Das große Schweigen am Freitag

Freitag nach eins macht jeder seins. Diese Weisheit ist so alt, dass man sie nicht einmal mehr auf der Bartwickelmaschine in New York findet. Zeit für neue Innovationen. Die Telekom, bekannt für ein breit gefächertes Portfolio neuer (meist unnützer) Strategien, hat heute ein neues Zeitalter eingeläutet: „Freitag ab zehn darf jeder geh’n!“ Nur für Markranstädt gilt das nicht. Aus technischen Gründen.

Wer zwischen Saarbrücken und Görlitz gegen 10 Uhr gerade ein Festnetz-Gespräch geführt hat, hörte plötzlich nur noch ein monotones Rauschen. Funkstille in der Bundesrepublik. Normalerweise sind das keine guten Vorzeichen.

Das Abschalten wichtiger Medien gilt in der modernen Kriegsführung als erste und wichtigste Maßnahme, wenn es um einen Putsch, eine Revolution oder einen Terroranschlag geht. Kommunikation unterbinden, Fernseh- und Radiosender besetzen, Energieversorgung unter Kontrolle bringen – das sind die drei obersten Punkte auf der Agenda des Militärs bei der Besetzung eines Landes.

Ausgabe arabischer Parteibücher

Deutschland im Ausnahmezustand. Steckte etwa der IS dahinter? Um die Kanzlerin mit der Antwort nicht zu verunsichern, ließ der Innenminister im Regierungsviertel vorsichtshalber die für solche Notfälle bereitliegenden Burkas verteilen. Claudia Roth holte für ihre Getreuen sogar schon die Parteibücher in arabischer Sprache aus dem Tresor, die eigentlich erst für die Zeit nach den nächsten Bundestagswahlen vorgesehen waren.

screenshot1

(Alle Abbildungen: Screenshots)

Das gemeine deutsche Volk erfuhr dagegen erst mal gar nichts von den Hintergründen. Wie auch – ohne Telefon? Kein Wunder also, dass offiziell zunächst niemand in ganz Deutschland einen terroristischen Hintergrund ausgeschlossen hat. Inoffiziell allerdings auch nicht, was wohl daran lag, dass gar niemand etwas zu dem Vorfall von sich gab. Nicht mal die Telekom selber. Zeitweise war nicht einmal deren Internet-Präsenz zu erreichen, von der Störungs-Hotline und anderen Serviceangeboten ganz zu schweigen.

So begann also die Gerüchteküche zu brodeln. Da das Internet noch funktionierte, konnte man zumindest twittern und diese psychotherapeutische Form des Dampfablassens wurde reichlich genutzt. Allerdings nicht nur in kritischer Hinsicht.

Zum Schweigen verurteilt

Man konnte an den Tweets ganz klar die soziale Struktur in diesem unserem Lande ablesen. Leute, die sonst nichts zu tun haben, beschwerten sich bitter über das soziale Abseits, in das sie nun durch die Beschneidung ihrer kommunikativen Möglichkeiten abgeschoben wurden.

twitter1

Menschen mit Migrationshintergrund dagegen twitterten gar nicht. Die Wenigsten von ihnen werden überhaupt mitbekommen haben, dass da was im Argen liegt, denn im Gegensatz zu den ewiggestrigen Ureinwohnern dieses Landes sind sie flächendeckend mit mobilen Kommunikationsmitteln ausgestattet und verfügen zudem noch über die Gabe, sich von Angesicht zu Angesicht analog zu verständigen. Kommunikativer Oralverkehr sozusagen.

Die dritte Gruppe im Netz war die Klasse der werktätigen Bevölkerungsteilnehmer*innen. Denen kam der Blackout der Telekom an einem Freitag gerade recht. So twitterte @MissRhapsody beispielsweise: „jemand hat die telekom kaputt gemacht. endlich ruhe im büro.“

screenshot2

In den meisten Rathäusern und öffentlichen Verwaltungen hatte der Ausfall des Telefonnetzes derweil keinerlei Auswirkungen auf den Tagesablauf.

Lediglich in einer Gemeindeverwaltung in der Sächsischen Schweiz soll eine Sekretärin einen Schock erlitten haben, als das Netz gegen 12 Uhr wieder funktionierte und sie durch das schrille Klingeln des Telefons urplötzlich aus dem Tiefschlaf gerissen wurde.

titel

Dass auch die Einwohner Markranstädts kaum etwas von der Störung mitbekommen haben, hat allerdings rein technische Ursachen. Betroffen waren lediglich so genannte Voice-over-IP-Anschlüsse. Dazu muss man über einen DSL-Anschluss verfügen und sowas gibt es auf dem Globus von Markranstädt nur in ausgewählten Regionen.

Markranstädt uneinnehmbar!

Das allerdings sollte endlich mal als Bestätigung für den Weitblick und die visionäre Kraft unserer kommunalpolitischen Akteure gewertet werden, die sich der regionalen Breitbanderschließung seit Jahren erfolgreich entziehen. Das heutige Beispiel hat immerhin gezeigt, dass Markranstädt gegen die Auswirkungen der Maßnahmen moderner Kriegsführung gewappnet ist.

Weder Terroristen noch Putschisten, paramilitärische Milizen oder Rebellen haben bei uns die Möglichkeit, die Kommunikation zu kontrollieren und sich so an die Macht zu bringen. Markranstädt ist sicher – und das allein ist in diesen Zeiten, in denen uns sogar Antworten verunsichern könnten, eine beruhigende Botschaft. Da kann die Welt noch viel von uns lernen.

 

Eine gesegnete interreligiöse Hauptgeschäftszeit

Während sich Teile des christlichen Abendlandes der Einfachheit halber an Flüchtlinge klammern, um den Grund für den drohenden Niedergang unserer Werte bildhaft werden zu lassen, haben ganz andere Verdächtige längst Fakten geschaffen. Fakten, die scheinbar niemand sehen möchte. Zu gern ist man selbst Opfer dieses neuzeitlichen Ketzertums, dessen Rädelsführer hinter dem Altar der amerikanischen Wirtschaft sitzen. Auch in Markranstädt ist das bisweilen nicht viel anders.

Unsere beiden Pfarrer – ja, auch eine katholische Gemeinde gibt es in Lallendorf noch – haben ein schweres Los in diesen Zeiten. Einerseits hätten sie allen Grund zu frohlocken, da die Schäflein sich besonders jetzt, in Anbetracht von Burkas und Minaretten, der Werte unseres christlichen Abendlandes zu erinnern scheinen. Andererseits tut man das in Deutschland meist eher nur akustisch.

Mit dem Hirn siehts da schon anders aus. Gar zu oft sind es hohle Phrasen, die da aus den leeren Hallen der Köpfe in die leeren Hallen unserer Gotteshäuser dringen. Man kann eigentlich nur raten, wieviele Menschen am 31. Oktober den Reformationstag begangen haben und wer andererseits wegen eines Ereignisses unterwegs war, das Halloween genannt wird.

Reformationshalloween

Ebenso kann man nur darüber rätseln, wievielen Halloweenern, die den amerikanischen Ungeist des Kitsch über dem christlichen Abendland gleich kübelweise in sich verklappen, die eigentliche Bedeutung des Begriffes tatsächtlich bewusst ist?

helloween

Vom Papa geschnitzt, weil der mal Angst davor hatte.

Halloween avanciert zum Staatsfeiertag, dem nahezu alles geopfert wird. Dabei ist der Begriff nur die Einkürzung von All Hallows‘ Eve, also der Abend vor Allerheiligen. Aber was würde wohl passieren, wenn die Kindergärtnerin beim Elternabend vorschlägt, dass Kürbisse für das Hochfest aller Heiligen unserer Kirche geschnitzt werden?

Da würden sich wohl nicht nur atheistische Eltern plötzlich der Säkularisation in diesem unserem Abendlande erinnern und die Kindergärtnerin am nächsten Tag beim Verwaltungsamt antanzen lassen. Von wegen Vermischung von Kirche und Staat und so.

Wellen-Deins-Tee

Ein anderer aus Amerika eingeschleppter Virus ist da religiös schon wesentlich unverfänglicher: der Valentinstag. Mittlerweile klingt er auch schon wie ein ebenso romantisches als auch aromatisches Entspannungsgetränk: Wellen-Deins-Tee spricht selbst der Markranstädter Sachse die Erfindung der Floristen-, Goldschmiede- und Süßigkeitenbranchen aus, mit der die christlich-humanistischen Grundwerte des Abendlandes systematisch unterwandert werden und den Grad der gegenseitigen Zuneigung an der Höhe des Konsums messen lässt. Alle elf Minuten…

valentine

Fetter Lapislazuli am Arm und Gucchi in der Hand: Liebesbeweis im 21. Jahrhundert.

Dass sich auch Thanksgiving noch nicht endgültig und vernichtend gegen unser abendländisches Erntedankfest durchsetzen konnte, hat lediglich biologische Ursachen.

Das Thanksgiving der Amis wird Ende November gefeiert. Da werden in unseren Breiten schon die ersten Bratäpfel in den Ofen geschoben und aus den Lautsprechern in den Einkaufszentren erklingen längst die Xmas-Rhythmen der Jingle Bells von Santa Claus.

 

Aber spätestens wenn dank TTIP der erste winterfeste US-Gen-Mais auf den abendländlischen Feldern noch im Dezember am Stengel erblüht, wird das Erntedankfest im Oktober Geschichte sein. Und es ist nicht der Islam, der dieses Opfer fordert.

Erst kürzlich war wieder Martinstag. Und wie jedes Jahr seit 2013 geisterte wieder ein Schriftstück durch die sozialen Netzwerke, das seinen Ursprung dem Vernehmen nach im Schädel des damaligen NRW-Landesvorsitzenden der LINKEN hat.

Sonne-Mond-und-Sterne-Fest

Mit der Begründung, das Feiern des Sankt-Martins-Festes in Schulen und Kindergärten könnte von Angehörigen des muslimischen Kulturkreises als diskriminierend empfunden werden, forderte er, das Gedenken an den Heiligen Martin in Sonne-Mond-und-Sterne-Fest umzubenennen und die St. Martins Geschichte künftig nicht mehr in den Mittelpunkt zu stellen.

martinsumzug

Traditioneller Opfer-Umzug am St. Martinstag. Niemand will Sonne, Mond und Sterne essen.

Seither sind sich selbst die eingefleischtesten Atheisten im Abendland nicht zu blöd, diesen Unsinn zum Anlass zu nehmen, sich zu St. Martin zu bekennen und in den sozialen Netzwerken anzukündigen, weiterhin beim St. Martins-Umzug mitzulaufen und nicht bei der Sonne-Mond-und-Sterne-Demo eines linken Spinners.

Das Problem: Die meisten dieser virtuellen Schreihälse haben weder je an einem Martinsumzug teilgenommen, noch haben sie das künftig vor. Es geht ihnen ums Prinzip und nicht um christlichen Glauben oder christliche Werte. Sonst wäre denen längst aufgefallen, dass die jedes Jahr als „neueste Provokation unserer Regierung“ aufgewärmte Meldung schon drei Jahre alt ist und nur von einem opportunistischen Oppositionellen eines abgenutzten Bundeslandes erfunden wurde.

Nun kommt also wieder Weihnachten auf uns zu. Bestrebungen, dieses Fest umzubenennen, gab es in der Vergangenheit bereits zur Genüge. Allerdings wurde das weder von Muslimen noch anderen Religionen gefordert. Es war ostdeutscher Einfallsreichtum, der den Weihnachtsengel zur Jahresendflügelpuppe degradierte und es war reichsdeutscher Geistesverfall, Christbaumkugeln mit Hakenkreuzen zu versehen.

Weihnachtsmann*in ohne Sack

Die Grünen haben erst jüngst damit begonnen, der/dem Weihnachtsmann*in gendergerecht den Sack abzuschneiden und sicher wird es der Deutschen oder der Commerzbank vorbehalten sein, Weihnachten ab 2016 als „Fest der Kaufkraft“ oder zumindest als „interreligiöse Hauptgeschäftszeit“ in den Kalendern zwischen Elbe und Rhein zu manifestieren.

Natürlich haben wir uns trotzdem längst von den alten Traditionen verabschiedet. Oft sogar, ohne es zu merken. Der Weihnachtsmann heißt jetzt Santa Claus, die Geburt Christi wird als Xmas bezeichnet, die Weihnachtsglöckchen bimmeln als Jingle Bells und die deutschen Häuser und Gärten flimmern im Lichterschein so hell, dass die Bescherung bei den Energieunternehmen ab erstem Advent fast schon im Stunden-Rhythmus zelebriert wird. Amerika lässt grüßen.

Aber auch der deutsche Weihnachtsmann hat für die Amis was im Gepäck. Um den Absatz in Übersee zu erhöhen, haben sich Lauschaer Glasbläser vor ein paar Jahren eine ganz besondere Story einfallen lassen. Sie verbreiteten zwischen Rio Grande und Rocky Mountains die Mär, dass es in Old Germany eine uralte Tradition sei, an den Christbaum eine gläserne Gurke zu hängen.

Wer sie am Weihnachtsmorgen als Erster entdeckt, habe damit das Recht, auch zuerst sein Geschenk auszupacken. Obwohl man inzwischen nahezu die gesamte Gemüseproduktion in Lauscha auf Gurken umgestellt hat, kommt man seither mit deren Herstellung kaum noch nach.

Gurke Richard Huber ccdreinull

Aus der LPG Gemüseproduktion Lauscha: Die traditionelle Weihnachtsgurke unserer Urahnen. (Foto: Richard Huber)

Lügen haben in der Regel kurze Beine, aber die der wirtschaftlichen Notlüge mit der Gurke sind trotzdem noch so lang, dass sie es mit einem einzigen Schritt über den großen Teich zurück nach Deutschland geschafft hat. Weil der Hype aus dem Ami-Land kommt, hängen jetzt auch immer mehr Deutsche eine dieser Gurken an den Weihnachtsbaum. So, wie es schon unsere Urahnen getan haben sollen.

Dass diese also schon Gurken an ihre Wohnzimmertannen flochten, als es in Deutschland weder Weihnachtsbäume noch diese erst viel später kultivierte Art der Kürbisgewächse gab, ist dabei völlig wurscht. Es ist eine Tradition aus dem christlichen Abendland und die muss verteidigt werden! Mit allen Mitteln. Vor allem mit viel Licht und Kitsch.

Je lauter die Jingles bellen, umso mehr ist Weihnachten und je mehr Lichter brennen, umso mächtiger ist der totale Advent. Markranstädt, die europäische Energiestadt am See, geht da mit ebenso gutem Beispiel wie kraftvollen Schritten voran. Sage und schreibe 400 Lichter sollen es sein, die allein unsere (Zitat Pressemitteilung, die inzwischen auf allen Kanälen korrigiert wurde) „elf Meter und zwei Tonnen schwere Fichte“ zieren.

baumchriswold

„Elf Meter und zwei Tonnen schwer“ … dafür aber vierhundert Lampen und sechzig Kugeln hell: Markranstädter Fichte ohne Gurke. Gleich daneben das Haus der Familie Chriswold.

Bei so viel Licht ist es nicht ausgeschlossen, dass einige Vogelarten verwirrt mit dem Nestbau beginnen und Frühlingslieder zwitschern. Na gut, die ersten Supermärkte sind ja ohnehin schon dabei, ihre Deko auf Ostern zu trimmen.

eineKerze

Ein Licht kann genug sein, um den Geist zu erleuchten.

Es war mal ein Kranz mit einer Kerze, als alles begann. Da saß man noch friedlich am Tisch, unterhielt sich miteinander und gedachte der Maßstäbe, die wir heute mit dem Stromzähler aus unserem Gewissen bombardieren. Alles ist festlich erleuchtet, nur der Geist nicht. Und im Januar geht’s wieder auf die Straße mit der Forderung, Kohlekraftwerke abzuschalten und Atommeiler stillzulegen.

In diesem Abendland gibt es Entwicklungen, da fragt man sich, was es da zu Weihnachten noch Abendländisches zu verteidigen gibt? Außer vielleicht… na ja … den Kranz mit der Kerze. Das wäre zumindest mal ein guter Anfang.

 

Markranstädt sucht das „Unwort des Jahres 2015“

Was Deutschland kann, das kann Markranstädt schon lange! Wenn Silvester näher kommt, wird überall das „Unwort des Jahres“ gesucht. Also warum nicht auch bei uns? Potenzial gibt es hier genug und kreative Geister ebenso … könnte man unter Missachtung des Unterschieds zwischen Konstrukt- und Destruktion zumindest meinen. Also aufgestanden! Die Markranstädter Nachtschichten suchen das „Unwort des Jahres 2015“.

Zugegeben: Bei solchen „Mach mit“-Wettbewerben haben die Markranstädter Nachtschichten traditionell schlechte Karten. Wortmeldungen in Form von Kommentaren oder eMails von Lesern sind hier zu 95 Prozent politisch motiviert und selbst die stammen nahezu ausschließlich aus den Lagern links der CDU.

Warum auch immer. Manchmal braucht man möglicherweise ein ärztliches Attest, um seine kommunikativen Fähigkeiten therapeutisch anwenden zu dürfen. Leseraktivitäten außerhalb politischer Szenarien sind jedenfalls Mangelware.

Medial völlig übersättigt

Aber das ist auch verständlich. Markranstädt ist einfach übersättigt von der überdimensional starken Präsenz in den Medien. Es vergeht kaum ein Tag, an dem die Stadt und ihre Ortschaften in den Print-Medien nicht mit mindestens einer Sonderseite gewürdigt werden und selbst Radio und Fernsehen haben die Stadt am See für sich entdeckt.

Medienpräsenz auf dem hauseigenen youtube-Kanal, der im DSL-Niemandsland am Zschampert nur in der Kernstadt empfangen wird. Wer auch immer dieser Mario Ohoven ist, er muss was zu melden haben und hat Markranstädt wohl für die nächste Runde bei „Deutschland sucht die Superstadt“ nominiert. Eine Minute reden ohne was zu sagen: Wenn er groß ist, wird er bestimmt mal Politiker, der Herr Ohoven.

Die lokale Tagespresse lässt ihre Berichterstattung sogar schon mal unter der Rubrik „Tierleben“ laufen, damit die mediale Überbeanspruchung nicht so auffällt.

Wahlbeteiligung wie in der Politik?

Machen wir uns also nichts vor: Die Beteiligung an der Umfrage zum Markranstädter „Unwort des Jahres 2015“ wird, wie man so schön sagt, unter aller Sau sein.

Die einen trauen sich nicht, andere dürfen nicht und die übergroße Mehrheit wird einfach keinen Bock drauf haben, sich da Gedanken zu machen.

Warum auch? Das ändert eh nichts an den großen Problemen unserer Tage. Und vielleicht würde uns die Antwort auf die Frage nach dem Unwort tatsächlich verunsichern?

Ohne Fragen an Arzt oder Apotheker

Trotzdem wollen wir mal einen Anfang wagen und Ihnen vier Vorschläge vorkauen. Sozusagen als Appetithäppchen. Wir sind davon überzeugt, dass Ihnen noch weitere Unworte einfallen.

Die fünf besten Ideen werden wir im Dezember zur Abstimmung stellen. Und keine Angst: Sowohl Ihre Vorschläge als auch Ihr Votum gehen hier anonym ein. Sie wissen ja, Schweigepflicht und so. Auch wenn Sie in der CDU sind: Ihr Arzt wird davon nichts erfahren.

1: Vernässungsfläche

Wer das Buch „Feuchtgebiete“ gelesen hat, kürzlich Nachwuchs bekam oder in seiner Verwandtschaft Menschen weiß, denen der Begriff „Inkontinenz“ nicht fremd ist, könnte damit sicher etwas anfangen. Aber einen See als Vernässungsfläche zu verniedlichen, um ihn einer Kommune als deren Eigentum unterjubeln zu können, das zeugt von Kreativität in politischer Vollendung.

aaaabwasse3

Leicht vernässt, aber ansonsten noch ganz in Ordnung. Allerdings landen viele Touristen auf der Suche nach der Vernässungsfläche in der nahegelegenen Gaststube.

Zum Glück funktioniert ein so kreatives Hirn nicht wie ein Anus, sonst würde sich unter ihm nach einem solchen geistigen Furz vielleicht auch die eine oder andere Vernässungsfläche bilden.

2: Klarstellungsbeschluss

Eigentlich stammt der Begriff ja aus dem Jahre 2014. Aber da er sich erst 2015 so richtig entfalten konnte, kommt er eben jetzt ins Votum. Ursprünglich dachte man in Markranstädt, dass der Klarstellungsbeschluss eine Erfindung unseres Bürgermeisters war, der einen bereits gefassten Beschluss noch einmal beschließen lassen wollte. Nur so zur Sicherheit, falls jemand vergessen haben sollte, seinen Arm nach der vorangegangenen Abstimmung rechtzeitig zu senken.

Ganz so verhält es sich aber nicht mit der Urheberschaft der Klarstellung. Unser Jens hat sich da nämlich eine Anleihe beim Sandmann genommen. Jawollja, einfach mal auf das Bild klicken und genau zuhören (30 Sekunden).

ulle

Ähnlichkeiten zwischen lebenden und verstorbenen Personen wären rein zufällig, aber das mit der Klarstellung kriegt er hier ganz klar eingeflüstert!

Klar, Genosse Ulbricht! Is klar. Drum heißt es ja auch Klarstellungsbeschluss. Und darum wird der Begriff auch als „Unwort des Jahres 2015“ vorgeschlagen.

Denn auch beim Projekt für eine neue Kindertagesstätte handelt es sich nicht um Literatur oder höhere Philosophie, sondern um den Kampf zwischen zwei Systemen. Ist das klar, Genossen? Und klarer als ein leeres Blatt Planungspapier ging’s auch 50 Jahre nach dem legendären Kahlschlag-Plenum des ZK der SED nicht.

3: Toilettenschlösschen

Entgegen dem, was bei den Freien Wählern Markranstädt intern vorzugehen scheint, wirkt das, was in den Stadtratssitzungen nach außen dringt, geradezu geordnet. Wenn dort jemand den Mund aufmacht, dann meist ohne Aphorismen und Strapazierung der Rolle der Bedeutung. Sachlich nennt man das. Der promovierte Geist in deren Reihen konnte Anfang 2015 angesichts der avisierten Kosten für das Klo am Kulki-Parkplatz dennoch nicht widerstehen, dem Baukörper ein satirisch geprägtes Adelsprädikat zu verleihen.

abriss

Es war nicht nur die Geburtsstunde des „Toilettenschlösschens“, sondern zugleich auch sein Todesstoß. Ein Schloss heißt Schloss, weil man sich da einschließen kann. Eigentlich ist der Ursprung des Begriffes aber der „Herrensitz“ und das geht ja nun gar nicht für eine gendergerechte Bedürfnisanstalt, auf der auch Damen mal müssen können dürfen. Also wurde dieses Relikt einer antifeministischen Epoche kurzerhand zum Einsturz gebracht.

4: Verkehrsbehinderungsbau

000schrankeweb

Touristen aus aller Welt kennen die Konstruktion eigentlich als die „Lindennaundorfer Schranke“. Aber da es sich dabei um zwei Worte handelt, könnte die Pilgerstätte der Satiriker so nicht in die engere Wahl zum Unwort des Jahres kommen. Außerdem sind es mindestens schon fünf Schranken, die dort verbaut und unmittelbar nach ihrer Inbetriebnahme von PKW im Gegenlicht der Abendsonne wieder weggekickt wurden.

Schon bieten findige Autohändler und Reparaturwerkstätten in der Region statt Kuhfänger neuartige „Schlagbaumbrecher“ als Frontbügel für Klein- und Geländewagen an. Leider sind die Tage der Schranke scheinbar gezählt. Gemessen an der avisierten Bausumme wird gerade an einer zweistöckigen Kleeblatt-Kreuzung zur Straße an den Windmühlen geplant, welche die Schranke überflüssig macht. Da wärs doch schön, wenn wir uns ihrer wenigstens durch das Unwort des Jahres erinnern könnten?

So, liebe Leserinnen und Leser, jetzt sind Sie gefragt! Was ist Ihr „Unwort des Jahres 2015“? Es sollte ein Unwort mit lokalem Bezug sein (also bitte nicht Transit-Zone, Flüchtlings-Hot-Spot, Balkan-Route, Grexit oder sowas in der Richtung). Wem für seinen Vorschlag auch noch eine lustige bis witzig-satirische Begründung einfällt, der bekommt von uns ein kostenloses Jahres-Abo der Markranstädter Nachtschichten für 2016.

 

Ein Teil dieser Antworten würde sie verunsichern

Ach – hätte er das doch nur früher schon mal gesagt, unser Innenminister. Jahrzehntelang war man auch bei uns in Markranstädt vergeblich auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage aller Fragen. In Deutschland forscht man sogar schon seit Jahrhunderten danach. Selbst Goethe musste aus seinem Faust einen Zweiteiler machen, um wenigstens annähernd zu erklären, was die Welt im Innersten zusammenhält. Dabei ist die Formel so einfach: „Ein Teil dieser Antworten würde Sie verunsichern.“

(Titelfoto: Bundeswehr, Lizenz CC BY 2.0 – Montage: Markranstädter Nachtschichten)

Natürlich hätte der alte Goethe das etwas eleganter formuliert als der verbal eher grobschlächtige Innenminister, dessen Name sich nur zufällig auf Voltaire reimt. Goethe hätte in der Präambel zum Faust vielleicht sowas geschrieben wie:

Des Pudels Kern, so es mich dünkt,
mich nur zu halber Antwort zwingt,
denn nur dieser halbe Teil
lässt des Menschen Seele heil.

Aber dann hätte er den Rest des Poems nicht mehr niederschreiben müssen und ihm wäre das opulente Zeilenhonorar für die zwei Staffeln „Faust“ flöten gegangen. De Maiziere hatte da mehr Weitsicht. Er sorgte mit seiner Antwort auf die von ihm selbst gestellte Frage für eine wahre Flut an Zeilenhonoraren in den deutschen Medien.

„Ich verstehe diese Fragen“, entgegnete Innen-Thomas auf die Auskunftsersuchen der Journalisten nach den Gründen für die Absage des Länderspiels in Hannover und ergänzte dann: „Aber verstehen sie bitte, dass ich darauf keine Antwort geben möchte.“

Und weil sowas bei einer Pressekonferenz weder als Antwort noch als Erklärung durchgeht, stellt er sich die zwangsläufig folgende Frage gleich selbst und beantwortet sie natürlich auch, allerdings ohne sie zu beantworten: „Warum? Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.“

Einfach genial! Mit dieser Antwort war er nicht nur raus aus der Nummer, sondern hat zugleich ein Konvolut an Fragen aufgeworfen, die man vorher noch gar nicht auf dem Schirm hatte. Was könnte die Bevölkerung außer der ohnehin schon bekannten Terror-Gefahr noch verunsichern?

Da kommt man auf ganz seltsame Gedanken. Vielleicht wollte er uns nicht mit der Tatsache verunsichern, dass die Informationen über die Sprengsätze im Stadion aus den gleichen Quellen stammen, die seinerzeit die Massenvernichtungswaffen im Irak entdeckt haben?

Wie dem auch sei, das Zitat von Thomas de Maiziere hat Geschichte geschrieben und wird sich im Wortschatz der deutschen Politik festsetzen wie Nissen in einer Bob-Marley-Frisur.

Schon kursieren in den Netzwerken die ersten Comics dazu (Schäuble: „Wann zahlt ihr Griechen eure Schulden zurück?“ Tsipras: „Ein Teil meiner Antwort würde sie verunsichern.“ – oder Mutti: „Barack, findest du mich eigentlich sexy?“ Obama: „Ein Teil meiner Antwort….“)

 

Man kann eigentlich nur hoffen, dass dieses Zitat schnellstmöglich auch in Markranstädt Einzug hält. Allein dessen deeskalierende Wirkung könnte zu Frieden und Wohlstand in einem Maße beitragen, das mit allen anderen Aphorismen dieser Welt nicht zu beschreiben wäre.

Was nicht heißen soll, dass wir selbst nicht genug kluge Köpfe hätten, in denen solche Formulierungen entstehen könnten. Ansätze dafür gab es in der Vergangenheit genug. Das Bauamt war zum Beispiel schon ganz nah dran am „Teil meiner Antwort…“. Es blieb allerdings bei einem Teilabriss.

Zitate, die Geschichte schreiben

Nicht auszumalen, wenn man den Gedanken mutig zu Ende gedacht und für den anderen Teil avisiert hätte, dass er die Abgeordneten nur verunsichern würde. Etwa so: „Ein Teil des Toilettenhäuschens muss abgerissen werden, aber verstehen sie bitte, dass ich für den anderen Teil keine Antwort geben möchte. Warum? Weil ein Teil dieser Antwort sie nur verunsichern würde.“ Schon hätte kein Hahn mehr nach dem verschwundenen Bauwerk krähen können.

zitate

Oder nehmen wir gewisse Personalentscheidungen. Auch hier wäre der Verweis auf „einen Teil der Antwort“ richtig gewesen, denn der andere Teil ist ja noch da. Und wie friedlich werden erst die Bürgerfragestunden bei Stadtratssitzungen ablaufen, wenn man statt „Darauf antworte ich nicht!“ das Plakat der Transparenz mit der Bemerkung „weil ein Teil dieser Antwort sie verunsichern würde“ so eloquent hochhalten kann, dass man dafür sogar noch eine höfliche Verbeugung statt Kritik erntet?

Blockbuster im Kopf

Das durch dieses Zitat konstruierbare Kopfkino erfüllt den satirischen Geist erstmals in der deutschen Nachwendegeschichte mit einem Gefühl tiefer Dankbarkeit gegenüber einem Politiker. Auch wenn es nur der Innenminister ist, der auf die Frage, was ihn für diese Funktion qualifiziert, ebenfalls auf den verunsichernden Teil einer möglichen Antwort verweisen müsste.

Fazit: Der Fernseher kann getrost eingemottet, die Zeitung abbestellt und das Internet ausgeschaltet werden. Es reicht, sich auf sein Sofa zu setzen und vor dem geistigen Auge beispielsweise eine Stadtratssitzung vorüberziehen zu lassen. Da kann das Drama bereits am Fuße jenes Tempels beginnen, in dem der Senat zu Stuhle kommt.

Einwohner: „Kann man mit diesem Fahrstuhl in die vierte Etage fahren?“
Bürgermeister: „Ein Teil meiner Antwort würde sie verunsichern.“

Auch zu Hause, also in der persönlichen Beziehung, werden die Dinge mit diesem Zitat wesentlich einfacher.

Mann: „Was hat denn der Frauenarzt zu deiner ausgebliebenen Regel gesagt?“
Frau: „Ein Teil seiner Antwort würde dich verunsichern.“

Nicht zuletzt könnte auch der Kellner im Restaurant zur Erleuchtung beitragen. Nicht jeder Gast weiß immer etwas anzufangen mit dem Kauderwelsch, der da auf der Speisekarte steht.

Gast: „Was ist denn das hier auf meinem Teller?“
Ober: „Ein Teil meiner Antwort würde sie verunsichern.“

Oder wenn es beim Bewerbungsgespräch so langsam zur Sache geht und der Personalchef mit Fragen kommt, die eindeutig gegen geltende Datenschutzbestimmungen verstoßen.

Personaler: „Sie haben hier eine Lücke von zwei Jahren und drei Monaten in ihrem Lebenslauf…?“
Bewerber: „Ein Teil meiner Antwort würde sie verunsichern.“

Das kann man beliebig so fortsetzen. Zum Beispiel in der Art:

Vernehmer: „Wo waren sie gestern um 12:35 Uhr?“
Verdächtiger: „Ein Teil meiner Antwort würde sie verunsichern.“

Lehrerin: „Was bewirkt das Hormon Testosteron?“
Schüler: „Ein Teil meiner Antwort würde sie verunsichern.“

Mutter: „Willst du nicht langsam mal aufstehen?“
Teenager: „Ein Teil des Tages würde mich nur verunsichern.“

Er: „Sind wir nun die Eltern unseres Kindes oder nicht?“
Sie: „Ein Teil meiner Antwort würde dich verunsichern.“

Er: „Schatz, worauf stehst du so im Bett?“
Sie: „Ein sehr kleiner Teil meiner Antwort würde dich verunsichern.“

Papst: „Mein Zwiegespräch mit Gott ist nur eine Sache zwischen ihm und mir.“
Barack Obama: „Ich will sie jetzt nicht verunsichern, heiliger Vater, aber …“

Nicht zuletzt gibt es dann ja auch noch das so genannte innere Zwiegespräch mit sich selbst. Auch da kann de Maizieres Antwort manch überraschende Lösung schaffen. Zum Beispiel, wenn man in sich hinein hört und den Körper fragt, ob der nach einem Ausweg suchende innere Druck nur ein Wind ist oder ob da auch Land unterwegs sein könnte? Egal was man hört: Ein Teil der Antwort verunsichert immer irgendwie.

 

Ein schwarzer Tag für Allah

Das war ein heftiges Wochenende. Während das gemeine Fußvolk der Markranstädter Nachtschichten am Freitag seine allwöchentliche Politbüro-Sitzung ohne Chef abhielt, weil der karnevalistischen Verpflichtungen nachkommen musste, hat in Paris die islamistische Nachfolgeorganisation der NSDAP zugeschlagen. Erst am folgenden Morgen drang in die MN-Katakomben durch, was da passiert war. Zum Glück, denn es braucht schon einige Zeit, sich der Konsequenzen bewusst zu werden, die auch uns in Markranstädt betreffen.

Was zweifellos alle Menschen mit normal funktionierendem Hirn in diesen Tagen eint, ist Wut und natürlich auch Trauer. Und Fassungslosigkeit. Fassungslosigkeit über die, die eine eigentlich friedliche Religion zu einer humanoiden Metzgerei umdichten. Die, die Abbildungen des Propheten mit Mord ahnden, scheren sich einen Scheiß um die Tränen, die sich in seinem Barte sammeln.

Wenn es demnächst ein Erdbeben in Medina gibt, werden Seismologen nicht um die Feststellung umhin kommen, dass sich Mohammed im Grabe umgedreht hat. Punkt! Die religiöse Welt der IS-Fanatiker scheint in diesen Tagen wieder zu einer Scheibe werden zu wollen, falls sie in deren Augen überhaupt je etwas anderes war.

Die Pariser Attentate haben Folgen. Folgen, die unabsehbar und doch jetzt schon abzusehen sind. Weil gerade wir, die wir heute in Deutschland leben und uns als Deutsche fühlen, diese Folgen schon lange genug am eigenen Leibe zu spüren bekommen. Nennen wir sie Sippenhaft, Generationenhaft oder einfach nur Erbe.

Lernen aus gesenktem Haupt

Was auch immer auf der Welt oder bei uns in Deutschland passiert: Mit dem Hinweis auf das, was unsere Eltern oder Großeltern vor 82 Jahren gewählt haben, sind wir heute die Letzten, die zu unseligen Entwicklungen auf unserem Erdball ungerügt eine Meinung vertreten dürfen, die nicht der Ansicht der Sieger von 1945 entspricht.

Wir sind zwar nicht die Täter, aber wir sind deren Angehörige, deren Nachfahren. Wir haben die Gene der Schuld und tragen deshalb in den Augen der Sieger das Vermächtnis der Sühne in uns. Nur so können sich die Sieger auch 70 Jahre nach dem Sieg noch als Sieger fühlen. Fühlen wir uns damit gut, als ewige Verlierer?

Genauso schlecht fühlen sich jetzt wahrscheinlich alle anständigen Muslime, die sich nach den Anschlägen von Paris in jeder beliebigen Stadt Europas nicht mehr auf die Straße wagen, weil wir sie wegen ihres Vermächtnisses der Sühne in Sippenhaft nehmen könnten. Man braucht nicht viel Phantasie, um sich in die Gefühlswelt eines in Markranstädt angekommenen syrischen Flüchtlings zu versetzen, der heute, nach den Pariser Anschlägen, mitten zwischen uns durch die Leipziger Straße laufen und die Blicke der Passanten sehen muss.

Damit – und nicht mit den Anschlägen von Paris – hätte der IS sein Ziel erreicht. Die Wut Volkseuropas soll sich gegen all jene richten, die den Weg hierher geschafft haben, die äußerlich so aussehen wie Terroristen und denen sie nicht vor Ort die Köpfe abschlagen konnten, weil sie jetzt hier sind. Hier bei uns. Also sollen wir das jetzt für den IS machen!

Ethnische Denkmalpflege

Der Boden dafür ist bereitet, das wissen die beim IS ganz genau. Nicht durch Pegida oder Legida, sondern durch jahrzehntelange politpsychologische Selbstzüchtigung eines Volkes, dessen selbsternannte Wortführer heute sogar ihre einstigen Geistesgrößen opfern, um beispielsweise durch Umbenennung von Straßen oder Plätzen dem scheinheiligen Drang nach falschem (weil: nur verbalem) und deshalb mit wenig Aufwand verbundenem Gutmenschentum erliegen zu dürfen.

Wir, das deutsche Volk, müssen uns jetzt fragen, ob wir uns mit einer von Wut dominierten Reaktion zu Handlangern des IS machen lassen und in blindem Hass genau das tun, was wir der Welt da draußen gegenüber uns selbst seit Jahren vorwerfen: Sippenhaft einer Ethnie, die allein optisch, geografisch, religiös oder historisch Täter-Gene in sich tragen könnte und deshalb auf Generationen in die letzte Bank auf unserem Globus gebannt werden muss.

Alle traditionellen Religionen der Welt (sogar der Kommunismus) haben ein Merkmal gemeinsam: Ihnen wohnt der Glaube an das Gute im Menschen inne und genau das ist die Triebkraft der Entwicklung. Auch wenn Banker und Wirtschaftsmanager gern anderes erzählen und allein das alles zerstörende Wachstum als Katalysator beschwören: Ohne Glauben an das Gute in ihrem Gegenüber hätten selbst diese Verbrecher keine Verhandlungsgrundlage.

Und vergessen wir dabei nicht, dass sich die Allah-Krieger des IS zu einem nicht unbeträchtlichen Teil aus Menschen aus unserer Mitte, Europäern (auch Deutschen), rekrutieren. Also aufgepasst: Vielleicht ist es nicht die Frau mit Burka, die auf der Leipziger Straße mit einem Sprengstoffgürtel unterwegs sein könnte, sondern Dein Kumpel. Der mit dem Kinderwagen!

Vertrauen, Kontrolle und wir selber

Es fällt schwer, einem andersfarbigen Menschen aus einem anderen Land mit einer anderen Kultur und einer anderen Religion, der zudem noch ohne Pass eingereist ist, Vertrauen zu schenken. Das muss auch nicht sein. Im Gegenteil: Es ist sicher nicht verkehrt, diesem Menschen mit einer gesunden Portion Misstrauen zu begegnen. Aber man sollte ihm die Möglichkeit geben, sich das Vertrauen zu verdienen. Wie sonst kann er beweisen, dass er ein friedlicher Mensch ist? Wir wollen das ja gegenüber unseren geschichtlichen Gläubigern auch, zumal wir sogar nachweisen können, dass wir nie in der SS oder bei der Gestapo waren.

Vielleicht könnte ja gerade das ein Ergebnis der Anschläge von Paris sein, mit dem der IS nicht gerechnet hat? Wir alle, Muslime, Buddhisten, Hinduisten, Christen, Atheisten, Juden – ja, alle vernünftigen Menschen rücken ein Stück zusammen gegen Gewalt und für Menschlichkeit. Wir müssen uns ja nicht gleich verbrüdern oder küssen. Respektieren reicht. Da fließt zumindest schon mal kein Blut und wir alle könnten etwas menschlicher miteinander leben.

 

00 – und mit dem Klo am See ist alles passé

In Abwandlung eines Werbeslogans könnte es jetzt am Westufer heißen: Null-Null und mit dem Klo am See ist alles passé. Möglicherweise durch eine Verkettung unglücklicher Umstände liegt seit vorgestern der gesamte Gebäudetrakt in Trümmern. Ein fremdenfeindlicher Hintergrund wird ausgeschlossen, Menschen sollen nicht zu Schaden gekommen sein.

Das Klo am See (ein stattlicher Mehrzylinder mit Beckeneinspritzung) ist nicht mehr. Nach 30 Jahren stolzer Existenz blieb davon nur noch ein Schutthaufen.

Dieses Video eines aufmerksamen Passanten wurde uns gestern zugespielt und zeigt die Entstehung der Tragödie. Wir bitten, die Qualität zu entschuldigen, denn der greise Nerd hat vorher mit seinen Fettgriffeln auf der Linse seines Handys rumgefummelt. Trotzdem ist der Hergang deutlich zu erkennen (dauert nur 54 Sekunden).

Eine alte Weisheit sagt, dass ein Gebäude von unten nach oben errichtet und von oben nach unten saniert wird. Obgleich man wohl gerade deshalb bei der Sanierung des Toilettenschlösschens am See beim Dach begonnen hat, hielt die darunterliegende Bausubstanz wahrscheinlich doch noch einige Überraschungen parat, so dass sie dem kleinen Schubser eines Kranes nicht standhielt.

Ein Wink des Schicksals

„Was’n Glück!“, zeigt sich Rentner Alois R. (73) beim Blick auf die Trümmer erleichtert. Er hat seit Jahren schon Probleme mit der Verdauung, in deren Folge er zu starken Flatulenzen neigt. „Nicht auszudenken, dass die das Haus so saniert hätten. Wenn ich im nächsten Sommer da drin einen hätte fahren lassen, hätten mich die Trümmer möglicherweise unter sich begraben.“ Das Schicksal hat es gut mit ihm gemeint und nun will er aus Dankbarkeit im „Ab ans Ufer“ eine Kerze stiften.

Sanierung des Sanierungsvorhabens

Es fragt sich allerdings, wie die Stadträte diesen Schock verdauen werden. Nur sechs Tage zuvor waren sie, ebenso wie die Öffentlichkeit, noch darüber informiert worden, dass nur der Dachstuhl entfernt werden muss und ein Teilabriss von Außenwänden erfolgen solle, da die nicht ordnungsgemäß im Verbund errichtet worden seien.

Alles zurück auf null-null

Nun liegt die gesamte Notdurfterei in Schutt und Asche und das Drama um ein Standortscreening für eine Erleichterungsanstalt am Westufer könnte von vorn beginnen. Denn der Umbau des stillen Örtchens hatte von vornherein viele Gegner, die sich jetzt wieder in der Startaufstellung vor einem neuen Rennen sehen.

Wo muss man müssen müssen?

Kern-Argument: An diesem Standort muss niemand müssen müssen. Der Segelclub hat seine eigenen Bedürfniseinrichtungen in denen man müssen darf und die anderen Besuchermagneten am Westufer seien zu weit weg, um hier müssen zu können.

Selbst vom Hundestrand aus kann der Weg zum rettenden Zylinder am Parkplatz zu einer Ewigkeit werden, wenn man unterwegs von Presswehen gequält wird, die man alle zwei Meter weghecheln muss. Und nicht nur Frauen wissen, dass sich die Abstände stetig verkürzen und es dann auch schnell mal zu einer Sturzgeburt kommen kann auf dem Weg zum Krankenhaus am Rande der Stadt.

Allerdings hat die Sache mit dem Lokus am Rande des Kulki eine zweite Seite, die zu oft nicht gesehen wird. Das als „Toilettenschlösschen“ in den Volksmund eingegangene Örtchen war von vornherein nicht für den ortskundigen Badegast aus Markranstädt vorgesehen, sondern sollte – und ausschließlich daran waren die Fördermittel geknüpft – der touristischen Erschließung dienen.

Sitzgelegenheit für Touristen

Das Klo soll also vorwiegend jenen Passanten dienen, die sich am Roten Haus, am Schiff oder der Wasserskianlage am gegenüberliegenden Ufer ihre Blasen gefüllt haben und bei einem Spaziergang um den See beim Anblick der Toilette auf Markranstädter Seite in erleichtertes Frohlocken ausbrechen. Oder eben für die Gäste, die nach längerer Anreise per PKW glücklich sind, am Parkplatz einen Lokus zu finden.

Der feine Unterschied liegt also wieder mal im Detail. Touristische Erschließung heißt das Zauberwort und Einheimische sind eben keine Touristen. Insofern sind Diskussionen um eine notdurftgerechte Ausstattung der Strände augenscheinlich nicht mit dem Ziel der Toilettenanlage am Parkplatz vereinbar. Hier müsste gegebenenfalls eine eigenständige Lösung gefunden werden.

abenteuer

Es gibt so herrlich viele Möglichkeiten, seine Notdurft mit dem Gefühl eines unverfälschten Abenteuers zu verknüpfen. Man muss nur wollen.

Und auch was den plötzlichen Abriss angeht, ist die Kehrseite der öffentlichen Diskussionsmedaille durchaus einen Blick wert. So, wie man ein Haus von unten nach oben baut und von oben nach unten saniert, gibt es auch noch eine andere Weisheit. Die lautet: Eine Sanierung ist immer wie eine Wundertüte, voller Überraschungen.

Blick in die Wundertüte

Meist sind diese Überraschungen eher unangenehmer Natur. Vor allem, wenn es sich um die Sanierung einer Toilette handelt. Früher hätte man einen dort gefundenen, halbwegs gut erhaltenen Haufen vielleicht Ernst Thälmann zuordnen und touristisch so vermarkten können, dass man damit einen Neubau finanzieren konnte.

Die heutige Realität allerdings stellt sich so dar, dass sich eine Sanierung angesichts der offenkundig gewordenen Mängel nicht rechtfertigen ließ. Da sollte man in der Diskussion die gleichen Maßstäbe zulassen, die ein privater Hausbesitzer bei der Sanierung des eigenen Geräteschuppens auch ansetzen würde.

Wie dem auch sei, jetzt ist also alles erstmal auf null, oder eben null-null. Baustopp war ja ohnehin immer ein Thema in den letzten Wochen.

Auch deshalb hatten die Freien Wähler während der letzten Stadtratssitzung beantragt, den Baustopp zu nutzen, um sich Gedanken über ein geändertes Konzept zu machen.

Konzepte für den Stuhlgang

Die gegenwärtige Situation ohne vorhandenen Baukörper wohl vorausahnend, forderten sie vorsorglich ein kleineres, der notdürftigen Lage entsprechend angemessenes Bauwerk.

Aber viel billiger oder zumindest angemessener als die bisher veranschlagten 150.000 Euro (mit 75 Prozent Förderung) wird’s wohl trotzdem nicht. Kann’s auch kaum werden.

Was schon runtergespült wurde

Die jetzt obsolet gewordenen Sanierungsplanungen haben sicher ebenso schon Geld gekostet wie die bereits im Februar beschlossene Herstellung von Wasser-, Abwasser- und Stromanschlüssen und natürlich wird auch der nunmehr vollzogene, überraschende Komplettrückbau sowie die Entsorgung des Altbaubestandes nicht allein aus christlicher Nächstenliebe des beauftragten Abrissunternehmens erfolgt sein.

abriss

Freimachung des Baufelds für eine moderne Outdoor-Anlage zur Verrichtung notdürftiger Angelegenheiten.

Es ist mit diesem verflixten Toilettenhäuschen fast so wie mit Windows 10. Es ist für jeden da, niemand will es und am Ende ist da ein blauer Bildschirm mit der Meldung: „Die Installation des Programms „Notdurft 2.0“ wurde abgebrochen. Bitte wählen Sie eine der folgenden Optionen: <Beenden> <Neustart> <Ausschalten>“. Es wird wohl zu einem Neustart kommen.

In naturnahem Ambiente

Bis dahin bleibt alles beim Alten. Der von innerem Druck drangsalierte Badegast muss unter Nutzung der heimischen Vegetation oder der hydrologischen Voraussetzungen weiterhin auf die natürlichen Gegebenheiten des Areals zurückgreifen.

Nur nicht erwischen lassen…

Bei rund 30 Millionen Kubikmetern Inhalt sind die ökologischen Auswirkungen individueller Einlagen auf das Naherholungsgewässer sowieso eher homöopathischer Natur. Für größere Angelegenheiten oder Menschen, die regelmäßig Telegrafenmasten zu entbinden pflegen, empfiehlt sich die Zuhilfenahme von Plastiktüten, die auf die gleiche Weise anwendbar sind wie bei ihren vierbeinigen Freunden.