Die KI will es so: Warum Markranstädt „Heute geschlossen!“ hat

Es gibt Leute, die zwar um nichts in der Welt an Gott oder was anderes jenseits ihres Verstandes glauben wollen, statt dessen aber bereit sind, ihr Leben künstlicher Intelligenz anzuvertrauen. Ein nur scheinbarer Widerspruch, der allerdings dann einen Sinn ergibt, wenn man beim Nachdenken der eigenen Intelligenz vertraut. Sofern vorhanden. Und genau da löst sich der Widerspruch in Logik auf. Wie sich Markranstädt im Zeitalter der Unterwerfung unter fremden Intellekt verändert, hat das Team der Nachtschichten in der zurückliegenden Woche untersucht und ist dabei auf überraschende Entwicklungen gestoßen.

Ein Blick in die schönen Ecken Markranstädts genügt, um die positiven Folgen des Einsatzes künstlicher Intelligenz (KI) wie ChatGPT zu erkennen.

Hinter dem REWE-Markt, auf dem Alten Friedhof und in anderen soziokulturellen Erlebnisbereichen der Stadt sammeln die leeren Flaschen jetzt ihre Konsumenten und nicht, wie bisher, umgekehrt. Es ist wie schon immer seit der Antike: Die intellektuell höher entwickelten Lebensformen setzen sich am Ende durch. Oder, um bei den Eigentümern der Flaschen zu bleiben: Man kann für den Faktor KI noch so hohe Werte einsetzen, die Multiplikation mit Null ergibt immer Null.

Wozu die KI so taugt: Ohne ChatGPT keine Annalena

Die KI ist der moderne Heiland. Ihr haben wir solche Glücksfälle wie die Berufung von Annalena Baerbock zur Außenministerin zu verdanken, die dem Sozialstaat ansonsten wohl heute noch auf der Tasche liegen würde. „Wir haben uns auch alle gewundert, aber sie wurde uns von der KI vorgeschlagen“, wird Kinderbuchautor Robert Habeck im Protokoll eines privaten Geheimtreffens mit seinem Koalitionspartner Patrick Lindner (FDP) zitiert. Als Alternativen hatte ChatGPT lediglich einen alten Schiffsdiesel und einen Pfau angeboten.

Interessante Visionen

Da könnte man fast schon auf die Idee kommen, bei der nächsten Bürgermeisterwahl auch gleich die KI an die Urne zu schicken. Einfach die Maße eingeben und die Haarfarbe – fertig  ist der Lack inklusive Stadtbad samt Fahrstuhl im Bahnhof.

Noch ist nicht einmal eine Schuh-Zubinde-App entwickelt worden, da dürfen sich die Kids in der Schule schon von KI vertreten lassen.

Noch ist nicht einmal eine Schuh-Zubinde-App entwickelt worden, da dürfen sich die Kids in der Schule schon von KI vertreten lassen.

Schon kündigt sich jedoch die nächste Entwicklungsetappe an, die in Markranstädt vor allem im Pfarrviertel an der Schulstraße mit wachsender Sorge beobachtet werden dürfte. Kommt nach der KI jetzt der KG? Noch wird dem künstlichen Glauben im christlichen Abendland mit Skepsis begegnet, dabei ist er schon längst da.

Im Islam ist dieses religiöse Erfolgsmodell jedenfalls schon seit Jahrhunderten als Taqiya bekannt und die katholische Inquisition war auch nur nichts anderes als eine analoge Form mit flammendem Nachdruck angebotener Konvertierung.

Der künstliche Glaube (KG): "Zur Bestätigung Ihrer Konfession drücken Sie bitte die Raute-Taste".

Die KG kommt: „Zur Bestätigung Ihres Glaubens drücken Sie bitte die Raute-Taste“.

…und gib uns unser täglich Wissen

Was kommt als nächstes? Nachdem jetzt sogar in Sachsens Schulen künstliche Intelligenz im Unterricht genutzt werden darf, wird es wohl künftig nur noch an KH und KP, also künstlichen Handwerkern und künstlichen Pflegekräften fehlen.

Die in Brasilien nach Ersatz suchen

Es ist sowieso humaner, wenn man das Ansaugen des Stuhlgangs im Seniorenheim einer Lebensform überlässt, die dabei möglichst wenig Empathie entwickelt. Petra Köpping (die mit dem Duplo-Lächeln auf den Wahlplakaten, mit dem sie jeden Schokoriegel quer essen kann), war deshalb unter der Woche extra in Brasilien, um Pflegekräfte anzuwerben.

So geht sächsisch: Ginsdich statt günsdlich

Leider hat ihr Reiseplaner dabei was durcheinander gebracht und das Adjektiv künstlich mit günstig verwechselt. Also kommen auch wieder nur humanoide Aufstocker ins Land, die hier auf dem zweiten Bildungsweg das Abbürgern erlernen. Wir hingegen lernen: Auch in der Landesregierung sollte man sich der KI nicht länger verschließen.

Matt in zwei Zügen

Bauer von A 9 auf A 38: Schach!

Bauer von A 9 auf A 38: Schach!

Wie die Sache mit der künstlichen Intelligenz auch nach hinten losgehen kann, hat die erst jüngst auch über Markranstädt geschwappte Protestwelle gezeigt. Der Information „Bauer von A 9 auf A 38“ würde laut KI normalerweise die Ansage „Schach“ folgen.

Statt dessen hat man die Interpretation dieses genialen Zuges analog abschreibenden Journalisten überlassen, die darin lediglich eine „von rechts vereinnahmte Demo“ erkennen wollten. Wem soll man nun glauben?

Besonders eitlen Menschen wird bekanntlich nachgesagt, dass sie sich selbst googeln. Wir bei den Markranstädter Nachtschichten sind nicht nur eitel, sondern regelrecht arrogant. So überheblich sogar, dass wir uns jetzt selber mal in den flammenden Lobeshymnen sonnen wollten, die ChatGPT über uns ausgießt.

Also haben wir die KI gefragt: Was sind die Markranstädter Nachtschichten?

Nachtschichten bei ChatGPT

Was das künstliche Hirn als Antwort erzeugte, war eine kryptisch verbrämte Ode, an deren Entschlüsselung wir uns noch heute die Zähne ausbeißen.

Die KI meint: „Die Markranstädter Nachtschichten sind eine Veranstaltungsreihe, die in der Stadt Markranstädt in Deutschland stattfindet. Es handelt sich um eine Reihe von kulturellen Veranstaltungen, die in den Abend- und Nachtstunden stattfinden. Dabei gibt es verschiedene Programmpunkte wie Konzerte, Theateraufführungen, Lesungen und vieles mehr. Die Markranstädter Nachtschichten bieten den Besuchern die Möglichkeit, die Stadt und ihre kulturelle Vielfalt auch außerhalb der üblichen Öffnungszeiten zu erleben.“

„Übliche Öffnungszeiten“

Was in den Nachtstunden kulturell so bei uns los ist, hatten wir schon vorher gewusst. Aber zumindest ist es doch ganz nett formuliert, oder? Und dann noch die Information, dass die Stadt „übliche Öffnungszeiten“ hat … ohne künstliche Intelligenz würde das keiner glauben!

Samstags und sonntags heißt also es in Markranstädt ab sofort ganz offiziell: „Heute geschlossen“. In diesem Sinne: Ihnen allen zwei entspannte Ruhetage und tun sie lediglich mal nur das, was die Erfinder der KI eigentlich bezwecken: Denken Sie nicht nach, sondern glauben Sie einfach.

Jetzt wird’s in Markranstädt völlig närrisch!

Nur noch 49 Wochen, dann ist schon wieder Silvester. Ein nüchterner Blick auf die geopolitische Lage lässt allerdings ahnen, dass bis zum nächsten Weihnachtsfest trotzdem noch 50 Wochen ins Land gehen werden. Auch in den von Putin annektierten Sowjetrepubliken kommt Väterchen Frost bekanntlich erst am 7. Januar. Angesichts solcher Aussichten ist es geradezu erwärmend, wenn man seinen Blick nur auf das Areal vor der Haustür richtet. Wir helfen Ihnen dabei. Heute erfahren Sie bei uns beispielsweise, wo noch Karten für eine der Markranstädter Karnevalsveranstaltungen erhältlich sind und welche Alternativen es gibt, wenn man keine Tickets mehr bekommen hat. Noch einmal Can-Can, bevor der Kasatschok zum Pflichttanz wird.

Wenn da nicht wenigstens ab und zu mal ein paar Jakedumas wären, die den Unterstand für Einkaufswagen vor einem Supermarkt in die Luft jagen, würde Markranstädt in der deutschen Medienlandschaft gar nicht mehr vorkommen.

Weil die läppischen 3.000 Euro Sachschaden in keinem Verhältnis zum sündhaft teuren Preis einer Marketingkampagne in der Tageszeitung stehen (die Markranstädt ohnehin schon als abgehaktes Gebiet zu betrachten scheint), sollten wir der mutigen Initiative dieser jungen Pyrotechniker zumindest ein wenig Dankbarkeit erweisen. Man kann schließlich nicht jeden Tag eine Wahlanfechtungsklage anzetteln oder Stadtmöbel hin und her rücken, um endlich mal wieder in die Zeitung zu kommen.

Auf zum letzten Can-Can!

Einziger Lichtblick für die nach Humor dürstende Gemeinde im Zweistromland zwischen Floßgraben und Zschampert ist die anstehende Karnevalszeit. Aber selbst da gibt es schon lange Gesichter, wo sich eigentlich ein zufriedenes Lächeln ausbreiten sollte. Denn auch hier gilt: Wer zu spät kommt, den bestraft das (närrische) Leben und er muss sich den Narrhallamarsch von draußen anhören.

Düstere Zeiten: Sogar Tickets sind schon knapp

„Ausverkauft“ heißt es schon seit langem für die Weiberfastnacht beim Marktführer MCC in der Stadthalle. Seit letzter Woche gilt das nun auch im Filmriss, wo die beim Groitzscher obdachlos gewordenen Karnevalisten aus Kulkwitz eine neue Heimstatt gefunden haben und den Veranstaltungsreigen am 27. Januar eröffnen.

Bleibt als letzter Strohhalm für kartenlose Jecken wohl nur noch das Räpitzer Narrenvölkchen, das sich glücklicherweise und fast noch im letzten Moment zum Abfeiern einer weiteren Session aufraffen konnte.

Allerdings sind inzwischen auch die Tickets für die drei Veranstaltungen in Franks Bierstube schon Mangelware geworden. Lediglich bei der Sause am 23. Februar ist noch ein Tischlein frei. Da könnte sich ein Anruf im Schkeitbarer Event-Center durchaus noch lohnen, zumal man über den Räpitzer Fasching hinter vorgehaltener Hand ohnehin vom besten Karneval Markranstädts spricht.

Ersatz in der vierten Etage

Wer trotzdem leer ausgeht, muss dann eben sein Glück in der vierten Etage versuchen. Dort ist der Eintritt frei, das Platzangebot wird trotz gleichbleibender Zahl der Stühle auf wundersame Weise immer üppiger und wenn es auch immer weniger zu lachen gibt, ist das Programm doch stets für die eine oder andere Überraschung gut. Wenn Sie beispielsweise wissen wollen, wer sich diesmal als Bauamtsleiter verkleiden musste, sollten Sie sich die Prunksitzung des Stadtrates am 1. Februar um 18.30 Uhr unbedingt vormerken.

„Isschtd drt dr Ruffbuss?“

Wer es zu einer der Veranstaltungen schafft, hat jedoch erst die halbe Miete im Keller, denn es droht schließlich noch ein gefährlicher Rückweg. In den frühen Morgenstunden einen Rufbus zu ordern, ist angesichts der Sprachschwierigkeiten bei 3,8 Atü auf dem Kessel meist keine gute Idee. Wer weiß, was der Gerufene versteht?

Am Ende kommt der einzige noch fahrbereite Panzer der Bundeswehr angerollt und man findet sich am nächsten Tag wegen Wehrkraftzersetzung vorm Kadi wieder.

Pegelstände und Tauchtiefen

Damit der Weg nach Hause zu Fuß nicht in einem Fiasko endet, weil man vielleicht beim Überqueren eines der durch Markranstädt führenden Flüsse sein jämmerliches Ende findet, hat man sich beim Portal „Wetter-Online“ einen besonderen Service ausgedacht.

Hier kann man sich jetzt vor jedem Aufbruch ins Ungewisse über die aktuellen Pegelstände in Markranstädt informieren. Damit das Sinn macht, muss man dann zwar einen kleinen Umweg über die Weißenfelser Rischmühle nehmen, aber was tut man nicht alles, um sicher an sein Ziel zu gelangen?

Oho und Helau

Schließen wir also die Markranstädter Wochenschau mit einem dreifach-einfachen „Lallendorf OHO – KFV Helau – Räpitz Helau!“ und dem aufrichtigem Wunsch, dass alle Jecken auch wieder gesund nach Hause kommen mögen. Tripper oder ähnliche kleine Mitbringsel zählen ja beim Fasching zum Glück nicht als Krankheit.

Wegen schlechter Pisa-Ergebnisse: Markranstädt führt den Karzer wieder ein

Gerade noch rechtzeitig vorm Neujahrsempfang hat das Rathaus den Jahresrückblick 2023 in die Briefkästen der Leute stecken lassen. Ein geballtes Leistungsverzeichnis der letzten 12 Monate auf 16 Seiten! Aber zunächst gibt es in diesem Zusammenhang traditionell den besonderen Service der Markranstädter Nachtschichten, damit die Bürger nicht selber zu zählen brauchen: Diesmal waren’s nur 30.

Ein PR-Verlust gegenüber dem Vorjahr in Höhe von sage und schreibe rund 14 Prozent! Aber das ist nicht der einzige Fakt, der Anlass zu Sorge gibt.

Unter den vielen abwechslungsreichen Fotos, auf denen mal die Bürgermeisterin, mal unser Stadtoberhaupt, dann auch mal Nadine Stitterich und am Ende sogar die Chefin des Rathauses höchstselbst aufmunternd in die Linse lächeln, fällt ein Motiv deutlich aus dem Rahmen.

Das Fotoalbum des Jahres 2023 ist da!

Das Fotoalbum des Jahres 2023 ist da!

Auf Seite 12 finden wir in der Mitte der rechten Spalte die Abbildung eines „Multifunktionsraumes für mehr Inklusion“. Damit es nicht zu Irritationen kommt, wird im Bildtext eindeutig darauf hingewiesen, dass der Raum bereits freigegeben ist. Da fehlt also nix!

Damit wieder Zucht und Ordnung herrschen!

Die ältere Generation der MN-Leser hat natürlich sofort erkannt, dass hier das wichtigste Element pädagogischer Wertarbeit eine blühende Renaissance erfährt. Man kann die Gitter an den Fenstern sogar ohne Lesebrille erkennen.

Schlicht gehaltene Aufenthaltskultur gegen Reizüberflutung: Der neue Karzer im Markranstädter Schulcampus.

Schlicht gehaltene Aufenthaltskultur gegen Reizüberflutung: Der neue Karzer im Markranstädter Schulcampus.

Weil Deutschland bei der jüngsten Pisa-Studie sogar hinter europäische Länder wie Ruanda, Lummerland oder Gotham City zurückgefallen ist, geht Markranstädt jetzt einen eigenen Bildungsweg. Voilá – der Karzer ist zurück!

Wer genau hinschaut, erkennt die wesentlichen erzieherischen Elemente dieser als Funktionsraum getarnten bildungspolitischen Arrestzelle auf den ersten Blick.

Schwarze Pädagogik

Der Raum ist vergittert, ein Entkommen damit unmöglich. Eine Pritsche oder zumindest eine Sitzgelegenheit fehlt ganz. Dem Schüler soll eine aufrechte Haltung anerzogen und er so befähigt werden, den Weg vom elterlichen SUV auf dem Schulhof hin zum Klassenzimmer auch mal zu Fuß zurücklegen zu können.

Artgerechte Haltung

Zur Verrichtung der Notdurft befindet sich in der Mitte des Inklusionsraumes ein Gully im Fußboden. Etwaiger Stuhlgang ist aufgrund der Ernährung in der Zelle zwar nicht zu erwarten, aber die dem linkerhand befindlichen Wasserhahn entnommenen Stoffwechselprodukte können nach Verbüßung der Strafe vom Delinquenten per Wasserschlauch selbst in den Abfluss gespült werden. Da lernen die auch gleich noch was für zu Hause.

Aufenthaltskultur: dezent und ohne Feng Shui

Man staunt, wie wenig man braucht, um renitente Schüler auf den richtigen Weg zu bringen. Und wieviel weniger Funktion noch in einen solchen Funktionsraum passt, um der Reizüberflutung unserer Jugend einen Ruhepol entgegenzusetzen. Lediglich der Aspekt der Flächenversiegelung dürfte den ökologischen Fußabdruck dieses pädagogischen Instrumentes etwas zu groß ausfallen lassen.

Kritik: Zu viel Fläche für zu wenig Funktion versiegelt

In der DDR war man da schon weiter. Die Stasi hatte für solche Zwecke platzsparende Stehzellen errichten lassen. Auf dreißig mal dreißig Zentimetern Grundfläche konnte man bei vier Metern Höhe bis zu sechs aufmüpfige Bälger übereinander arrestieren und auf diese Weise gleich ein halbes Dutzend potenzieller Schulverweigerer zu leuchtenden Vorbildern der Gesellschaft umerziehen.

Erste Karzer-Aufenthalte von zwei jungen Grafitti-Künstlern sollen übrigens bereits zu frappierenden Ergebnissen geführt haben. „Der eine wusste nach seinem dreiwöchigen Aufenthalt im Inklusionsfunktionsraum gar nicht mehr, was eine Sprayflasche ist, der andere hat sich nach seiner Entlassung vor Angst die eigenen Hacken besprüht“, frohlockte der zum Pedell umgeschulte Seiteneinsteiger Gerd Haumichblau. Im nächsten Schritt des Bildungskonzeptes will er dennoch einen Tisch im Karzer aufstellen lassen. Den dazugehörenden Rohrstock habe er bereits im Keller des Gymnasiums gefunden und in mühevoller Kleinarbeit sorgsam restauriert.

Fazit: Aus dem Fotoalbum, das uns von der Stadt kostenlos übereignet wurde, kann man jede Menge lernen. Unter anderem auch sein religiöses und Geschichtswissen erweitern. Von wegen, das Papamobil wurde erst in den 1970-er Jahren von einem polnischen Stellvertreter erfunden.

Durch das Markranstädter Fotoalbum als Raubkopie eines Krakauer Priesters entlarvt. Von wegen Papamobil!

Durch das Markranstädter Fotoalbum als Raubkopie eines Krakauer Priesters entlarvt. Von wegen Papamobil!

Wer auf Seite 9 des Jahresrückblicks oben links genau hinschaut, wird die alternativen Fakten erkennen. Entweder geht das Papamobil auf Hugo Ruppe und damit das Jahr 1914 zurück, oder Markranstädt hat eine Päpstin. Der MAF als Mamamobil – Bilder lügen nicht.

Schon 1914 hatte Hugo Ruppe das MAF-Mamamobil gebaut. Habemus mamam: Wir haben eine Päpstin!

Schon 1914 hatte Hugo Ruppe das MAF-Mamamobil gebaut. Habemus mamam: Wir haben eine Päpstin!

Das war der Demontag in Markranstädt

Wollte man den regierungstreuen Medien Glauben schenken, bestand die größte Sorge der Gesellschaft darin, dass sich am Montag ein Landwirt mit rechter Gesinnung unter die Demonstranten mischen könnte. Der eigentliche Grund für die Bauernproteste wurde vor diesem Hintergrund kaum noch anständig ignoriert. Dabei waren es längst nicht nur Landwirte. In Markranstädt beteiligte sich gefühlt alles daran, was man nach gängiger Lehrmeinung noch zum unternehmerischen Mittelstand zählt, obwohl oder gerade weil dieser längst selbst unten angekommen ist.

Schon um 6 Uhr nahmen die Autokorsos in den Gewerbegebieten Großlehna und Ranstädter Mark Aufstellung für den großen Umzug. Die Stimmung vor Ort fühlte sich beinahe so an wie jene damals im Herbst 1989.

Über einhundert Fahrzeuge mögen es zu diesem Zeitpunkt schon gewesen sein, die an den Gestellungsorten bei eisigen Temperaturen unangemeldet und deshalb rein zufällig zusammentrafen. Lkw, Transporter, Pkw und Traktoren; geführt von Handwerkern, Landwirten, Dienstleistern, Unternehmern und ihren Angestellten, deren Systemrelevanz weit hinter denen von Banken, Presse oder Vermögensberatern angesiedelt ist.

Startaufstellung in der Siemensstraße um 6 Uhr morgens. Die Poole-Position wurde alphabetisch zugelost (A wie Abrissfirma), das Pace-Car stellte die Polizei.

Startaufstellung in der Siemensstraße um 6 Uhr morgens. Die Pole-Position wurde alphabetisch zugelost (A wie Abrissfirma), das Pace-Car stellte die Polizei.

Die bisher tadellos funktionierenden Versuche zuverlässiger Linienmedien, solche Proteste in bewährter Manier als antidemokratische Sabotageakte potenzieller Nazis (wohlgemerkt: nicht Nazi*-Innen) im Keime zu ersticken, sind diesmal kläglich gescheitert.

Zufälliges Treffen

Und so schlossen sich am Montag auch in Markranstädt im Verlaufe der Aktion immer mehr Protestierende dem Korso an. Am Ende mögen es ein paar hundert Fahrzeuge gewesen sein, die in beiden Richtungen in Schritttempo, mit eingeschalteter Warnblinkanlage und rot-weißen Bändchen am Rückspiegel hupend durch die Stadt defilierten.

Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich, wieviele Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe es in Markranstädt noch gibt. Damit das so bleibt, drehten sie am Montag acht Stunden lang Runden durch Lallendorf.

Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich, wieviele Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe es in Markranstädt noch gibt. Damit das so bleibt, drehten sie am Montag acht Stunden lang Runden durch Lallendorf.

Zwischenzeitlich konnte sich die Katze dabei sogar in den Schwanz beißen. Gegen 7 Uhr hatte das Führungsfahrzeug auf der Route von der Siemensstraße über die Leipziger und Zwenkauer Straße zurück ins Gewerbegebiet schon Sichtkontakt zum Besenwagen des Pelotons.

Zorn hat viele Väter

Die von den Teilnehmern angeführten Gründe für den angestauten Zorn sind vielfältig. Hauptsächlich richteten sich die Kritiken gegen die Steuerpolitik der Bundesregierung und die Bürokratie. Die vielbesungene Spaltung unserer Gesellschaft werde von denen vorangetrieben, die sie gebetsmühlenartig beklagen, war unter anderem zu hören.

Bestimmte Berufsgruppen auf der einen Seite erhalten vierstellige Corona-Zahlungen und Inflationsausgleiche, während das Geld dafür ohne zu bitten und zu danken einfach denen weggenommen wird, die keinen Anspruch auf solche Unterstützung haben.

Mitgegangen, mitgefangen: Busse im Protestkorso.

Mitgegangen, mitgefangen: Busse im Protestkorso.

„Wir reden nicht von den reichen, global agierenden Großunternehmen, die sowieso keine Abgaben leisten.“  Die Milliardäre bekämen schließlich von Mitarbeitern der Finanzbehörden sogar noch Tipps, wie sie Steuern vermeiden können, klagte einer der Markranstädter Protestanten am Montag.

Von den Franzosen lernen heißt protestieren lernen: Die Gelbwesten sind übergeschwappt.

Von den Franzosen lernen heißt protestieren lernen: Die Gelbwesten sind übergeschwappt.

Sein Unternehmen sei im vergangenen Jahr gleich mehreren Tiefenprüfungen verschiedener Behörden unterzogen worden. Von dem, was sie im undurchdringlichen Dschungel der Paragrafen und Vorschriften fanden, habe er als Handwerker nichts wissen können und selbst sein Steuerberater sei überrascht gewesen. Trotzdem ist Letzterer fein raus, weil der Unternehmer allein für die Ausweisung der Abgaben verantwortlich ist.

Selbstredend sei der Handwerker sofort bereit gewesen, die vierstellige Nachzahlung zu leisten, sagt er. „Aber das reichte denen nicht. Ich wurde ob meiner Unkenntnis der Wege im bürokratischen Irrgarten auch noch kriminalisiert und mit rückwirkenden Strafzinsen belegt, von deren Höhe selbst Banken nur träumen können“, schimpfte er unter dem Einfluss von 280 Blutdruck.

Die Polizei konnte nur noch aufpassen, dass wenigstens Schritttempo gefahren wird.

Die Polizei konnte nur noch aufpassen, dass wenigstens Schritttempo gefahren wird.

Der kleine Steuerzahler als latent-potenzieller Straftäter, der deshalb von den gesellschaftlichen Bewährungshelfern prophylaktisch bis auf den Grund seiner Hosentaschen abgeklopft werden muss – das klingt in der Tat ziemlich bigott. Wieviel ehrlicher wäre es doch, solche Missetäter gleich einzusperren?

Klar, dass es auch eine zweite Seite der Medaille gibt. Unverständnis herrschte am Montag vor allem bei jenen Menschen, denen durch verstopfte Straßen der Weg zur Arbeit verwehrt blieb. „Ist ja nichts anderes als das, was die Klimakleber machen“, schimpfte ein zur Umkehr gezwungener Arbeitnehmer unter Missachtung der physikalischen Eigenschaften des Sekundenklebers. Der pappt bei minus 8 Grad bekanntlich nicht auf dem Asphalt – also freie Fahrt für freie Bürger.

Konflikte gebären die originellsten Ideen: Weil die Autos im Demozug durch Fähnchen aus Absperrband kenntlich gemacht werden mussten, hatte sich dieser Fußgänger das Symbol für seine Solidarität mit den Demonstranten zu eigen gemacht.

Konflikte gebären die originellsten Ideen: Weil die Autos im Demozug durch Fähnchen aus Absperrband kenntlich gemacht werden mussten, hatte sich dieser Fußgänger das Symbol für seine Solidarität mit den Demonstranten zu eigen gemacht.

Aber trotz der Kritik an der Art des Protestes: Ein Grundverständnis für den Unmut der Demonstranten war in der Bevölkerung vorhanden. „Wir sitzen doch mit im Boot“, sagte ein Fußgänger auf der Leipziger Straße beim Anblick des Demo-Korsos. „Die höheren Kosten und Steuern müssen die doch letztendlich auf uns Kunden umlegen und wir wissen schließlich auch nicht mehr, wo wir’s hernehmen sollen“, kritisierte der Senior und zeigte seine vor wenigen Tagen zugegangene Nebenkostenabrechnung vor, die ein Soll von 1.600 Euro auswies. „Das ist wahrscheinlich mehr, als so manches Dax-Unternehmen im letzten Jahr an Steuern gezahlt hat“, schloss er seine Auskunft zynisch lachend.

Überholen ohne einzuholen: Bei dem Tempo des motorisierten Demonstrationszuges konnte sogar der Stadtchronist mühelos mithalten.

Überholen ohne einzuholen: Bei dem Tempo des motorisierten Demonstrationszuges konnte sogar der Stadtchronist mühelos mithalten.

Womit sich auch für die Mittelständler der Kreis zu den eigentlich als Bauernproteste angelegten Demonstrationen schloss. „Während die fetten Rinder sogar noch staatliche Beratung erhalten, um immer mehr Futter horten zu können, werden die kleinen Kühe, die sich noch zur Melkanlage führen lassen, sukzessive geschlachtet“, meinte ein renommierter Lallendorfer Sanitärer.

MN-Tagestipp: Es ist mit Sicherheit nicht leicht, im Dschungel der Berichte belastbare Informationen zu erlangen, die der eigenen Standortorientierung dienlich sind. Deshalb bietet die VHS am Dienstagabend im Mehrgenerationenhaus eine Spannung verheißende Diskussionsrunde mit Experten an (siehe auch Hinweis in der linken Veranstaltungsspalte). Der Eintritt ist frei, aber das Kommen garantiert nicht umsonst.

So weit die Reifen rollen: Der lange Weg von A nach B mit dem E

Was Sie jetzt lesen werden, hat sich vor knapp drei Wochen nicht nur wirklich so zugetragen, sondern ist auch wahr. Es ist nur wenig weggelassen und vor allem nichts hinzugefügt worden. Alles Realsatire aus Deutschland. Lediglich in die Wortwahl haben die Markranstädter Nachtschichten im Interesse des satirischen Verständnisses ein paar stilsitisch-dekorative Attribute einfließen lassen. Weil der Original-Bericht so von Frustration zerfressen war, dass er keinen Spaß, sondern nur verabscheuungswürdige Schadenfreude versprüht hätte. Und natürlich haben wir auch die Namen geändert. Reden wir also von dem Gero und der Freya Grün sowie ihren beiden Kindern, dem Malte und der Nele.

Familie Grün lebt mitten in Berlin, zahlt rund 2.500 Euro warm für ihre regenbogenfarbene Bleibe, kommt trotzdem ganz gut über die Runden und ist mit ihrer Situation sehr zufrieden.

Was für die Miete draufgeht, spart man in der Bundeshauptstadt halt woanders. Zum Beispiel am Auto, das man hier nicht braucht. Der ÖPNV funktioniert und um die Kleinen direkt ins Klassenzimmer zu fahren, kann man sich via Car-Sharing ein umweltfreundliches E-Auto mieten. Leider denken nicht alle Menschen so fortschrittlich, stellt Familie Grün verärgert fest. Vor allem auf dem Lande gibt es noch immer zahllose Ewiggestrige, die sich unbedingt ein eigenes Auto halten wollen und damit die Umwelt ebenso egoistisch wie nachhaltig zerstören.

Es ist so einfach!

Dabei ist es doch so einfach mit dem ÖPNV, dem Car-Sharing und der Elektromobilität! Lehrerin Freya Grün lebt es auf der Fahrt zu ihrer Schule im benachbarten Stadtteil jeden Tag vor und die Grüns sind auch in jeder anderen Hinsicht gesellschaftliche Vorbilder. Sie gendern sogar am Esstisch vorschriftsmäßg, informieren sich in der ARD über das Weltgeschehen und ernähren sich vegan, glutenfrei sowie ganz ohne Lactose. Am Belohntag gibt es sogar Dinkelkekse.

Gero Grüns Bruder hatte nicht so viel Glück in seinem Leben. Wie viele andere Ostdeutsche, musste er sich einst als Lohnsöldner im Westen verdingen, hat dort aber seinen Weg gemacht. Lothar Grün lebt mit seiner Familie in Bad Wildbad im Schwarzwald.

Weil es die Zeit der Familie ist und Corona als Ausrede nicht mehr herhalten konnte, wollten die Berliner Grüns den Bad Wildbader Grüns vor drei Wochen einen brüderlichen Weihnachtsbesuch abstatten. Ist ja schließlich so einfach im Zeitalter der modernen, umweltfreundlichen Mobilität.

Von A nach B mit dem E

Die elektrische Familienkutsche war schnell gebucht und gestählt durch Grüns tägliche Erfahrungen im Berliner Stadtverkehr, befand sich das Gefährt auch recht zeitnah auf der Autobahn.

Mit dem gesharten E-Auto brauchen die Grüns nur 10 Minuten bis zur Arbeit, da kann es bis in den Schwarzwald maximal 5 Stunden dauern. Also: Auf geht's!

Mit dem gesharten E-Auto brauchen die Grüns nur 10 Minuten bis zur Arbeit, da kann es bis in den Schwarzwald maximal 5 Stunden dauern. Also: Auf geht’s!

Dass der elektrische Tank bei Abfahrt nicht ganz voll war, lässt sich im Nachgang nicht mehr beweisen. Erst nach einigen Kilometern auf der A 9 wurde Gero Grün gewahr, dass das Gerät am Armaturenbrett kein Ventilator war, sondern der Zeiger vom Stromzähler.

Die Sache mit dem Ventilator

Die rot blinkende Lampe daneben und das piepsende Alarmgeräusch signalisierten dem Fahrzeugführer zudem, das allein die Drosselung des Tempos auf Rollatoren-Niveau nicht ausreichen würde, um wenigstens das Land Brandenburg verlassen zu können. „Rasthof Fläming, we have a problem!“

So googelte Gero nach dem Standort der nächsten Ladesäule und steuerte diese zuversichtlich an. Nachdem er das Auto verkabelt hatte, musste er allerdings schon wieder sein Handy zücken, um sich eine App herunterzuladen, mit der er einen Vertrag mit dem für die Ladesäule zuständigen Stromanbieter abschließen konnte.

Generation ohne Geduld

Nach einer Viertelstunde floss dann endlich die Energie aus dem Braunkohlekraftwerk Senftenberg ins umweltfreundliche Auto. Als Tochter Nele schon nach einer halben Stunde Ladezeit den Kopf durchs Fenster steckte und fragte „Papa, wann sind wir endlich da?“, sah der Familienvater dunkle Wolken über dem Weihnachtsfrieden aufziehen.

Der bajuwarische Scheiß-Ladestecker

Doch zunächst konnten die Grüns mit der Tankfüllung danach sogar gleich drei Bundesländer durchqueren und kamen über Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen schließlich in Bayern an. Der hier erforderliche Tankstopp erwies sich allerdings als nutzlos, weil „der bajuwarische Scheiß-Ladestecker“ nicht mit der Dose am Auto kompatibel war. Also googelte Gero nach einem anderen Ort in verbliebener Reichweite, der eine Ladesäule beherbergte. Ein kleiner Umweg von 23 Kilometern durch feindliches CSU-Land, aber was tut man nicht alles für die Umwelt?

Mit dem Verbrenner würde man einfach so durchfahren, aber auf der Suche nach einer Ladesäule ohne bajuwarischen Scheiß-Ladestecker lernt man die deutsche Heimat kennen.

Mit dem Verbrenner würde man einfach so durchfahren, aber auf der Suche nach einer Ladesäule ohne bajuwarischen Scheiß-Ladestecker lernt man die deutsche Heimat kennen.

Dort angekommen, war die weihnachtliche Freude zunächst groß. Der Stecker passte schon mal. Allerdings wurde diese Ladesäule von einem anderen Stromanbieter gespeist, was Gero zum Download einer weiteren App sowie anschließendem Vertragsabschluss mit einem neuen, ihm bis dato völlig unbekannten Partner zwang. Speed-Dating auf der Landstraße.

Halbzeit nach nur 6 Stunden

Nachdem diesmal Sohn Malte während des Auftankens vorsichtig quengelnd fragte, wann man denn endlich bei Onkel Lothar sei, wiesen beide Kinder unisono auf aufkommenden Hunger hin. Und das bereits nach nur sechs Stunden auf der Piste! In der folgenden Ladezeit verstärkten sie ihren Protest so laut, dass bei den Eltern schiere Ratlosigkeit um sich griff.

Tödlicher Cocktail bei Uncle Mac

In ihrer letzten Verzweiflung entdeckten sie rund 50 Meter von der Ladesäule entfernt das Schild der rettenden Gasthauskette „Zum goldenen M“ eines gewissen Herrn McDonald. Am Ende musste wohl auch Mutter Freya eingestehen, dass ein durch tierische Fette, Lactose und Gluten hervorgerufener plötzlicher Kindstod immer noch humaner ist, als ihren zwei Hochbegabten beim elendiglichen Dahinsiechen in die Erlösung durch Verhungern zuzuschauen.

Es war zwar erst der vorletzte Tankstopp am deutschen Stromnetz, aber mit vollen Mägen erschien der danach folgende finale Zwangshalt kurz vorm Schwarzwald zumindest erträglich. Leider hatte das Schicksal aber auch hier eine schwere Prüfung für die Berliner Familie vorgesehen.

Dass schon wieder ein neuer Stromanbieter mit einem digitalen Vertrag winken würde, überraschte Gero Grün nicht mehr. Aber dass er jetzt, um sein Auto aufzuladen, erst einmal sein Handy aufladen musste, hat ihn auf dem linken Fuß erwischt. Da waren sie wieder, die jammernden Ossis, die in West-Tankstellen um Almosen betteln, und sei es nur, um das Handy mal kurz in die Dose dort hinterm Tresen stecken zu dürfen.

Der verfickte schwäbische Normallader

Nachdem das Smartphone online, die neue App heruntergeladen und der dritte Stromvertrag des Tages unter Dach und Fach war, erhielt Vater Gero von der Vorhersehung den finalen Knock-out. Es war keine Schnelladesäule, in deren Obhut er sein Auto geben wollte, sondern ein „verfickter schwäbischer Normallader“. Und das vor den Kindern! Aber die waren zum Glück, ebenso wie ihre Mutter, noch mit der Verdauung des tödlichen Cocktails aus tierischen Fetten, unverträglichem Gluten und tödlicher Lactose des Herrn McDonald beschäftigt.

Diese naturnahe, ökologisch nachhaltige Schnellaufladung ist nur im Sommer möglich, aber die Grüns mussten ja unbedingt zu Weihnachten auf die Piste.

Diese naturnahe, ökologisch nachhaltige Schnellaufladung ist nur im Sommer möglich, aber die Grüns mussten ja unbedingt zu Weihnachten auf die Piste.

Was nun, Herr Grün? Nutzt er den Normallader, müsste er der Höflichkeit halber bei seinem in nur noch rund 80 Kilometern Entfernung wohnenden Bruder anrufen und ihm mitteilen, dass sein Besuch erst morgen eintrifft. Das geht allerdings nicht, weil der Akku seines Handys ebenso leer ist wie der im Auto. Also noch mal rein in die Tankstelle und dort demütig nachfragen, ob es im Umkreis von elf Kilometern eine Schnellladesäule gibt.

Vier Stromverträge an einem Tag

Die gab’s – zum Glück und zum Preis eines vierten Stromvertrages. Das familiäre Wiedersehen in Bad Wildbad war zumindest für die Berliner Grüns emotional vergleichbar mit der Rückkehr der letzten Kriegsgefangenen aus Russland anno 1956. So weit die Reifen rollen – sie haben einen Trip durch Deutschland überlebt – 675 Kilometer von Berlin nach Bad Wildbad in 14 Stunden und das sogar ganz ohne Stau!

Gelandet und geläutert

Und auch dieses wahre Ende gehört zu dieser wahren Geschichte: Für den Rückweg in die Zivilisation ein paar Tage später nutzten die Berliner Grüns wieder ein Mietauto. Diesmal allerdings eins mit Verbrennungsmotor, den sogar Mutter Freya energisch eingefordert hatte. Im Interesse ihrer Kinder selbstverständlich, damit die nicht noch einmal den Gefahren ausgesetzt werden, die im „Goldenen M“ lauern.

Nostalgie statt Cheeseburger - die Rückreise verlief ganz entspannt.

Nostalgie statt Cheeseburger – die Rückreise verlief ganz entspannt.

Der ultimative Markranstädter Jahresrückblick

Das zurückliegende Jahr wird noch lange nachwirken. Wir sind alle jünger geworden, manche sogar etwas schlauer, die meisten aber vor allem ungeduldiger. Geht es Ihnen auch so? Wenn irgendwas nicht schnell genug geschieht, hat man manchmal das Gefühl, dass die Zeit überhaupt nicht vergeht. War dieses 2023 deshalb so schnell vorbei?

Es ist die Ungeduld, die uns treibt. Alles muss sofort passieren, ansonsten wird gleich von Krise gesprochen.

Deshalb hat Amazon auch den 24-Stunden-Lieferdienst erfunden. Leider reagiert das Bestellsystem nur auf Online-Signale und das hatte 2023 für Markranstädt schlimme Folgen.

Da waren die vom Amazon-Service verwöhnten Stadträte doch tatsächlich der Meinung, dass man im Zeitalter der Sofortness schon nach anderthalb Jahren eine neue Beigeordnete haben könnte. Wo leben wir denn?

Neue Beigeordnete per Amazon-Prime

Dass die Bestellung einer neuen Ersatzpartnerin für CR2 nicht geklappt hat, ist zwar bedauerlich, aber nicht zu ändern. Angeblich ist das Telex aus dem Rathaus mit der Online-Bestellung nie bei Amazon angekommen und auch das anschließend nachgesandte Beschwerde-Fax wurde nicht beantwortet. Was natürlich daran liegen kann, dass die arroganten Geschäftemacher aus Übersee solch moderne Technologie noch gar nicht kennen.

Hallo Henry, ich bins. Wir haben jetzt auch so ein neumodisches Telefon.

Hallo Henry, ich bins. Wir haben jetzt auch so ein neumodisches Telefon.

Dabei wäre es so schön gewesen. Die Beigeordneten waren am Black Friday zum halben Preis im Angebot, inklusive 14 Tage Rückgaberecht. Im Lieferumfang war sogar ein Upgrade auf Bauamtsleiter enthalten.

Aber den kriegt man jetzt ohnehin für ganz wenig Geld, da für diese Führungsaufgabe keine Führungskompetenzen mehr erforderlich sind. Zuletzt nahezu vollständig entkernt, ist dort kaum noch jemand da, den man führen könnte. So haben sich 2023 viele Probleme ganz von selbst gelöst. Man braucht eben nur Geduld.

Mior sin mior!

Die hatten auch unsere Fußballer. Der SSV ist in diesem Jahr Meister in der sächsischen Bundesliga geworden. Der Gipfelsturm ist diesmal sogar ganz ohne geheimnisvolle rote Ordner, morsche Hydraulik und die Kompetenz einiger Weisen aus dem Abendland gelungen. Die Jungs haben einfach nur Fußball gespielt!

Und haben anno 2023 auch dazugelernt. Obwohl die Fahrtkosten mit dem 49-Euro-Ticket nach M wie Markkleeberg ebenso günstig sind wie die nach Meuselwitz oder München, wurde der Aufstieg als Beginn eines neuerlichen Abstiegs diesmal abgewählt.

Dass allerdings bei der Vergangenheitsbewältigung offenbar auch der Pokal des Bürgermeisters aus der Trophäen-Vitrine abhanden kam, hat kurz vor Ende des Jahres 2023 dann doch noch mal für Diskussionen gesorgt.

Warum eigentlich nicht gleich ein richtiger Pokal? Der hier wäre doch angemessen.

Warum eigentlich nicht gleich ein richtiger Pokal? Der hier wäre doch angemessen.

Was schreibt man auf den neuen Ersatz-Eumel drauf, wenn das Stadtoberhaupt eine Frau ist? Der aktuellen Lage Rechnung tragend „Pokal der Bürgermeisterin“ oder wartet man lieber ab, was das kommende Jahr so bringen mag? Die Auflösung gibt’s noch im alten Jahr: Am 29. Dezember steigt der traditionelle Pokalfight in der Stadthalle.

Hopfenstreich in Kneipen

Dass es 2023 in Markranstädt immer trockener wurde, lag nicht nur am Klimawandel. Mit den sinkenden Pegeln in Gewässern ist auch die Kneipenlandschaft im Zweistromland zwischen Zschampert und Floßgraben immer weiter den Bach runtergegangen.

Nachdem zuletzt in der Kegelbahn, im Ranstädter Eck und beim Groitzscher in Kulkwitz die Bierhähne verstummten, teilte der Heilige Gambrinus vor kurzem via Google mit, dass jetzt auch die Gaststätte Haugk in Großlehna den großen Hopfenstreich vollzogen hat.

Marxismus am Zapfhahn

Wer jetzt allerdings meint, dass das frei gewordene Kundenpotenzial für ausreichend Aufschwung in den verbliebenen Lokalen sorgt, hat den Marxismus-Leninismus nicht verstanden. Grundlage der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen sind die Eigentumsverhältnisse an Produktionsmitteln, und die können nur durch Revolution geändert werden.

Der Versuch, den Kapitalisten das immer teurer werdende Produktionsmittel Bier friedlich wegzutrinken, ist definitiv kein revolutionärer Akt und musste zwangsläufig scheitern.

Wohl auch deshalb hat das Jahr 2023 zu einem Rückfall der Kneipenlandschaft in die Zeit der Kleinstaaterei geführt. In nahezu jeder Gartenanlage gibt es seit diesem Sommer mindestens eine Parzelle, die der gastwirtschaftlichen Brauchtumspflege gewidmet ist. Die Natur sucht sich ihren Weg.

Ansonsten war dieses 2023 irgendwie seltsam. Früher haben sich die Leute immer aufgeregt, wenn sich in der Stadt irgendwas Neues entwickelt hat. Ein Sportzentrum zum Beispiel, ein Holzschuppen zur Kinderaufbewahrung oder wenigstens eine neue Stadthalle. Und was gab’s in diesem Jahr? Sehen Sie – und trotzdem regen sich die Leute immer noch auf.

Bessere Zeiten, schlechtere Sitten

Wo sind die Leute mit Ideen geblieben? Die Markranstädter Drehbänke mit Blick ins Grüne stammen aus dem Jahre 2019 und waren eine der letzten ingenieurtechnischen Leistungen in der Erfinderstadt.

Wo sind die Leute mit Ideen geblieben? Die Markranstädter Drehbänke mit Blick ins Grüne stammen aus dem Jahre 2019 und waren eine der letzten ingenieurtechnischen Leistungen in der Erfinderstadt.

Was waren das noch für Zeiten, als Sitzbänke gedreht und Stadtmöbel hin und her gerückt wurden oder eine läppische Schranke zum globalen Blockbuster mutierte. Über ein Klo am Kulki, einst ein Dauerthema, dessen bloße Erwähnung schon für Verstopfung im Mastdarm des Bürgermeisters sorgte, wird heute nicht einmal mehr gesprochen. Eine Nahtod-Erfahrung für den Humor in dieser Stadt.

Früher war nicht nur mehr Lametta, sondern auch viel mehr Schranke.

Früher war nicht nur mehr Lametta, sondern auch viel mehr Schranke.

Da kann man sich eigentlich nur noch mit der Hoffnung auf das neue Jahr betäuben. Die Vorzeichen dafür stehen jedenfalls gut. So darf als gesichert gelten, dass in Großlehna kein weiterer Konsum schließen wird und die Fußballer aus Kulkwitz und Räpitz mangels Bodenluke im Tabellenkeller nicht aus der 2. Kreisklasse absteigen können.

Macht der Stadtrat bald blau?

Es wird sogar für möglich gehalten, dass es im Sommer einen neuen Stadtrat gibt – sofern sich genug bereitwillige Kandidaten und noch genuger noch bereitwilligere Wähler finden. Schließlich hat das Jahr 2023 auch gezeigt, dass man nicht mal für Hotelreservierungen einen Stadtrat braucht. Zur Verarsche der Bevölkerung reicht ein Landratsamt.

Was die Aussichten angeht, haben wir im kommenden Jahr laut Zeitrechnung von Annalena Bockbier sogar 560 Tage vor uns. Berücksichtigt man zudem die Tatsache, dass die Jahre bis zum Renteneintritt ohnedies immer mehr werden, dann kann das nur eins bedeuten: Wir werden von Jahr zu Jahr jünger. Wenn das kein Grund für eine Silvesterparty ist.