Das haben die Markranstädter im Urlaub erlebt

Einen schönen Sonntagmorgen Markranstädt! Heute wird’s zum Frühstück mal ein wenig schlüpfrig auf dem Parkett der Nachtschichten. Einige aufmerksame Leser haben im zurückliegenden Sommer während ihres Urlaubes die Augen offen gehalten und uns herrliche Schnappschüsse zugesandt. Wir haben sie mal thematisch etwas sortiert und zeigen heute die ersten Aufnahmen aus der Rubrik „versaut“. Wenn Sie noch ein paar lustige Schnappschüsse zu Hause liegen haben, dann immer her damit. Muss nicht aus dem Urlaub sein – Markranstädt hat auch einiges zu bieten. Es gibt sogar was zu gewinnen – aber dazu nächste Woche mehr. Jetzt erstmal: Bild ab!

Hier dachte unsere Leserin zuerst, dass es auch im hohen Norden Autofahrer gibt, denen der Schalk im Nacken sitzt. Aufkleber kann schließlich jeder.

Aber ein Blick ins Internet offenbart ohne Umschweife, dass es dieses Autohaus Fickfrosch tatsächlich gibt. Demnach wurde das Unternehmen schon 1896 als “Ochsenkarrenhandlung Erwin Fickfrosch oHG” von Erwin Fickfrosch und seiner Frau Hildegard in Broilershausen gegründet. Die geografische Lage dieses Ortes an der Landstraße nach Alzheim und die Tatsache, dass das Internetz niemals lügt, stellt diesen Schnappschuss auf eine Stufe mit dem Foto von der ersten Mondlandung.

Auch wenn eine deutsche Ostseefähre von einem deutschen Ostseehafen ablegt, schippert sie auf ihrem Weg durch das Baltikum nicht nur deutsche Passagiere.

Man könnte alle Warnungen und Hinweise an Bord neben deutsch auch polnisch, dänisch, schwedisch, lettisch und in allen anderen Sprachen der Welt abfassen. Aber weil an den Bordwänden nicht so viel Platz dafür ist, hat man sich auf dieser Fähre für eine Art Zeichensprache entschieden, die in der ganzen Welt verstanden wird. Ganz gleich, ob ein Norweger, Finne, Este oder Littauer nach Hause übersetzen will, überall weiß man, dass auf einer Abgabestation für Fäkalien einer abgeseilt wird.

Und dann ist da noch ein Hafen auf der Insel Rügen, an dem Damen zur Kasse gebeten werden, wenn sie ihren Schritt mit einem Textil schützen wollen.

Der Hafenmeister, offenbar ein Testosteronbolzen ohne jeden Skrupel, verlangt für das Tragen eines Höschens eine Slipgebühr in Höhe von 5 (in Worten: FÜNF!!!) Euro. Diese Masche hat in den mondänen Seebädern an der Ostseeküste inzwischen System. Nicht nur Bootsverleiher, sondern auch Kellner oder Vermieter von Ferienpensionen können so auf den ersten Blick erkennen, ob es sich um zahlungskräftige Urlauber handelt, die sich das Tragen eines Slips leisten können, oder um arme Leute, die man besser wieder weg schickt – an den Kulki oder andere Gegenden, an denen man abbürgern kann.

Neues aus der vierten Etage (40): Ein Fall für den Scherzschrittmacher

In der vierten Etage geht es im Prinzip nur noch um die Quadratur des Kreises. Also die Neuwahl eines Beigeordneten oder die Ursachenforschung für deren Scheitern, bei der gebetsmühlenartig die Genesis des Vorgangs wiederholt wird. Aber kurz vor dem Einnicken gibt es fernab der Rolle der Bedeutung trotzdem immer mal wieder einen Lichtblick, der das Herz des Satirikers höher schlagen lässt. Das war auch am Donnerstag letzter Woche wieder der Fall. Zur 40. Sitzung des Stadtrates hatte das Kulturensemble der vierten Etage einige herrliche Pointen auf die Bühne gebracht.

Diese 40. Sitzung des Stadtrates war ein klarer Kandidat für die Auszeichnung mit dem „Scherzschrittmacher des Jahres 2023“.

Seine ersten humoristischen Züge erfuhr das Lustspiel bereits bei der Ouvertüre. Da wunderte sich der Methusalem mit sozialdemokratischem Politikhintergrund, warum Regisseurin Nadine Stitterich gleich ganz oben auf der Set-Liste des Tages einen Punkt angebracht hat, den er und die Seinen vom Ältestenrat zuvor eigentlich abgewählt hatten.

Alternativlos: Freizeit am Stammtisch in der vierten Etage

Wenn die Festlegungen des Senats so ignoriert werden, könne er sich die in diesem Gremium geopferte Lebenszeit künftig sparen und sie statt dessen mit Freunden bei einem Bierchen in der Kneipe verbringen, klagte Meißner.

Aber holla! Da ist dem Chef der Sozialdemokraten offenbar entgangen, dass die gastronomische Landschaft in Markranstädt inzwischen den ausgedörrten Weiten der Sahel-Zone gleicht. Kaum noch Vegetation und das letzte Grün, das noch irgendwie an Hopfen erinnert, riecht auch schon schal.

Willkommen bei der Aktuellen Kamera

Daraus folgt die Erkenntnis, dass die Bürgermeisterin ihre Schäfchen in der Hand hat. Wenn die Stadträte Abwechslung und Unterhaltung wollen, müssen sie mangels Kneipen zwangsläufig in die vierte Etage kommen. Ist wie früher, wenn das Westfernsehen mal weg war – da hat man sich notgedrungen eben doch mal die Aktuelle Kamera reingezogen.

Und dort erfährt der erstaunte Zuschauer dann beispielsweise auch, welche Stadträtin sich angesichts eines fehlenden Stellvertreters jetzt plötzlich Sorgen um die Gesundheit der Bürgermeisterin macht. Und das, obwohl eben diese Volksvertreterin mit ihrem Abstimmungsverhalten seinerzeit selbst dazu beigetragen hat, dass es heute keine Beigeordnete gibt. Es war auch hier wie damals in der Aktuellen Kamera: Man muss es nicht einmal verstehen, um darüber lachen zu können.

Der lange Weg einer Straße

Als es später um die geplante Umgehungsstraße ging, hatte der CDU-Leibarzt seine satirische Sternstunde. „Ich habe 1990 gemeinsam mit dem damaligen Bürgermeister Micha Woitschek den entsprechenden Antrag dazu ausgearbeitet, das war vor 33 Jahren“, blickte Volker Kirschner weit in die Antike zurück. Dann adelte er die jetzt in Dresden ausgearbeiteten Planungen zur Umsetzung des Vorhabens mit der Pointe: „Ich freue mich, dass wir mal wieder darüber sprechen. Es wird aber noch 60 Jahre dauern, ehe es los geht.“

Zeit für einen Treppenwitz

Am Ende der Sitzung schloss sich dann sogar noch einmal der Kreis zur eingangs angeführten Kneipenlandschaft. Im Treppenhaus zeigte sich, wie Markranstädts Gastronomen sprichwörtlich in die Knie gezwungen werden. Denn dort musste ein Gastwirt warten, weil sein Thema in nichtöffentlicher Sitzung behandelt wurde. Bislang befanden sich auf dem Treppenabsatz eigens dafür ein paar Stühle. Irgendwem muss aber irgendwann aufgefallen sein, dass dieses Ensemble öffentlicher Sitzmöbel offenbar dem Brandschutz widerspricht und so wurden die Stühle weggeräumt.

Wer also nun zum Warten außerhalb des Ratssaales verdammt ist, kann nur noch auf einer Treppenstufe Platz nehmen. Gastfreundschaft „made in markranstädt“ – da kann man sogar als Kneiper noch was lernen.

Allerdings hat auch diese Form des kommunalpolitischen Abchillens so ihre Tücken. Denn im Zuge des Gas-Embargos gegen Putin erlischt nach nur wenigen Umdrehungen des Minutenzeigers die Treppenhausbeleuchtung. Um diese wieder anzufachen, muss sich das wartende Individuum erheben und auf seiner Treppenstufe akrobatische Übungen vollziehen [markranst: Figugchen machen].

Wenn sie drinnen heimlich munkeln, turnt auf der Treppe man im Dunkeln.

Bewegungssensoren in einem Rathaus, das klingt per se schon wie ein antagonistischer Widerspruch in sich selbst. Aber dass man in absoluter Finsternis auf einer bedenklich knarrenden Treppe aus dem vorigen Jahrhundert auch noch Elemente akrobatischer Leibesertüchtigung vollführen muss, um diese auszulösen, ist dann wirklich kaum noch zu toppen.

Gut, einige jüngst in den Markranstädter Gerüchteküchen servierte Personalien lassen zumindest erkennen, dass der Brandschutz im Rathaus tatsächlich so enorm hohe Priorität genießt, dass man dafür auch Opfer zu erbringen bereit ist. Da müssen eben auch mal Aspekte wie der Gesundheitsschutz und die Sicherheit von Proleten, die sich nachts in Treppenhäusern rumtreiben, ein Stück weit zurücktreten. Außerdem kann man ja auch im Fahrstuhl warten. Der verfügt zwar ebenfalls nicht über Sitze, aber wenigstens brennt da drin immer Licht. Warum sollte nur Putin davon profitieren?

Markranstädt: Ein Sondervermögen an alternativen Fakten

Die Geschichtsbücher sind randvoll mit Aussagen wie Ulbrichts „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“ oder Barschels eidesstattlicher Versicherung „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind.“ Höchste Zeit, dass auch in Markranstädt mal über die Stränge geschlagen wird. Deshalb schon mal vorab der Hinweis, dass die folgenden Zeilen vor Unwahrheiten und Lügen nur so strotzen. Reine Satire eben, die man auch dann nicht ernst nehmen darf, wenn sie sich gleich heute oder auch später erst als wahr erweisen sollte. Also – wie war das gleich noch mal mit dem Hotel?

Landrat Henry Graichen ist nicht nur in diesen Tagen nicht zu beneiden, sondern im Prinzip schon seit 2016.

Spätestens nach Abschluss des Vertrages über die Umnutzung des Markranstädter Hotels zu einer Flüchtlingsunterkunft durfte er an keinem 3. Oktober der Welt mehr seine Festreden zum Tag der Einheit mit der Feststellung würzen, dass die DDR ein Unrechtsstaat war. Damit hätte er nicht nur seinen Vertragspartner, sondern auch sich selbst diskreditiert – als Helfershelfer.

Wahrheit im Wandel der Zeit

Allerdings scheint seine Politik des Weglächelns und Aussitzens jetzt an ihre Grenzen zu kommen. Die kürzlich bekanntgegebene Verlängerung des Vertrages mit dem Hotelbetreiber hat nämlich nicht nur ein Geschmäckle, sondern gleich zwei. Und nicht nur das: Neben seinem eigenen Ruf hat der Landkreis damit auch die Reputation der Markranstädter Bürgermeisterin ganz erheblich lädiert. Da sitzen jetzt nicht nur Satiriker mit gespitzten Stiften in ihren Schreibstuben und harren der Dinge, wie der Konflikt jetzt entweder repariert werden soll oder eben eskaliert. Schon machen Begriffe wie „Lügen“ oder „Wortbruch“ die Runde. Aber was ist geschehen?

Selbst wenn die Qualitätspresse diese zwei Jahre frei erfunden haben sollte, hat der Landkreis zumindest nie widersprichen.

Selbst wenn die Qualitätspresse diese zwei Jahre frei erfunden haben sollte, hat der Landkreis zumindest nie widersprochen.

Schon bei der Bürgerversammlung im Februar 2016 wurde die Vertragslaufzeit von 8 Jahren bestätigt und als Beruhigungspille die Information nachgereicht, dass eine Verlängerungsoption um weitere zwei Jahre vereinbart wurde. Das hat der Landkreis sowohl der Qualitätspresse als auch seinen kommunalpolitischen Marionetten in der vierten Etage anschließend auch immer wieder so in die Notizblöcke diktiert oder den Fakt zumindest stets so im Raum stehen lassen. Acht Jahre lang.

Hätte der homo marcransis bei Jukliane Werdung nur mal richtig zugehört: "... ist die Ewigkeit zwei Jahre lang".

Hätte der homo marcransis bei Juliane Werding nur mal richtig zugehört: „… ist die Ewigkeit zwei Jahre lang“.

Bis zum September 2023 hielt sich diese Mär. Vor einigen Tagen dann überraschte der Landkreis mit einer Mitteilung, die alles vorher Gewesene zu alternativen Fakten verwesen ließ. „Die Vertragskonstellation besagt, dass der Vertrag nach acht Jahren in einen unbefristeten Vertrag übergeht.“

Zwei Jahre – nach meiner Kenntnis ist das … unbefristet … für immer

Da ein Landkreis seine Bürger natürlich niemals nicht belügt, kann das nur bedeuten, dass man in Borna sein eigenes Vertragswerk nach acht Jahren zum ersten Mal richtig gelesen hat. Auch das Kleingedruckte vielleicht, das auf den ersten Blick und ohne Lupe bislang für ein Ornament oder Siegel gehalten wurde.

Bliebe dennoch die Frage, wie Landvoigt Heinrich von Graichen jemals auf die ominösen zwei Jahre gekommen ist? Hat dem jemand einen Scherzschrittmacher implantiert?

Als hätte es nie eine andere Information zum tatsächlichen Vertragsinhalt gegeben: In dieser Lesart heißt es ganz klar, dass die unbefristete Verlängerung schon von Beginn an im Vertrag stand.

Als hätte es nie eine andere Information zum tatsächlichen Vertragsinhalt gegeben: In dieser Lesart heißt es ganz klar, dass die unbefristete Verlängerung schon von Beginn an im Vertrag stand.

Dass sich der Bürger angesichts dieser Informationspolitik trotzdem verarscht fühlen könnte, ist in der Reihe aller anderen Fake-News eigentlich kein Aufreger mehr.

Die Normalität des Normalen

Bei unserer Außenministerin hat das Jahr neuerdings 560 Tage, der Wirtschaftsminister hat die Insolvenz als arbeitsfreie Zeit zur Verbesserung der Work-Life-Balance ausgerufen und der einäugige Ober-Pate häuft statt Schulden jetzt Sondervermögen an. Was ist dagegen schon der läppische Unterschied zwischen einer zweijährigen und einer unbefristeten Verlängerungsoption?

Wahrscheinlich aus diesem Grund hat sich in Markranstädt bislang auch wenig zielführender Widerspruch dazu geregt. Das kann allerdings auch an dem neu entstandenen Nebenkriegsschauplatz liegen, der plötzlich alle Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Die Blicke richten sich jetzt mit Spannung auf das Rathaus, denn was die Vertragsverlängerung des Landkreises für Bürgermeisterin Nadine Stitterich bedeutet, kann diese eigentlich nicht auf sich sitzen lassen. Unter Hinzuziehung aller öffentlich zugänglichen Dokumente kann der homo marcranis zu keinem anderen Schluss kommen, als dass die Bürgermeisterin vom Landkreis nach allen Regeln der Kunst vorgeführt und ihre Glaubwürdigkeit beim eigenen Volk demontiert wurde.

Hätte sie besser mal die Bibel zitiert als den Landkreis. Allein mit dem achten Gebot wäre sie jetzt souverän aus der Nummer raus.

Hätte sie besser mal die Bibel zitiert als den Landkreis. Allein mit dem achten Gebot wäre sie jetzt souverän aus der Nummer raus.

Die stabile Stütze des Landrats und die Verlässlichkeit seines Wortes hinter sich glaubend, hatte Stitterich im Dezember 2021 im Markranstädter Amtsblatt wissen lassen, dass sie aus Borna eine schriftliche Mitteilung in der Hotel-Causa erhalten habe. Mit unbefriedigendem Inhalt zwar, aber zumindest einer hoffnungsvollen Perspektive: „Ich begrüße es, dass der Landkreis eine Vertragsverlängerung über den Februar 2024 hinaus für die Gemeinschaftsunterkunft nicht vorsieht…“, gab sie die Valium-Pille im Vertrauen auf den Beipackzettel aus Borna an ihre Bürger weiter.

Vor’s Loch geschoben

Au haua haua ha! Da dürfte die in gemeinsamer Abschmetterung zahlreicher Dienstaufsichtsbeschwerden gefestigte, bislang unverbrüchlich scheinende Waffenbrüderschaft zwischen Landrat und Bürgermeisterin jetzt vor einer harten Belastungsprobe stehen. Das Mindeste, was die Lallendorfer First Lady zur Wiederherstellung ihrer Reputation vom Landrat erwarten müsste, wäre eine ebenso öffentlich wahrnehmbare Entschuldigung aus dem Amtssitz in der Stauffenbergstraße. Und so lange die PR-Abteilung in Borna noch an den Formulierungen schraubt, haben die Satiriker in den Schreibstuben Zeit, ihre Stifte zu spitzen und im Weihrauch der realen Welt schon mal nach Pointen zu suchen.

Der gemeine Promuchel hingegen wird sich wohl auch mit noch so salbungsvollen Worten aus Borna kaum befrieden lassen. Zu groß sind die Löcher, die der Ring in der Nase nach acht Jahren des Herumführens hinterlassen hat.

Verletzungsgefahr in Markranstädt: Die Kunst des Weglassens der Kunst

Wie systemrelevant Rundfunk, Fernsehen und Presse nach wie vor sind, zeigt sich am aktuellen Fall der spanischen Fußballspielerin Jennifer Hermoso. Fast drei Wochen hat sie sich zu einem Kuss ihres Verbandspräsidenten in Schweigen gehüllt. Erst auf Druck der internationalen Medien hat sie schließlich eingesehen, wie sehr sie dadurch in ihrer sexuellen Selbstbestimmung verletzt wurde. Ihre Anzeige hat sie gerade noch rechtzeitig erstattet, bevor ihr die Presse als Folge der brutalen Vergewaltigung auch noch ein Kind von Karl-Heinz Rummenigge in den Bauch schreiben konnte. Aber der Fall zeigt, wie wichtig die Medien heutzutage sind. Ohne sie hätte Hermoso vielleicht nie erfahren, dass sie Opfer eines sexuell motivierten Paarungsversuchs wurde und wie sehr sie darunter leidet. Ein Weckruf, der auch die Markranstädter Nachtschichten aus dem Tiefschlaf gerissen hat. Spät zwar, aber wir kommen jetzt unserer Pflicht nach und erklären Ihnen heute, wodurch Sie sich verletzt fühlen.

Sie haben Schwierigkeiten mit dem Lesen? Dann sind Sie möglicherweise Analphabet. Das wäre aber schlecht, weil jeder weiß, was das bedeutet und es deshalb für Sie ein Stigma wäre.

Allerdings nicht nur deshalb, weil der Begriff Analphabet von Analphabeten so schwer zu lesen und noch schwerer richtig zu schreiben ist. Allein die Trennung des Wortes könnte so manchen Anal-phabeten auf eine völlig falsche Fährte führen. Deshalb wurde der Begriff jetzt auf eben jenen Index gesetzt, auf dem vor den Analphabeten schon Neger, Zigeuner und Indianer brav Platz genommen wurden. Man spricht und schreibt jetzt von „gering literalisierten“ Menschen.

Achtung: Verletzungsgefahr!

Damit hat sich die Zahl der Analphabeten allerdings gleich mal verdoppelt, weil selbst Alphabeten mitunter nicht wissen, was ein gering Literalisierter ist und wie man die neue Wortschöpfung der geistig unterforderten Betroffenheitsvirtuosen richtig schreibt. Wenn Sie also jetzt zum ersten Mal von „gering literalisierten Menschen“ gelesen haben, sind Sie betroffen! Und Achtung: Sie fühlen sich verletzt – auch wenn Sie das gerade in diesem Moment noch nicht einmal wissen.

Betroffenheit ganz anderer Art droht jetzt im Fall der Grundschule „Nils Holgersson“ Großlehna. Nach Aussagen aus dem Markranstädter Rathaus ist dort der Erweiterungsbau so gut wie fertig.

Ein neuer Elektro-Hausanschluss noch, den Dreck zusammenkehren und dann könnten die Schüler nach den Herbstferien dort einziehen. Das heißt: Fast! Denn schon hat das Rathaus angekündigt: „Parallel werden derzeit die Kosten für ein Kunstwerk auf der neuen Fassade geprüft.“ Und genau das könnte sich zu einem Politikum entwickeln, das neue Betroffenheiten und verletzte Gefühle schafft. Denn was Kunst ist, wird ganz woanders entschieden.

In der Landeshauptstadt Dresden wurde jetzt ein Gebäude zu einer Asylbewerberunterkunft umgewidmet, vor dem seit 47 Jahren ein Kunstwerk thronte. „Die Sinnende“ heißt die Darstellung.

Man hätte der "Sinnenden" auch einfach nur ein Kopftuch umbinden oder die Skulptur in eine Burka einnähen können, aber das hätte möglicherweise andere Betroffenheiten erzeugt. Also weg damit!

Man hätte der „Sinnenden“ auch einfach nur ein Kopftuch umbinden oder die Skulptur in eine Burka einnähen können, aber das hätte möglicherweise andere Betroffenheiten erzeugt. Also weg damit!

Noch bevor die Medien den Neuankömmlingen erklären konnten, warum ihre Gefühle durch den Anblick dieser nackten Frau verletzt werden, wurde die Kunst entfernt. Die Moral der Geschichte: Egal welches Kunstmotiv die Großlehnaer Schulfassade auch zieren soll, es droht Ungemach.

Man muss ja nicht gleich den Begriff entarteter Kunst bemühen. Bei Nils Holgersson würde schon ein Hinweis auf seine schwedische Abstammung genügen, um den Künstler mit dem Vorwurf kultureller Aneignung kaltzustellen.

Tatvorwürfe gegen Nils Holgersson

Sollte er sich wider Erwarten dagegen wehren, wäre da noch die stereotype Diskriminierung Kleinwüchsiger im Angebot und wenn auch das nicht ausreichend Bestürzung in der Gesellschaft erzeugt, bliebe immerhin noch der übergriffige Missbrauch des natürlich männlichen Sodomisten, der Gänse als Sklaven zur eigenen Fortbewegung erniedrigt und einem Hamster das Futter wegfrisst.

Was soll da nur aus unseren Kindern werden? Das Mindeste, was man dabei verlangen kann, ist eine Erklärung unter dem Kunstwerk, in der darauf hingewiesen wird, dass es sich um diskriminierende, stereotype und gefühlsverletzende Darstellungen handelt und wie man die Kunst zu sehen hat, damit man bei deren Betrachtung nicht zum Rassisten wird.

Am besten ganz weglassen

Der Haken an der Sache: Das wiederum könnte die Gefühle gering literalisierter Menschen verletzen, die das nicht lesen können. Es sind also neue Kunstformen gefragt im Land der Betroffenheiten. Die Epoche der „Kunst des Weglassens der Kunst“ wird anbrechen. Zum Wohle der Verletzten und Betroffenen.

Ortsumfahrung Markranstädt: Hier kommt die sechste Variante

Die Verkehrsplaner müssen sich in Markranstädt gerade wie in einer verkehrten Welt fühlen: Während Nachrichten wie der Bau einer Umgehungsstraße anderswo Jubelstürme auslösen, ist in Markranstädt das Gegenteil der Fall. Also ein Fall für die Markranstädter Nachtschichten, die sowieso immer alles von der anderen Seite aus betrachten. Konkret heißt das allerdings: Nix verkehrte Welt in Markranstädt, sondern ausnahmsweise mal was vom Kopf auf die Füße gestellt. Die 50 Millionen für eine Ortsumfahrung wären beispielsweise im Wohnungsbau besser angelegt. Neben den fünf vorgelegten Variante bringen die Markranstädter Nachtschichten deshalb nun eine sechste Möglichkeit ins Spiel. Kosten: Null Euro!

Straßen gibt’s, die gibt’s gar nicht. Jetzt soll Markranstädt plötzlich doch noch eine Ortsumfahrung bekommen.

Nach rund zehn Jahren sind zumindest die Vorplanungen schon mal so weit fertig, dass fünf mögliche Varianten auf dem Tisch liegen.

Es können auch 15 Jahre sein, wer weiß das schon – oder wer will das wissen? In Deutschland dauert sowieso alles länger und somit viel zu lange. Alles eine Folge des Fachkräftemangels. Denn internationale Experten aus dem arabischen und nordafrikanischen Raum haben längst unter Beweis gestellt, wie schnell sie eine Straße bauen können. Quasi überholen ohne einzuholen.

Straßenbau mit Fachkräften

Nehmen wir als Beispiel die transeuropäische Balkanroute. Ihre Planung hat kein Blatt Papier und der Bau keinen Cent gekostet. Mehrspurig schlängelt sich die Trasse durch den Kontinent und vor allem umweltfreundlich. Das Hauptaugenmerk lag von Anfang an auf der Sicherheit der Fußgänger. Deshalb musste da weder ein Südrumänischer Crystalpfeifer noch der seltene slowakische Stelègnic-Kaiman umgesiedelt werden. Einziges Manko bislang: Der Verkehr fließt nur von Süd nach Nord. Aber wenn der Verdrängungswettbewerb erst richtig ausgebrochen ist, werden sicher auch die Gegenspuren bald fertig.

Anders ist das, wenn Deutschland baut. Erstmal muss hier eine Straße errichtet werden, die den Grund für den Bau einer Umgehungsstraße liefert.

Rund eine Milliarde Euro hat die Autobahn 38 verschlungen. Allerdings hätte man sich das Stück zwischen Markranstädt und dem Kreuz Rippachtal sparen können, denn seither rollt der Verkehr abkürzungsweise durch Lallendorf. Also muss nun eine 50 Millionen Euro teure Umfahrung her, die am Ende wohl mindestens 150 Millionen kostet.

…was nicht sein darf

Wie in einer tibetanischen Gebetsmühle weisen Bund und Land immer wieder darauf hin, dass es nicht möglich ist, den Transitverkehr zwischen Markranstädt und dem Schkeuditzer Kreuz zum Verbleib auf der Autobahn zu zwingen. Es zählt zu den Merkmalen der 1989 gewonnenen Freiheit, dass der osteuropäische Brummifahrer selbst entscheiden darf, ob er via Autobahn oder Bundesstraße von Bukarest nach Berlin fährt.

Die „Lützener Lösung“

Fünf Kilometer weiter westlich – in Lützen – hat man das Problem längst gelöst. Eher heimlich zwar und aus einem ganz anderen Grund, aber es zeigt, dass das möglich ist. Schauen wir mal hin: Wenn Sie auf der B 87 von Lützen in Richtung Weißenfels durch Dörfer wie Röcken oder Rippach fahren, meinen Sie, dass Sie da noch auf der B 87 sind? Grämen Sie sich nicht ob Ihrer Fehleinschätzung – die meisten Kraftfahrer glauben das. Wohl auch aus einer Art Gewohnheitsrecht, weil das früher wirklich mal die B 87 war.

Was nur wenige wissen: Das, was am westlichen Ortsausgang von Lützen als Zubringer für die A 38 wahrgenommen wird, ist die neue B 87 – und das seit Jahren schon.

Die Bundesstraße 87 führt direkt zur Autobahn und ab Anschlussstelle Lützen ist die A 38 zugleich auch B 87. Die alte Bundesstraße ist jetzt die Landesstraße 188 und damit für den europäischen Transitverkehr tabu. Es geht also.

Seit dem Jahr 2000 verläuft die Bundesstraße 87 westlich von Lützen auf der A 38. Man staunt, was alles möglich ist.

Seit dem Jahr 2000 verläuft die Bundesstraße 87 westlich von Lützen auf der A 38. Man staunt, was alles möglich ist.

Warum das nicht auch in der Metropolregion Markranstädt möglich ist und hier lieber 50 Millionen Euro für eine Ortsumfahrung in die Hand genommen werden, liegt wahrscheinlich in Fragen der Finanzierung. Die Markranstädter Umgehungsstraße wird aus Steuergeldern bezahlt. Das ist einfach: Hand rein in die Taschen der Bürger und fertig.

Bei der B 87 in Lützen war das anders. Hier hätte die Mibrag vor der Errichtung eines Tagebaus und der Abbaggerung von Orten wie Röcken eine teure Verlegung der B 87 bezahlen müssen. Da die A 38 selbst für einen Tagebau als unantastbar galt, hat man den Verlauf der Bundesstraße einfach über die Autobahn gelegt. Wird billiger für den Bergbaubetreiber, dessen Geld in der Politik also schwerer wiegt als der Steuergroschen des Promuchels. So einfach ist moderne Verkehrsplanung.

Neues aus der vierten Etage (39): Die Nacht der langen Gesichter

So viel einträchtige Emotionen wie am Ende der Sitzung am Donnerstag gab es im Markranstädter Stadtrat selten. Alles vergessen, was es noch kurz zuvor an mal mehr und mal weniger peinlichen Duellen gab, denn diese Nachricht hat richtig eingeschlagen. Auf wessen Antlitz das Auge auch fiel – (fast) überall waren plötzlich nur noch betroffene Gesichter im Ratssaal präsent.

Es war eine marginale Mitteilung, die Bürgermeisterin Nadine Stitterich am Ende noch auszureichen hatte.

Sie selbst kündigte sie als „nicht so schöne Information“ an. Kurz und gut: Der Landkreis habe ihr am Mittwoch in einem Schreiben mitgeteilt, dass der anno 2024 auslaufende Mietvertrag mit dem Hotelier der Asylbewerberunterkunft unbefristet verlängert wird.

Die sorgenvollen Mienen am Ratstisch waren nicht unbegründet. Nur neun Monate vor den nächsten Stadtratswahlen hat der Landrat damit die Ampeln für einen Machtwechsel in der vierten Etage auf Blau gestellt.

Vor allem den christdemokratischen Seinen hat er damit einen Bärendienst erwiesen, aber auch der Rest der Duma wird am Verlust der politischen Glaubwürdigkeit zu knabbern haben. Generalverdacht, Sippenhaft, Schnauze voll, tabula rasa … es gibt viele Begriffe dafür.

Wer jetzt glaubt, dass ob dieser Steilvorlage bei der AfD gefeiert wird, muss sich staunend revidieren. Auch bei den Heilpraktikern herrscht offenbar Katerstimmung. Als Ex-Stadtrat Bodo Walther, diesmal im Publikum residierend, nach der Sitzung aus der vierten Etage herabstieg, schien sein Leib von Gram gebeugt und die Stirn von tiefen Sorgenfalten gezeichnet.

Es muss die Last sein, die plötzlich so niederdrückend auf seinen Schultern ruht. Der weitsichtige Landrat hat ihm und den Seinen mit diesem genialen Schachzug nämlich eine vernichtende Falle gestellt und ließ sie nun zuschnappen.

Wo und vor allem wie bitteschön soll die AfD so schnell 22 Kandidaten zusammenbekommen? Das nämlich ist die Zahl aller Sitze im Stadtrat, die ihr nach augenblicklicher Lage der Dinge ganz ohne Wahlkampf in den Schoß zu fallen drohen. Ganz klar: 22 Stühle und keiner sitzt drauf – das ist das Ende der AfD!

Respekt: Dieser Landrat ist echt ein genialer Stratege.