Claus Narr deckt auf: Wellcum im Zuchthaus der juckigen Dirnen

Wenn der Geist eines vor über 500 Jahren gestorbenen Narren nach einem halben Jahrtausend wieder durch seine Heimatstadt spukt, kann das auch für die aktuellen Zeitgenossen bewusstseinserweiternde Folgen haben. Was Claus Narr (auf dem Titelfoto in Stein gemeißelt) in dieser Woche ausgegraben hat, könnte allein von der antiken Perspektive aus überraschende Sichtweisen offenbaren. Welche? Entscheiden Sie selbst.

Ich weiß, ich bin alt. Sehr alt. So alt, dass sogar das älteste Gewerbe der Welt zu meiner Zeit noch ein blutjunges Start-Up war. Es war die Zeit, als die Prostituierenden noch Dirnen hießen und es keine Nuttriche gab.

Wie ich feststellen muss, ist das heute anders. Auch die Preise. Lausige drei Kreuzer hat mich 1493 mein letzter Besuch in einem Freudenhaus gekostet. Dafür bekam ich eine satisfactio cum manualis vom Feinsten. Heute heißt das Handjob, ist steuerpflichtig und deshalb nicht unter 30 Euro zu haben.

Bei diesen Preisen ist es kein Wunder, dass ich auf meinen Streifzügen durch Markranstädt nur in miesepetrige Gesichter blicke. Noch mehr wundert mich aber, dass die Augen dieser unbeschlafenen Seelen nicht die Lösung ihrer Probleme sehen, obwohl sie sogar ganz dick in ihrer Zeitung steht.

Nicht gerade eine Fackel unter den Milf's, aber wenn sie unter der Gemeinschaftsdusche ihren Lippenstift zückt, fallen im Frauenknast die Seifen reihenweise auf den Boden.

Nicht gerade eine Fackel unter den Milf’s, aber wenn sie unter der Gemeinschaftsdusche ihren Lippenstift zückt, fallen im Frauenknast die Seifen reihenweise auf den Boden.

Da wird bis ins kleinste Detail beschrieben, wie man als Mann in ein ausschließlich von sexuell ausgezehrten Weibsbildern bewohntes Haus gelangt und sich dort kostenlos vergnügen kann, bis sogar die Gonokokken verschämt weggucken.

Die Voraussetzungen sind denkbar simpel. Einfach seinen Geschlechtseintrag auf Frau ändern lassen und eine Straftat begehen, fertig ist das Ticket ins Sexparadies. Vorzugsweise sollte das Vergehen allerdings als demokratiegefährdend interpretiert werden können, weil Steuerhinterziehung, Betrug oder Diebstahl heute für eine Haftstrafe oft nicht mehr reichen.

Hauptgewinn mit der Gefängniskarte

Was hätten wir zu meiner Zeit für eine solche Möglichkeit der sexuellen Freizeitgestaltung gegeben. Für ein solches Gesetz wären wir vor unserem König auf die Knie gefallen.

Doch was machen die Markranstädter heute? Statt die ausgestreckte Hand der Heiligen Vulva zu ergreifen, schütteln sie ihre Köpfe und diskutieren sich an den wenigen verbliebenen Stammtischen die Kehlen heiß. Und das nur, weil man im Vorfeld dieser ejaculatio ultima seine Brusthaare in einen BH flechten und den mühsam in eine Miederhose gepressten Bubenspitz unter einem Rock verbergen muss. Das ist doch nun wirklich kein Preis für die ausstehende Verheißung.

Ja gut, eine begehrenswerte Fackel ist dieses bärtige Neuweib jetzt nicht gerade, aber sie hat’s ja wahrscheinlich auch nicht auf Männer abgesehen. Spätestens unter der Gemeinschaftsdusche im Frauenzuchthaus wird ihr Fleisch gewordener Lippenstift bei ihren Geschlechtsgenossinnen sämtliche anderen Bedenken in den Hintergrund rücken lassen.

Was mich wundert: Trotz der unwiderstehlichen Aussicht auf wilde Kopulation in gut frequentierten Damentoiletten, BDSM-Spiele in dunklen Kerkerzellen und strengen Händen unbarmherziger Wärterinnen hat das Verurteilte seinen Sex-Urlaub im Wellcum-Paradies Karl-Marx-Stadt noch immer nicht angetreten. Einfach unvorstellbar. Da macht der Staat nun schon alles nur erdenkliche möglich, um selbst für seltenste Neigungen mehrheitsfähige Wege zu bereiten und das ist der Dank.

Mitgefangen, mitgehangen

Vielleicht hatte das zu Massensex Verurteilte aber auch einfach nur Angst, angesichts der Größe der Aufgabe irgendwann an seine Grenzen zu gelangen und dort nicht mehr rauszukommen? Wenn man gerade die achte Insassin in Folge bedient hat und weiß, dass da noch zwei Dutzend juckige Lebenslängliche vor der Zellentür stehen, kann der Begriff Zwangsprostitution plötzlich eine völlig neue Bedeutung erlangen. Da hilft’s auch nicht, flehend auf seinen Lippenstift zu zeigen und zu erwähnen, dass das „Echt-Rot“ ist.

Aber ich kann das verstehen. Wenn man aus dem Frauenkerker nicht mehr rauskommt, kann das wirklich in purer Maloche enden. Ob Blow-, Hand- oder Rimjob, es heißt ja nicht umsonst „Job“, also Arbeit. Und man sagt auch nicht ohne Grund, dass man in einem Zuchthaus hinter Schloss und Riegel sitzt. Der Rückweg in die Freiheit ist von einer Tür versperrt.

Allerdings nicht überall und das ist die größte Überraschung, auf die ich in dieser Woche gestoßen bin. Bei meinen ersten Schritten in diesem neuartigen Internetz stieß ich bei Google Maps auf eine Botschaft, die sogar in meinem 500 Jahre alten Gemächt wieder für spürbaren Puls gesorgt hat.

Früher war man im Zuchthaus noch hinter Schloss und Riegel. Heute geht's im Frauenknast rund um die Uhr munter rein und raus, auch in den Zellen.

Früher war man im Zuchthaus noch hinter Schloss und Riegel. Heute geht’s im Frauenknast rund um die Uhr munter rein und raus, auch in den Zellen.

Während man ins sächsische Erotik-Spa Chemnitz zwar rein, aber nicht wieder raus gelangt, ist das Frauengefängnis Vechta rund um die Uhr geöffnet! In einer Tour rein, rauf, runter, raus sozusagen.

Das nenn ich mal Service. Hätte ich im Deutschland des 21. Jahrhunderts echt nicht mehr vermutet. Ein durchgehend geöffnetes Frauenzuchthaus, das schreit ja geradezu danach, dass es da nicht nur an der Tür rund um die Uhr ständig rein und raus geht.

Auch wenn Vechta in Niedersachsen liegt: Wenn ich Polizist wäre, würde ich hermaphrodisierende Haftverweigerer aus Sachsen erstmal dort suchen.

Halfter mit Schick

Ich bin aber kein Polizist, deshalb habe ich in diesem Internetz weitergesucht. Dabei blieb mein Blick auf einem Bild hängen, auf dem ich zunächst einen weiteren Kandidaten für das „Sex-Camp hinter Gittern“ vermutete.

"Patrick Schick hat die Schnauze voll", steht unter dem Bild. Und Recht hat er! Im Zeitalter der Gleichberechtigung müssen endlich auch Männer Frauenfußball spielen dürfen.

„Patrick Schick hat die Schnauze voll“, steht unter dem Bild. Und Recht hat er! Im Zeitalter der Gleichberechtigung müssen endlich auch Männer Frauenfußball spielen dürfen.

Schick sieht er ja aus, der gleichnamige Jäger des runden Leders, aber dieses Halfter um seinen Brustkorb hat mich dann doch etwas irritiert. Das kenne ich eigentlich nur von diesen modernen Dirnen, die damit dem Sein mehr Schein geben wollen. Wobei ich bei anderen manchmal den Eindruck habe, dass es nur darauf ankommt, dass sich auf dem Rücken der Verschluss dieser funktionsbefreiten Halterung sichtbar durch das Wams drückt.

Ein starkes Zeichen

Aber gestählt durch meine Erfahrungen bei der Lektüre neuzeitlich korrekt gewokter Literatur scheint mir der Sinn hinter diesem Bild doch etwas tiefer zu liegen. Ich erkenne hier einen gesellschaftlichen Hilfeschrei unterdrückter Männlichkeit. Nicht nur in Frauengefängnissen sind Frauen im Kommen, sondern überall in der Gesellschaft. Auch im Fußball nehmen die Damen ihren männlichen Mitbewerbern immer mehr Sendezeit weg. Sie erobern eine Männerdomäne!

Bunt wäre besser

Und was wird mit den Männern? Ich denke, dieser unterdrückte Sportler wollte mit seiner Geste einfach nur ein Zeichen setzen. Es ist an der Zeit, dass auch Männer endlich Frauenfußball spielen dürfen. Ich bin vielleicht noch ein wenig altmodisch, aber an seiner Stelle hätte ich mir noch einen Regenbogen auf das Halfter gemalt. Und sei es nur, damit sich auch die Menschen angesprochen fühlen, die mit Fußball gar nichts am Hut haben.

Aber da liege ich sicher auch wieder falsch. Ich denke wohl zu viel, sollte das mal lieber der KI überlassen. Ist ja auch zeitgemäßer.

Frankenheim braucht Hilfe: 1000 Liter Bier müssen weg!

Heimatfest-Wochenende in Frankenheim-Lindennaundorf! Seit Freitag ist dort alles auf den Beinen, was Puls hat. Es gibt Sportturniere, Traktorfahrten, eine Schmiede, Galgenkegeln, Musik, Tanz und reichlich Essen. Und noch was: Im Gegensatz zu stinkreichen Fußballvereinen hat hier auch der Generationswechsel geklappt. Die jungen Wilden im Heimatverein haben bei den Getränken gleich für ein Novum in Markranstädt gesorgt: Am Freitag wurde ein 1000-Liter-Fass Bier angezapft!

Allerdings hat der Behälter, der allein von seiner Dimension her gut in die jüngste Pekinger Militärparade zum Ende des 2. Weltkriegs in China gepasst hätte, auch seine Tücken. Aber der Reihe nach.

Mindestens 2.000 Liter Bier fließen regelmäßig durch die Kehlen der Gäste, wenn an der Lindennaundorfer Mühle gefeiert wird.

„Da sind wir auf dem Bierwagen ständig am Umstecken“, hat Claudia Roßbach beim Mühlentag, dem Heimatfest und dem Kürbisfest beobachtet. Mitunter kommen da 6.000 und mehr Gäste.

Durst ist schlimmer als Heimweh

Das Rumgeschleppe und Angezapfe kann ganz schön belastend sein. So manche Dame auf dem Bierwagen hatte nach solchen Festen vorübergehend Körbchengröße F vom Wuchten der Fässer.

„Also haben wir beschlossen, uns den Stress zu sparen und die erste Charge gleich en bloc liefern zu lassen“, verrät Claudia Roßbach. Will heißen: Die ersten 1.000 Liter gibt’s aus nur einem Fass.

Eine Tonne Bier am Stück: Novum in Markranstädt

Da ist sogar dem Getränkelieferanten erstmal die Kinnlade runtergeklappt. So einen Auftrag hatte er in Markranstädt noch nie, obwohl das Kaff in der Branche für seinen legendären Durst berüchtigt ist.

Allerdings sind mit dem 1000-Liter-Fass nicht nur die Dimensionen beim Ausschank größer, sondern auch die Auswirkungen auf die Gaumen und Kehlen der Gäste. Es ist nämlich kein gewöhnliches Fassbier, das da an diesem Wochenende an der Mühle aus dem Hahn fließt.

„Das ist ganz frisch gebraut und hat deshalb eine besondere Note“, verrät Claudia Roßbach, die hier alle nur „Claudi“ rufen. Allerdings hat Ur-Krostitzer ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Fass deshalb auch binnen 7 (in Worten: sieben!!!) Tagen leer sein muss.

Das 1000-Liter-Fass wäre sogar auf jeder Militärparade der Hingucker schlechthin. Mit rund einer Tonne Gewicht ist aber allein der Transport dieses alkololischen Sprengkopfs eine logistische Herausforderung.

Das 1000-Liter-Fass wäre sogar auf jeder Militärparade der Hingucker schlechthin. Mit rund einer Tonne Gewicht ist aber allein der Transport dieses alkololischen Sprengkopfs eine logistische Herausforderung.

Der edle Tropfen enthält als nach deutschem Reinheitsgebot gebrauter Saft nämlich nicht nur kein Bilsenkraut und keine Anteile von Kautabak oder Riesenbärenklau, sondern offenbar auch keine Konservierungsstoffe. Ein richtig sauberes, frisches Bier vom Fass., wann gab es das zuletzt?

Wir erinnern uns an den Beschluss einer Stammtisch-Besatzung, die eine Probe der ihr vorgesetzten Hopfenkaltschale ins Labor schicken ließ und nach deren Analyse erfuhr: „Ihr Pferd hat Zucker!“

"Oazapft is": Schankwirt Philipp Schwertfeger hat am Freitag gleich mal den Zapfhahn krähen lassen. Natürlich nur um festzustellen, wie fluffig sich das besondere Gebräu aus der Leitung locken lässt.

„Oazapft is“: Schankwirt Philipp Schwertfeger hat am Freitag gleich mal den Zapfhahn krähen lassen. Natürlich nur um festzustellen, wie fluffig sich das besondere Gebräu aus der Leitung locken lässt.

Eintausend Liter Bier aus einem Fass – das klingt nach einer Herausforderung. Deshalb laden Claudi und ihr Team an diesem Wochenende alle Markranstädter nach Frankenheim ein, um die Aufgabe zu bewältigen. Bereits beim Probezapfen am Freitagabend kam Philipp Schwerfeger kaum noch mit dem Ausschank nach.

Einziger Haken an der Sache: Bei dem traditionellen Trinkverhalten auf der Festwiese dürfte selbst die Lebensdauer dieses Großbehälters begrenzt sein. Und dann heißt es trotzdem wieder: Fässer schleppen. Der Nachschub ist schon geordert – in kleinen, übersichtlichen 50-Liter-Einheiten. In diesem Sinne: Prost und viel Spaß beim Fest!

Kuriose Entdeckungen bei einem Spaziergang durch Markranstädt

Über 500 Jahre nach seinem Einstieg ins Erdreich hat der kürzlich wiederauferstandene sächsische Hofcomedian Claus Narr den ersten Spaziergang durch seine alte Heimatstadt unternommen. Mit dem Schalk im Nacken, analogem Wissen im Kopf und klarem Blick im Geäug hat er dabei Dinge entdeckt, die so manchem Markranstädter im Alltag verborgen bleiben. Lesen Sie hier seine Enthüllungen, die er ganz ohne Alkohol entbunden hat.

Die Belege dafür waren schon zu meiner Zeit im ausgehenden Mittelalter bekannt: Das Obst am Rande einer Straße wird deutlich früher reif als beispielsweise in einem idyllischen Garten.

Sogar Pferdeäpfel, die Auspuffexkremente unserer damaligen umweltfreundlichen Mobilität, waren entlang vielbefahrener Routen deutlich häufiger zu finden.

Manche werden nie erwachsen

Bei meinem Spaziergang durch Markranstädt stieß ich jetzt  allerdings auf die Botschaft einer ritterlichen Sportvereinigung, die eindeutig beweist, dass heutzutage die entlang einer Autobahn siedelnden Menschen deutlich langsamer reifen als ihre humanoiden Mitbewerber in verkehrstechnisch weiter abgelegenen Fürstentümern.

Mannschaften mit "Kindern bis Ü 35" sind früher als fahrende Gaukler von Ort zu Ort gezogen. Heute sind sie sesshaft.

Ihr Ü 35 kommet, ach kommet doch all.

Kannte man in den Niederungen des Amateurfußballs bislang nur Altersklassen wie F- bis A-Jugend oder die U 17 und die U 19, kommen an der A 9 in Großlehna ab dieser Saison Bambinis bis Ü 35 zum Einsatz. Ja gut, solche Leute gab es zu meiner Zeit auch, aber die sind dann meist als fahrende Gaukler mit einer Art Zirkus übers Land gezogen. Zwerge, Liliputs, Kurze – darf man alles heute nicht mehr sagen. Darum wahrscheinlich jetzt „Kinder Ü 35“.

Ich gebe es zu: Als mittelalterlicher Blödel-Barde war mir bislang nur die Bibel bekannt. Um mich auf den aktuellen Stand zu bringen, habe ich bei meiner Runde durch die Stadt alle Werke der großen Markranstädter Weltliteratur studiert, die in den blauen Tonnen zu finden waren. Von A wie Amtsblatt bis Z wie Zwangsvollstreckung.

Suchbild mit Bankier: Finde den Sitz!

Gleich unter B war auch ein gewisser Bertold Brecht dabei. Und bei dem las ich die Frage: „Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ Gut, ich musste erstmal rumfragen, was damit gemeint ist. Zu meiner Zeit gab es noch keine Banken, damals wurden diese Aufgaben zuverlässig von Wegelagerern, Beutelschneidern und anderen Verbrechern erledigt.

Wenn es ums Wissen über Störche geht, ist dieser Mann eine Bank. Aber wo ist die Sitzfläche?

Wenn es ums Wissen über Störche geht, ist dieser Mann eine Bank. Aber wo ist die Sitzfläche?

Gleich darauf fand ich allerdings eine Schrift mit dem Siegel einer gewissen „Leipziger Volkszeitung“, die mein soeben erworbenes Wissen erneut in Frage stellte. Handelt es sich möglicherweise um eins dieser Suchbilder, auf dem irgendwo eine Bank versteckt ist und man diese finden soll? Oder will man das Wirken der Banken unter Missbrauch junger Vögel verniedlichen, gar verharmlosen? Ich habe jedenfalls beschlossen, die Antwort auf die lange Bank zu schieben.

Auf dem Rückweg meines Spaziergangs wollte ich noch einen Abstecher in eine berühmte Gastwirtschaft machen und dort einen ordentlichen Humpen Met zu mir nehmen. Aber der Mundschenk hat offenbar das Weite gesucht. Statt sich den Bauch vollzuschlagen, kann man sich dort jetzt an Küchen satt sehen bis das Wams am Nabel spannt.

Das begehrte Zaumzeug der E-Pferde

Ein unscheinbares Detail einstiger Gastfreundschaft hat allerdings die Jahrhunderte überlebt, wenngleich etwas moderner. Da, wo die Fuhrknechte zu meiner Zeit ihre Pferde ausgespannt hatten, können auch die heutigen Fahrensleute ihre modernen E-Kutschen noch anbinden. Meistens jedenfalls, theoretisch. Praktisch ist das zur Zeit nicht möglich.

Wieder einmal wurden die Elektrohalfter abgeschnitten. Wo sollen die Fahrensleute jetzt ihre E-Kutschen anbinden?

Wieder einmal wurden die Elektrohalfter abgeschnitten. Wo sollen die Fahrensleute jetzt ihre E-Kutschen anbinden?

Während im Mittelalter Pferde gestohlen wurden, begnügt man sich heute offenbar mit dem Diebstahl des E-Zaumzeugs. Und das schon zum wiederholten Male und direkt vor der Kirche. Sogar der Herrgott guckt weg! Aber wen wundert das? Früher hätte man den Knechten die geklauten Kabel auf dem Marktplatz öffentlich über ihre nackten Ärsche gezogen. Heute wird nicht mal ernsthaft nach ihnen gesucht. Bin ich doch zu alt, um das zu verstehen?

Ab jetzt spricht Claus Narr: Neuer MN-Reporter deckt auf!

Wann und wo er nach über 500 Jahren aus dem deutschen Mutterboden geklettert ist, weiß niemand. Fest steht nur: Er ist wieder da! Claus Narren von Ranstedt (*1455 – † 1515), der berühmteste deutsche Hofnarr, geistert wieder durch seine Heimatstadt Markranstädt. Zwar hat er noch ein paar Probleme beim Abgleich seiner Erinnerungen mit dem modernen Zeitgeist, aber das wird schon noch. Die Markranstädter Nachtschichten haben ihn jedenfalls nicht zweimal an die Tür klopfen lassen und ihm sofort den Posten als Chefreporter überlassen. Warum? Seine närrischen Kernkompetenzen, gepaart mit dem in einem halben Jahrtausend gereiften Erfahrungsschatz, könnten uns allen helfen, unsere Vergangenheit besser zu verstehen und damit klarer in die Zukunft zu blicken. Lesen Sie heute seinen Auftakt-Artikel, für den er seine Feder tief in den Weihrauch der Geschichte und Gegenwart getunkt hat.

Hofnarren waren im Mittelalter vielleicht nicht die angesehensten Menschen, wohl aber zählten sie zu den Privilegierten.

Ich habe damals in ganz Sachsen als Einziger über das Recht verfügt, den herrschenden Stand kritisieren und parodieren zu dürfen.

Kretsche versucht’s selber

Heute darf das offenbar jeder. Nicht einmal Kurfürst Michael I. aus dem Geschlecht der Kretschmers erachtet es mehr als nötig, sich einen Hofnarren zu halten. Einerseits, weil er selbst die besten Kalauer liefert, andererseits werden die zur Belustigung dienenden Höflinge heutzutage nicht mehr vom Adel eingestellt, sondern ihnen in freien Wahlen vom Volke aufs Auge gedrückt.

Zeitenwandel im Ratssaal

Wie im Großen, so auch im Kleinen: Was waren das früher noch für Zeiten, als sich in Ranstedt die Ratsherren zum Konzile trafen. Vorn saßen der Lehnsherr mit den Seinen, doch an seiner Flanke hatte noch vor dem Schatzmeister, dem Baurat, den Vertretern der Gilden und dem Senator für Inquisition (ein Vorläufer des heutigen Gleichstellungsbeauftragten) der kommunale Narr Platz genommen.

Das Mikro als Narrenglöckchen

Wie ich jüngst in diesem seltsamen KuK-Bau feststellen musste, gilt diese Sitzordnung auch heute noch. Allerdings ohne die vorher genau festgelegte Funktion des Spaßmachers. Diese Aufgabe wird heutzutage offenbar mit einer Art sprechendem Knochen von Ratsherr zu Ratsherr weitergegeben.

Wer immer meint, etwas zur Belustigung der Runde beitragen zu können, lässt sich den Knochen reichen und spricht seinen erheiternden Wortschatz dort hinein. Eine mir noch nicht erklärbare, unsichtbare Magie sorgt daraufhin dafür, dass die Botschaft einem Donnerhall gleich für alle im Saal hörbar wird.

Allerdings sind die Pointen derart mäßig, dass die edle Ratsgesellschaft meist das Lachen vergisst und statt dessen die Hände hebt. Diese instinktive Abwehrreaktion wird dann von einem mathematisch bewanderten Sterndeuter erfasst und anschließend feierlich als Zustimmung verkündet.

Beschlussfassung mit Sterndeuter

Auf dieser Grundlage wird dann eine neue Badeanstalt gebaut, ein Aufenthaltsheim für Tageswaisen errichtet oder ein Latifundium an einen feudalen Herzog verkauft, damit er dort ein neues Betätigungsfeld für seine Leibeigenen schaffen kann.

Die freien Spitzen der Tagelöhner

Wenn die Tagelöhner nämlich nicht genug beschäftigt werden, kommen sie auf seltsame Ideen. Das geht mir gar nicht in den Kopf. Was hätten wir uns damals im Mittelalter gefreut, wenn wir mal nicht 14 Stunden am Tag unsere Buckel auf den Feldern der Feudalherren … ähm … und Feudalfrauen hätten krumm machen müssen.

Hätte, Bette, Sklavenkette

Wir hätten Hymnen an den Herrn geschickt, wären in den Betten geblieben und hätten uns dort ganz still verhalten. Damit die armen Seelen, die in der Zeit unser aller Brot verdienen müssen, nichts von unserem Müßiggang mitbekommen und vielleicht noch dagegen aufbegehren.

Das neue Selbstbewusstsein der Müßiggänger

Heute ist das anders. Die arbeitsfernen Schichten des niederen Standes fangen plötzlich an, eine andere Sprache zu sprechen, sie wechseln ihre Geschlechter wie zu meinen Zeiten die Ketzer auf den Scheiterhaufen ihren Aggregatzustand oder ernähren sich freiwillig von Hafergrütze.

Die Evolution der Cerealien

Dass sie diese einseitige Mangelernährung, die uns damals aus den Ohren quoll, heute Müsli nennen und der Fraß plötzlich voller wichtiger Cerealien steckt, hat offenbar wenig Einfluss auf die Entwicklung überlebenswichtiger Hirnfunktionen.

Die Folge: Immer mehr Pöbeln wird immer weniger Kreativität vererbt. Und so malt die Brut dieser Laune der Schöpfung dann die Abbilder der Fragmente ihrer Intelligenz an die Häuserwände des wertschöpfenden Bürgertums.

Die Wandermaler

Diese Erkenntnis hat mich geläutert. Jetzt ist mir klar, warum der Adel schon im dunkelsten Mittelalter immer dafür gesorgt hat, dass für das gemeine Volk genug Arbeit da ist. Andererseits hätte Markranstädts Stadtgeschichte dann vielleicht auch einen ganz anderen Verlauf genommen?

Aus der Geschichte lernen

Ich erinnere mich noch, als wäre es erst gestern gewesen: Als 1633 die Holk’schen Reiter vor den Toren der Stadt auftauchten und das Kaff anschließend niederbrannten, war das überarbeitete Bürgertum völlig wehrlos. Heute würde die Sache anders ausgehen und möglicherweise mit einem Erfolg der Verteidiger enden.

Der Einfall der Reitenden

Die Markranstädter Patrizier würden unter einer bunten Regenbogenfahne eine demokratisch gewählte Abordnung entsenden, die den Angreifern eine sorgfältig artikulierte Sanktionsandrohung überbringt, falls die Reiter weiterhin als Reiter reiten und sich nicht als Reitende zu erkennen geben. Immerhin gibt es im Tross auch Marketenderinnen und Stuten.

Bevor sich Holks Kürassiere auf eine korrekte Sprachregelung verständigt hätten, wären deren Pferde längst verhungert und der Sieg unser.

Harter Lernprozess

Was ich damit sagen will: Es ist für einen Alten wie mich gar nicht so einfach, sich in der neuen Zeit zurechtzufinden. Ein harter Prozess, aber ich will mich ihm aussetzen. Jetzt mache ich erst mal einen Spaziergang durch die Stadt. Mal sehen, was mich da so erwartet.

Keine Angst, Sie verpassen nichts. Ich werde Sie weiter regelmäßig auf dem Laufenden halten. Macht ja sonst keiner.

Sechs Gründe, warum Markranstädt am Wochenende lachen kann

FKK-Woche in Markranstädt? Glaubt man der Gerüchteküche, ist über Lallendorf die kommunalpolitische Unzucht hereingebrochen. Demnach könnte ein städtisches Unternehmen bald oben ohne dastehen, während andere Funktionsträger angeblich sogar den Zwickel ihres Torso der frischen Luft aussetzen. Weil man solche Bilder schlecht wieder aus dem Kopf bekommt, wollen wir unsere Blicke lieber auf die wirklich wahren Fakten richten. Die kommen von den Qualitätsmedien und sind daher glaubhaft. Hier die sechs wahrsten Nachrichten, über die Markranstädt an diesem Wochenende lachen kann.

Sogar der Bahn-Chef läuft lieber

Die Mobilitätswende ist bundesweit in aller Munde und als wichtigster Partner dabei gilt die Deutsche Bahn. Deren Chef ist Richard Lutz und ihm ist es jetzt gelungen, diese Wende sogar vorzeitig herbeizuführen. Zwar erstmal nur für ihn persönlich, aber immerhin setzt er damit ein deutliches Zeichen.

Mobilitätswende für Bahn-Chef Rüdiger Lutz: Er geht jetzt.

Mobilitätswende für Bahn-Chef Rüdiger Lutz: Er geht jetzt.

Bahn-Chef Lutz fährt nicht mehr Zug, sondern muss gehen. Was sich wie eine verkehrspolitische Revolution liest, verliert aber seine Vorbildwirkung schnell, wenn man das Schicksal der Passagiere betrachtet. Die haben schon seit Jahren keine andere Alternative als auf die Bahn zu verzichten, wenn sie irgendwo pünktlich ankommen wollen. Insofern ist die DB ihrem Leitbild auch hier treu geblieben: Sogar der Rauswurf ihres Chefs erfolgte mit zuverlässiger Verspätung.

Kirmes-Feeling auf der Intensivstation

Wer kennt sie nicht, die Therapie gegen Kopfschmerzen, bei der dem Patienten eine zweiköpfige Kobra um den Hals gelegt wird und zwei Papageien auf der Schulter landen? Früher wäre man mit so einer Diagnose in der geschlossenen Urologie gelandet, heute winkt damit sogar eine politische Karriere.

Da hilft nur eins: Hirn auspunpen - und zwar dem Autoren.

Da hilft nur eins: Hirn auspumpen – und zwar dem Autoren.

Allerdings mehren sich die Zweifel, dass das Foto tatsächlich in einem Leipziger Krankenhaus entstanden ist. Nachdem sogar die Tierklinik ein Dementi veröffentlicht hat, wurde jetzt ein Insasse der Suchtklinik auf den Artikel aufmerksam und konnte sich plötzlich daran erinnern, dass er die Szene auf der Kleinmesse live gesehen hat. „Das war in der Gondel des „Hirn-Breaker“, einem Fahrgeschäft von Siegmund Freud & King Kong Events.“ So werden wir in Deutschland verarscht!

Fliegende Hasen von der Stange

Da staunt der Experte und der Tierarzt wundert sich: Dem Tierheim Lobberich im Kreis Viersen sind zwei Kaninchen zugeflogen. Leider konnte auch die Rheinische Post nicht herausfinden, um welche Rasse es sich handelt. Also haben sich die Markranstädter Nachtschichten der Recherche angenommen.

Bald gibt's "Rabbit-Wings" und das Hasengegacker hat ein Ende.

Bald gibt’s „Rabbit-Wings“ und das Hasengegacker hat ein Ende.

Demnach handelt es sich bei den Nestflüchtern um speziell für McDonalds gezüchtete Mast-Hybriden, aus denen die beliebten Hasenflügel „Rabbit-Wings“ hergestellt werden. Auch der Rest der Tiere wird lückenlos verarbeitet. So werden die Hoden der Hasen traditionell als Ostereier vermarktet und die Karnickelfedern kommen, frei nach Wilhelm Busch, „in die Kissen und in die Pfühle, denn man liegt nicht gerne Kühle“. Und schon herrscht Ruhe auf der Hasenstange.

Da hat wohl einer am Rad gedreht?

Wer heute ein Auto fährt und trotzdem mal eine Fahrschule besucht hat, wird sich an das Problem noch gut erinnern können. Es ist gar nicht so einfach, mit dem Auto abzubiegen. Denn im Gegensatz zur entspannten Fahrt geradeaus muss man plötzlich etwas tun, was man in Fachkreisen „lenken“ nennt.

Das passiert, wenn man beim Geradeausfahren am Rad dreht.

Das passiert, wenn man beim Geradeausfahren am Rad dreht.

Dazu dreht man am Lenkrad und sofern man das in der richtigen Richtung tut, kommt man dem Ziel näher. Im Umkehrschluss bedeutet das: Wenn man geradeaus fahren will, muss man nicht lenken. Zumindest glaubte man das bisher. Jetzt hat ein 84-Jähriger offenbar versucht, diese umstrittene Theorie zu widerlegen und hat einfach mal geradeaus gelenkt. Zwar ist die Ursache noch ungeklärt, aber der Test war ein voller Erfolg: Ein Audi und ein BMW weniger, dafür gleich zwei freie Plätze mehr im Parkhaus.

Einfach gelöscht: Briten beenden Klimawandel

Ganz England leidet derzeit unter sengender Dürre. Im Ärmelkanal ist das Wasser schon so weit zurückgegangen, dass man bei der Bundeswehr bereits davon träumt, die Insel diesmal auf dem Landweg erobern zu können. Doch noch ist es nicht so weit. Die Briten wehren sich mit allen Mitteln – und originellen Lösungsansätzen.

Mal 'ne neue Idee, aber ob das gegen die Dürre hilft?

Mal ’ne neue Idee, aber ob das gegen die Dürre hilft?

So sind englische Forscher jetzt auf die Idee gekommen, der Dürre auf digitalem Wege den Kampf anzusagen. Ob das Löschen von Mails den Klimawandel in England aufhält, ist fraglich. Ganz gleich ob Brände oder Mails, für Löscharbeiten ist sowieso die Feuerwehr zuständig. Also sieht man hierzulande Londons Stadtwehrleiter Steven Haetching, wie er sein C-Rohr mitten auf das Netzteil seines Computers richtet, um das Klima zu retten. Diese Briten und ihr seltsamer schwarzer Humor – den kann man wohl nur in Markranstädt verstehen.

Seit 5:45 Uhr wird zurückgestohlen

Dass die Leipziger Polizei schon gerne mal Fahrräder aus ihrer Asservatenkammer vertickt, ist ein alter Hut. Dabei hatten die Kalkmützen nur gehofft, dass ihre Kunden die Drahtesel nach Cyber-Attacken als Fluchtfahrzeuge nutzen und so schneller gefasst werden können.

Da bekommt der Begriff "Verursacherprinzip" eine neue Dimension.

Da bekommt der Begriff „Verursacherprinzip“ eine neue Dimension.

Nachdem die verdeckte Operation aufgeflogen war, haben die geprellten Eigentümer der einst meistbietend verschenkten Fahrräder jetzt offenbar Wind von der Sache bekommen und einen Rachefeldzug gestartet. Seit 5:45 Uhr wird zurückgestohlen! Der Polizei werden jetzt die geklauten Fahrräder geklaut. Direkt ab Hof, ohne Zwischenhändler oder anfällige Lieferketten! Um der Lage Herr zu werden, wird ein Messerverbot auf Radwegen erwartet. Die Sache droht zu eskalieren.

Markranstädter Stadtgeschichte: Was man nicht vergessen sollte

Mit der Erinnerung ist das so eine Sache. Im persönlichen Bereich half früher ein Knoten im Taschentuch. Nützte aber wenig, wenn man vergessen hatte, welcher Erinnerung der Knoten galt. Im Zeitalter der Klettverschlüsse ist aber sowieso kaum noch jemand in der Lage, Knoten zu binden – gleich gar nicht in ein Zellstofftuch. Gesellschaftlich muss man sich hingegen selten was merken. Fast auf Schritt und Tritt wird man vor allem in Deutschland ganz von selbst an seine historische Erbsünde erinnert. Den Rest der Geschichte kann man getrost vergessen und genau das wird in Markranstädt mit einer derart aufrechten Konsequenz zelebriert, dass man es wirklich nur vergessen möchte. Zum Glück ist das alles nur Satire und kein Wort davon wahr.

Jugendliche forschen nach den Lebensdaten wildfremder Namenspatronen ihrer Schulen und Straßen werden nach Personen benannt, die nie in der Stadt waren, während längst vergessene Töchter und Söhne dieser Stadt im Ausland wie Stars gefeiert werden: Das ist Markranstädt im Jahr 2025.

Mahnmale auf Friedhöfen erinnern an große weltgeschichtliche Ereignisse, die in ihrer Komposition den Schluss zulassen, dass nicht die Amerikaner 1945 hier für Befreiung gesorgt haben, sondern die ruhmreiche Sowjetarmee den Endsieg um die Frontstadt Markranstädt errungen hat.

Ist das Geschichte oder kann das weg?

Aber was ist mit der eigentlichen Historie der Stadt, mit ihren großen Söhnen und Töchtern, den Meilensteinen der Entwicklung vom Mittelalter bis heute? „Wer sich seiner Vergangenheit nicht erinnert, ist dazu verdammt sie zu wiederholen“, hat George Santayana mal gesagt.

Helmut Kohl hat den Satz später, wie es heute in der Politik vor allem bei Doktorarbeiten usus ist, abgewandelt aufgegriffen und der Menschheit mitgegeben: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“

Januar 2021: Der Fundus des Heimatmuseums wird für den Transport ins atomare Zwischenlager hinter dem Volkshaus vorbereitet.

Januar 2021: Der Fundus des Heimatmuseums wird für den Transport ins atomare Zwischenlager hinter dem Volkshaus vorbereitet.

Schauplatz Markranstädt: Hier gibt es zwar sowas wie ein historisches Gedächtnis, aber das wurde vor fast fünf  Jahren unter Ausnutzung der deutschen Erfahrungen im Umgang mit nuklearem Abfall in eine Art Castor-Behälter geschüttet.

Historie im Castor-Behälter

Seither vergammeln wertvolle Zeugnisse der Stadtgeschichte, den klimatischen Bedingungen der Jahreszeiten und zersetzender Bio-Kulturen ausgesetzt, auf dem Parkplatz hinter dem Volkshaus.

Jeder weiß das, jeder schaut zu. Die wenigen Menschen, die das ändern wollen, sind selbst schon historische Exponate der Stadtgeschichte. Ihr letzter Versuch, im Inneren des Containers eine Bestandsaufnahme vorzunehmen, scheiterte an der Suche nach dem Schlüssel, der zuletzt im Rathaus gesehen wurde.

Schlüsseltechnologie „made in markranstädt“

Weil der bislang nicht auffindbar war, dürfen wertvolle Gemälde international (wohlgemerkt: nicht in Markranstädt) geachteter Künstler, geschichtliche Zeitzeugnisse und einzigartige historische Dokumente im Innern des Behälters weiterhin den natürlichen Verrottungsprozessen anheim fallen.

Satirisches Festmahl

Ein wahres Festmahl für kommunale Satiriker. In einer Stadt, in der keine Autotür in keiner noch so unterirdischen Tiefgarage, kein Schloss einer Kellertür und keine Geldkassette in einem noch so hoch gesicherten Büro vor den handwerklichen Fähigkeiten junger Nachwuchskräfte sicher ist, scheitert eine hochqualifizierte Stadtverwaltung an der Öffnung einer lächerlichen Stahltür. Wer sich da nicht auf die Schenkel klopft, steht mit dem Humor auf Kriegsfuß.

Wenn es in der Markranstädter Bürgerschaft handwerkliche Kompetenzen gibt, dann in Sachen Zutrittsbeschaffung in Autos, Keller oder Büros. Man muss die jungen Nachwuchskräfte einfach nur mal fragen.

Wenn es in Markranstädt handwerkliche Kompetenzen gibt, dann in Sachen Zutrittsbeschaffung in Autos, Keller oder Büros. Man muss die jungen Nachwuchskräfte einfach nur mal fragen.

Natürlich könnte man es zur unterhaltsamen Abwechslung mal mit der verschwörungstheoretischen Formel „Sesam öffne dich“ versuchen, aber die Satire bietet ein noch viel breiteres Spektrum an Lösungsmöglichkeiten.

So könnte man beispielsweise mal einen der nächtlich in Markranstädt spukenden Kellergeister fragen, ob er seine Kompetenzen in Sachen Zutrittsbeschaffung nicht auch mal offiziell und gegen legale Bezahlung in die Gesellschaft einbringen will.

Oder noch sicherer: Jemand organisiert einen Fotografen sowie einen Bolzenschneider und verkündet einen Fototermin unter dem Titel: „Bürgermeisterin öffnet feierlich historischen Abfallcontainer!“ Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn das nicht zum Erfolg führt. Notfalls auch drei Uhr morgens und mit Winkelschleifer oder Schweißbrenner.

Wohin mit dem Kompost?

Allerdings müsste man der Kämmerei im Rathaus vorher genug Zeit geben, um die Folgekosten zu berechnen. Nein, nicht die für einen kaputten Container, sondern für die Entsorgung des inzwischen wahrscheinlich schon kompostierten Inhalts bei der LAV.

Die natürliche Zerfallszeit solcher Dokumente könnte unter dem Einfluss der Jahreszeiten längst erreicht sein. Kohlendioxid-Ausstoß halbiert: Aus CO2 wird CO1.

Die natürliche Zerfallszeit solcher Dokumente könnte unter dem Einfluss der Jahreszeiten längst erreicht sein. Kohlendioxid-Ausstoß halbiert: Aus CO2 wird CO1.

Der müsste zudem vorher zumindest mal durchgesiebt werden, vielleicht hat ja noch ein Eisernes Kreuz oder eine Verdienstmedaille aus dem Ersten Weltkrieg der Umwandlung in deutschen Mutterboden widerstanden.

Das Kreuz mit dem Kreuz

Das Bundesverdienstkreuz, das Stadthistorikerin Hanna Kämmer anno 2022 für ihr Lebenswerk bei der Bewahrung der Markranstädter Geschichte erhalten hat, wird man darin nicht finden. Aber die Darsteller, die sich seinerzeit auf Fotos gemeinsam mit ihr feiern ließen, haben dabei zugeschaut, wie genau jenes Lebenswerk zunichte gemacht wurde.

Geschichte schreiben die Sieger

Ironie der Geschichte: Allein jene Bilder werden nicht auf dem Komposthaufen landen. Als digitale Zeitzeugen berichten sie nachfolgenden Generationen schon heute von jenen aufrechten Menschen, die sich an der Seite einiger namenloser Akteure einst aufopferungsvoll für die Wüdigung des geschichtlichen Bewusstseins der Stadt engagiert haben. Das sollte man wirklich nicht vergessen.