Verkehrsunfall in Markranstädter Supermarkt und seine Folgen

Selbst wenn sich die folgende Geschichte am vergangenen Mittwoch nicht ganz so zugetragen haben sollte, wird sie wohl in die Historie der Stadt Markranstädt als auch in die Annalen des Einkaufsmarktes am Rande der Stadt eingehen. Folgendes trug sich zu:

Wenn man beim Shopping Augen und Ohren weit aufsperrt, kann man Dinge erleben, die einem den Tag retten. Damit sind nicht die aktuellen Zahlen auf den Preisschildern gemeint, sondern zwischenmenschliche Situationen, die das Zeug zu ganz großer Satire haben.

Zwei Männer irren am Mittwochabend ziemlich orientierungslos durch den Rewe-Markt, blicken sich ständig um und mäandern auf diese Weise von Regal zu Regal. Es kommt zu dem, was kommen muss: Vor der Kühltruhe stoßen beide mit ihren Wagen zusammen.

Statt des zu erwartenden Gezeters entschuldigen sie sich gegenseitig. „Tut mir leid, ich war unaufmerksam“, begründete der eine Kunde sein Fehlverhalten. „Ich suche nämlich meine Frau, die ist vor ein paar Minuten irgendwo zwischen den Regalen verschwunden.“

Darauf hellt sich das Gesicht seines Gegenüber auf und er antwortet: „Das ist ja ein Ding, ich suche meine Frau nämlich auch.“ Dann will er sich solidarisch zeigen und bietet seine Hilfsbereitschaft an. „Vielleicht habe ich ihre Gattin ja gesehen, wie sieht sie denn aus?“, fragt er.

Darauf beginnt der Andere mit einer formidablen Personenbeschreibung: „Ungefähr 1,85 groß, kurvige Figur, vielleicht ein bisschen zu viel Oberweite, denn der Knopf ihrer Bluse lässt sich nicht schließen. Na ja, dann noch einen kurzen Minirock, Netzstrumpfhose und Stiefel …“

Sein Gegenüber lauscht der Beschreibung mit steigender Aufmerksamkeit. Als der Mann seine Ausführungen beendet hat, will er die Hilfsbereitschaft erwidern und fragt: „Und wie sieht ihre Frau aus?“ Darauf antwortet der Gefragte: „Das ist doch egal, wir suchen jetzt erst mal ihre!“

Blaulicht-Stimmung in Markranstädt: Ein Volksfest kommt selten allein

Weil die letzten Tage irgendwie vom Markranstädter Kinderfest überstrahlt wurden und in dessen Schatten trotzdem noch allerhand passiert ist, wollen wir noch mal einen kurzen Blick die auf die zurückliegenden Ereignisse werfen. Passt auch ganz gut zum Thema, denn irgendwie geht es auch dabei um eine Art Volksfeste.

Klarer Fall: Weil am Donnerstag die nächste Mammutsitzung des Stadtrates ansteht und die Luft in der vierten Etage gerade im Sommer zum Schneiden dick ist, wurde das Bauamt mit dem Eilauftrag für einen Ersatzneubau in der Lützner Straße versehen. Man baut ja sonst nichts in Lallendorf.

Voilá – da isser, der neue Sitzungstempel der Markranstädter Duma. Und endlich haben die Mitwirkenden auch die Qualität ihres Kabaretts erkannt und so den Mut gefunden, endlich Eintritt zu kassieren. Wieviel und in welcher Währung, ist noch unklar. Wahrscheinlich Ranstädter Mark.

Weil das Kinderfest in der Ziegelstraße die ganze Aufmerksamkeit der Westkulkwitzer See-Ethnie auf sich gezogen hatte, wurde es einer jungen Emanze am Samstag offenbar zu langweilig. Nachdem sie mehrmals vergeblich klagte, vergewaltigt worden zu sein, tat sie selbiges einem Hund an.

Die Lustschreie des Vierbeiners wurden von einer Gruppe Jugendlicher mit antisodomistischer Grundhaltung als Klagelaute missverstanden und so kam es zu Raufhändel, der schließlich die Polizei auf den Plan rief. Die junge Veganerin (hatte wohl reichlich Gras im Blut) kam in den Stall.

Volksfeststimmung am Samstag auch auf dem Alten Friedhof. Getränkeangebot und Speiseplan waren noch am Sonntag auf dem Gelände ablesbar. Zu vorgerückter Stunde trat sogar ein Zauberer auf den Plan, der die Anwesenden mit den Grundlagen der schwarzen Magie vertraut machte.

„Bürgergeld, Hartz IV und dreimal schwarzer Kater“, murmelte er und schwupps – hatte er einen der hier abbürgernden Gäste aus den Schuhen gebeamt. Nachdem er bis zum Morgen nicht aus dem All zurückgekehrt war, hinterließ man ihm wenigstens eine Fehlzeiten-Liste fürs Job-Center.

Sogar der Bock hatte Bock: Märchenhafter Umzug in Markranstädt

Sagenhafte zwei Kommentare auf den jüngsten Beitrag zum Markranstädter Kinderfest haben es noch einmal deutlich gemacht: Den homo marcransis interessiert`s nicht. Deshalb haben die Markranstädter Nachtschichten auch gar nicht erst den Versuch unternommen, mit tiefergreifender Poesie um eventuell noch den einen oder anderen Zuspruch zu betteln. Hier also das, was sozusagen auf der Straße lag: Sechs Impressionen vom Festumzug am Sonntag plus die Info vom Titelfoto, dass Traditionsziegenbock Leo in diesem Jahr wieder mit von der Partie war.

Traditionell dürfen die ältesten Markranstädter in den MAF’s mitfahren. Die beiden diesjährigen Oldies sahen aber noch so frisch aus, dass man ihnen Blumen in die Hände drückte, damit sie auf den Erinnerungsfotos nicht mit den Vereinschefs verwechselt werden können.

Im Sitzen kann jeder – hat sich die Bürgermeisterin offenbar gedacht und auf eindrucksvolle Weise gezeigt, dass eine Frau auch im Stehen kann. Also … auf der Beifahrerseite. Irgendwie dann doch eine Reminiszenz an das Kinderfestmotto „Märchenzeit“. Spieglein, Spieglein an der Wand…

In einschlägigen Kontaktanzeigen suchen Frauen neben einem Sofa und einem Glas Rotwein bei Kerzenschein meist auch eine starke Schulter zum Anlehnen. In Markranstädt ist die Gleichberechtigung längst einen Schritt weiter. Hier gibt’s starke Schultern zum Draufstellen.

In der Leidmedien hat man’s kaum wahrnehmen können, also wurde der jüngste Erfolg der Markranstädter Fußballer beim Festumzug gefeiert. Herzlichen Glüchwunsch dem Sächsischen Fußballmeister! Blauer Qualm in der Kernstadt – zur gleichen Zeit blaue Spieler auf Malle.

Bis zur Hordisstraße sah es ganz gut aus mit der Jungfernfahrt der frisch restaurierten Traditionslok des MCC. Doch 500 Meter vor dem Ziel kochte dann der Kessel über. Da die Besatzung nur heißen Kaffee an Bord hatte, musste in der Neuen Straße eine Kühlpause eingeschoben werden.

In der Märchenzeit waren Witz oder wenigstens originelle Ideen auf den Festwagen leider Mangelware. Eine schöne Ausnahme war da dieses herrliche Wappen am Wagen der Oberschule. Hat offenbar geklappt, den Achtklässlern Stolz und Selbstbewusstsein beizubringen.

Markranstädter Kinderfest: Eine Märchenstunde für Erwachsene

Am Donnerstag beginnt das 147. Kinderfest. Es steht unter dem Motto „Märchenzeit in Markranstädt“. Gut, das ist jetzt nicht gerade ein Ausrufezeichen in einer Stadt, die quasi davon lebt, dass das ganze Jahr über Märchenzeit ist (von „Es war einmal eine Beigeordnete“ über „Es war einmal ein Stadtbad“ bis hin zu „Es war einmal ein Mitarbeiter…“), aber  ein kleiner Rückblick auf die „Es war einmal“-Ära lohnt sich trotzdem. Denn als im September 1846 das erste Markranstädter Kinderfest gefeiert wurde, haben die Storys der Gebrüder Grimm noch nach frischer Druckerschwärze gerochen. Gerade mal 30 Jahre alt war die Erstauflage der Kinder- und Hausmärchen zu jener Zeit. Die Horror-Geschichten über bis zum Zäpfchen mit Steinen gefüllte Wölfe, das Zündeln mit Hexen, vergiftete Mädchen oder gefressene Großmütter haben seither die Lebensentwürfe ganzer Generationen beeinflusst.

Allerdings nicht nur die von Kindern. Auch den Erwachsenen musste klar gewesen sein, dass sie ihren Kids mit solchen Märchen quasi eine Anleitung zur Ausübung häuslicher Gewalt in die Wiege legten.

Von wegen alte Frauen in den Ofen stecken und so. Noch heute soll es Mütter geben, die sich vor dem Blick in die Mikrowelle erst mal sorgsam vergewissern, dass keines ihrer Bälger sprungbereit hinter ihnen steht. Anderen Gräueltaten hat die gesellschaftliche Entwicklung inzwischen den Nährboden entzogen.

Zwischen Tier- und Kindswohl

Warum sollte man jetzt noch einen Frosch an die Wand werfen, wo doch für teuer Geld extra Krötenwanderwege gebaut werden, damit die Amphibien unter sich bleiben und wir gar nicht erst in die Versuchung kommen können, sie für sexualisierte Handlungen zu missbrauchen?

Nicht einmal vor sexuellem Missbrauch von Amphibien schreckten die Gebrüder Grimm zurück.

Nicht einmal vor sexuellem Missbrauch von Amphibien schreckten die Gebrüder Grimm zurück.

Manche Märchenszenen haben allerdings nichts an Aktualität verloren. Das Böse ist lediglich in der Wahl der Mittel erfinderischer geworden.

Märchenzeit heute

Statt an den Fassaden von Häusern zu knabbern, werden diese heute von herumziehenden Jugendlichen beschmiert und das Gift, mit dem im Kampf um die Schönste im ganzen Land einst Schneewittchens Apfel kontaminiert wurde, spritzen sich die Milfs unserer Tage jetzt freiwillig unter ihre Wangen.

Erhalten hat sich auch die Moral der Geschichte des Rattenfängers von Hameln. Der hat zwar längst das Instrument gewechselt – statt auf einer Flöte zu blasen, bedient er sich heute der Werbetrommel – aber dafür folgen ihm jetzt nicht nur die Kinder einer Stadt, sondern des ganzen Landes. Jeder X-Box-Generation und jeder neuen Playstation ziehen die Kids gleich einer Fronleichnamsprozession völlig entseelt hinterher.

Die neuen Rattenfänger

Blickt man heute auf das bunte Treiben des Markranstädter Kinderfestes, scheint von der schwarzen Pädagogik der einstigen Psycho-Thriller nichts mehr übrig zu sein. Die Wölfe sind ausgerottet, Meisterdiebe in der Stadt längst salonfähig geworden und dass es von Schönsten im ganzen Land nur so wimmelt, liegt nicht nur an der kosmetischen Chirurgie. Seit Bodyshaming gesellschaftlich geächtet ist, wird sogar der Buckel der Hexe als ultimatives Must-have unter den Outdoor-Rucksäcken für die Kräutersuche auf den versiegelten Betonflächen gefeiert.

Das Zeug, mit dem dieses hübsche Mädchen einst vergiftet wurde, spritzen sich die Milfs heute freiwillig selbst unter die Haut.

Das Zeug, mit dem dieses hübsche Mädchen einst vergiftet wurde, spritzen sich die Milfs heute freiwillig selbst unter die Haut.

Schlussendlich ist es der letzten Generation wirklich nicht mehr glaubhaft zu vermitteln, dass ein Jüngling mitten in der Brutzeit der Keilschwänzigen Ligusterdommel eine Rosenhecke verschneiden darf, während der eigene Vater für das gleiche Vergehen vom Gartennachbarn angezinkt und auf Jahre hinaus ins gesellschaftliche Abseits verbannt wird. Selbstredend hat auch das tapfere Schneiderlein die sieben Fliegen nicht erschlagen. Niemals nicht!

Vielmehr hat der Textilschaffende in einem ergebnisoffenen Diskurs so lange auf die Insekten eingeredet, bis diese keine Argumente mehr hatten und den Platz auf der Marmeladenbemme freiwillig räumten.

Nicht zuletzt verbietet es sich im Zeitalter des Diabetes auch ganz von selbst, kleine Gören mit Kuchen durch den vom Klimawandel ausgetrockneten Wald zur Großmutter zu schicken. Nicht nur zum Glück für die Oma, sondern vor allem für das Kind. Was soll später mal aus einem Mädchen werden, das im Schlafzimmer statt einer siechen Seniorin plötzlich einen bis auf die Handrücken behaarten Hungerleider vorfindet, der sich in Frauenkleidern knurrend auf der Matraze räkelt?

Bodyshaming bei den Gebrüdern Grimm: Der Buckel der Alten ist ein Musthave. Dass Gretel ihrem Bruder das Ställchen öffnete, ist dagegen ein klarer Fall von Inzest.

Bodyshaming bei den Gebrüdern Grimm: Der Buckel der Alten ist ein Musthave. Dass Gretel ihrem Bruder das Ställchen öffnete, ist dagegen ein klarer Fall von Inzest.

Nein, mit dem Slogan „Es war einmal…“ lässt sich heute kein Kind mehr von seinem ergonomischen Sitzsack locken. Andererseits würde die Einleitung „Es wird einmal sein …“ eher die Eltern verunsichern. Dornröschens Geburtstagsgesellschaft als LGBTQ-Kommune, eine Mahnwache festgeklebter Tierschützer vor dem Gehege der sieben Geißlein oder ein #metoo-Shitstorm gegen Hänsel, weil er Gretel nach der Hexenverbrennung aufforderte, sein Ställchen zu öffnen – das ist der Stoff, aus dem die Märchen der Zukunft gestrickt werden.

Da ist es doch schön, wenn man sich wenigstens beim Markranstädter Kinderfest noch einmal an die nostalgische Zeit erinnern kann, als man noch an Zwerge, verwunschene Prinzen oder verzauberte Frösche glaubte. Denn da sie nicht gestorben sind, leben sie noch heute.

Wort für(s) Wort zum Johannistag

Das war’s schon wieder mit der Langzeitbestrahlung durch UV-Licht. Ab Samstag werden die Tage kürzer und die Nächte dafür länger. Pfarrer Michael Zemmrich hat sich mit den Folgen auseinandergesetzt und zwischen den Theorien modernen Managements und eherner Naturgesetze einen Weg gesucht, der uns in den kommenden längeren Nächten mehr Licht bieten kann als uns die kürzer werdenden Tage verheißen.

Es ist kaum zu glauben: Wir gehen schon wieder auf Mitte des Jahres 2023 zu. Am längsten Tag des Jahres, dem 24. Juni – bezüglich der Erdbahn um die Sonne „gegenüber“ von Weihnachten – feiern wir als Kirchgemeinde den Johannistag.

Johannes sagte: „Jesus muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“ Natürlich redet Johannes nicht von kalorienbewusster Ernährung. Sondern er redet von der Abnahme der Kraft, die im Kirchenjahr ab dem 25. Juni durch wieder abnehmende Tageslänge symbolisiert wird.

Aber seine Aussage ist kein Klagelied, sondern Realismus plus Vision. Johannes weiß, dass das, was schwerfällt, nicht ewig dauern wird. Und das ist mehr als der unter uns übliche Satz: „Das wird schon wieder!“

Hoffnung wächst, obwohl es noch keinen Grund für sie gibt. Leider halten wir uns hin und wieder für Realisten und beklagen deshalb die vermutete Zukunft. Dann ist es uns leidend unmöglich, unsere Zukunft fröhlich zu planen. Unbeschwert etwas für möglich zu halten, wie es Kindern gegeben ist, das fehlt dann. Die Pfadabhängigkeit steigt – sagt die Managementtheorie. Johannes ließ seinen Zukunftswahrnehmung vom Geist Gottes managen.

Er war ein Prophet, der trotz allem das Prinzip der Liebe hinter den Kulissen dieser Welt als entscheidende Kraft erblickte. Im 1. Johannesbrief heißt es: „Gott ist die Liebe. Und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“

Es ist in der Tat eine große Herausforderung im Vertrauen auf Liebe zu bleiben, obwohl alles nach gleichgültiger Kälte aussieht. Wer vermag hinter abnehmenden eigenen Kräften nicht nur beklagenswerte Alters- und Krankheitserscheinungen zu sehen, sondern eben auch ein Wachstum?

Liebe nicht zu bezweifeln, kann ein schwerer Weg sein. Johannes redet davon. Fast wie von einem Naturgesetz. Zweimal verwendet er das Wort „muss“: „Jesus muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“ Ja, am Ende bleibt nur der Sprung unserer Seele: Hoffnung auf Liebe wird sich bewahrheiten. Wir gehen dem Sommer entgegen.

Und doch steht der Herbst unabwendbar vor der Tür. Das ist kein Anlass zu Traurigkeit. Sondern zu Realismus. Und wir sind gut beraten, diesen Realismus um eine Vision zu erweitern. Um die Vision der Liebe. Wenn wir diesem Geist Christi folgen, dann werden wir mit der Fähigkeit begabt, Leiden und Herrlichkeit zusammen zu sehen. Dazu müssen wir nicht erst die Biographie Johannes des Täufers bemühen, die durch einen Politmord endete. Sondern wir können uns in Nüchternheit geborgen wissen als Nachfolger des Mannes aus Nazareth. In Höhen und Tiefen.

Bis wir einmal jubeln mit einer Freude, die niemand in Worte fassen kann.

Markranstädter Feuerzangenbowle im Sommer

Wenn das Landesamt für Schule und Bildung gnädig ist, könnte das Markranstädter Gymnasium in wenigen Wochen einen richtigen Namen tragen. Hannah Arendt soll die Patronin sein. Okay, manchen in Markranstädt praktizierenden Kulturkreisen wäre Dieter Bohlen oder Robert Geißen vielleicht lieber gewesen, aber die können in Sachen Gymnasium eben nicht mitreden. Genauso wenig wie die Gymnasiasten selbst, wie man sich auf den Straßen der Stadt erzählt. Unter den vielen Geschichten, die in der Stadt darüber kursieren, fehlt noch eine lustige. Also haben wir mal eine Phantasy-Story darüber entbunden, wie die Namensgeschichte garantiert nicht abgelaufen ist.

Das Markranstädter Gymnasium wollte endlich auch mal einen eigenen Namen haben. Sogar das Babenberger Gymnasium in der Feuerzangenbowle hatte keinen, und man sieht ja, was draus geworden ist.

Schon meldet sich das Landesamt für Schule und Bildung (LaSuB) zu Wort, weil schon immer am Anfang das Wort stand. Da die Zeiten vorbei sind, in denen man sowas anweisen oder gar befehlen durfte, hat das LaSuB eine Empfehlung ausgesprochen. Und zwar die, dass für das Markranstädter Gymnasium der Name einer Frau gewählt werden soll.

Ein Schelm, der hier einen behördlichen Willkürakt der Diskriminierung bei der Erniedrigung der Demütigung zur Unterdrückung des Mannes erkennen will. Es ist ja nur eine Empfehlung und die fällt in der Parkstraße sogar auf bereits bestellten Boden. Das Patronat der Hannah Arendt, einst entbunden im Lehrkörper, kocht dort schon lange unter dem Deckel.

Ein flexibles Programm

Jetzt muss der Kandidatin nur noch ein passendes Schulprogramm auf den Leib geschneidert werden. Üblicherweise funktioniert sowas zwar genau andersrum – also erst hat man ein Programm und dann sucht man die passende Person dazu – aber wenn man in der Parkstraße schon endlich mal neue, unorthodoxe Wege einschlägt, wer will da dieses noch junge Pflänzchen der Selbstbestimmung schon im Keime ersticken?

Das Programm hat’s in sich und ist rhetorisch bis ins Detail ausgefeilt. Es ruht auf sechs Säulen, die da lauten:

  • vielfältig und individuell
  • beständig und kreativ
  • gerecht und verantwortungsvoll
  • herzlich und vertrauensvoll
  • engagiert und wegweisend
  • regional verwurzelt

Gut, dem homo marcransis würden hier sicher noch mindestens 42 weitere Säulen einfallen, die mindestens ebenso vielsagend sind. Fair und nachhaltig beispielsweise oder ehrlich und anständig, brav und folgsam, modern und weltoffen, wissbegierig und neugierig oder geil und mega. Alternativ könnte man aber auch einfach die zehn Gebote der Jungpioniere abschreiben.

Der Clou: Dieses Programm ist ewig gültig, da deren fundamentale Phrasen je nach Bedarf und kommender Gesellschaftsformen so beliebig austauschbar sind, dass die stabile Leere jeder einzelnen der sechs Säulen nicht ansatzweise gefährdet wird. Es könnte also in Säule 1 auch heißen, „herzlich und kreativ“, dafür in Säule 4 „vielfältig und wegweisend“. Mischen ist possible.

Was in unserer frei erfundenen Geschichte nun folgt, erinnert an den Vorentscheid zum European Song Contest (ESC). Nachdem der Titel „Hannah Arendt“ im Schulfunk so oft rauf und runter gespielt wurde, bis ihn die Kids schon von ganz allein mitgepfiffen haben, dürfen sie nun selbst Vorschläge einbringen.

Alternative unter Zeitdruck

Im Gegensatz zum dreijährigen Reifeprozess des Hits „Hannah Arendt“ haben die Schüler dazu jedoch nur drei Monate Zeit, wird später ein Schülersprecher gegenüber einem ebenso unbedeutenden wie investigativen Satire-Organ zu Protokoll geben. Hastig schmieden die Pennäler trotzdem einen Hit über die Musikpädagogin Johanna Kinkel.

Idyllisch im Grünen gelegen, aber bislang namenlos. Demnächst soll die höhere Lehranstalt Lallendorf (HLL) den Namen "Hannah-Arendt-Gymnasium Markranstädt" tragen.

Idyllisch im Grünen gelegen, aber bislang namenlos. Demnächst soll die höhere Lehranstalt Lallendorf (HLL) den Namen „Hannah-Arendt-Gymnasium Markranstädt“ tragen.

Ähnlich wie beim ESC ist nun ein Vorentscheid erforderlich, mittels dessen die Weichen dafür gestellt werden, welcher der beiden Titel es zum Endausscheid in die Schulkonferenz schafft. Die Jury, die darüber befindet, nennt sich Gesamtlehrerkonferenz und setzt sich, wie der Name sagt, aus Pädagogen zusammen – also aus den Komponisten des Titels „Hannah Arendt“. Ist ungefähr so, als würde Ralph Siegel selbst entscheiden, ob sein Lied beim ESC gesungen wird oder eins von Heino.

Keine Chance für Heino

Der Rest dieser frei erfundenen Geschichte ist der genialen Vorbereitung zufolge ein aus lauter demokratischen Prozessen zusammengesetzter Selbstläufer. Bar jeder Konkurrenz und Alternative stand Hannah Arendt schließlich auf den Bühnen der Schulkonferenz, schließlich auch des Stadtrates und heimste dort ausnahmslos „Markranstädt: ten points“ ein.

Alles Fiktion: Was wirklich geschah

So viel zur Geschichte, wie sie sich nicht abgespielt haben kann, denn Hannah Arendts Lebenswerk galt unter anderem der Förderung pluralistischer Entscheidungen und dem entschiedenen Eintreten gegen totalitäre Tendenzen.

In der wahren Geschichte wurde der Drops demzufolge ganz demokratisch unter Einbeziehung der Schüler und Eltern gelutscht. Manche wollten das trotzdem als undemokratischen Akt sehen und kritisierten die Verfahrensweise (freilich erst hinterher, wie das in Markranstädt so üblich ist).

Vielleicht hilft diesen Kritikern ein Blick in die pädagogische Fachliteratur? Wie Professor Schnauz in seinem Buche „Die Gerechtigkeit des Lehrers unter besonderer Berücksichtigung der höheren Lehranstalten“ bereits vor fast 80 Jahren ausgeführt hat, ist es mit der Schule wie mit der Medizin: Sie muss bitter schmecken, sonst nützt sie nichts. Also runterschlucken und nach vorn gucken!

Trotzdem bleiben Fragen. Warum zum Beispiel hat man, wenn es sich schon um ein Markranstädter Gymnasium handelt, nicht einen Markranstädter Namenspatron gefunden, wo es doch selbst in Säule 6 des Schulprogramms heißt: regional verwurzelt?

Der 1877 in Markranstädt geborene Pädagoge Max Kirmsse, nach dem im westelbischen Idstein sogar eine Straße benannt ist, hätte sich hier ebenso angeboten wie der Physiker Viktor Schumann oder der Künstler Kurt Schiering. Die Antwort ist einfach: Abgesehen davon, dass es sich bei ihnen allesamt um alte weiße Männer handelt, haben sie in der Kolonialzeit gelebt. Da ist einfach die Gefahr zu groß, dass sich später mal herausstellen könnte, dass Schumann einen Neger Neger genannt oder Schiering in Chile einen Schrumpfkopf gesehen und nicht dagegen protestiert haben könnte. Und Kirmsse ist allein schon deshalb nicht salonfähig, weil er 1908 über die körperliche Züchtigung dozierte.

Vorbild braucht saubere Weste

Wenn sowas rauskommt, ist es vorbei mit der Vorbildwirkung für die heutige Jugend und von der Schule bis hinauf ins Bildungsministerium wären dann ganze Stäbe von Mitarbeitern monatelang damit beschäftigt, den Shitstorm in den regierenden Netzwerken zu besänftigen.

Vorbild mit Zigarette: Bildnis der deutsch-jüdischen Historikerin und politischen Philosophin Hannah Arendt an ihrem Geburtshaus in Linden. Das Kunstwerk ist eine im August 2014 fertiggestellte Auftragsarbeit der hannoverschen Graffiti-Künstler Patrik Wolters in Teamarbeit mit Kevin Lasner. Foto: Bernd Schwabe (CC BY-SA 3.0)

Vorbild mit Zigarette: Bildnis der deutsch-jüdischen Historikerin und politischen Philosophin Hannah Arendt an ihrem Geburtshaus in Linden. Das Kunstwerk ist eine im August 2014 fertiggestellte Auftragsarbeit der hannoverschen Graffiti-Künstler Patrik Wolters in Teamarbeit mit Kevin Lasner. Foto: Bernd Schwabe (CC BY-SA 3.0)

Dann schon lieber ein Vorbild wie Hannah Arendt. Dass sie nicht nur geraucht hat, sondern gequarzt wie eine Stadtsoldatin, mag angesichts fehlender Aschenbecher auf den Schulbänken zwar auch nicht gerade vorbildhafte Wirkung entfalten, passt aber zumindest in jede der sechs Säulen des Schulprogramms – von beständig bis engagiert.