Mehr Toleranz mit Nr. 128

Ganz Deutschland diskutiert in diesen Tagen über Asyl, Asylanten und Asylrecht. Auch in Markranstädt gab und gibt es dazu Veranstaltungen. Dabei haben wir längst bewiesen, dass wir tolerant sind, mit Minderheiten umgehen können und für jeden Gast eine überwältigende Willkommenskultur bereithalten. Markranstädt ist geradezu ein Hort der Toleranz.

Und das nicht erst seit gestern. Schon vor 25 Jahren wurden bei uns in Sachsen die noch heute deutschlandweit gültigen Maßstäbe für Integration gesetzt. Ganz gleich, ob da ein Verfolgter der Finanzbehörden aus Baden-Württemberg ein Bleiberecht erstritt oder ein höherer Beamter aus einem anderen abgenutzten Bundesland, der in irgendeine Leipziger Verwaltungsstelle delegiert wurde und dort bis zum Erreichen seines Rentenalters die Karriere eines Einheimischen blockieren darf.

Ursprünglich davon ausgehend, dass wir der Bundesrepublik beigetreten sind und nicht umgekehrt, kamen plötzlich ganze Heerscharen gefährdeter Existenzen mit westdeutschem Migrationshintergrund über uns hereingebrochen. Es war, als hätten wir mit der Einheit von außen ein Schott am sinkenden Schiff geöffnet. Und trotz der Tatsache, dass sie jeglichen Integrationswillen vermissen ließen, haben wir sie in unsere Mitte aufgenommen. Nicht einmal Asylanten wie Lothar Späth, der noch nach 25 Jahren koi Wörtle doitsch schwätze tät, hat man aus Ostdeutschland zurück ins Krisengebiet am Neckar abgeschoben.

Manch einer arbeitet sogar

Nicht alle, die mit geleasten Autos zu uns in den Osten kamen, waren Rechtsanwälte, Verwaltungsbeamte, Immobilienhändler oder Banker. Manche haben wirklich Arbeit gefunden und es geschafft, sich zu integrieren. Und so darf in Markranstädt der badische Dachdecker mit dem thüringischen Tierarzt und dem sächsischen Feuerwehrmann an ein und dem selben Stammtisch sitzen, ohne dass er wegen seiner Hautfarbe, seiner Sprache oder Religion diskriminiert wird. Wo bitteschön gibt es sowas sonst noch in Deutschland?

`s Ingrid und `s Hilde

Wir sind tolerant! Wir haben die Flüchtlinge, die sich von Schlepperbanden der Treuhand geführt, todesmutig über die Elbe wagten, aufgenommen und sie sogar dann gewähren lassen, als sie sich anschickten, uns ihr Fast-Food, ihre St. Pauli-Nachrichten und – ja – sogar ihre Frauen aufzuzwingen. `s Ingrid beispielsweise, astreine Saarländerin und als verheiratete Biedenkopf das politische Pendant zu `s Hilde Becker, wurde nach ihrer Flucht aus der einstigen ostfranzösischen Kolonie First Lady in Sachsen! Wir haben sogar jahrelang so getan, als würden wir sie ernst nehmen. Da muss doch die Frage erlaubt sein, was wir noch alles tun müssen, um als tolerant zu gelten?

Sogar Sorben sind wieder an der Macht

Und heute ist das nicht anders. Während die Markranstädter Bürgerschaft bei einschlägigen Seminaren in therapeutisch abgestimmten Dosierungen auf eine aus 127 Menschen (0,8 Prozent der Bevölkerung) bestehende Überfremdung vorbereitet wird, ist ganz Sachsen längst unterwandert von Migranten und Minderheiten.

Wir haben einen sorbischen Ministerpräsidenten, davor hatten wir einen aus dem Sauerland und vor diesem einen aus der Pfalz. Mitten in Markranstädt thront ein Bürgermeister mit ostfriesischem Migrationshintergrund! Er spricht inzwischen sogar schon ganz ordentlich deutsch. Mangelnden Integrationswillen kann man ihm also nicht unterstellen, wenngleich die Beherrschung der Sprache nicht automatisch heißen muss, dass man ihn auch immer gut versteht.

Und was in der Politik zumindest zur Zeit noch undenkbar ist, wurde im Sport bereits vollbracht. Im regionalen Fußball haben wir 70 Jahre nach dem verheerendsten aller Desaster in der deutschen Geschichte schon wieder einen Österreicher an der Spitze. Er hat den Markranstädter Zschampert-Gau bereits vor sechs Jahren annektiert, ohne dass irgendeine alliierte Macht nur einen Deut mehr als wortgewordenen Widerstand entgegensetzen konnte. Hart wie Polster, flink wie Lauda und rot wie ein Bulle – da sage noch jemand, wir wären nicht weltoffen!

Probiersöckchen & Gummihandschuhe

Trotzdem: Auch wenn wir die gleiche Hautfarbe haben, sind die meisten der zwischen 1945 und 1990 entstandenen Rasseunterschiede auch heute noch sicht- und spürbar. Man erkennt sie immer irgendwie, die Einwanderer von Weser, Rhein oder Donau. Es sind die, die am Samstagvormittag den Rasen mähen und in der Siedlung, die einst uns gehörte, durchgesetzt haben, dass jetzt nachmittags Ruhe herrscht. Ihre Frauen ziehen sich Gummihandschuhe an, wenn sie den Geschirrspüler beschicken, nehmen Probiersöckchen mit in den Schuhladen und haben auch sonst viel Reserven. Aber das stört uns nicht, selbst wenn sie sich vor dem Gesichtwaschen den Lidstrich nachziehen.

Wir sind sogar so selbstbewusst, dass wir Zigeuner noch Zigeuner nennen. In Berlin haben Politiker dafür jüngst den Begriff „mobile ethnische Minderheiten“ erfunden. In Markranstädt muss man für solch einen Fausthieb ins Angesicht unserer Muttersprache mit einer Hausdurchsuchung wegen illegalen Drogenkonsums rechnen. Aber wir sind tolerant und bremsen sogar dann für Politiker, wenn ihnen ihr eigenes dussliges Geseier das Hirn zersetzt hat.

Mehr noch! Wir sind stets bemüht, den armen Vertriebenen das Gefühl von Geborgenheit und Heimat zu geben. Mal ehrlich: Wir wären doch vor 1989 nie auf die Idee gekommen, uns beim Bäcker nur zwei Brötchen zu holen oder gar nur ein halbes Brot? Und gleich gar nicht hätten wir uns dafür eine Quittung geben lassen, um die „Teilchen“ am nächsten Tag reklamieren zu können.

Komische Sitten und Gebräuche

Keine Hausfrau und erst recht kein zum Einkaufen geschickter Mann hätte sich die Blöße gegeben, die Verkäuferin zu bitten, das halbe Brot auch noch in Scheiben zu schneiden. Diese Offenbarung eigenen handwerklichen Ungeschicks im Umgang mit Schneidwerkzeugen kam vor 1990 einer sozialen Ächtung gleich. Eine Frau, die kein Brot schneiden konnte, wäre durch die Evolution von ihrer Fortexistenz ausgeschlossen worden. Sie hätte bestenfalls einen Parteisekretär abgekriegt, nicht aber einen Mann.

Aber heute machen wir das. Wir kaufen nur zwei Brötchen, ein halbes geschnittenes Brot und fahren damit wieder nach Hause. So tolerant sind wir.

Die Badehose wahrt das Gesicht

Ach ja: Unsere Kultur haben wir ihnen auch geopfert. Ganz besonders unsere Freie Körperkultur. Sie kamen einfach nicht klar damit, dass ihre Adidas-Bikinioberteile, in die sie ihre von Frühstückscerealien und Oil von Olaf erschlafften Brüste hineingerollt hatten, am Kulki-Strand höchstens negativ auffielen. Letztendlich haben wir uns gefügt, nur um nicht noch länger das ewig nörgelde „Guck mal da, Hans-Wilhelm. Tse, tse, tse, bei der Figur würde ich mir aber lieber was anziehen. Aber so sind sie, die Ossis“ anhören zu müssen.

So kam, was kommen musste: Wo sich einst herzerfrischend blankes Fleisch am Kulki-Strand wälzte und lustiges Gejohle fröhlicher Kinder zu hören war, kacken heute ganze Rudel degenerierter Hunde hinter die Büsche. Unsere Toleranz ist geradezu grenzenlos.

fkk1

Kennen wir noch aus dem Schul-Atlas: Links war der Westen, rechts die DDR. Aus einem verkniffenen Hintern kommt selten ein fröhlicher Furz.

Manche Dinge aber haben wir uns nicht nehmen lassen. Da haben wir sie gründlich verarscht, die Migranten aus dem Abendland. Als schnell lernende, überlegene Rasse haben wir keine vier Wochen gebraucht, um dahinter zu kommen, dass die auf Etiketten abfahren, statt auf den Inhalt zu gucken.

So heißt der ehemals operative Vorgang der Stasi heute Rasterfahndung, die Poliklinik haben wir mal Ärztehaus und mal Medizinisches Versorgungszentrum genannt und das Politbüro heißt heute Kanzleramt. So konnten wir sogar nahezu unbemerkt eine FDJ-lerin zum Bundeskanzler machen. Wir sind nicht nur tolerant, sondern wir können uns diese Toleranz auch leisten. Weil wir strategisch überlegen sind!

Die falschen Verdächtigen

So – und da will uns, die wir so tolerant und mächtig sind, jetzt jemand erklären, wo das Problem mit 127 wirklich verfolgten, schutzbedürftigen Menschen liegt, die auch noch so in der Stadt verteilt werden, dass sie kaum auffallen? Da sollen wir wirklich auf Leute hören, die uns Glauben machen wollen, dass da potenzielle Diebe zu uns kommen, wegen denen wir unsere Haustüren verbarrikadieren müssen, während Banker und Politiker sowas von Büros aus erledigen, die wir ihnen sogar noch bezahlen?

Zu überzeugend geschauspielert?

Echt jetzt – so doof sind wir nun auch wieder nicht, auch wenn wir uns seit 25 Jahren alle Mühe geben, wenigstens den Anschein zu vermitteln. Aber wahrscheinlich haben wir das zu echt gespielt und man glaubt uns das jetzt? Jedenfalls münden die Zweifel an unserer Toleranz in dem Vorschlag, im Rathaus jemanden einzustellen, der sich um die 127 Leute kümmert. Natürlich kann das nicht ein x-beliebiger Irgendjemand sein. Es müsste sich schon um eine Fachkraft handeln, die fließend arabisch spricht, die libysche Kultur versteht, syrisch schreiben kann und zu allem Überfluss die deutsche Bürokratensprache beherrscht.

Nummer 128 soll es richten

Tja, und weil das hier im Osten wahrscheinlich niemand kann, müssen wir wohl schon wieder einen Blender aus dem Abendland holen, der das zwar auch nicht beherrscht, dies jedoch so überzeugend, dass er in Markranstädt bequem sein Rentenalter erreicht. Obwohl noch niemand weiß, wer das sein könnte, hat er im Lallendorfer Volksmund schon seinen Namen weg: Herzlich willkommen Nummer 128.

 

Keine Chance bei Zehn gegen Zwölf

Es war alles angerichtet. Pünktlich zum Anpfiff hatte sogar der Heiland Interesse am Relegations-Rückspiel und ließ Petrus die Wolken beiseite schieben, damit sie ihm die Sicht auf das Stadion am Bad nicht versperrten. Spätestens Mitte der ersten Halbzeit müssen dem Herrn aber bei einem der Akteure da unten auf dem Rasen ernsthafte Zweifel am Sinn seiner Schöpfung gekommen sein. Und das ausgerechnet bei dem, der keins der beiden Mannschafts-Trikots trug.

Gefickt eingeschädelt: Die Zuschauerränge gegenüber der Tribüne, wo die Fernsehkamera stand, war gesperrt. So musste sich das Gros des Publikums auf der Tribünenseite sammeln.

Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Zumindest für die Fensehzuschauer sah es so aus, als wäre im Stadion am Bad endlich mal wieder volle Hütte gewesen, was sich die Mannschaft angesichts ihrer Leistungen wirklich auch mal verdient hätte. War aber nicht. Selbst die offiziell gemeldete Zahl 1.000 wurde im Publikum vielfach angezweifelt.

stadion

Sieht nach viel aus, wenn sich’s an der Tribünenseite zusammenschiebt…

Es ging um den Aufstieg in die Regionalliga. Da sollte auch der Schiedsrichter mindestens Oberliga-Format haben. Das hatte der Eisenacher Eugen Ostrin zweifelsfrei, jedoch eher nicht in der Sportart Fußball. In Großlehna beim Schach oder gleich gegenüber des Stadions bei den Keglern, da hätten sie ihn vielleicht gern genommen. Aber bei der Fußball-Begegnung zwischen Markranstädt und Luckenwalde war er einfach nur ein mitentscheidender Störfaktor.

Am frühen 0:1 hatte er allerdings wenig Anteil. Den Freistoß in der 1. Minute konnte man geben. Ein tückischer Aufsetzer aus 25 Metern auf nassem Rasen. Jokanovic fiel wie eine Bahnschranke, konnte das Ding nicht fassen. Unser MN-Fotograf auf der Tribünen-Gegenseite hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal die Kamera ausgepackt. Nach dieser kalten Dusche stand quasi alles auf Anfang. Bis zur 19. Minute.

rot

Seinem förmlichen Antrag gegen Robben wurde stattgegeben: Rot für Zickert.

Luckenwaldes Robben macht gegen Zickert den Prellbock. Noch bevor der Referee pfeifen kann, springt der Neu-Lokist mit einem gekonnten Hock-Streck-Sprung (Haltungsnote 1,2) auf und legt Robben dabei nicht ganz freundschaftlich die Hände auf die Schultern. Dem Luckenwalder werden ob so viel Zärtlichkeit die Knie weich und er sinkt zu Boden. Es folgt ein langer und reger Gedankenaustausch zwischen allen Akteuren. Am Ende bekommt Robben Gelb und Zickert fliegt mit Rot vom Platz.

Spätestens ab diesem Zeitpunkt war klar, dass Zickert mit seinem Wechsel zu Lok keinen Fehler gemacht hat. So oder so wäre in der kommenden Saison bestenfalls Oberliga für ihn drin gewesen. Noch aber hoffte das Publikum, wenngleich in dessen Reihen bereits erste Verschwörungstheorien laut wurden. Dazu später.

Nach dem Platzverweis schien es, als wäre die rote Karte sowas wie ein rektaler Doping-Einlauf für die Lallendorfer gewesen. Phasenweise kamen die Luckenwalder gar nicht mehr aus ihrer Hälfte heraus. Doch immer wenn’s brenzlig wurde, half ihnen der schwarz gekleidete Regel-Interpret von der Wartburg.

Der Mann schien sein Hörgerät auf „Volume max“ gedreht zu haben. Ein Gelber aus Brandenburg musste nur laut genug schreien, schon folgte der Pfiff. Ein Grund fand sich immer. Mal lag der Würfel auf Kippe, dann wieder hätte Markranstädt Trumpf bedienen müssen und schlussendlich wurden wohl auch Schrittfehler gepfiffen Markranstädt biss sich trotzdem vorne fest, leider ohne zählbaren Erfolg. Was dennoch auf des Gegners Kasten kam, fischte dessen Torwart souverän ab.

nullzwei

Klangvoller Name sorgt für das 0:2. Robben trifft für Luckenwalde.

Aber es ist bei solch einem Männersport wie im wahren Leben einer Frau: Selbst dem leistungsfähigsten Abschnitt folgt irgendwann die unausweichliche Menopause. Manchmal leider auch etwas früh. In diesem Fall bereits in der 37. Minute. Robben, jetzt mit Knie aus Stahl, tanzt in einer nicht ganz schlechten Einzelleistung die linke Abwehrseite aus versenkt die Nille zum 0:2. Nur der verbalen Hormonersatztherapie von Trainer Weber an der Außenlinie ist es wohl zu verdanken, dass dies auch der Halbzeitstand war.

weber

Mit Drei-Tage-Bart à la Klopp im letzten Spiel als Trainer des SSV: Heiko Weber.

Halbzeit zwei. Noch immer Hoffnung im Publikum, wenngleich inzwischen die abenteuerlichsten Verschwörungstheorien die Runde machten. Die reichten von der Vermutung, dass sich der NOFV eines finanziell angeschlagenen Problemkinds in der Regionalliga lieber gleich im Vorfeld entledigen wolle bis hin zu dem Gerücht, dass der Spielausgang zumindest nicht entgegen Markranstädter Interessen abgekartet wurde.

Angeblich soll für das Stadion am Bad die Genehmigung zur Austragung von maximal 18 Regionalliga-Spielen pro Saison vorliegen. RB Leipzig II plus SSV Markranstädt macht aber zusammen schon mal 36 und selbst ein aus Chemnitz angereister Zuschauer meinte angesichts der für ein Ereignis dieser Kategorie überschaubaren Zuschauerkulisse, dass er da lieber die Miete vom Brause-Mogul nehmen würde.

nulldrei

Das 0:3 in der 55. Minute. Jetzt war das Ding gelaufen.

Ob da was dran ist, sei dahingestellt. Die auf dem Platz verbliebenen zehn Markranstädter kämpften jedenfalls leidenschaftlich gegen die 11 Luckenwalder und ihren Schiedsrichter. Der taute Mitte der zweiten Halbzeit richtig auf und leistete sich nun sogar Fehlentscheidungen zugunsten der Lallendorfer. Da stand es allerdings schon 0:4. Bald schon nach Ibolds Ehrentreffer hatte auch der Heiland genug und ließ es pünktlich zum Abpfiff wie aus Eimern schütten.

Rest in peace

Um die Eindrücke mal in einem Extrakt münden zu lassen: Der Schiri war nicht schuld an der Niederlage. Sie war folgerichtig, weil Markranstädt zwar die besseren Individualisten hatte, es aber im Abschluss haperte und an diesem Tag auch noch Zickert und Pech hinzu kamen. Luckenwalde ist nicht unverdient aufgestiegen. Punkt!

paradelw

Was durch kam, fischte der Luckenwalder Keeper weg.

Es war das auf lange Sicht wohl letzte Spiel einer Markranstädter Elf auf diesem hohen Niveau. Das leistungstragende Gerüst der Mannschaft läuft in der kommenden Saison für andere Teams auf und Trainer Heiko Weber sagte nach der Begegnung klipp und klar: „Ich habe immer gesagt … wenn wir in der Oberliga spielen, bin ich kein Trainer mehr in Markranstädt“.

Ein schöner Traum wars und guter Fußball auch. Lediglich das Sportpublikum aus der Sportstadt am See erwies sich sowohl zahlenmäßig als auch in der Wirkung als nicht regionalligatauglich. Auch am Samstag kamen die Fangesänge wieder nur von den knapp 100 mitgereisten Fans aus Luckenwalde.

 

Lichtjahre zwischen zwei Spielen mit einem Sieg

So wie gestern in Markranstädt, muss es im Krieg gewesen sein, als die Menschen vor den Goebbelsschnauzen hingen und versucht haben, BBC ranzukriegen. Gestern waren es die Live-Ticker im Internet, die angewählt wurden. Okay – auf unseren nach dem MDR verlinkten Melder verirrten sich gerade mal 43 Leser. Aber die Konkurrenz war ja auch groß. Auch bei Facebook gab es sporadische Informationen und praktisch gleich nebenan übertrug der LVZ-SportBuzzer den 0:1-Sieg unserer Jungs ebenfalls per Live-Ticker. Aber nicht immer schienen die Reporter vor Ort das gleiche Spiel gesehen zu haben.

MDR-Live-Ticker und SportBuzzer liefen auf den Monitoren der Markranstädter Nachtschichten parallel. Ein durchaus interessanter Vergleich, der damit begann, dass beide Medien erst mal gar nichts von sich gaben.

Der Grund: Das Spiel begann mit rund 12 Minuten Verspätung, da vor dem Luckenwalder Werner-Seelenbinder-Stadion nur eine Kasse geöffnet hatte, die dem Ansturm der 1.036 offiziellen Zuschauer nicht gewachsen war. Acht Minuten vor dem Anpfiff schwenkten die Kassierer im Ticket-Häuschen die weiße Fahne und baten um Verlängerung.

Anpfiff nach Verlängerung

Punkt 19:12 Uhr begann die Begegnung. Luckenwalde hatte Anstoß. Rund fünf Minuten später meldete der MDR-Ticker die erste Chance für Lallendorf durch Dwars, der den Ball über den gegnerischen Kasten köpfte. Kurz darauf erschien beim SportBuzzer die Mitteilung, dass es Pierre LeBeau war, der die Nille über das Luckenwalder Tor genickt haben soll. Wer’s am Ende wirklich war? Nur eins ist sicher: Sparwasser gewiss nicht.

Zwischen der 15. und der 29. Minute passierte beim MDR gar nichts, während die Buzzer-Reporterin immerhin Chancen von Robben (17.) und LeBeau (21.) sowie eine waghalsige Aktion von Jokanovic gesehen hatte. Sozusagen als ausgleichende Gerechtigkeit entdeckte der wiedererwachte MDR-Reporter in der 42. Minute ein Foul an Dwars und ihm entging sogar der anschließende Freistoß durch Hesse nicht. Beides muss wohl in dem Moment passiert sein, da die Dame vom Buzzer gerade mal etwas länger gezwinkert hat.

Die machte ihren Fehler aber wieder gut, indem sie uns von der Zuschauerzahl unterrichtete, die der MDR wiederum erst nach dem Schlusspfiff preis gab. Die Riesenchance von Zimmermann, der zu Beginn der zweiten Halbzeit das leere Tor verfehlte, sahen zwar beide Beobachter, doch wurde dabei offenbar, dass sich der MDR-Reporter in einer völlig anderen Galaxie befunden haben musste.

dwarsbuz

Das doppelte Lottchen aus Lallendorf: LeBeau oder Dwars?

drwarsmdr

Der MDR legte sich auf Dwars fest.

Was der Buzzer in der 57. Minute sah, fiel den Berichterstatter vom MDR erst in der 59. Minute auf. Wenn Licht 300.000 Kilometer pro Sekunde zurücklegt, muss der Mann vom Mitteldeutschen Rundfunk in einem 36 Millionen Kilometer entfernt aufgestellten Sessel Platz genommen haben. Das erklärt den tieferen Sinn von Presselogen in größeren Stadien.

Den gleichen Zeitabstand gab es schließlich bei der Meldung, dass Markranstädt etwa 20 Minuten vor Schluss den Druck erhöhte. Den Schuss von Al-Azzawe sah der SportBuzzer dann sogar schon drei Minuten eher als das Team vom MDR.

Aber das muss die Öffentlich-Rechtlichen irgendwie aufgerüttelt haben. Entweder wurden die Uhren neu justiert oder der Kaffee begann zu wirken.

Aufholjagd nach Koffein-Injektion

Jedenfalls fiel der Markranstädter Siegtreffer dann wieder einheitlich in der 87. Minute und nicht nur die Licht-, sondern auch die Schallgeschwindigkeit war am Ende wiederhergestellt, da beide Medien den Schlusspfiff zur gleichen Zeit vernahmen.

57buz

Zwei Minuten früher als die Konkurrenz: SportBuzzer mit Glaskugel?

57mdr

Physikalische Erklärung für MDR-Verzögerung: Licht braucht für 36 Millionen Kilometer zwei Minuten.

Da bleibt zu hoffen, dass im Zeitalter des Radios, des Fernsehens und anderer auditiv-visueller Medien die Abhängigkeit von solch prähistorischen Lösungen wie Live-Ticker oder vielleicht sogar Teletext in der Regionalliga der Vergangenheit angehören.

Das große Finale live vor Ort!

Das Rückspiel findet zum Glück vor der Haustür statt und es wäre traurig, wenn Regionalligist Markranstädt die 1.036 Zuschauer des Oberligisten aus Brandenburg nicht toppen würde. Live is eben live.

 

 

Rolle rückwärts auf Fahrrädern und SSV-Spiel hier im Live-Ticker

Robert Zickert und Kevin Zimmermann gehen en bloc zu Lok Leipzig, David Haider Kamm Al-Azzawe und Dawid Krieger haben in Meuselwitz unterschrieben und auch Trainer Heiko Weber ist dort im Gespräch, nachdem er seinen Posten beim SSV Markranstädt offenbar freiwillig zur Verfügung stellte. Gegenüber dem MDR klang das aber schon gestern nicht mehr so endgültig und heute wird in der LVZ die Rolle rückwärts offiziell angekündigt.

Da versteht man langsam auch, weshalb es fast schon sinnlos ist, sich über die Situation des SSV Gedanken zu machen. Was heute noch richtig ist, kann morgen schon nie gewesen sein.

So langsam sind sogar Zweifel daran erlaubt, ob Zickert, Zimmermann, Al-Azzawe und Krieger im Falle eines Aufstiegs wirklich gehen oder die neuen Verträge nicht doch eine Bleibe-Klausel beinhalten.

Das ist der ideale Kitt fürs nahende Sommerloch in den Medien.

neu-1

In der heutigen LVZ wurde die angekündigte Rolle rückwärts präsentiert.

Heiko Weber ist ein sympathischer Mann. Nicht gerade ein gefundenes Fressen für Pressevertreter, weil ihm wohl der Dreitage-Bart fehlt und er keine Sprüche à la Kloppo drauf hat, aber darum geht’s auch nicht.

Weber ist ein solider Fußballlehrer, der den Doppel-Sechser schon spielen ließ, als der weltweit nur bei Jogi Löw auf dem Zettel stand. Und er ist erfolgreich! Über die Hälfte aller seiner Spiele als Trainer hat Heiko Weber gewonnen, nur 29 Prozent verloren.

Wenn der SSV Markranstädt aufsteigen sollte, dann ist es der Aufstieg seiner Mannschaft. Das allein kann schon Grund genug sein, sich das mit dem Weggang noch einmal zu überlegen. Allerdings macht das nur Sinn, wenn nicht noch mehr Spieler gehen oder man adäquate Neuzugänge verpflichten kann. Irgendwie ist die Situation des SSV vergleichbar mit den letzten Tagen der DDR, als auch schon viele weg waren und manche weitermachen wollten.

Allein aus christlicher Nächstenliebe oder für einen Betriebskostenzuschuss wird weder Weber am Bad bleiben, noch ein Spieler dort kicken. Auch die Budgets der Sponsoren und Mäzene scheinen ziemlich ausgereizt, was andere Vereine in der Stadt, die früher immer mal mit einem kleinen Zubrot versehen wurden, in den letzten Jahren am deutlichsten zu spüren bekamen. Oft genug war schon das Vorzimmer des Geschäftsführers die letzte Station auf dem Gang nach Canossa.

Am Samstag kurz vor 17 Uhr sind die Weichen gestellt. Heute findet das vorentscheidende Hinspiel in Luckenwalde statt.

Einen kleinen Vorgeschmack auf den möglichen Luxus kommender Monate in der Regionalliga können die Markranstädter Nachtschichten ihren Leserinnen und Lesern dank selbstloser Unterstützung durch den MDR bieten. Pünktlich zum Anpfiff des Hinspiels können Sie die Begegnung an dieser Stelle per Live-Ticker verfolgen.

neu-2

Sowas haben Fans anderer Vereine zwar mitunter schon in den Niederungen der Kreisklasse selbst organisiert, aber dazu braucht man erstens auch Fans und zweitens ist das Internet, wie wir von unserer Kanzlerin wissen, schließlich für uns alle Neuland. Übrigens wurden unsere Fußballer gestern beim Abschlusstraining am Bad auf Fahrrädern mit besonders hoch eingestellten Satteln gesichtet. Heiko Weber, der alte Fuchs, ließ seine Jungs das Aufsteigen üben…

 

Aufstieg aus Versehen?

Im Fußball ist alles möglich. Sogar dass ein FIFA-Präsident gewählt wird, gleich danach seinen Rücktritt ankündigt und sich dann doch fürs Amt entscheidet. Auch der Vorstand des SSV Markranstädt kündigte seinen Rückzug an und will nun noch etwas weitermachen. Und jetzt schickte auch noch der liebe Fußballgott ein paar Schienbeinschoner auf die Erde. Ausgerechnet nach Lallendorf! Am letzten Spieltag scheiterte Lok in Erfurt, Markranstädt gewann und steht plötzlich in den Playoffs zur Regionalliga. Frodo Beutlin auf dem Weg nach Mordor. Was für ein Irrsinn!

Ein paar Lok-Fans ließen es noch nicht einmal dazu kommen, dass die Probstheidaer in Erfurt ordentlich verlieren konnten und führten einen Spielabbruch herbei. Markranstädt nahm den Steilpass dankend an und gewann derweil gegen Rudolstadt mit 6:1.

Mitten in der Krise, in der sogar schon der Rückzug der ersten Mannschaft kolportiert wurde, sind die Lallendorfer Kicker wirklich die zweite Kraft im Leipziger Fußball geworden und könnten theoretisch aufsteigen. Aber will man das eigentlich?

Fakt ist, dass das tragende Personalgerüst schon längst woanders unter Vertrag steht. Zuletzt hatten die beiden Dav(w)ids in Meuselwitz unterschrieben. Und mit dem, was aus rein finanziellen Gründen neu in den Suppentopf am Bad geworfen werden kann, könnte kaum die Oberliga zu halten, geschweige denn eine würdevolle Saison in der Regionalliga zu bestreiten sein.

Da scheint es wirklich nicht abwegig, Luckenwalde in der Relegation mit guten schauspielerischen Leistungen den Vortritt zu lassen. Allein schon, um mit einer billigen Rumpfmannschaft in der kommenden Oberliga-Saison bei Duellen gegen Lok und Chemie die lichten Kassen wenigstens etwas zu füllen, ehe es dann eine Etage tiefer geht.

In der gegenwärtigen Situation wäre der SSV in der Regionalliga vergleichbar mit Somalia beim G7-Gipfel. Mit dem Unterschied, dass der Name Markranstädt und vor allem die jüngere Historie des SSV im elitären Kreise noch relativ unbekannt zu sein scheinen. In einem Forum fragte nach dem gestrigen Lok-Debakel ein User: „Lok Leipzig, ist das nicht der Verein, aus dem RB Leipzig hervorgegangen ist? Trotzdem schade.“

Holt Blatter WM nach Markranstädt?

Im Augenblick scheint es jedenfalls realistischer, Ex-FIFA-Präsident Blatter den Chefsessel am Bad anzubieten und ihn gleich noch die Weltmeisterschaft 2026 nach Markranstädt holen zu lassen. Wem, wenn nicht Blatter, sollte das gelingen? Einziger Wermutstropfen: Fast täglich Bombenalarm auf dem Markranstädter Bahnhof wegen herrenloser Geldkoffer. Beim SSV selbst, so scheint es, kann man mit dem plötzlich hereingebrochenen Glück jedenfalls gar nicht so richtig umgehen.

In der Außenwirkung klingt es konstant verhalten. Lediglich im letzten Satz wird per Internet-Präsenz auf die Situation hingewiesen: „…sogar noch Platz 3 in der Tabelle erreicht haben und damit in der kommenden Woche gegen Luckenwalde um den Platz in der Regionalliga spielen.“

Jubel oder wenigstens Freude über diesen letztendlich doch überraschenden Zwischenerfolg klingt anders. Nicht einmal von Emotionen kann man da sprechen, geschweige denn, sie fühlen. Aber das kennt man ja vom SSV: Öffentlichkeitsarbeit aus der Gefriertruhe.

Wahl zwischen Pest und Cholera

Man möchte fast Wetten abschließen auf den Aufstieg von Luckenwalde. Zu unvorstellbar ist der Gedanke, dass sich der SSV Markranstädt unter den gegenwärtigen Vorzeichen dem wirtschaftlichen Risiko eines Regionalliga-Abenteuers aussetzt und Gefahr läuft, auf Ewig den Ruf an sich zu binden, den Tasmania Berlin noch heute aus seinen Bundesliga-Tagen trägt.

Showdown am kommenden Sonntag

Kleiner Lichtblick: Der SSV Markranstädt zählt zu jenen 13 Oberligisten aus dem Osten, die beim NOFV die Zulassung für die Regionalliga beantragt haben. Schon am Mittwoch steigt um 19 Uhr das Relegations-Hinspiel in Luckenwalde, am Sonntag dann das entscheidende Rückspiel im Stadion am Bad. Egal, ob es das Ende eines langen Traums oder der Beginn einer neuen Perspektive wird: Es wäre peinlich für eine selbsternannte Sportstadt, sollten sich wieder nur 250 Zuschauer ins Stadion am Bad verirren.

Nachsatz: Zum Termin des Relegations-Rückspiels gibt es unterschiedliche Angaben. Der FSV Luckenwalde machte seine Fans mit dem kommenden Samstag vertraut, die LVZ mit Sonntag und der Kicker berichtet gar schon von einer konkreten Anstoßzeit am Sonntag um 14 Uhr. Der SSV selbst will Spieltag und Anstoßzeit „zeitnah“ mitteilen. 

Der Schlagbaum hat wieder ausgeschlagen

Mühsam streckt die Gerste am Fuße der Frankenheimer Mühle ihre grünen Halme gen Sonne. Trotz besten Ackerbodens gibt’s hier, wie überall in Mitteleuropa, nur eine Ernte im Jahr. Andere Kulturen wachsen schneller.

Die Schranke am Verbindungsweg zur Markranstädter Straße, die auf dem Stadtplan auch als „An den Windmühlen“ zu finden ist, hat beispielsweise einen solch hohen Vegetationsrhythmus, der sie bis zu drei mal im Jahr gedeihen lässt. Jetzt steht sie schon wieder in voller Pracht inmitten der Landschaft und wartet auf die nächste Ernte.

Kritiker behaupten ja nach wie vor, dass die Schranke an dieser Stelle ungefähr so viel Sinn macht wie das Verschließen der Gartentür am Hintereingang eines Grundstücks, damit durch das Haupttor vorn niemand in den Hof gelangen kann.

Andererseits muss aber auch etwas getan werden. Erst am 19. Mai kam dort wieder ein Rentner mit Vmax auf die Piste geheizt und hat einen VW Sharan aufs angrenzende Feld zum Ackern geschickt. Glück, dass der Mann am Steuer des VW grundsätzlich so vorausschauend fährt, dass bei ihm die Mücken gewöhnlich auf der Heckscheibe kleben.

Die Fortpflanzung genetischer Fehler

Würde es sich um ein echtes Naturprodukt handeln, wäre die Schranke schon lange der natürlichen Auslese anheim gefallen. Die Natur lässt nicht zu, dass ein Fehler in der Evolution zwei- oder gar dreimal gemacht wird. Sie hätte dem genetischen Code des Schlagbaums bei dessen Wiedergeburt mindestens eine Wirbelsäule aus Panzerstahl verliehen und sie mit Kraftstrom ausgerüstet, der an blanken Metallteilen auf seine Feinde lauert.

Da aber nicht die Natur, sondern der Mensch für diese besondere Stagnation der Evolution verantwortlich ist, steht der Schlagbaum da wie immer. Also wie immer, wenn er mal da steht. Die meiste Zeit ist ja die Zeit, in der die Schranke nicht da ist. Erntezeit sozusagen. Vegetationspause.

Nur ein Stoppel erinnert dann an die Stelle, an der sie irgendwann wieder wachsen soll. Wenn man sie wenigstens so hoch gebaut hätte, dass man drunter durchfahren kann, hätte man einen Unfallschwerpunkt weniger in der Stadt.

schloss

Feuerwehrfreundlicher Schließmechanismus?

Aber da die meisten Unfälle ohnehin an dem Ende der Straße passieren, an dem der Schlagbaum nicht steht, sind diese Kollateralschäden hinnehmbar.

Wahrscheinlich werden sich auch die Architekturkritiker aus Lindennaundorf und Frankenheim künftig zurückhalten, denn im Zuge des Neubaus der Schranke erhielten sie endlich ihre lang ersehnte Umgehungsstraße.

umgehung

Die neue Umgehungsstraße (links neben der Schranke) soll den Namen Gerstenweg erhalten.

Die führt zwar mitten durch die Gerste, aber da man die sowieso nur einmal im Jahr ernten kann, hat sie den Wettkampf der Evolution gegen den Schlagbaum schlussendlich sowieso verloren.