglaubliche virtuelle Alternativen über den TV-Bildschirm.

So verspricht die Partnerbörse Parship, einer von zahllosen Testsiegern der Branche, mit Hilfe des Internets den großen Durchbruch. Alle 11 Minuten, so die Eigenwerbung, verlieben sich zwei Menschen auf Parship.

Wenn nun alle 11 Minuten ein Date erfolgreich ist, dann hieße das für Markranstädt, dass sich bei 1440 Minuten pro Tag rund 130 Pärchen täglich finden könnten. Sicherheitshalber rechnen wir mal gedanklich nur mit einem halben Tag, schließlich kann auch der liebestollste Single nicht 24 Stunden rund um die Uhr nur an die liebe Liebe denken. Dann bleibt immer noch eine Erfolgsquote von bis zu 65 neuen Pärchen pro Tag.

Eine stabile Internetverbindung vorausgesetzt, könnten Markranstädts einsame Herzen schon nach gut 41 Tagen vom Markt sein. Vorausgesetzt, sie bleiben dabei auch im heimischen Revier. Spätestens hier sollte allen klar werden, wie wichtig auch zukünftig eine flächendeckende Breitbandversorgung bis in den hintersten Kastanienhof ist. Schon aus zwischenmenschlicher Daseinsfürsorge geht an dieser Investition kein Weg vorbei.

Wenn sich alle 11 Minuten zwei Menschen per Internet verlieben, wird das Gefühl „Liebe“ zum Konsumgut und unterliegt den gleichen Wirtschaftsfaktoren wie Linsensuppe, Ohrenstäbchen oder Strumpfhosen. Der Verkauf funktioniert nur über Werbung. In den Partnerbörsen muss man(n) bzw. Frau eine eigene Visitenkarte hinterlassen. Dort gilt es, sich so weit wie möglich selbst zu vermarkten.

Was schon mal gerne mit Bildern von der jüngeren Schwester oder dem Bruder, wahlweise aber auch dem eigenen Jugendweihefoto unter Zuhilfenahme einer guten Bildbearbeitung geschieht. Auch das kaufmännische Abrunden beim Alter und entsprechendes Aufrunden beim monatlichen Einkommen erweist sich als hilfreiche Vermarktungsstrategie der eigenen Haut.

Das kennen wir ja bereits vom Schlussverkauf, wo bekanntlich auch alles auf der magischen 9 endet. Merke: Niemals zugeben, dass man knappe 53 Jahre alt ist, die 49 tut es auch! Und 75 Kilo will auch niemand auf sich liegen haben. Das kann Frau schon locker auf gesellschaftsfähige 69 runtermogeln. Nun ja: 69 ist jetzt vielleicht ein wenig irreführend, aber das Prinzip ist sicher transparent dargestellt.

Wie aber merkt man eigentlich, dass man(N) sich im Internet verliebt hat? Beschleunigt sich die Frequenz in der Standleitung? Kommt eine automatische eMail mit dem Text: „So, 11 Minuten sind um. Ich freue mich, dass du mich liebst“? Und was, wenn mehrere gleichzeitig auf den <Ich liebe Dich>-Button geklickt haben? Und was tun, wenn so ein bindungswilliger Single nach seinen 11 Minuten immer noch keinen Erfolg hat? „Bin ich gestört, wenn ich nach 11 Minuten immer noch nicht verliebt bin?“, fragen schon 13jährige bei Seelsorge-Hotlines nach, deren ehrenamtliche Mitarbeiter damit selbstredend überfordert sind.

neu-4Der Begriff „Turteltäubchen“ steht auf der Liste vom Aussterben bedrohter Wörter. Die direkte Anmache „Aug‘ in Auge“ ist ein mittelalterliches Relikt, dessen sich bestenfalls Nerds bedienen. 

Wer fängt hier auf und tröstet? Ein parteiübergreifendes Plädoyer für eine sofortige Aufstockung von sozial-pädagogischem Personal, welches übergangsweise die allerschlimmste Einsamkeit wegstreicheln kann, wäre angebracht. Vorbeugend würde vielleicht auch das flächendeckende Angebot von Volkshochschul-Seminaren auf dem Spezialgebiet ‚Digitale Anmache: Wie ich mich virtuell richtig verliebe‘ genügen.

Früher forderte man die Angebetete einfach zum Tanzen auf oder schickte gegen eine Erhöhung des 

Taschengeldes den kleinen Bruder mit einem Liebesbrief zur Auserwählten. Wie geht das heute? Ein Blick in die einschlägige Fachliteratur ist dann doch eher abschreckend als aufklärend. So etwas in unserem Markranstädt? Geht es auch ein bisschen dezenter? Schließlich weiß man ja nicht, ob man(N) den oder die Angebetete irgendwann leibhaftig trifft. Die Welt ist ein Dorf und Markranstädt der Vorort.

Marktbereinigung via DSL

Ja, und nun noch eine wirklich beängstigende Frage: Nehmen wir mal an, unsere Liebe Suchenden schaffen es wirklich, alle 11 Minuten erfolgreich zu sein. Wie lange dauert es bei dieser Entwicklung, bis wirklich alle Liebestollen vom Markt sind und der Rest dazu verdammt ist, sich vielleicht gar selbst zu lieben? Nichts dagegen, dass irgendwann mal jede Frau ihren Mann steht und umgedreht, aber auf Dauer?

katzenDie Natur macht nicht einmal vor der Diskriminierung von Katern mit Migrationshintergrund Halt. Um die sensiblen Menschlein heutiger Tage vor solch brutalen Erfahrungen zu schützen, gibts jetzt alle elf Minuten Liebe per Download.

Was ist, wenn am Schluss nur noch Sarah Wagenfeld und Lutz Bachmann übrig sind oder, um bei Markranstädt zu bleiben, unsere beiden Spitzen-Single – also die Vorgängerin und der Nachfolger? Sind die dann verpflichtet, eine Liaison einzugehen, nur weil elf Minuten um sind und niemand mehr da ist, der sich ebenfalls um die Trophäe bewirbt?

Beischlaf mit USB-Stick

Das sind Gedanken, die einem kritischen Geist kommen, wenn er hört, dass sich alle 11 Minuten zwei Menschen per Internet verlieben. Sobald ausreichend Leute daran glauben, kommt der nächste Schritt. Dann gibt’s Beischlaf 2.0 per USB-Stick und schließlich das Wunschbaby per Download. Und das Glück der Menschen steht stets im Mittelpunkt.

Noch ist etwas Zeit bis Aschermittwoch. Die reicht vielleicht nicht gleich zum Verlieben, aber kennenlernen kann man sich da schon. Versuchen wir‘s also erstmal in Markranstädt, Kulkwitz, Miltitz, Räpitz, Kitzen oder anderen Kultstätten des Karnevals!

 

U wie unten: Der zweite Teil

Nachdem die Entstehung des Berufsbildes eines Urologen nun hinreichend erläutert wurde, kommen wir im zweiten Teil des Bewerbungsschreibens für den Medienpreis Urologie 2015 zur allgemeinverständlichen Darlegung dessen, was ein Urologe so macht. Das zu wissen ist wichtig, damit man auf des Arztes Frage „Brennt’s beim Wasserlassen?“ nicht versehentlich antwortet: „Weiß nicht. Ich habs noch nicht angezündet.“

Im Bild: Manchmal will man gar nicht wissen, was so zum Werkzeug eines Arztes zählt. (Foto: Kalumet, CC BY-SA 3.0)

Im Grunde genommen kümmert sich der Urologe oder die Urologin um das gesamte Abwassersystem des menschlichen Körpers. Das mäandert bekanntlich vom Magen durch Leber, Nieren und Blase über den Harnleiter bis zur Auslassdüse.

Da es die Schöpfung so eingerichtet hat, dass diese sowohl beim Mann als auch bei der Frau in der gleichen Körperregion enden, kommt es mitunter nicht nur zu Verwechslungen bei der Wahl des Spezialisten (Gynäkologe, Androloge), sondern auch um Kompetenzgerangel der Ärzte untereinander.

So verirrt sich nicht selten auch ein Urologe mal in jenen Kanalisationseinstieg, der laut Festlegung der Kassenärztlichen Vereinigung eigentlich dem Proktologen vorbehalten sein sollte. Da geschieht vor allem bei männlichen Patienten sehr oft. Weil der Mann kurz vor der Auslassklappe fester Abfallstoffe ein kleines Organ hat, das auch für die Steuerung liquider Körpererleichterung zuständig ist: die Prostata.

Die wird per Finger ertastet. Böse Zungen behaupten deshalb gern, dass so mancher urologische Patient bei dieser Untersuchungsart sozusagen von der Krankenkasse bezahlten Analsex bekommt. Es wird aber auch von Urologen berichtet, die da ganz ökonomisch handeln.

So fragte ein Patient in einer Berliner Praxis, wieso er gleich zwei Finger in seiner Hinterpforte spüren würde, worauf der Arzt antwortete: „Nun, ich dachte, sie würden gern noch eine zweite Meinung hören.“

Natürlich wird diese Untersuchungsmethode nur bei der diagnostischen Abklärung von Fragen angewandt, welche die Prostata betreffen. Anderen Beschwerden, wie temporärem Druckverlust, leichten Lecks an der Auslassmanschette oder kleineren Fissuren und Hämorrhoiden kann man ganz einfach selbst auf die Spur kommen, ohne einen Arzt zu bemühen. Man nennt es die „Mexikanische Methode“. Einfach den Zeigefinger in Tabasco tauchen und dann anal einführen. Wenn’s gleich danach dunkel wird, ist das ein ernster Hinweis.

Neben dem bereits im ersten Teil beschriebenen Andrologen ist auch der Urologe ein kompetenter Ansprechpartner für den Mann, wenn es um die Potenz oder deren Nichtvorhandensein geht. Man muss den Medizinmann nur in entsprechender Weise mit dem Problem vertraut machen.

Wenn man beispielsweise sagt „Hallo Doc, ich hab’n Anliegen!“, kann es durchaus passieren, dass dieser antwortet: „Na und? Glauben sie, mir steht er immer?“ Auch Urologen sind eben nur Menschen und Urologinnen, wenngleich dünn gesät, erst recht.

Auf das weitere Aufgabenspektrum des Urologen, zu dem unter anderem eine breit gefächerte Palette aller möglichen Infektionskrankheiten zählt, wollen wir so kurz vor dem Frühstück nicht näher eingehen.

Es sollte auch reichen an allgemeinverständlichen Erklärungen über die Rolle der Bedeutung der Urologie. Mehr ist für ein Preisgeld von 2.500 Euro einfach nicht drin. Wenns nicht reicht, müssen es die Ärzte eben selber erklären.

 

U wie unten: Urologie für Laien

Post von höchster Stelle: Die Deutsche Gesellschaft für Urologie hat kürzlich einen gut dotierten „Medienpreis Urologie 2015“ ausgeschrieben. Gesucht wird die journalistische Arbeit, die ein urologisch relevantes Thema am besten transportiert, um eine möglichst breite Öffentlichkeit laienverständlich zu erreichen und auf der Basis seriöser Informationen aufzuklären. Und es ist egal, ob der Beitrag in einem Druckerzeugnis, Online, im Radio oder TV veröffentlicht wurde. Online! Das steht wirklich so da. Na dann wollen wir uns mal das Preisgeld, immerhin 2.500 Euronen, abholen. Hier Teil 1 unseres Bewerbungsschreibens:

Um das Tätigkeitsprofil eines Urologen oder einer Urologin ranken sich viele Gerüchte. Zum Beispiel, dass der Urologe der Doktor sei, zu dem der Mann gehen muss, falls er zum Gynäkologen müsste, wenn er eine Frau wäre. Das stimmt aber nicht. Jedenfalls nicht ganz. Wenigstens stimmt aber die Angabe des Stockwerks, in das sich der Schamane mit seinen Gerätschaften begeben muss, um seiner Kernkompetenz als Urologe Geltung zu verschaffen.

Dass so viele Gerüchte über diesen Berufsstand in Umlauf sind, mag daran liegen, dass es vergleichsweise wenig Urologen gibt. Und noch weniger, oder besser gesagt gar keine, in Markranstädt. Widmen wir uns also zunächst der Begriffserklärung.

Die Schulmedizin unserer Zeit agiert in einem weltweit verzweigten Netz unterschiedlicher Disziplinen. Um das Wissen, vor allem aber auch das Nichtwissen, streng zu hüten, kommunizieren die Mediziner lateinisch und haben sich zu einem Geheimbund ähnlich dem der Freimaurer zusammengeschlossen. Und genau wie die Freimaurer, so haben auch die Ärzte ihre eigenen Logen. Da gibt es beispielsweise Proktologen, Gastroenterologen, Gerontologen, Neurologen, Dermatologen oder Psychologen und so weiter.

Lange Zeit galten die Gynäkologen sozusagen als die Aristokraten unter den Mitgliedern des medizinischen Geheimbundes, dessen Illuminati eine sich um den Äskulapstab windende Schlange verkörpert. Im Gegensatz zu den anderen Logen hatten die Gynäkologen freien Zugang zu den letzten Geheimnissen der Biologie.

Wie ein weit geöffnetes Buch liegt der Quell dieses Wissens auch heute noch täglich in mannigfaltiger Form vor ihnen. Das sorgt bisweilen nicht nur für Neid unter Kollegen anderer Disziplinen, sondern oft auch für die ersten präpubertären Berufswünsche wissensdurstiger Teenager, vornehmlich der männlichen. Nachwuchssorgen musste sich die Loge der Gynäkos also noch nie machen.

Das Ende des Genital-Kartells

Im Laufe der Jahre wurde das Unterleibsmonopol der Gynäkologen jedoch mehr und mehr aufgeweicht. Spätestens seit der legendären Stadtratssitzung im Spätherbst 2014 weiß selbst Markranstädts Bürgertum aus berufenem Munde, dass sich auch Allgemeinmediziner auf dem Gebiet der Höhlenforschung aktiv betätigen dürfen. Das gelte allerdings nur für jene Weißkittel, die in der DDR ausgebildet wurden und nicht für Bundeswehrärzte. Selbstredend, da diese sich vorzugsweise mit jenen Kreaturen zu beschäftigen haben, in denen das für militärische Auseinandersetzungen erforderliche Triebmittel Testosteron produziert wird. Damit hat die Natur vorzugs- und gleich beutelweise den Mann gesegnet.

Damit wären wir schon beim Gegenstück des Gynäkologen, dem … nein, nicht dem Urologen, sondern dem Andrologen. Eigentlich müsste man angesichts der geschlechtlichen Zusammensetzung unserer Gesellschaft denken, dass es davon mindestens ebenso viele geben müsste wie Gynäkologen.

Die Ornithologen helfen Vögeln und die Andrologen erforschen Andromeda

Doch weit gefehlt! Es gibt Landstriche in Deutschland, da weiß man noch nicht einmal, wie das Wort Androloge geschrieben wird und man vermutet dahinter eine spezialisierte Richtung der Astronomie, die sich ausschließlich mit Andromeda beschäftigt. Eher noch müsste man sich in diesen Regionen unserer Republik bei Problemen wie Wanderhoden einem Meteorologen oder Ornithologen anvertrauen, als darauf zu hoffen, einen Männerarzt zu finden. Ein seltsamer Umstand.

aeskulapDer gute alte Asklepios, einer der medizinischen Illuminati, wacht im Vatikan mit dem Geheimsymbol der medizinischen Logen, dem Äskulapstab.

Es gibt dafür wohl nur zwei Lösungsansätze. Erstens liegt die Lebenserwartung des Mannes weit unter der einer Frau und Aufgabe des Mannes ist es ohnehin, arbeiten zu gehen und nicht in Wartezimmern abzuhängen. Insofern wären die Kosten für die Ausbildung von Andrologen gesellschaftsökonomisch kontraproduktiv.

Zwischen Becken und Abfluss

Zweitens gilt auch für die nach wie vor männlich dominierte Szene der Mediziner freie Berufswahl. Selbstkritisch hinterfragt: Wofür würden Sie sich als Mann entscheiden, wenn Sie vor der Wahl stünden, den Rest Ihres Berufslebens entweder mit sinnlichen Emotionen verborgen geglaubter Reize zu verbringen oder mit der defekten Hydraulik von Standleitungen und tropfenden Wasserhähnen?

Na? Na? … Na also!

Wahrscheinlich sind aus diesem Grunde Andrologen zwischen Elbe und Rhein (ja, auch am Zschampert) so dünn gesät wie Schamhaar nach dem Klimakterium. Und wenn man(n) doch mal zufällig einen findet, kommt die Ernüchterung spätestens beim Besuch in der Praxis.

ASU für den Mann

Während die in farblich mediterranem Ambiente gehaltenen Wartezimmer der Frauenärzte mit gepolsterten Stühlen ausgestattet sind, Unterhaltungszeitschriften auf Glastischen ausliegen und psychedelische Musik Körper und Geist für den kommenden Gang nach Canossa vorbereitend entspannt, erinnert das Ambiente des Andrologen oftmals eher an die Auftragsannahme einer Autowerkstatt.

Gespräche gegen Impotenz

Mehr noch: Flimmern auf den Bildschirmen im Damen-Wartezimmer die glamourösen Gestalten von Prinz Andrew oder Carmen Nebel über die Wand, hängt im maskulinen Pendant bestenfalls ein Plakat mit einem lächelnden Grauhaarigen, das die Wartenden auf die nahenden Alterserscheinungen des Mannes vorbereiten soll. Er will sagen: Impotenz geht weg, wenn man mit dem Arzt drüber redet. Bei ihm jedenfalls habe es geholfen, ist seine Botschaft.

Das Grinsen des vermeintlich 80jährigen mit den überzeugend weiß blinkenden Original-Zähnen kann natürlich auch vom Gedanken an das Foto-Honorar kommen. Auch in der Medizin heiligt der Scheck manchmal die Mittel.

Kleiner Unterschied mit großer Wirkung

Abseits dieser Szenerie sind aber auch die eigentlichen Behandlungsräume miteinander nicht zu vergleichen. Bequeme, innovativ gestylte und ergonomisch an die Stromlinie der Frau angepasste Sitzmöbel im Zimmer des Gynäkologen mit stufenlos verstellbaren Ablagemöglichkeiten wahlweise für Füße oder Knie, gibt es beim Andrologen ebenso wenig wie spanische Wände, Entspannungsmusik oder Kabinen mit sauberen Einweg-Wickelröcken im Regal.

Während eine Frau im wahrsten Sinne des Wortes die Beine hochlegen kann, heißt es für den Mann: Wer im Stehen pinkelt, wird auch im Stehen untersucht! Aufs Polster fläzen kann sich der Macho schließlich nachher in seinem Auto während der Fahrt nach Hause.

Die Wiedergeburt der Urologie

Diese unausgereifte Situation bildet den idealen Nährboden für die weitere Entwicklung jener lange Zeit unterschätzten Zunft, um die es hier eigentlich geht: die Urologen.

Eine Parallelwelt, die nahezu unbemerkt im Schatten der Auseinandersetzung zwischen Gyno und Andro gedeihen konnte und nun selbstbewusst ihr Haupt gen Sonne streckt.

Der vor allem in Sachsen verbreitete Aberglaube, dass sich der „Ouchulooche“ um die Augen („de Ouchen“) kümmert, gehört wirklich ins Reich der Legenden. Eher käme für o wie oben ein Oraloge in Betracht (oral → oris, Mund), aber den gibt es nicht. Dafür jedoch u wie unten, den Urologen. (Teil 2 folgt)

 

Facebook-Ausfall: Der Tag danach …

Fieberhaft suchen Verschwörungstheoretiker weltweit nach den Ursachen für die Katastrophe, von der auch Markranstädt betroffen war. Zumindest die Regionen der Stadt, in denen es Internet gibt. Am Dienstag hatte irgendwer irgendwo auf der Welt das Facebook kaputt gemacht. Rund eine Stunde lang war es, als hielte die Welt den Atem an. Kurz bevor die ersten Menschen ihre Siuzid-Gedanken wahr machen konnten, flackerte es jedoch auf den Monitoren und Zuckerbergs Heiland war wieder da. Aber die Folgen dieser Katastrophe haben dramatische Ausmaße.

Eine Stunde ohne Facebook! Erst jetzt weiß man, was das in der Praxis bedeutet. Ganze Städte wurden in Schutt und Asche gelegt, weil niemand mehr da war, der die Verteidigung vor den heranrückenden Armeen organisieren konnte. Bei Farmville ging nahezu die gesamte Versorgung unseres Planeten mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen in Flammen auf. Dramatische Szenen spielten sich auf nahezu sämtlichen Servern unseres Erdballs ab.

Farrmville

Tausende Landwirtschaftsbetriebe der Farmville-Kette gingen weltweit in Flammen auf.

Doch auch im echten Leben hinterließ der Facebook-Ausfall eine Schneise seelischer Zerstörung quer durch die Gesellschaft. In Miltitz musste ein Familienvater in die Psychiatrie eingeliefert werden. Er zerbrach daran, dass er seiner Frau das Foto vom Mittagessen nicht posten konnte.

Aber der Mann hatte wenigstens was zu essen. Härter traf es nämlich eine Markranstädter Familie, die ihren Sohn im Kinderzimmer nicht erreichen konnte. Vergeblich versuchte die Mutter, dem Jungen die Nachricht zu senden, dass das Essen fertig sei. In ihrer Verzweiflung teilte sie diese Mitteilung mit allen ihrer 1.972 Freunde, doch auch die waren von der Außenwelt völlig abgeschnitten.

Sogar Demos mussten verlegt werden

Noch weitreichendere Auswirkungen hatte die Tragödie auf die Streitkultur im Freistaat. So war die Leipziger Ausländerhilfsorganisation Legida außerstande, auf analogem Wege genügend Unterstützer für ihre am folgenden Tag geplante Sammelaktion zu organisieren und sah sich veranlasst, die Maßnahme auf Freitag zu verschieben.

Drohende Klagen wegen entgangener Likes

Und selbst in Markranstädt war das Sendungsbewusstsein streitbarer Facebook-Aktivisten vorübergehend außer Kraft gesetzt. Zudem trauern Unternehmen den in rund einer Stunde virtueller Stille entgangenen Likes nach. Die sind ja heutzutage immerhin sowas wie ein Gradmesser der Wertschöpfung.

Aber es gab auch Lichtblicke an diesem dunklen Tag. Lieselotte Hinkelmeier aus Priesteblich beispielsweise bekam gar nicht mit, wie die Welt um sie herum aus den Angeln gehoben wurde.

herd

Braucht keine Feuerzeug-App und das Essen kann auch ohne Tastatur geteilt werden: Lieselotte Hinkelmeiers Herd.

Während sich ihr Enkel im Nachbardorf Markranstädt in einen wahren Blutrausch steigerte und seinem Smartphone Namen wie Motherfucker, Spast, Opfer oder Spacko verlieh, weil er seinem Kumpel nicht posten konnte, dass er gerade auf dem Klo sitzt, legte die rüstige Seniorin einen alten Hausschuh im Küchenherd nach und rührte die Linsensuppe um. Als sie fertig war, rief sie die analoge ID ihres Mannes und beide setzten sich an den gedeckten Tisch.